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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebmlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 53. Dienstag den 11. Juli 1871. B e k a n n t m a ch u lt g. Da die Amtshauptmannschaft ergangener Verordnung gemäß zu Anfang künftigen Monats die Liquidationen über Leistungen an mobile Truppenabtheilungen einzureichen hat, so werden alle, namentlich auch die in den Monaten Juni und Juli mit Einquartirung belegten Rittergüter und Gemeinden des hiesigen Bezirks aufgefordert, die Belege über dergleichen Leistungen (excl. des Naturalquartiers) sofort mit Schluß des laufenden Monats anher einzusenden, hierbei anch die etwa noch nicht eingereichten Belege über frühere Leistungen anher gelangen zu lassen. Dresden, den 6. Juli 1871. Königliche Amtshauptmannschaft. von Vieth. Ludwig. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 10. Juli 1871. Am vorigen Donnerstag, den 6. Juli, waren cs 25 Jahre, daß der hiesige Mädchenlehrer 'VVsrnsr an hiesiger Stadtschule als stän diger Lehrer angestelll wurde, wie nicht anders zu erwarten, gestal tete sich dieser Tag für Herrn vom frühen Morgen an zu einem wahren Nicht allein von Seiten der städti ¬ schen und geistlichen Behörden, sondern anch von den vielen Freunden des Jubilars wurden ihm zahlreiche Beweise der Anerkennung und Liebe dargebracht. Auch die Liedertafel, deren langjähriges treues Mitglied der Jubilar ist, überreichte ihm durch eine Deputation eine silberne Schnupftabaksdose. Gleichzeitig verband die genannte Ge sellschaft an diesem Tage die Feier eines zweiten Jubiläums, näm lich die 25jährige Jubelfeier ihres bisherigen Cassirers, des Herrn Mädchcnlehrer Odsnaus, und überreichte demselben, als Anerkennung für seine der Gesellschaft geleisteten Dienste, ebenfalls durch eine De putation eine silberne Zuckerschale und Zuckerzange. Am Abend hatte die Liedertafel zu Ehren beider Jnbilare eilten Kneipabend im Vereinslocal arrangirt, zu welchem auch Einladungen an die Vertreter der Stadt ergangen waren ; auch hier wurden in Wort und Gesang die beiden Jubilare noch vielfach gefeiert, und vorzüglich waren cs die Herren Assessor Dürisch, 1'. Schmidt und Advocat Sonuner, welche mit beredter Zunge die Verdienste der Herren Ju bilar hervorhoben. — Mit vielem Bedauern hören wir, daß uns unser schon recht lieb gewordener Herr Eantor Mauersberger bald wieder verlassen wird, um nach dem benachbarten WeiStr'opp überzusiedeln. Möge es unserer Behörde gelingen, recht bald eine andere tüchtige Kraft an Stelle des Scheidenden zu gewinnen. — Gestern hielt der bekannte Herr Robert Knöfel aus Dresden im Berthvld'schen Gasthofe zu Kesselsdorf einen freireligiösen Vortrag. Referent ist nicht willens, diesen Vortrag hier einer Kritik zu unter werfen; der Vortrag enthielt manches Wahre und BeherzigcnSwerthe, nur wäre es wünschenswerth, daß Herr Knöfel die den gebildeten Theil (und dieser war hier zumeist vertreten) verletzenden KraflauS- d rücke über die Geistlichkeit und die besitzende Classe wcgliehe, denn dieselben stimmen die Achtung, die man der Sache zollen könnte, sofort bedeutend herab und Referent ging deshalb auch unbefriedigt aus der Versammlung fort. Die angekündigte Geucke'sche Extrafahrt nach Wien rc. findet in der Tonristenwell und allen reiselustigen Gcmüthern den freudigsten Anklang, um fo mehr, als im vorigen Sommer manches größere Reiseprojekt unterbleiben mußte. Die Fahrpreise sind wieder außer ordentlich billig und da die Billets vierwöchentliche Giltigkeit haben, so hat jeder Wanderfrennd Zeit nnd Gelegenheit, eine schöne und ge- uußreicke Reise in die herrlichsten Gegenden des Südens vorzunehmen. Die Namen Prag, Wien, Semmeringbahn, Gratz in Stevermark, Triest, Venedig, Gardasee, Tirol mit seinen herrlichen Bergen und Thälern reizen unwillkührlich zur Theilnahme. Das „Dresdner Journal" enthält heute eine längere sehr in teressante Uebersicht über die Verwendung des königl. sächsischen Ar- mcccorps im verflossenen Kriege gegen Frankreich. Hiernach hat I unsere Armee an 120 Actionen Antheil genommen, die Artillerie 15,521 Schüsse gethan, die Infanterie circa 6 Millionen Zünduadel- patroncn verbraucht. Das sächsische Corps zählt an Todten: 88 Offi ziere und 27 offiziersdienstthueude Unteroffiziere, 212 Unteroffiziere und 1766 Mann; an Verwundeten 163 Offiziere und 39 offiziers- dienstthuende Unteroffiziere 447 Unteroffiziere und 3733 Mann, zu- sammcn an Todten und Verwundeten 6774 Mann, d. i. den fünften bis sechsten Theil seines ursprünglichen Bestandes. Waldheim, 7. Juli. Unsere socialen Verhältnisse fangen an, eine Gestalt anzunehmen, welche, wie cS scheint, bald die Aufmerk samkeit weiterer Kreise auf sich ziehen wird. Ain gestrigen Tage haben die ersten Arbeitseinstellungen der Cigarrenarbeitcr stattgefunden. Schon feit längerer Zeit hielt das Bestreben, Erhöhung der Löhne um 25"/„ zu erzielen, die Arbeiter in Aufregung; es bildete sich ein Arbeitercoinitee unter dem Vorsitz des in hiesiger Gegend sehr be kannten Socialdcmokraten Eckstein, und bei Gelegenheit des Hanauer Arbeilereongresses versäumte man nicht, einen Delegirten dahin ab- znsenden. In Folge dessen sahen sich sämmlliche Fabrikanten veran laßt, durch Placate zu erklären, daß sie sich gegenseitig verpflichtet hätten, falls auch nur in einer Waldheimcr Fabrik Arbeitseinstellung erfolge, sofort ihre Fabriken zu schließen. Eine Arbcitervcrsammlung, die bald darauf stattfand, faßte die Resolution, an einem bestimmten Tage in allen Fabriken mit dem Anträge auf Lohnerhöhung vorzu- gchen. DaS ist vor wenig Tagen geschehen, ihr Verlangen ist aber theils rnndweg abgeschlagen, theils vorläufig unbeantwortet geblieben. Am gestrigen Abend fand in dieser Angelegenheit unter freiem Himmel eine Volksversammlung statt, die außerordentlich zahlreich besucht war. Die Tagesordnung war: Die Genossenschaften und ihre Ziele; die Forderungen der WaldHeimer Cigarrenarbeitcr. Anf geschehenen Antrag wurde aber Punkt 2 auf die erste Stelle der Tagesordnung gesetzt. Mil beredtem Munde schilderte Referent Eckstein die Noth der Arbeiter, die Billigkeit ihres Verlangens, die günstige Stimmung der öffentlichen Meinung; er ermahnte zur Ausdauer, der Erfolg werde sicher nicht fehlen; „nachdem man so oft für Andere gehungert habe, solle man doch nur eine Zeit lang für die eignen Interessen hungern." Ihn secnndirte der oft genannte social-demokratische Agitator Ufert, der sich mit seinen Worten vornehmlich an das weibliche Arbeiter-Personal wandte und sie zur Theilnahme an der Bewegung ausforderte. Die Resolution wurde in dem Sinne abge faßt, daß die Versammlung die Forderung der Arbeiter gerecht finde und nicht wanken und Weichen wolle, bis sie ihr Ziel erreicht habe. Bereits am gestrigen Tage ist Arbeitseinstellung erfolgt bei E. F. Günther, Döring, Krenkel nnd Köhler, Jnl. Weise. Man sagt, es werde heute sämmtlichen Arbeitern und Arbeiterinnen seitens der Fabrikanten gekündigt werden. — 8. Juli. Nachdem die Fabrikanten in ihrer Gesammtheit durch Placate nnd Erklärung im Anzeiger publicirt haben, daß sie genöthigt seien, die Forderungen der Arbeiter: Erhöhung der Löhne um 15 Nar. pro Mille und Abschaffung der Prämien, abznlehnen und solche Ablehnung auch ausführlich motivirt haben, ist im Laufe des gestrigen Tages die Arbeitseinstellung all gemein geworden. Nur in einer von den 14 Cigarrensabriken haben die Arbeiter schriftlich erklärt, daß sie gewillt feien, bei gegenwärtigen Löhnen auch in Zukunft zu arbeiten. Gemäß des UebereinkommenS