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Das General-Postamt hat dem deutschen Bundesrath eine statistische Darstellung des im jüngsten Kriege wirksamen Fcldpost- wescns mitgctheilt. Danach tvurdcn in der Zeit vom 16. Juki 1870 bis 31. März 1871 ans dcrHcimath nach der Armee und umgekehrt, sowie im Verkehr der Truppentheilc untereinander 89,659,000 gewöhn liche Briefe und Korrespondenzkarte» durch die Fctdpost befördert. Die Zahl der beförderten Zeitungscxemptare belief sich auf 2,359,310 Stück; davon wurden 904,760 Exemplare im Wege des Pvstdebils und 1,449,550 diret und unter Kreuzband bezogen. An Geldern in Militärdienst-Angelegenheiten beförderte die Feldpost im Ganzen 43,023,460 Thlr. in 36,705 Briefen und Packelen, und zwar 39,324,330 Thlr. nach der Armee und 3,699,130 Thlr. von der Armee. Die Geldbcvördernng in Privatangelegenheiten der Militärs umfaßte 16,842,460 Thlr. Davon gingen 5,615,830 Thlr. in 1,443,010 Briefen zur Armee, während 11,226,630 Thlr. in 936,010 Briefen von der Armee kamen. Von der fast 60 Mill, betragenden Gesammlmasse der Geldsendungen sind durch verschiedene Uebersälle in Frankreich 5428 Thlr. verloren gegangen. Die Zahl der Packete in Dienstangelegen heiten stellte sich für den ganzen genannten Zeitraum auf 125,916, wogegen in Privatangelegenheiten der Militärs 1,855,686 Stück Pa ckete befördert wurden. Berlin, 12. Mai. In der heutigen Reichstagssitzung thcilte Fürst Bismarck die Friedensbedingungen mit. Die erste halbe Milli arde ist innerhalb 30 Tagen nach der Einnahme von Paris zahlbar. Als Zahlungsmittel sind festgesetzt Metallgeld, sichere Banknoten und Wechsel. Ferner ist eine Milliarde bis Deeember 1871 zahlbar; erst dann sind wir zur Räumung der Pariser Befestigungen verpflichtet. Die vierte halbe Milliarde ist im Alai 1872 zu zahlen. Die letzten drei Milliarden sind bis Mürz 1874 zahlbar. Der Handelsvertrag fällt fort und Deutschland tritt dafür an die Stelle der meist begünstigten Nationen. Mit Belfort wird cm Nahon von vier bis fünf Kilometer abgetreten. Von der Ostbahn sind die bezüglichen Strecken in Elsaß-Lothringen erworben. Die Ratification des Friedens erfolgt bis zum 20. Mai. Fürst Bismarck spricht schließlich die Hoffnung auf einen dauerhaften segensreichen Friedens aus. Berlin, 10. Mai. Der Bundesrath hatte bekaüntlich dem Reichstage bald nach dessen Zusammentrelen den Entwurf eines Pen sionsgesetzes zur Versorgung der in diesem Kriege invalid gewordenen deutschen Sotdaten und Offiziere vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf hat nunmehr die Zustimmung der zur Bcrathung derselben niedergesetzten Ausschüsse erfahren und wird dem Reichstage zur Annahme empfohlen. Nach der Berechnung in dem betreffenden Berichte werden sich diese Pensionen auf mehr als ü'/r Millionen Thater jährlich für die in validen Soldaten und Unteroffiziere und auf ein Drittel dieser Summe für die Offiziere belaufen. Zur Deckung dieses Bedarfs von fast 13 Millionen Thalern jährlich hat das Bundeskanzler-Amt in den Ausschußberathungen bereits die Bildung eines Fondcs aus einem Theile der französischen KriegSeontribution zugesagt. Der „Berliner Börsen-Eourier" und die „Berliner Börsen-Ztg." fasten die Nachricht vom Abschlusse des Friedens sehr kühl auf. Das letztere Blatt weist auf die bekannte Thalsache hin, daß der Friedens schluß allein nicht alles Gewünschte bewirke, es gehöre auch die Zahlung der ersten Nate der KriegSconlnbution dazu. Es ist natür lich, schreibt die „B. B.-Z.", der Regierung von Versailles um die Forts auf dem rechten Seine-Ufer vor allen Dingen zu lhun, und sie wird daher Alles aufbietcn, um schteunigst die zunächst erforder liche Zahlung von 500 Millionen Francs zu bewirken. Wir glauben nicht, daß die Beschaffung dieser Summe der Regierung große Schwierigkeiten machen wird, denn der definitive Friedensjchluß und die günstigen Folgen, welche sich an die Zahlung hinsichtlich der er leichterten Bezwingung des Pariser Ausstandes knüpfen wüsten, heben selbstredend den Credit der Versailler Regierung. In diesem Sinne haben wir betont, daß der Friedenschlug nicht unmittelbar auf die Räumung hinwirkc, denn mittelbar lhut er das allerdings. Die Anleihe, welche von Versailles aus betrieben wird, kann nui^ auch von deutschen Häusern unterstützt werden. Die Viet erörterte Frage, ob vor dem Abschtusse des Friedens eine finanzielle Unterstützung der Versailler Regierung von deutscher Seile zuläffig war, glauben wir verneinen zu müssen. Jetzt würde dies aber möglich sein. In Uebereinstimmung mit diesen Nachrichten meldet ein Frank furter Blatt: Jules Favre habe den Fürsten Bismarck zu überzeugen versucht, daß der Regierung in Versailles die Aufbringung derKriegs- kostcn so lange unmöglich sei, als nicht Paris im Besitze der legalen Regierung sei. Zur Unterdrückung des Aufstandes in Paris sei aber vor Allem Lie Einräumung der bis jetzt von den deutschen Truppen besetzt gehattenen NordfortS von Paris erforderlich. Werde man deutscherseits der Regierung in Versmllcs diese Concession machen, so sei dieselbe bereit, Garantien sür die sofortige Abführung eines großen Theils der Kriegsschuld zu stellen und den definitiven Frieden auf Grundlage der Präliminarien und der hier siattgehabten Be sprechung zu unterzeichnen. Sehr wahrscheinlich dürfte es sonach sein, daß Fürst BiSmarck die Versailler Regierung die alsbaldige Räumung der östlichen und nördlichen Pariser Forts zugestanden Hal unter der Bedingung, daß die erste Zahlung in der allernächsten Zeit erfolgt. Die französischen Truppen werden also möglicherweise diese Befestigungen früher be setzen, als die 500 Millionen abgclicfert sind. Was die Pariser Vorgänge betrifft, so dreht sich dort Alles wie toll im Kreise herum. Ständig ist nur die Regelmäßigkeit des Per- sonalwcchsels innerhalb der communiftischen Negierung. Neuerdings ist wieder ein Mitglied derselben, Namens Alix, verhaftet und sür „verrückt" erklärt worden, als ob dieses Attribut irgend einem Mit- gliede dieses Regiments noch ausdrücklich attestirt werden müßte. Paris, 9. Mai, Abends 10 Uhr 40 Min. Seit 7 Uhr hat das Geschützfeuer rings um Paris fast gänzlich aufgehört. Unter den auf den Straßen befindlichen Gruppen von Nationalgarden und An hängern der Commune macht sich, wie die „Agence Havas" meldet, grvge Entmuthigung bemerkbar. GerüchtSweise verlautet, daß zwischen Oberst Rossel, dem Wohlfahrtsausschüsse und der Commune ernste Zwistigkeiten bestünden. Unter der Bevölkerung von Auteuil und Point du Jour herrscht in Folge des Bombardements große Bestürzung. Der dort gelegene Theil der Ringmauer ist durch das Feuer der Batterien von Montretout, Brimborion und von der Porte d'Auteuil vollständig niedcrgcrissen. Beim Point du Jour sind meh rere Feuersbrünste ausgebröchen. Paris, 12. Alai Mittags. Eine Proclamation des Wohlfahrs- ausschusses ist erschienen, in welcher es heißt: Die Commune und die Republik sind soeben einer tödlichen Gefahr entgangen. Der Ver- rath war in unsern Reihen, Gold, mit vollen Händen ausgestreut, fand käufliche Gewissen. Die Räumung des Fortes Jsty durch jenen Elenden, welcher es auslieferte, war nur der erste Act in jenem Drama der monarchischen Jnsurrcctio». Die Uebergabe eines Stadt- thvreS sollte hierauf erfolgen. Indessen alle Fäden des Gewebes sind in unsern Händen und die meisten Schuldigen verhaftet. Die Journale „Moniteur," „Observaleur," „Univcrs," „Spectateur" und „Etoite" sind unterdrückt worden. Einem Berichte deS Deligirten des Kriegswesens, Delesetuze, zufolge sind die Wälle hinreichend bewacht, und eine starke Reserve ist bereit und fähig, jeder Ucbcrrumpelung zu widerstehen. Die Situation in Jssh ist unverändert. Vanres war eine Zeit lang gefährdet und geräumt, wurde aber von Wroblewski wieder genommen. Schölcher ist wegen Einverständnisses mit dem Feinde unter Anklage gestellt worden. Versailles, 12. Mai. Das Kloster Oisscaux in Jssh ist von unsern Truppen genommen und sind dabei 3 Kanonen erbeutet worden. Die Nationalversammlung hat heute ein Gesetz angenommen, welches das in Paris mit Beschlag belegte Nationaleigenthum für unver äußerlich erklärt. Versailles, 13. Mai. Die Truppen der Negierung nahmen das Seminar von Jssh, die Insurgenten erlitten hierbei ansehnliche Verluste. Die Betagerungsarbeiten und die Beschießung werden kräftigst fortgesetzt. Jules Favre und Pvuher Quertier sind gestern Abeno eingetroffeu. Marschall MacMahon erließ einen Tagesbefehl an die Soldaten, welche dem Vertrauen Frankreichs entsprochen, und alle Hindernisse beseitigt hätten, welche die Jnsurrcction ihnen in den Weg legte. Ec suche hierin die Anzeichen des nahen Endes des Kampfes. Binnen kurzem werden wir die nationale Fahne auf den Wällen aufpflanzcn und die Wiederherstellung der Ordnung erreicht haben. Die Lehren und Wirkungen der jetzigen französischen Borgänge. Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß die jetzigen revolutionären Vorgänge in Frankreich neben mancher unwillkommenen Wirkung doch andererseits von überaus heilsamer moralischer Be deutung sind. Dies tritt am entschiedensten in der klaren Erkenntnis; über das Wesen und tue Folgen der Nevolulion hervor, wie sie auch in liberalen Blättern zur entschiedenen Geltung gelangt. Man darf es als eine große politische Errungenschaft erachten, wenn in einem entschieden liberalen Blatte, wie die „Magdeburger Zeitung", folgende Betrachtungen und Geständnisse zu lesen sind: „Die französische Nevolulion vom 18. März und der blutige Bürgerkrieg, der sich an ihr entzündet hat, haben auf alle curo- poäischeu Völker einen tiefen Eindruck gemacht. Die Shmpathien für Frankreich, die sich inmitten feiner militärischen Unglückssälle erhalten, ja durch dieselben noch gesteigert hatten, die insbesondere seit dem Sturze Napoleons III. und der Erklärung der Republik in den weiten Schichten der europäischen Gesellschaft ersichtlich zunahmcn, sind seit dem tief gesunken, und inan betrachtet das unglückliche Land wie einen durch eigene Schuld zum Tode Erkrankten, von dem man mit Achselzucken erklärt, cs könne Niemand wissen, ob es gegen das tödt- liche Gift in seinem Körper irgend ein Heilmittel gäbe. Die Presse des Auslandes gesteht heute ein, daß ihre Beschwerden über die bar barische deutsche Kriegführung unbegründet waren und daß die Fran zosen in dem Bruderkriege gcgcn einander mehr Rücksichtslosigkeit und Härte zeigen, als sie von dem deutschen Feinde je erfahren haben. Das wilde Nachspiel des Krieges in Paris hat die Kläger gegen uns verstummen gemacht. Sogar in der französischen Bevölkerung ist die Stimmung gcgcn uns wesentlich verändert. Fast in allen occupirten Landestheilen freut man sich des Schutzes und der Sicherheit, die man durch die deutschen Truppen genießt. Im Elsaß bilden sich die Anfänge einer deutschen Partei, und die reichen Fabrikanten in Mühlhausen, die so ungeberdig über die Annexion des Elsasses thatcn, haben dem Himmel wohl schon oft im Stillen gedankt, daß die Mühlhauser Fabrikbcvölkerung nicht in der Lage war, eine Commune beschließen zu können. Die Lehren, welche Europa aus den furchtbaren französischen Zuständen zieht, reichen jedoch weiter. Es ist ja mit Händen zu greifen, daß die Ereignisse von ,1871 die letzten Folgerungen der Re volution von 1789 sind. Nicht als ob wir verkennen wollten, was