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für « 37. 1871. Freitag dm 12. Mai Amtsblatt ^rdas Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Madtrath daselbst. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am II. Mai 1871. Eine höchst wichtige Nachricht bringt uns heute ein Extrablatt zum Dr. Journ.: Frankfurt a. M., Mittwoch, 10. Mai, Nachmittags 2 Uhr. Der definitive Frie den zwischen Frankreich und Deutschland ist soeben unterzeichnet worden. Diese frohe Kunde wird in allen Gauen des Deutschen Reiches einen freudigen Wiederhall finden und die Bedenken beseitigen, welche neuerdings hinsichtlich der ehrlichen Durchführung der von Seiten Frankreichs durch die Versailler Friedenspräliminarien vom 26. Feb ruar übernommenen Verbindlichkeiten aufgetaucht waren. Wir können nunmehr der schnelleren Rückkehr unserer noch in Frankreich weilenden Truppen entgegensehen und die Kraft des Volkes gänzlich den Werken des Friedens weihen. Den schnellen Erfolg der Frankfurter Konferenz hat Deutschland abermals dem Staatsmanne zu verdanken, der durch seine geniale Leitung der äußeren Politik unser Vaterland auf einen vor wenigen Jahren nicht geahnten Höhepunkt der Macht und des Ruhmes erhoben. (Anläßlich obigen Ereignisses sowohl, als um der Freude über die glückliche Rückkehr unsres Herrn Diaconus speciell für unsere Stadt Ausdruck zu geben, dürfte sich vielleicht das hier bestehende Cvmilö zu einer Friedensfeier bewogen finden, den letzten Theil ihres Programmes (Festessen) in Ausführ ung zu bringen. Dresden, 11. Mai. Die Landesshnode beschloß gestern ans Vorschlag ihres Präsidenten, I)r. v. Gerber, jede Sitzung mit einem Vaterunser, welches der Vicepräsident, geh. Kircbenrath I)r. Hofmann Zu sprechen hat, zu eröffnen. Man machte damit den Anfang. Die Feierlichkeit hinterließ einen tiefernsten Eindruck. Hierauf wurden sämmtlichc Wahlen für gütig erklärt, da bei ihnen keinerlei Form verletzung stattgefunden hat. Das Kirchenregiment hat der Synode 3 Gesetze zugehen lassen. Das eine bezweckt die Errichtung eines evangelisch-lutherischen Oberconsistoriums, so daß das Kultusmini sterium ausschließlich auf den Unterricht beschränkt wird, während feine sonstigen kirchlichen Befugnisse auf dieses Oberconsistorium über gehen; das zweite schlägt vor, für die Zeit, wo die aller fünf Jahre zusammentretende Synode nicht versammelt ist, einen ständigen Sy- nodalausschuß zu ernennen; das dritte endlich legt die Hand an die Umgestaltung des Patronats. Die beiden ersten Gesetze wurden au den Verfassungsausschutz, dessen Vorstand Bürgermeister Haberkorn ist, verwieseix; das Patronatgesetz wird wahrscheinlich im Plenum der Synode berathen werden,' wozu diese um so eher befähigt ist, als die Fragen ziemlich einfach und die Mitglieder der Synode mit denselben wohl vertraut sind. In Bezug auf Handhabung der par lamentarischen Formen zeigt sich jedoch namentlich bei den geistlichen Mitgliedern noch ein sehr großer Mangel an Geschäftserfahrung. Die Synode wird wahrscheinlich 4 Wochen dauern. (Dr. N.) Dieser Tage ist der seltene Fall vorgekommen, daß aus dem Zuchthause zu Waldheim ein Mann entlassen worden, der vom früh eren Justizamt Rochlitz im Jahre 1846 wegen Raubmordes zu lebens länglicher Zuchthausstrafe verurtheilt und soeben begnadigt wurde. Der Befreite ist 53 Jahre alt und hat somit beinahe die Hälfte seines Lebens zwischen Kerkermnuern zugebracht. Wie muß Lem Manne die Welt erscheinen, die vor 25 Jahren eine so ganz andere war! Am meisten aber tritt gewiß an ihn selbst die Frage der zu künftigen Existenz heran, für die allerdings durch 25 Jahre gesorgt war. Gegend von Freiberg, 6. Mai. Waren in letzter Zeit ei nige Landwirthe in hiesiger Gegend, in Langcnrinne und Oberlange nau, der eine durch den Ausbruch der Rinderpest auf seinem Gute, der andere durch die Lungenseuche unter seinen Rindern schwer heim gesucht worden/so trifft jetzt in Erbisdorf den Pachter des der Stadt Brand gehörigen Kanzleilehngutes verhältnißmäßig dasselbe. Bei diesem mußte am 9. April die erste ebenfalls an der Lnngenseuche erkrankte Kuh getödtet werden und bald darnach eine zweite. Die übrigen Rinder sind nun zwar sofort geimpft und das Gut in ge setzlicher Weise abgesperrt worden, so daß ein weiterer Erkrankungs fall bis jetzt noch nicht vorgekommen ist; aber eine Verschleppung der Seuche auf das Gut des Genannten in Hohentanne scheint doch stattgefunden zu haben. Dort haben sich nämlich auch bereis Spuren derselben Krankheit gezeigt. Das Schlimmste bei einem Unfall die ser Art ist, daß die davon Betroffenen eine Entschädigung aus der Vundeskassc nicht erhalten, während die Calamität hier (bei der Lungenseuche) viel länger anhalten kann; denn jedem neuen Erkrank ungsfall folgt eine neue Absperrung auf 8 Wochen. Frauenstein. Der Bau der abgebrannten Stadtschule ist wegen Hindernissen mancherlei Art leider noch nicht in Angriff ge nommen worden, wie derselbe doch für den April d. I. in Aussicht gestellt worden war, ebensowenig der Kirchcnbau; wohl aber sind die geistlichen Gebäude bis auf den inneren Ausbau schon im vorigen Herbste neu aufgeführt worden. — Die Pfennigsammlung für den Schulbau und die Schuljugend hat bereits die ansehnliche Gesammt- summe von 1285 Thlr. 6 Pf. ergeben und es gehen immer noch Liebesgaben ein. Vom 1. Juli an werden Reichsbricfmarken im Briefverkehr eingcführt. Die Gegner der Unfehlbarkeit in München haben ihre Adresse mit 12,000 Unterschriften der Regierung überreicht. Das an den König gerichtete Begleitschreiben schließt: „Wir bitten Ew. Maje stät, den Gesetzesverletzungen und Nebergriffen der Partei, die einer in Rom herrschenden politischen Diacht gehorcht, das Ziel zu setzen. Möge es Ew. Majestät gefallen, sich auch an die Spitze des geistigen Kampfes gegen wälschen Ucbermuth und wälsche Unwissenheit zn stellen, wie Ew. Majestät der Erste waren, der im weltlichen Kampf gegen den Reichsfeind die Fahne erhoben hat." — Dem Gesandten des Königs in Nom, Grafen Tauffkirchen, hat Pius 1X. in einem Zornanfalle die heftigsten Vorwürfe über die Haltung deS Königs gemacht und gedroht, er werde gegen den König die kirchlichen Strafen wie gegen jeden Andern anwendcn. Da der Gesandte den Papst zur Mäßigung in seinen Ausdrücken mahnte, so bekam er auch seinen Theil und verließ entrüstet den Palast. Der Auftritt macht in Nom großes Aufsehen. Ueber die deutschen Truppen in Frankreich wird dem N. C. berichtigend mitgethcilt: Nicht „die kolossalen Anstrengungen und stetige Aufregung des Feldzugs" allem sind eS, welche dem Soldaten den Aufenthalt in Frankreich unerträglich machen und ihn hinsiechcn lassen, sondern Beides im Verein mit — Heimweh. Jedem, der mit den Leuten in häufige Berührung kommt, ist eine große Erschlaffung bemerkbar. Sicher ist, daß hauptsächlich den Franzosen diese Nieder geschlagenheit der deutschen Truppen auffällt. Trotz der großen Be mühungen der Offiziere, dieselben zu zerstreuen und von der grenzen losen Langeweile loszureißcn, hat sich allenthalben mehr oder minder diese fürchterliche Krankheit eingcschlichcn, welche das Gemüth ver bittert und die Spitäler überfüllt. Sehr zu tadeln ist deshalb die gänzliche Aufhebung der Evakuation. Vom Heimweh erfaßt, schleicht der Mann einher und welkt dahin. Das Geringste kann ihn in die höchste Wuth versetzen; dies ist wohl auch der Grund der bedauer lichen Streitigkeiten. Die Disziplin leidet darunter, und die noth wendigen strengen Maßregeln sind nur noch mehr geeignet, die Leute zu erbittern, welche nur den einen Wunsch haben, in ihre Heimath zur Familie und zur gewohnten Arbeit znrückzukehren. Diese Krank heit ist eine große Gefahr für die Subordination, um so mehr, da der Aufstand in Paris die Okkupation in die Länge zieht und den Heimmarsch verzögert. . . . Daher auch die Erbitterung der Offiziere, welche sich Obiges keineswegs verhehlen, gegen den Pariser Aufstand. Allgemeiner Wunsch ist es, sich mit aller Energie in's Mittel zu legen und der Sache ein Ende zu machen." Eine Zusammenstellung der Verluste des norddeutschen Heeres in der Zeit vom 24. Juli 1870 bis 22. Februar 1871 liefert fol gendes Gesammteraebniß: Offiziere, Aerzte, dienstthuende Fähnriche,