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Hohe, wichtige Aufgaben sind somit der Synode gestellt, von deren Lösung das Wohl und Wehe der evangelisch-lutherischen Kirche wesentlich abhängt. Vor Allein ist es aber die erste Synode, die die Aufmerksamkeit ganz besonders auf sich lenkt, da sie zunächst be rufen ist, den begonnenen Ausbau der Kirchenverfassung im Geiste von 1868 fvrtzusetzen. Möge die Thätigkeit, die dieselbe zu entfallen in Bälde Gelegenheit haben wird, eine gedeihliche und segensreiche sein. (CH. Tgbl.) Tagesgeschichtc. Wilsdruff, 17. April 1871. Am gestrigen Sonntag Morgens wurde am Eingänge der Stadt, auf der Dresdner Straße, ein Erhängter aufaefunden und gerichtlich aufgehoben. Die bei ihm Vorgefundenen Papiere legitimiren ihn als den Weber Gustav Schmidt aus Berthelsdorf bei Hainichen. Berlin, 15. April. Die „Norddeutsche Allgemeine Ztg." und die „Kreuzzeitung" bestätigen, es bestünde nach wie vor in maßgebenden Kreisen die Hoffnung, daß der Einzug der deutschen Truppen in Berlin im Mai oder Juni statlfinde. Man schreibt dem „Fr. I.": „Von General v. d. Tann, dem Befehlshaber des 1. bairischen Armeecorps, ist in letzter Zeit ein Schreiben »ach München gelangt, worin er erzählt, daß die auf- fftändischc Regierung in Paris an ihn allen Ernstes das Ansinnen gestellt habe, er möge das von Baiern besetzte Fort Charenton in ihre Hände spielen, wofür er 2 Millionen Francs bekommen sollte, für sich nämlich, nicht etwa für die Kriegscasse. Es wirst das ein grelles Schlaglickt auf die sittliche Fäulniß der Pariser Bevölkerung. Wie Sie alle ihre Niederlagen nur immer dem Verralh und der Be stechung ihrer Führer zuschrieben, so glauben sie auch, daß Anderen alles käuflich sei!" Versailles, 13. April. Der Kronprinz von Sachsen hat von seinem Hauptquartier Cvmpicgne aus einen Theil der Departements Seine et Oise und Seine et Marne in Belagerungszustand erklärt. (Dies sind die Paris umgebenden Departements.) Das barbarische Austreten eines Theiles der Versailler Armee bildet einen seltsamen Cvntrast zu den früheren Lügenberichtci» der Franzosen über die Grausamkeit der Deutschen. Die Gendarmen, die sogenannte republikanische Garde (früher Garde Municipale), und die ehemaligen Pariser Polizeidiener erschießen fast alle Gefangenen, welche ihnen in die Hände fallen, und viele Offiziere ertheilen zu diesen Executionen sogar den Befehl. Der Schlimmste von Allen ist der bekannte Neitergeneral Galifet, der bei ÄMon drei Leute, die sich von Paris nach dort begeben hatten und dem Kampfe zufahen, aufgrcifeu und ohne alles »vettere Verhör erschießen ließ. Herr Thiers hat am 13. April in einer Circulardepesche die Nachricht der Commune von den angeblich am 12. und 13. April über die Versailler Truppen errungenen Siegen für eine Erfindung erklärt, die Organe der Commune dagegen versichern, daß die Ver sailler Truppen nicht nur bei ihrem Angriffe auf die beiden Süd sorts zurückgeschlagen worden sind, sondern daß dieselben auch aus Neuilly und Asniäres wieder Vertrieben wurden und daß es sogar gelungen sei, 3000 Mann der Truppen der Versailler Negierung auf -einer bei Asniores gelegenen Seineinjel einzuschließen. Wer spricht nun die Wahrheit, Thiers oder General Ctuseret? Man kann wohl annchmen, Keiner von beiden; in Versailles wie in Paris wird gelogen, um günstige Stimmung über die Lage der beiden Parteien hervorzurufen. Die Aufständischen mögen allerdings an verschiedenen Stellen, kleinere Vortheile davongelragen haben, aber Bedeutend sind selbe uicht, sonst würde man in Paris längst den Versuch eines Marsches nach Versailles erneuert haben. Der Nach richt von der zeitweiligen Einschließung eines Truppen-Theiles der Versailler kann ebenfalls eiiüges Wahre zu Grunde liegen, nur müßten diese Mannschaften längst gefangen sein, denn schon am 13. April wurde Ihre Cernirung gemeldet und länger als einen Tag könne»» dieselben sich doch bei eintretenden Munitionsmangel »richt ver- theidigen. Kurz wir müsse»» Detailberichte über all die>e Ereignisse abwarten,, ehe inan sagen lann, wie sich die Lage gestaltet Hal. Hinsichtlich der früher erwähnten Verhandlungen zwischen Thiers und den Pariser Delegirten scheint es aber ohne Zweifel zu sein, daß solche gescheitert sind, da die Delegirten sehr bald wieder nach Paris zuruckkehrten. Es wird also fortgemordet werden bis die Uebermacht der Versailler Truppen durch die erneuerten Heranziehungen von Truppen so groß ist, daß der Aufstand keine Hoffnung aus Erfolg mehr hat. Versailles, 15. April. Eine Circulardcpcsche voi» Thiers an die Präsecten meldet: Die Kanonade der feindlichen Forts ist höchst unbedeutend, ein Ausfall ward zurückgeschlagcn. Die Verbindung zwischen Juvisy und Choisy ist durch Cavallerie unterbrochen. Es cxistirt keine Verbindung mehr zwischen den Insurgenten und der Provinz. Die Insurgenten erlitten in Neuilly starte Verluste. Ein Angriff auf Asinörcs wird vorbereitet. Das Heer der Negierung in Versailles wird auf 150,000 Mann gebracht, das deutsche Obercommando hat seine Erlaubniß dazu er- iheilt und die zuverlässigsten Leute der aus Deutschland heimkehrenden Franzosen reihen sich in Versailles ein. Schon fetzt erobern die Trup pen unter Mac MahonS Oberbefehl schrillweise Terran» und haben Lie Nationalgarden im Süden und Westen »ach Paris hineingedrängt. Nach engl. Berichten haben sie bei dem Thore Maillot bereits Breche in die Umwallung geschossen und gedenken stürmend einzudringen. Auf den» Longchamps, wo der deutsche Kaiser vor wenig Wochen Heerschau über seine Truppen gehalten hat, sammeln sich jetzt die Versailler Divisionen zum Sturm gegen die Stadt und dräiigen ge gen die Stadtlheile vor, die in den ersten Märztagen von misern Truppen besetzt gehalten wurden. Jules Favre rechnet darauf, daß die Feinde der Rothen in Paris sich dann erheben und den Truppen der Regierung in die Hände spielen werden. Ob die Pariser Ver söhnungsgesandtschaft ernst gemeint oder eine Täuschung ist, muß ab- gcwartct 'werden. Die Commune von Paris — was sie ist und was sie will Niemand »mißte es genau zu sage»; jetzt erfährt man es aus den Instructionen, welche sie ihren Gesandten »ach Versailles mitgegeben hat. Paris bildet mit dein Seinedepartement eine Commune, die sich selbst verwaltet und regiert ohne alle Einmischung der fraiizösischen Negierung. Paris wählt seine Beamten und Richler aller Grade; es verfügt allein über sein Budget. Es hat keine andere Armee als die Nationalgarde, welche mit der Vertheidigung und der Polizei betraut ist. Die französische Regierung darf in Paris und 25 Slunden im Umkreis weder eine Garnison, noch ein Lager halten, ausgenommen iin Falle eines Krieges. Paris bezahlt seine»» Antheil an den allge meinen Unkosten Frankreichs, z. B. für Festungen, Eisenbahnen, Flotte, Straßen und bauten, es bezahlt aber nichts für die Verwaltung des Innern, der Finanzen, der Kirchen und Schillen und der Armee. Im Fall eines Krieges stellt cs ein Contingent von Nationalgardcn. Das sind die Hauptpunkte und über deren Anerkennung solle» die Gesandten von Paris mit Thiers verhandeln. — Die Gesandten sind ans Versailles zurückgekehrt. Thiers verlangt Nicderlcgung der Waffen seitens der Aufständischen »md sichert ihnen — die Mörder ausgenommen — das Leben zu. Paris soll Las Gemeindegesetz an- iichmen, das voi» der Nationalversammlung für alle größeren fran zösischen Städte gemacht worden ist. Die Slimmung in Paris ist eine ängstliche, man konnte auch sagen, eine resignirte. Niemand wagt mehr, ein Wort gegen die Commune zu sagen. Alles fürchtet sich, festgesetzt oder gar erschossen zu werden. Die Requisitionen dauern in großartigem Maßstale fort. So leerte man am II. den Laden des Cßwaarciihündlers Hinguer- lvt, eine andere Kirche wurde geplünderl, nämlich die reiche Notre- Dame des Lorettes, welche am Ende der Nue Lafitte liegt. Die Schätze, welche die Kirche enthielt, wurden nach dem Nathhauje geschafft, der Pfarrer verhaftet. Zim Fingcr. Kriminalnovelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Der Assessor schrieb an die Behörde des Ortes, aus dem Jab lonsky gebürtig war. In Hinsicht des sichern und meisterhasten Schusses fragte er an, ob über die Schicßfertigkeit des Juculpalcn irgend Etwas, und rücksichtlich der gefundenen Dose, ob er als Schnupfer bekannt wäre. Zugleich wurde in ösfentlichcii Blättern die Aufforderung erlassen:. Wer über die im Gerichtszimmcr ausgestellte Dose und ihren letzten Besitzer oder überhaupt irgend eine aus den vorgesallenen Doppelmord bezügliche Auskunft zu geben vermöge, solle schleunigst Anzeige machen. Die Auskunft über den Charakter Jablcmsky's erfolgte rasch. Sie war, Wie solche Dorfälteste sind, höchst oberflächlich. Er hatte sich bisher ordentlich geführt llnd war wegen ciiies Verbrechens »och nicht zur Untersuchung gezogen und bestraft worden. Vom Schnupfen des jungen Burschen wiißte man Nichts. Bedeutend wichtiger war die Nachschrift, Jablonsky gelte unter den jungen Burschen als bester Schütze. Als der Assessor diese Notiz gelesen, ging er ii» höchster Auf regung im Zimmer auf und ab. Schon bekämpfte er sich, dem Beweisgründe gegen Jablonsky nicht zu rasch zu folgen. Da sollte noch ein anderer Umstand snr den Angeklagten vcr hängnißvoll werde». Die Ermordung der beide» Händler hatte in der Umgegend großes Aufsehen gemacht und besonders Furcht und Schrecke»» unter den reisenden Viehändlern verbreitet. Sie sind meist als wohlhabende, viel Geld bei sich führende Leute bekannt, und ein Doppelmord dieser Art machte für sie die Landstraße nicht wenig unsicher. Alle bestrebten sich, zur Aufhellung der Sache irgend wie beizutragen. Den jungen Jablonsky kannten fast alle dort herum- reisendc Händler, aber die meisten zweifelten an seiner Schuld; er war noch so jung, so gutmüthig — sie munkelten unter sich von einer gaiiz anderen Persönlichkeit, die den Mord ausgeführt haben könnte. Die beide»» Händler waren trotz des erste»» Gerüchts Deutsche gewejci» und allgemein geachtete Männer. Sie hatten jahrelang ihr Geschäft in Compagnie getrieben und waren dabei zu leidlichem Ver mögen gekommen. Der Todte, Friedrich Panitzky, katte keine Familie, der andere, Ignaz Hubert, war erst seit einem Jahre verheiralhet, und seine junge Fra»» kam auf die Unglückspost augenblicklich an das Krankenlager ihres Mannes. Es war eine resolute, tüchtige Frau, die das Unglück nicht niedergebeugt, sonder»» nur zu Haß und Wuth gegen dm elenden Mörder aufgestachelt hatte. Als sie von der Ver haftung des jungen Jablonsky hörte, sagte sie: „Nein, der ist es »richt, aber ich hab' einen ander»» Verdacht!" Sie eilte voi» dem Krankenlager auf's Gericht und ließ sich die Dose zeigen. „Ja, meine Ahnung hat mich nicht getäuscht!" sagte sie aufgeregt. „Die Dose habe ich bei den» Bruder des jungen Jablonsky gesehen! Stephan Jablonsky! Das ist der Mörder!" „Wie? Wissen Sie das gewiß?" rief der Assessor. Der tückische Bube hat meinen Mann und den Panitzky er schossen! Aus Rache hat er's gctban! Er wurde von ihm aus dem Dienste gejagt!"