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3 richtungen und Zustände zur Reife bringt, welche die Bedingungen sind zu einem freien und glücklichen Geschlechte! Das walte Gott! — (H.-Dorsztg.) Pflichten des Protestantismus gegenüber der päpstlichen Unfehlbarkeit. Es ist eine Thatsache, daß in der Gegenwart eine große Anzahl von Katholiken, namentlich von gebildeten Männern und Frauen, mit vielen Anschauungen ihrer Kirche nicht mehr einverstanden sind, und insbesondere die neueste Lehre von der Unfehlbarkeir des Pap stes als eine unheilvolle Verirrung tief beklagen, dagegen findet sich zwischen den religiösen Ueberzeugungen derselben und denen der freier denkenden Protestanten eine fast völlige Ucbereinstimmung. Woher kommt es denn, daß diese Katholiken äußerlich noch der katholischen Kirche angehören und nicht lieber zur evangelischen über treten? Es hat dies einen einfachen Grund. Zunächst können diese Katholiken mit Recht sagen: was Hütten wir denn gewonnen durch einen solchen Schritt? Ist die gegenwärtige evangelische Kirche denn eine freiere als die unsrige? Streiten ihre Lehrsätze (voZmata) nicht auch mit der "Vernunft? Sollten wir einen solchen Schritt thun, nur um das Ansehen (^uatvritas) der Bischöfe und des Papstes mit dem nicht minder drückenden der Consistorien und Cultusministerien zu ver tauschen? In dieser Antwort liegt viel Wahres. Zwar kann man mit Recht jagen: es sind dies nur zeitweilige Mängel der evangeli schen Kirche, die ihrem Wesen nach aus freie Forschung und persön licher Ueberzeugung gegründet ist; es sind dies vorübergehende Zu stände, die durch den immer wieder erwachenden echt protestantischen Geist sicher überwunden werden müssen. Die katholische Kirche hin gegen ist ihrem Wesen nach unrefvrmirbar, da sie die freie Forschung verwirft und die Wahrheit ein für alle Mal in der Lehre der Kirche festgestellt und abgeschlossen erachtet. Allerdings aber ist die gegen wärtige protestantische Kirche nicht dazu angelhan, eine große An ziehungskraft auf freier denkende Geister auszuüben, indem sie, wie immer wieder gesagt werden muß, weit entfernt ist, ihrem wahren Wesen zu entsprechen. Dieses Hinderniß eines Uebcrtritts der frei- gesinnten Katholiken erhält aber erst dadurch seine volle Kraft, daß in unserer Zeit überhaupt die religiöse Gleichgiltigkeit (Jndifferenlis- mus) so weit verbreitet ist. Feste religiöse Ueberzeugungen, mann haftes Einstehen für die erkannte Wahrheit, opsermuthige Freudigkeit in ihrer Behauptung sind leider seltene Tugenden geworden. Man denkt im Stillen, was man will, fühlt aber keinen Trieb, dafür auch öffentlich einzustehen und Opfer zu bringen, bleibt in der Kirche, in der man geboren ist, zufrieden, wenn sie im Ganzen uns in Ruhe läßt. Darum ist eine Besserung auch in dieser Beziehung nur von einein neuen Aufschwung des religiösen Geistes erwarten, der als junger Wein die alten Schläuche der Consesston sprengen wird, und Die zusammenführen zur Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit, die jetzt hier und dort, umer Katholiken und Protestanten, eine zerstreute Gemeinde freier Geister bilden. An uns Protestanten ist es übest, diese» Umschwung, der nichts anders ist, als eine Er neuerung des Protestantismus, anzubahnen und vorzubereiten und denen unter den Katholiken die Bruderhand zu reichen, die jetzt zchon in Herz und Gesinnung mit uns überetnstimmen. Immerhin verhehle inan sich nicht, daß unter den gegenwärtigen Umständen die römische Gefahr vor Allem eine Kräftigung der be stehenden evangelischen Kirche verlangt, und daß man nicht über dem Anstreben einer Gemeinschaft mit den freidenkenden Kaihväken das feste Bollwerk, daß unsere Väter gegen Rom errichtet, preisgeben darf. Diese Rolhwendigkcit nun hat der über ganz Deulschtand ver breitete Prvlestantenverein richtig erkannt; letzierem, als einer freieren Vereinigung evangelischer Manner und Frauen, dem auch eine solche Aufgabe eher zukommt, werden auf dem zu Pfingsten dieses Jahres in Darmstadt zu haltenden Prolestantenlage m dieser Beziehung Vorlage» gemacht werden, welche ein kräftiges Zusammen wirken aller Derer erwarte» lassen, welche in dem Siege des Ultra- mvulanismus in der katholischen Kirche nicht nur eine religiöse, son der» auch eine deutsch-nationale Gefahr erblicken. —n. G. T. Mein Termin Kalender. Skizze von Ludwig Habicht. (Schluß.) Ein junges Ehepaar, das zur Linken des Richters stand, schien von dem bunten Treibe» wenig berührt. Es hielt sich innig um schlungen, als gälte cs einen Kämpf mit dem Geschick. Der junge Man» hatte eine militärische Haltung; aus seinem bleichen, ernsten Antlitz prägte sich ein tieser Kummer aus. Trotz seiner Jugend war fein Haar völlig weiß. . . . Es war nicht von Ralur so; ein Schreckenstag, eine Rächt des Kummers halten es gebleicht. Das Antlitz der junge» Frau war noch blässer; aber ein leiser Hauch von idealer Begeisterung, wie er über Frauenaugen so stillverschönend zieht, wenn ihnen eine große Stunde naht, in der sie ahne», daß cs gilt, den Blick für das Höchste offen zu halten, zitterte über dies anmuthige Gesicht. Diese zarte Sylphengestalt, um die nur leicht und linde des Glückes Zephyr gespielt hatte, wird eine leuchtende Gottcs- kraft für das neue Jahr brauchen können, dacht' ich und las aus ihren Augen mehr die Zukunft, als Vergangenheit heraus. Wie waren da alle Träume von Glück und ländlichem Stillleben im Blüthen- und Wiesenduft zerflossen! Ein idyllisches Dasein sollte der neuerworbcne Besitz zaubern, in dem eine endlich beglückte Liebe ihren Licbcstraum auSträumcn wollte! Und dieser Besitz wurde der Abgrin , welcher Glick, Träume und Welt verschlang. . . Der junge .Stöger hatte lange um seine Gatlin geworben. Der einer glücklichen Verbindung im Wege stehende reiche Onkel war gestorben, alle Hindernisse schienen beseitigt. Er nahm seinen Abschied. Bald war ein schönes Gut gefunden, das ihnen das Leben reich und an genehm machen sollte; das von der jungen Fran ererbte Geld wurde zur Erwerbung des angeiichmen, romantischen Landsitzes verwandt. Aber Schicksal, Zufall oder eigene Schuld oder wie die wunder baren Fäden heißest, an denen das Leben sich leise fortspinnt — am heitern Himmel thürmle sich Wolke an Wolke, Schwierigkeit an Schwierigkeit. Das Gut war zu hoch bezahlt, der junge Mann gleich Anfaugs betrogen. Doch hätte man es eine» ganz unglücklichen Kauf nicht »enncii tonnen, wenn der glückliche Liebende die nöthigen Vorsichtsmaßregeln, die bei solch' umfangreichem Geschäft so unum gänglich nöthig sind, beobachtet hätte. Die eingetragenen Schulden waren mit übernommen und der Kaufgelder-Rest vom Mahlschatz bezahlt worden; aber der falsche Verkäufer hatte verschwiegen und der junge Mann danach nicht geforscht, daß ein bedeutendes Hypo theken-Kapital früher schon gekündigt war und infolge dessen das Gut bereits zur Subhastation hinneigte. Wie ein herabrollendes Felsstück nur Riesenkräfte aufhalten, so gehört ein bedeutendes Ver mögen dazu, einer einmal drohenden Subhastation Einhalt zu thun. Immer näher rollt der Stcin dem Abgrund zu und zieht den sich ihm emgegenstellcnden Schwachen mit hinunter. Vergeblich hatte der junge Mann Alles in Bewegung gesetzt, um sein Eigenthum zu retten. Dem Eigennutz, der Habsucht brechen Bitten u-id Versprechungen nicht die Spitze ab, nur eilt Panzer von Gold weiß dagegen zu schützen. Gestern stand er nun ruhig und gefaßt, neben ihm die junge Gattin, um ihr Unheil zu empsangcn. Wurde das Gut hoch verkauft, dann war für sie wenigstens Etwas gerettet. Doch von all' den freundlich lächelnde», höchst gefälligen Menschen geht Jeder nur so weit mit, bis er mit seiner Forderung gedeckt ist. Wäre er ein Schurke ge wesen, hätte er sein Gut sogleich auch mit Schulden überbürdet, dann würde so mancher Voit den kalten, behutsamen Geschäfts- mämiern lebhafter in's Feuer des Bietens gegangen sein, um nur das eigene Geld zu rette». So aber verlief das Geschäft still und ruhig. — Mit dem Glockcnschlag sechs hatte es der frühere Besitzer für einen annehmbaren Preis Wieder erworben, und der junge Mann war ei» Bettler. Der Käufer trat artig auf beide Unglückliche zu, versicherte mit glatten Worte» seine Freundschaft und bat, noch so lange im Schloß zu bleibe», als cs ihnen beliebe. „Ich banke," erwiderte der Angeredete, „ich habe bereits An stalten zum Raumen getroffen! —" Ein bitteres, unheimliches Lächeln spielte um seilte Lippen. „Sie sind sehr srcunbUch! denn ich werde mir erlauben, morgen den eme» Aiilri tsbesuch zu mache»," entgegnete der Andere, und beide Herren vcrbeng.cn sich wieder. Mit festem, ruhigem Schritt, seine sich noch inniger an ihn schmiegende Gatlin am Arm, verließ der junge Mann de» Saal mit einem Antlitz, das scheinbare Ruhe nnd Kälte zeigte. So wanderten sie hinaus, beinahe sorglos, beinahe heiter Anstand, Ehrgefühl, Bildung regelten ihre» Schmer; — sie traten in eine neue Welt, die erst ein Obdach für sie bieten wird, wenn der junge Mann seii e gaiizeii Kräfte zusammeimimmt, um aus dein Nichts heraus sich eine Existenz zu begründen. Die Rückkehr zur Armee wird Schwierigkeiten bieien, vui anderer Beruf ist nicht erlernt, und Europa's Fcudalbc- griffe verbieten dem Manne der Gesellschaft, dein Adeligen vollends, hundert Erwerbzweige, die man in solchen Füllen in Amerika ohne Weiteres ergreift» würde. Zwischen Ehre und Bedräiigiiiß wird das junge Paar sich so Hinfristen, bis vielleicht — Doch mein kleiner Termin-Kalender greift dem Kalender der Zeit vor. Möge allen Leidende» im Buche der Welten für das neue Jahr ein Merkzeichen stehen, trostreicher, freudenvoller, versöhnender, als die kurzen, schwachen Striche in den Büchern bedeuten, Ivo Menschen über die Schicksale der Menschen entscheiden! — * In einer Kellerkneipe in Berlin ist eine Spielhölle aufgehoben worden. Dem Polizei-Jnspector gelang es, in seiner Verkleidung durch alle ausgestellten Wachen in das Innerste der Spelunke vor zudringen und die Spieler auf der Thal zu überraschen. An einer laugen Tafel, die mir Karten und Geldhaufen bedeckt war, saßen au 100 Personen ins Spiel vertieft. Der Bankhalter war ein alter Berbrecher, der lange verfolgt worden war, drei Spieler waren in Hemdsärmeln, weil sie ihre Röcke verspielt hatten, ein vierter Spieler saß da ohne Hosen, der saumselige Schneider, dein sie zum Aus- bcssern gegeben waren, Halle sie noch nicht abgeliesert. Als der Po- lizeibcamte plötzlich seine Hand auf die Schulter des Bankhalters legte und die Spieler für verhaftet erklärte im Namen des Gesetzes, da erloschen im Nu alle Flammen und es würde dcm Manne schlecht ergangen sein, wenn nicht in demselben Augenblicke auf den Ruf seiner Nolhpfeife die Schutzleute mit Laternen eingcdrungen wären. Unter den Spieler» befände» sich 62 Diebe und Verbrecher, die zum großen Theil steckbrieflich verfolgt worden waren. Sehr richtig. Frau Schulze: „I, sagens mir, Herr Meier, warum wird denn die Eichorie jetzt mit einem Male so lheuer?" Meier: „Na, weil hall jeder Lump jetzl Kaffee lrinkt." (Norddeutscher Haus- und Historien-Kalender für 1871.)