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35« Wörtern den Parteien unverständlich sind, nicht genügt wird. Das Justizministerium ist nicht gemeint, den gerügten Mißbrauch, welcher das Recht der Parteien verletzt und das Ansehen der Gerichte schä digt, länger zu dulden und wird daher in allen einzelnen Fällen, in welchen es künftig einen solchen Mißbrauch wahrnchmen wird, das Geeignete gegen dessen Wiederkehr verfügen. An die Borstände fämmtlicher Gerichte ergehet aber unter Lerweisung auf die früheren Verordnungen, hierdurch von Neuem die Anweisung, darauf unaus gesetzt Bedacht zu nehmen, daß in den von den Gerichten ausgehenden Schriften die den Nichtjuristen unverständlichen Fremdwörter vermieden und daß namentlich auch die Enlschndungsgründe von denselben frei gehalten werden. Der „B. B.-C." hört, daß die erste Vorlage, welche dem Reichs tage des Norddeutschen Bundes gemacht werden wird, eine zweite Credit-Forderung der Negierung für Kriegszwecke sein soll. Aus Ungarn werden zur deutschen Armee vor Paris so große Quantitäten von Lebensmitteln befördert, daß die Kaiserin- Elisabethbahn in der letzten Woche nicht mehr im Stande war, den an sie gestellten Anforderungen mit den fahrplanmäßigen Güterzügen zu genügen. Sie hat deshalb bei den bayrijchen Slaats- und Ost- bahnen um Aushülse mit Transporlmaterial nachgesucht. In Bayern beträgt die Zahl der Adressen, in welchen die Ge meinden den Anschluß an den norddeutschen Bund befürworten, nach der „Südd. Presse" gegenwärtig ungefähr Tausend. Die meisten (350) kommen aus Schwaben, welchem die patriotische Kammer majorität so viele Mitglieder verdankt, dann kommt Mittelfranlen mit 200, Nheinpfalz mit 160, Oberbayern mit 90, Niederbayern mit 60, die Oberpfalz mit 50 und Unlerfranken mit 30 Adressen. Die Kriegsbeute, die in Metz gemacht worden ist, ist unermeßlich. An 180,000 Chasscpotgewchre, von denen viele freilich jetzt so ver dorben sind, daß sie einer gründlichen Reparatur bedürfen, 100 Mitraillcusc», 800 Feldgeschütze, 2000 Rohre von Festungsgeschützen jeder Gattung und viele, viele Tausende von allen möglichen Wagen und sonstigen Ausrüstungssachen; dann zahlloses Armeesuhrwerk und alles, was zur Ausrüstung der Heere gehört; serner eine Casse, die 10 Millionen Francs enthalten soll, ist in unsere Hände gefallen. Straßburg und mehr noch Metz waren die bctden großen Arsenale und Waffenplütze für die ganze französische Landarmee; seitdem wir beide Festungen mit allem, was sie enthalten, genommen, ist die militärische Kraft von Frankreich auf Decennien gebrochen, und es kann augenblicklich kein Heer von nur 100,000 Mann wirklich kricgs- tüchtig mehr ausrüsten. Von 67 Cavallerie-Regimenter», die das französische Heer noch am 1. August d. I. besaß, bestehen noch die vier Spahis-Regimenter in Algerien und sünf Linien-Negimenter im südlichen Frankreich, dann ungefähr die Halste der Depotsschwadronen; alle übrigen sind von uns vernichtet oder gesangen genommen worden. Gewiß an 40,000 Cavallerie- und eben so viel Artillerie- und Train- Pferde der französischen Armee sind in diesem furchtbaren Feldzuge schon vernichtet. In Metz allein sind über 25,000 Pferde geschlachtet und an 10,000 Stück vor Hunger und Entkräftung gestorben. Und eben so wie mit der Cavallerie ist es auch mit der Infanterie, Ar tillerie und dem Geniccorps Frankreichs. Ueber drei Viertel aller Truppen sind todt, liegen in den Hospitälern oder sind in Gesangen schast; was noch übrig bleibt, besteht größtenthcils nur aus Depots. Es ist ein gewaltiges Strafgericht, das Gott der Herr in feinem Zorn jetzt über das Volk der Franzosen verhängt hat, und eine schwere, aber nicht ganz unverdiente Sühne für die vielen, vielen Verschuldungen, welcke Frankreich durch seine stete Revolutionslust und Eroberungssucht seit langer als 200 Jahren über ganz Europa und speciell über Deutschland gebracht hat, liegt darin. Die „N. A. Z." schreibt: Die französische provisorische Regier ung hat den ihr angeborenen Waffenstillstand abgelehnt. Die Kano nen werden nunmehr dieser Regierung und demjenigen Theile des Volkes, welcher derselben freiwillig oder unfreiwillig folgt, die Ver nunft predigen müssen, welche sich bisher vergeblich Eingang zu ver schaffen gesucht hat. Deutscherseits ist das Möglichste geschehen, der unglücklichen Hauptstadt Frankreichs die letzte Katastrophe zu ersparen, — das Blut und der Fluch der Tausende, die unter derselben zu leiden haben werden, komme über das Haupt derer, die sich zu Machthabern Frankreichs aufgeworfen habe», ohne den Muth zu haben, der Situation ins Auge zu sehen und die Consequenzen der selben anzunehmen. Versailles, 7. Nov. Nach Privatmittheilungen aus Pans ist Jules Favre und die Mehrzahl feiner College» für die Wahlen zur Constituante und für den durch Thiers vermittelten Waffenstill stand gewesen. General Trochu aber dagegen agitireud, hat seine Absicht durchgesetzt. Nachdem die französische Negierung durch Thiers erklärt hatte, das deutsche Angebot eines Waffenstillstandes von beliebiger Dauer auf Basis des militärischen Statusquo nicht amiehmen zu können, schlug Graf Bismarck vor, die Regierung von Paris und Tours möge die Wahlen nach Belieben ausschreiben und den Termin mit- theilen. Die deutschen Heere versprachen auch ohne Waffenstillstand die Wahlen in den ganzen occupirten Theile» Frankreichs zuzulassen, zu fördern und ihre Freiheit zu achten. Thiers hatte dann eine Be sprechung an der Vorpostenlinie mit Jules Favre und General Trochu, war aber dann, nach Versailles zurückgekehrt, nicht ermächtigt, den deutschen Vorschlag anzunehmen, er Halle vielmehr Befehl, die Unter handlungen abzubrechcn. Nachrichten aus Lyon zufolge begann die Filiale der Bank von Frankreich die Nebersiedekung der Fonds nach Toulon. Der Maire von Lyon bat wiederholt in Tours um Verstärkung der Besatzung. Vom Heldenmuthe Rocheforts berichtet ein Pariser Correspondent der „Times" ein artiges Stückcben. Der tapfere Redacteur der „Laterne", der mit der Feder so meisterlich gegen Frauen und Kinder loszuziehcn versteht, begleitete nebst Pelletan und ein Paar anderen bekannten Größen den amerikainschen Ambulancenzug außer halb der Forts, um eines der häufigen Gefechte mit den preußischen Vorposten anznsehen. Rochefort indeß blieb auf halbem Wege, in Courbevoie, zurück, unter dem freimülhigen Eingeständniß, daß er kein Blut sehe» könne. In gerechter Würdigung dieser Schwäche scheint ihm denn auch das Ober-Coinmando über die Pariser Barrikaden übertragen worden zu sein, deren Verthcidignng unter eine»» so nervenschwachen Führer gewiß eines der merkwürdigsten Schauspiele in der Kriegsgeschichte aller Zeiten bilden dürfte. In Paris verkausle dieser Tage ein Butlerhändler 6» gros 2000 Psd. gesalzene Butter für die Summe von 38,000 Frks., d. h. er ließ sich das Pfund mit 19 Franken bezahlen. Infolge der mit H Ballens erbeutelen Correspondenz aus Paris ist von Seiten des deutschen ObercommandoS ei» allgemeines Verbot ergangen, irgend eine Person aus Paris heraus oder »ach Paris hinein zu lasse». Die fünf in de»Ballo»s gesange»e» Perso»e» si»d vor ei» Kriegsgericht gestellt. Ei» Privatschreibeu aus Paris vom 1. November, das mit der Lust und Schleichpost herübergekommen ist, drückt die Befürchtung ans, daß es daselbst bald zur Hungersnoth kommen werde nnd daß ehe 14 Tage vergehen, alles Fleisch auigcgessen sein wird. Außer dem Pserdesteisch werden jetzt auch die Fische, welche die Seine nnd die übrige» Gewässer liefern, ralioncnweise vertheill nnd dürfe» »icht mehr, wie es bisher der Fall war, verkauft werde». Die Restau- ratio»e» erhalte» nur »och Fleisch für ihre Familie» und haben in Folge dessen fast größtmtheils geschlossen. Unter den weniger be mittelten Classen ist das Elend besonders groß. Dieselben baben nämlich größtentlwils ihre Ersparnisse ausgezehrt und werden von der Pnvatmildthatigkeit nicht unterstützt. Was besonders abgeht, ist das Brennmaterial, und dies nicht allein für die Heizung der Zimmer, sondern auch für die Zubereitung der Speisen, besonders des Pferde fleisches, welches sehr hart ist und lange kochen mnß. Die Pariser Opinio» Nationale veröffentlicht folgendes, etwas sehr komisches Actenstück. Cilaiio». Im Namen der beschimpften Menschlichkeit! Im Namen der verletzten Gewissensfreiheit! Im Namen des verkannten Rechtes und der verkannten Gerechtigkeit!!! werden die FF. Wilhelm I., König von Preußen, und Friedrich Wilhelm Nicolaus Karl von Preußen, Kronprinz, aufgcfordert, Samstag, den 29. Qelober 1870, um 7 Uhr Abends, im Frei maurer-Local der Ruhe I. I. Rousseau 35 in eigener Person oder in der Person eines Vertreters, der Freimaurer ist, zu erscheinen, um sich gegen die von der Pariser Freimaurerei gegen sie erhobene Anklage des Meineides zn verantworten. Falls sie sich nicht einstellen oder nicht vertreten lassen, wird ihnen ein Vertheidiger von AmlS- wegen ernamtt und so verfahren werden, wie es die freimaurerischen Gebräuche vorschreiben. O.... vor Paris, am 21. October '1870. Die Stadt Avignon hat die schöne Idee gehabt, Garibaldi ei» Schlachtroß zu schenken. Ans diesem Anlässe hat nun der Geiieral an die republikanischen Behörde» folgendes Schreiben gerichtet: „Dole, 24. Oclober 1870. Meine lieben Freunde! Meinen Dank für daS generöse Geschenk meines ersten Schlachtpferdes, welches ich erhalten habe. ES läßt sich nicht zweifeln, Frankreich schüttelt seinen Trauermantel ab, und der Gcgenkämgser Bonaparte'S wird eS sicher bald bereuen, seine schrecklichen Metzeleien nicht bei Sedan abge schlossen zu haben. Die Milizen der Republik und das Volk sangen an, sich von ihren Unfällen zu echote» nnd ich zweifle »icht a» einem glückliche» Endersolge. Ich bi» mit Daitkbarkeil Ihr ergebener G. Garibaldi, welcher mit Stolz dm Titel eines Bürgers von Avignon annimmt." Die bisherige» Ereignisse des gegenwärtigen Krieges waren von solchem Umfange nnd vö» deraitiger Tragweite, daß der oben ge meldete Fall der Festung Verdun fast gar kein Aufsehen erregte, obgleich mit der Capitulatioit dieses Playes ein bedeutendes Kriegs material an die BelagerungStrnppen übergcht; auch die Besatzung wird vermuthlich ziemlich stark sein, dieselbe dürste nahe an 6000 Mann betragen. Verdun hat gegen 12,000 Einwohner und ist der Endpunkt der Eisenbahn, welche von Paris aus über Chalons u»d Verdun nach Metz projeclirl ist, wovon aber mir die Strecke Cha- lons-Verdnn vollendet ward, der Theil von Verdmi nach Metz sollte vor Ausbruch des Krieges gebaut werden. Das vor Verdun benutzte BelagenmgSmaterial dürste wohl gegen eine der an der belgischen Grenze liegenden, »och »icht bezwnngme» sra»zösische» Feftunge» Verwe»dn»g finde». Ei» großer Theil der bei Metz frei gewordene» Truppe» marschirt bekanntlich gegen Süden, ui» dort gründlich auf- zuräumen; von dieser Armee, welche unter Oberbefehl des Priiizc» Friedrich Carl steht, hatte man bisher noch nichts weiter gehört. Ein heute von Versailles ciiigctroffenes Telegramm scheint die erste Nachricht von der Ricbtung zu bringen, in welcher diese Truppe» Vordringen. Es betrifft dasselbe einen Znsammenstoß, der am 7. November in der Nahe von Chanmont zwischen Abtheilungen der zum 3. Armeccorps gehörenden 9. Jnsameriebrigade und Mobilgarde» stattgesunden hat. Ist die Aimahme richtig, daß dies bereits Truppen der Armee des Prinzen Friedrich Carl sind, so marschirt eine starke Colonne derselben direct auf das bereits von dem Werder'schen Corps besetzte Dijon, und wird dort Vereinigung mit den in dieser Gegend sich ausbreitenden Truppen finden.