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269 Vermischtes. Das „Meißner Tageblatt" berichtet aus Meißen, 20. August. Das gestern Nachmittag über unsere Stadt und Umgegend niederge gangene schwere Gewitter mit Schloßenwetter ist in der Gegend von Priestewitz lind Großenhain viel stärker aufgetroffen und es sind dort Hagelstücken von der Größe eines Taubeneies gefallen. Auch die Weinböhlaer Gegend hat in den Weinbergen Schaden erlitten. In der Gegend von Bockwcn haben die Schloßen eine Viertelelle hoch gelegen, doch sind sie nicht so groß gewesen. Ein Blitzstrahl hat einen Telegraphcndrath berührt und in der Station am hiesigen Bahn hofe Schaden verursacht; auch in dem Telegraphenbureau in der Sradt war die Wirkung sehr fühlbar. — An den Weingeleiten auf unserem Communweinberge findet man bereits reife blanke Trauben von der ersten Blüthe. In der Nähe des Fcldschlößchens in Dresden wurden am 20. d. M. Nachmittag gegen 5 Uhr vier Mann, welche in einer Kiesgrube beschäftigt wären, von einer Wand verschüttet. Drei davon sind zwar aufgefunden worden, es blieben jedoch alle Wiederbelebungs versuche erfolglos. In Darmstadt wurde ein Dienstmann mit einer fremden Dame getraut, die er vorher nie gesehen und die nach der Trauung sofort abreiste, während der zurückbleibende Strohwittwer 150 fl. und einen neuen Anzug erhielt und seelenvergnügt über den sonderbaren Handel ist. * Eine merkwürdige Thatsache, schreibt der Correspondent der „Kreuzztg." aus Brüssel, kann ich ihnen mittheilen. Die Siege Preu ßens und der drohende Untergang des französischen Kaiserreichs ha ben auf den geistigen Zustand der Wittwe des unglücklichen Kaiser Maximilian von Mexico eine überraschende Wirkung geübt.' Die Kai serin Charlotte liest mit großem Interesse wieder die Zeitungen und unterhält sich mit großer Klarheit über die politischen Verhältnisse. Das jetzige Schicksal Napoleons bezeichnet sie als ein Werk der ver geltenden Vorsehung wegen seines Treubruches gegen ihren Gemahl. * Einem griechischen Blatte entnimmt die „W. Z." nachstehende Einzelheiten über das am 1. d. M. in Griechenland stattgehabte Erdbeben: Jn Galaxidi, das 6000 Einwohner zählt, sind die meisten Häuser eingestürzt; die noch aufrecht stehenden drohen den Einsturz. Die Bevölkerung befindet sich an Bord von Schiffen oder campirt unter Zelten, man zählt 6 Todte und über 100 Verwundete. Jtea zählt 3 Todte und über 30 Verwundete, nicht ein Haus ist stehen geblieben. Amphissa, das von 6000 Menschen bewohnt wird, hat ebenfalls den größten Theil seiner Bauten, darunter massive Kirchen und Klöster einstürzen gesehen; eben so Delphi, wo viele Menschen zu Grunde gegangen sein sollen. In dem großen, gänzlich zerstörten Dorfe Crissow wurden 50 Menschen erschlagen, eine noch größere Anzahl verwundet. Aehnliches wird noch von fünf andern, in der Nähe gelegenen Dörfern berichtet und nicht minder bedeutend sind die Vernichtungen von Menschenleben und an Bauten in vielen Ort schaften von Livadien und Locris. * Sie sollen ihn nicht haben! Aus Mainz wird der „Petersb. (deutschen) Ztg." von ihrem Special-Correspondenlen geschrieben: „Die malerische Rheinreise übt einen sichtbar belebenden Einfluß auf die Mannschaften aus, namentlich staunten die jungen Ostpreußen, mit denen wir fuhren, über die pittoresken Schönheiten, welche die schäft zu gründenden deutschen Bund. So etwas deutete selbst das officielle Journal an. Das linke Rheinufer für Frankreich, — das verstand sich von selbst. Um so größer ist nach den zer schmetternden Schlägen des Chaos in Paris. Betäubung, Erbitterung, Wuth, Angst und Rache wirbeln durcheinander. Niemand wagt zu sagen, was der nächste Tag bringen wird. Blanqui mit seinen Sozialisten erhob in der Vorstadt Billette das Haupt, erstürmte eine Kaserne, wurde aber von den Bürgern selber niedergeschlagen. Die Deutschen sitzen wie auf einem Vulkan. Nur Eins ist sicher, daß Napoleon unwiederbringlich verloren ist. Die Ausweisung der Deutschen aus Frankreich, resp. Paris hat in Basel allgemeine Entrüstung hervorgerufen. Der Bundesrath hat die schweizerischen Eisenbahudireklionen ersucht, die ankommenden Süddeutschen (die Norddeutschen werden über Belgien den Weg nach der Heimath suchen) zur Hälfte des gewöhnlichen Fahrpreises zu befördern. Paris, 23. August, Abends. Die Negierung verbreitet durch öffentliche Anschläge Folgendes: Die Vorbereitungen für dieVerlhei- digung der Stadt Paris sind jetzt beendet; die detachirten Forts und mit zahlreicher und starker Artillerie, vielen Truppen und Munition ungefüllt. Paris ist mit Lebensmitteln und Kriegsmunition vollstän dig verproviantirt. Alles ist auf eine energische Vertheidigung ein gerichtet, wenn selbige nölhig sein sollte. Die Nationalgarde, welche vollständig bewaffnet wurde, ist erfüllt mit den lebhaftesten patrio tischen Gefühlen, sie macht täglich Uebungen. Augesichts der bevorstehenden Vertheidigung von Paris ver lassen viele Frauen und Kinder Paris. Fürst Orloff, der russische Friedensmissionär, ist in Paris eingetroffen. Es ist ausgefallen, daß in der Meldung des Kaisers von seiner Ankunft in Chalons des kaiserlichen Prinzen keine Erwähnung ge schehen. Es heißt, der Kaiser, der kaiserliche Prinz und Prinz Na poleon seien in Rheims. Der Kaiser soll in fieberhafter Erregung sein und unaufhörlich von Verrath sprechen. Es hatte eine Versamm lung von Deputirtcn aller Farben stattgefunden, in der Thiers eine vernichtende Rede gegen das Kaiserreich hielt. Die Besatzung von Paris soll zur Armee abgehen und die Hauptstadt eine Besatzung von Pompiers, Douaniers rc., die aus ganz Frankreich zusammenge rafft werden, erhalten. Das Corps Mac Mahon's wäre angeblich wieder reformirt und auf die Stärke von 60,000 Mann gebracht. Lieder zu Schutz und Trutz. Gaben deutscher Dichter aus der Zeit des Krieges im Jahre 187 0. Unter allen bereits erschienenen oder angekündigten Sammelwerken von deut schen Kriegsliedern der Jetztzeit nimmt das vorliegende unbestritten den ersten Rang ein, der ihm auch wohl für immer verbleiben wird, da es zum großen Theil Ori ginal-Beiträge unserer ersten Dichter bringt. Außer den Original-Beiträgen wird diese Sammlung aber auch alles Bedeutende, schon anderswo Veröffentlichte aus der Kriegslieder-Poesie unserer Zeit enthalten. Die Ausstattung der Sammlung ist die eines Prachtwerks, die Herstellung eine ganz originelle, denn die Manuseripte werden, wo eine deutliche Handschrift, sowie der vorhandene Naum es erlauben, in Holzschnitt getreu facsimilirt wiedergegeben. Ger» werden die Leser die eigenen Schriftzüge unserer längst bekannten und allge liebten Sänger sehen und ein autographisches Album besitzen wollen, wie es.bisher noch nicht cxistirt hat. Um zugleich auch den höchst gespannten Ansprüchen an Deut lichkeit zu genügen, werden die autographirten Gedichte am Schlüsse jeder Lieferung nochmals in kleinerer Druckschrift wiederholt. Auch gute Compositionen vaterländischer Gesänge aus unserer Zeit werden Ein altes Wort. Eine halb verschollene Sage Was wacht sie heute aus? / Was nimmt über Leichen der Zukunft Sie heut' den Walkyrenlauf? Wer gedenkt's noch?: „Es wird ein Kaiser Aus's Reu' um Germania srei'n, Wenn zum letztenmale die Türken Ihre Rosse tränken im Rhein." in ihrer Schöpfungskraft unfaßbare Natur mit verschwenderiscber Hand von Bonn aufwärts ausgestreut hat. „Un datt will der ver fluchte Franzos sich holen?" rief ein kerniger 41er erbost aus, als wir gegenüber dem gigantischen Lorelehfeifen kurze Rast machten; „i, da muß ja dat Dunnerwetter reinschlagen, dat können wir besser behalten!" und begeistert schallte als hundertstimmige Antwort das „Lieb' Vaterland, magst ruhig sein!" über den deutschen Rhein dahin." „Können Sie gut mit Radiren umgehen?" fragte ohnlängst ein Advokat den sich zu einer offenen Stelle meldenden Schreiber. „O, perfekt!" war die Antwort. — „Dann kann ich Sie nicht brauchen", erklärte ihm der Advokat. Aufnahme finden. Man pränumerirt bei jeder Buchhandlung, sowie auch bei der Verlagshand lung, Franz Lipperheide in Berlin, Potsd. Str. 1I6a, stets auf 3 Lieferungen L 48 Quartseiten nut I Thlr.; alle 10 Tage erscheint eine Lieferung, die erste liegt uns bereits vor. Je 3 Lieferungen, sammt Titel und Jnhaltsverzeichniß, bilden immer ein Ganzes. Der Preis ist ein verhältnißmäßig billiger; aus dem reichen Inhalte der ersten Lieferung theilen wir das nachstehende Gedicht von Wilhelm Jensen mit. Zweideutig seit grauen Zeiten War stets der Orakel Wort; Lang' wälzen die Türken gen Westen Nicht mehr den Völkermord. Gen Osten mit schwirrender Geißel Treibt die Völker ein Tamerlan, Und siehe, an seine Fersen, Da heften die TurcoS sich an. So winket Erfüllung dem Worte — Schon blitzen die Schwerter zum Streich, Zum Werben schon reitet der Kaiser — Steig' auf, Du heiliges Reich! Hört auf, zu flattern, ihr Raben, Um des Khfshäusers Gestein! Die Türken tränken die Rosse Zum letztenmale im Rhein! Der ganze Reinertrag ist für die Vereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger des gesammten deutschen Heeres bestimmt. Auch nach dem Kriege wird der Verleger das Werk, an dem er sich noch durch die Uebernahme der ganzen, nicht unbedeutenden Kosten der Expedition und des Ver triebes betheiligt, nur zu vaterländischen Zwecken verkaufen. Er betrachtet den Er lös desselben durchaus und für immer als National-Eigenthum. Wir können nach Allem die „Lieder zu Schutz und Trutz" als ein echt patriotisches Werk, als einen Schmuck unserer Literatur bezeichnen und wünschen denselben auch schon ihres edlen Zweckes willen den reichsten Erfolg. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 11. Trinitatis-Sonntag Vormittags predigt: Herr Pastor Schmidt. Nachmittags: Herr Candidat Graf aus Meißen, früh V,8 Uhr: Beichte. Neueste Nachrichten. Dresden 25. Aug. Durch die hiesige Bundestelegrapheudirec- tion ist heute Vormittag folgende officielle Meldung vom Kriegs schauplätze mittelst Anschlags veröffentlicht worden: Bar-le-Duc, Mittwoch, 24. August, Abends 9 Uhr. Chülons vom Feinde ge räumt. Unsere Spitze darüber hinaus. Armee setzt ihren Vormarsch fort. (Dresd. Jl.) Paris, Mittwoch, 24. August, Abends. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des gesetzgebenden Körpers brachte die Regie rung einen Gesetzentwurf ein, wonach alle ehemaligen Soldaten zwischen 25 und 35 Jahren, verheirathet oder nicht, einberufen werden; ferner alle ehemaligen Offiziere bis zu 60 Jahren und alle tauglichen Generäle bis zu 70 Jahren. Die Dringlichkeit wurde vom Hause angenommen. (Dr. I.)