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394 Heinold verließ mit den neben ihm sitzenden Herren unter ei nem gleichgültigen Gespräch den Saal. Niemand ahnte in ihm den Urheber der Niederlage Mariens. Warum hatte sie auch die Kühn heit gehabt, sein Geschenk zurückzuweisen? Heinold hatte sich glänzend gerächt; er war vollständig befriedigt. Doctor Wellmann folgte ihm auf dem Fuße. Seine Selbstbe herrschung hatte ihn verlassen; er zitterte vor Wuth. In einem Nebenzimmer traf er auf Heinold. „Sie haben die Arme auf ihrem Gewissen!" rief er ihm zu. Heinold erblaßte; doch wollte er Muth zeigen. „Ach, der edle Beschützer der kleinen Marie!" „Der bin ich allerdings, davon sollen Sie Beweise erhalten!" „Herr Doctor, wollen Sie sich etwa gar mit mir schlagen?" „Eine Züchtigung haben Sie verdient. Sie handelten wie ein Bube; Sie sollen gezüchtigt werden, wie ein solcher." Dabei erhob Wellmann seine Hand und gab dem Herrn Heinold zwei kräftige Ohrfeigen. Hierauf verließ er, ohne weiter ein Wort noch zu verlieren, das Zimmer. Er wußte, daß er eine Handlung begangen hatte, die sich mit der Würde eines Mannes nicht vertrug. Er wußte, daß diese seine Handlung weitere Folgen nach sich ziehen mußte. Er wußte, welche Folgen dies sein würden. Das Alles war so schnell vor sich gegangen, daß Wellmann von seiner Braut gar nicht vermißt worden war. Der Letzteren war durch den Unfall mit der Sängerin der län gere Aufenthalt gründlich verleitet worden. Sie verließ in Beglei tung Wellmanns das Lokal. Hedwig blieb auf dem Rückwege einsylbig. Mit einer einfachen „gute Nacht" wurde Wellmann entlassen, doch fügte Hedwig etwas freundlicher noch die Frage hinzu: „Gustav, werde ich Dich morgen sehen?" Wie ein leuchtender und erwärmender Sonnenstrahl fiel diese Frage in das dnrch die Vorgänge des heutigen Tages verdüsterte Gemüth Wellmanns. Er reichte nochmals seiner Braut die Hand; leiser Druck wurde erwidert. „Ich komme," versicherte er ihr. Langsam wanderte Wellmann seiner Wohnung zu. Er wählte absichtlich den weitesten Weg, um sich zu sammeln. Spät erst er reichte er dieselbe. Wie zufällig sah er an dem Hause empor. Das Zimmer Mariens war noch hell erleuchtet. Am Ende hat der heu tige Vorfall gar ernste Folgen gehabt; das arme Mädchen! Mit diesen Gedanken trat Wellmann an die Thür und klopfte. Das schnelle Erscheinen drs alten Hausmeisters Schmidt, zu dessen Tu genden die Schnelligkeit sonst nicht gehörte, fiel Doctor Wellmann ans. Schmidts Miene verkündete nichts Gutes. „Endlich kommen Sie! Wir haben Sie mit wahrer Seelenangst erwartet. Die gute Marie! — Eilen L>ie Herr Doctor!" Diese Worte fielen centnerschwer auf Wellmanns Herz. Er flog die Treppe mit Schnelligkeit empor und trat in Mariens Wohnung. Weinend und händeringend lief ein altes Männchen mit grauem Haar in der Stube auf und ab — der Vater Mariens. „Herr Doctor, helfen Sie! Retten Sie!" Der Alte zeigte auf das Nebenzimmer. Dort lag Marie im Ficberzustande. Die Blässe war verschwun den und hatte einer Fieberhitze Platz gemacht. Die plötzliche Nervenerschütterung war die Ursache ihrer Krank heit. Der Alte erzählte, daß man seine Tochter bewußtlos nach Hause gebracht habe. In diesem Zustande lag sie noch jetzt. Doctor Wellman ordnete das Nöthige an und wich während der Nacht nicht vom Krankenlager. Obwohl Wellmann die Erinnerung an die unseligen Ereignisse des verflossenen Abends mit Gewalt zurückzudrängen sich bestrebte, er vermochte es nicht. Ein einziger Blick auf die Kranke rief Alles lebhaft in sein Gedächtniß zurück. Marie selbst war ja die unmit telbare Veranlassung zu Allem. Wenn derjenige, der durch seinen boshaften Streich das Unheil angerichtet, jetzt plötzlich hierher an das Krankenlager versetzt würde, wenn er mit eigenen Augen sehen müßte, welche Folgen sein Ge bühren herbeigeführt; wenn er die Klagen des alten Vaters, den Jammer über die Leiden der Tochter, sowie über deren gestörte Er werbsfähigkeit mit anzuhören gezwungen wäre; wenn er erfahren müßte, daß die kranke Tochter die einzige Stütze, die einzige Er nährerin, die einzige Freude eines alten kränklichen Mannes sei, wenn er hören müßte, daß diese Tochter, trotz ihrer Abneigung ge gen ihren Lebensberuf, dennoch in edler Selbstverleugnung dabei be harrte, um ihre Kindespflichten erfüllen zu können — welches Urtheil würde er dann über sich selbst, über Tugend in der Armuth fällen, fällen müssen? Von solchen und ähnlichen Gedanken erfüllt, verließ gegen Mor gen Doctor Wellmann die Kranke. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Paris, 20. Nov. In der Kohlengrube Böllh-Grönay, die der Gesellschaft von Bethune gehört, sind am Morgen des 18. Nov. 19 Arbeiter todt gefunden worden. Ein auf 350 Meter von dcr Grube stehende Dampfmaschine zum Aufwinden der Kohlen hatte am Abende des 17. um 11 Ubr das Holzwerk der Grube in Brand ge steckt; der Ingenieur ließ, um das Feuer zu löschen, die Oeffnung der Grube schließen. Jetzt drang der Rauch hinunter; 65 Arbeiter waren in der Grube, wovon 46 sich retteten, 19 aber erstickten, von diesen waren 13 unter 16 Jahren, die anderen Familienväter, die 19 Waisen hinterlassen. Auch der Ingenieur, der zur Leitung der Löscharbeiten in die Grube gefahren war, erstickte. * Eine furchtbare Kessele;plosion hat am 11. November in Vegles in Ungarn in der Branntweinbrennerei der Pßtrusaer Villa stattge funden. 16 bis 18 Personen, darunter mehrere Familienväter und Mütter und ein Bräutigam, fielen derselben zum Opfer. Der Letz tere hatte am 15. November seine Hochzeit feiern wollen, zu welcher er sich aus erster Hand den Branntwein zu kaufen gekommen war. Ueber die Ursache der Katastrophe weiß man nichts Genaues, da alle in der Brennerei beschäftigten Arbeiter umgekommen sind, deren Leichen verschüttet, zerrissen, verbrüht aufgefunden wurden. Die bei den Kessel waren auf 6 Klaftern weit fortgeschleudert worden und hatten einen Theil des soliden steinernen Hauses in Trümmer gelegt. „Dem groben Geschütz seiner Feinde dient der Hinkende*) mit seiner ätzenden Satyre, seinem unverwüst lichen Humor und hat stets die Lacher auf seiner Seite. Von allen Seiten strömen ihm neue Freunde zu und lauschen seinen Predigten gegen den Unverstand und die gewissenlose Reaction unserer Tage." Bremischer Courier. *) Der Kalender des Lahrer Hinkenden Boten für 1870 ist er schienen und zu haben bei allen Buchhändlern u. Buchbindern. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 3. Adventssonntage Vormittags predigt Herr Pastor Schmidt. Nachmittags Herr Diaconus Ficker. Bekanntmachung. Den 13. December, Nachmittags um 2 Uhr, soll das Seitengebäude der Schule zu Blankenstein, welches abzutragen ist, im Stehen gegen baare Zahlung an den Meist bietenden verkauft werden. Blankenstein, den 4. December 1869. Der Gemeinderath. Bei bevorstehenden Einkäufen halte ich mein Lager von Schnittwaaren bestens empfohlen. Ich Vorkaufe V» roth karr. Bettzeuge, Elle 3 Ngr. V» roth und blau gestr. Inletts, Elle 3 hl, Ngr. V» weiße Halbleinen, Elle 27s Ngr. <74 - do. - 32 Pfge. - Reinleinen - 3 Ngr. <74 - do. - 38 Pf. buntfarbige Leinwänden, Cattune und bessere Bettzeuge und JnlettS ebenfalls billig. Kleiderstoffe von 14 Pfgcn. an. Cassinetts zu Jacken, Elle 25 Pfge. Reinwollne, einfarbig und buntkarr. Lamas in ganz besonders großer Auswahl, Elle von 5 Ngr. an. Eine große Parthie reinwollne Zephir - Sh awls, Stück 3 und 7 Vs Ngr. (Wiodorvcrkäufern bedeutend billiger.) Roirsrd LsonIiLräb Dresden, Froibcrgcr Platz 21o. 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