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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rosse«, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. 87. Ireitag, den 10. Jeccmlm 1868 Tag esgeschich te. Wie vorsichtig man auch selbst noch in kälterer Jahreszeit, wenn der Winter seine Herrschaft anzutreten beginnt, gegen Giftschlangen sein muß, beweist folgender bedauerliche Vorfall. Eine etwa 60 Jahre alte Bergmannsfrau in Freiberg holte am Sonnabend, den 27. November, Kartoffeln aus der Scheune. Auf dem Wege aus der Scheune bis zu ihrem Hause mußte sie durch ein Stück Garten gehen. Hier hatte sie das Unglück, auf eine Kreuzotter zu treten und von ihr in den unbekleideten Fuß gebissen zu werden. Bald stellten sich die Symptome der Vergiftung ein und noch an demselben Abende starb die sonst rüstige Frau unter den gräßlichsten Schmerzen. Am 20. v. M. wurde in Seissen bei Freiberg der Ehefrau des Schachtelmachers Ramm durch ein von der Wand herabfallcndes Schnitzmesser die Pulsader des rechten Armes durchschnitten, wodurch ihr Tod herbeigeführt wurde. Vor Kurzem theilten wir mit, daß in Königstein 2 Pferde ge stohlen worden seien. Neuerdings schreibt man aus Prag, daß in dortiger Gegend die Pferdediebe angehalten und in ihnen zwei Sach sen ermittelt worden seien, die einen gleichen Diebstahl bereits vor her in Ungarn verübt und deshalb von dort verfolgt wurden. Die in Königstein gestohlenen Pferde sollen sie bei ihrer Aufgrcifung noch mit sich geführt haben. In Schönau bei Bernstadt ist seit Kurzem unter den Kindern die Masernkrankheit so heftig aufgetreten, daß die untere Schulklasse hat geschlossen werden müssen. Doch scheint die Krankheit einen gut artigen Verlauf nehmen zu wollen. Im Dorfe Strauch bei Großenhain hat das Schicksal einer Familie einen schlimmen Streich gespielt, der niemals gut zu machen ist. Die Dr. N. berichten hierüber: Der Bauer hatte eine Kuh ver kauft und so contrahirt, daß die Kaufssumme beim Abholen des Rindviehes bezahlt werden sollte. Das geschah auch eines Tages, als die Tochter sich allein in der Behausung befand. Mit dem Ver schwinden der Kuh wanderten die 51 Papierthaler (ein Funfzigtha- lerschein und ein einthaleriges Cassenbillet) in einen Topf auf dem Küchenschrank, wie dies auf dem Dorfe fast immer Sitte ist. Die Tochter geht aufs Feld und tbeilt dem Vater die frohe Mähr mit. Kurz darauf kam die Mutter von einem anderen Felde nach Hause, um das Mittagsessen zu besorgen. Sie fand das zum Kartoffelbrei bestimmte Material geschält und geschnitten, sie nahm einen Topf aus dem Schranke, schüttete die Stückchen ahnungslos hinein und bald loderte darunter ein lebhaftes Feuer, um die Masse gar zu machen. Als die Familie am Mittagstisch sich niedergelassen, dampfte ihnen der heiße Brei duftig um die Nasen. ES fiel nicht weiter aus, daß m demselben sich hier und da eine dunkele, strcifenartige Marmorirung zeigte, die Löffeln arbeiteten tüchtig darin herum. Das Essen war beendet und der Vater beauftragte nun die Tochter, daß sie den Erlös für die Kuh herbeihole, damit ers „glei nuff trag'n" könne. Den Schluß wird man bald errathen. Die Tochter fand im Küchenschrank den Topf natürlich nicht mehr, in den sie das „halbe Hundert" gelegt, sie stürzte schreiend zusammen und die an deren Stubeninsassen stimmten harmonisch in diesen Schrei ein. Die 51 Thaler waren in aller Wahrheit den Weg alles Fleisches ge gangen, d. h. mit verspeist worden, im Innern des Topfes klebte nur am Boden der Ueberrest des Einthalerscheins, der höhnisch noch die Nr. des Billets zeigte. Das Andenken an die Kuh wird sich in- solge des theueren Mittagsessens in der Familie sobald nicht verwi schen. Im Dorfe Strauch bei Großenhain ist aber seit der Sünd- fluth nie so theuer dinirt worden. Bremen, 2. Dec. Die Auswanderung bat in diesem Jahre in Vergleich zu den beiden vorhergegangencn im Allgemeinen abgc- nommen. Es sind in diesem Jahre ca. 68,000 Personen über Bre men expedirt, während Hamburg nur die Zahl von ca. 40,000 er reicht hat. Die fortschreitende Regelung der innern deutschen Ver hältnisse hat viel dazu beigelragen, die Leute im Heimathlande zu fesseln, die alte Angst vor einem neuen Kriege ist verschwunden und selbst in den Hannoverschen Provinzen, wo die Mißstimmung über die politische Neugestaltung am längsten währte, ist man endlich zu einer besseren Ansicht gelangt. Der beste Beweis hierfür lvar die Reise des Königs von Preußen im verflossenen Sommer, wo der hohe Herr überall auf das Herzlichste empfangen wurde. Daß im merhin noch Viele ihr Vaterland verlassen, mag wohl zu beklagen sein, allein man darf nicht verkennen, daß die Auswanderung einen ganz andern Charakter angenommen. Die ausgezeichneten bequemen Dampfverbindungen haben einen sehr wechselseitigen Verkehr zwischen Deutschland und Amerika hervorgerufen. Wem sollen die Völker glauben, dem alten schwedischen Kanzler Oxenstirn, wie er in Wallensteins Lager heißt, oder dem modernen Kaiser Napoleon? Jener betheuert, die Welt sei gar leicht, sogar mit wenig Verstand zu regieren, dieser hebt seine jüngste Thronrede mit dem Stoßseufzer an, daß die Welt, namentlich sein Frankreich gar so schwer zu regieren sei. Dieser Stoßseufzer und sein Ver sprechen, für die Ordnung einstehen zu wollen, sind jedenfalls die ehrlichsten Stellen in der Rede. In der Kammer fand sie viel Bei fall, außerhalb viel weniger. Die alten Regenten versprachen nicht viel und hatten's leicht, die modernen versprechen viel und haben's schwer. Himmel, wenn alle die Versprochcnschaften der Thronreden seit 1848 in Erfüllung gegangen wären, wir wateten knietief im Wohlstand und Wohlleben. Daran haben vielleicht die Pariser bei der Thronrede gedacht und sagen: warten wirs ab! Den Völkern kanns einerlei sein, ob das Regieren ein bischen leichter oder schwe rer ist, wenn sie nur gut regiert werden, das ist ihnen die Haupt sache und nicht das Sauerwerden. Die Völker erleichtern auch das Negieren gern durch ihre Abgeordneten, wenn nur die Regenten nicht so eifersüchtig wären und alles allein besorgen wollten. „Für die Ordnung bürge ich" — das ist in der öffentlichen Meinung das A und O der Thronrede Napoleons. Das ist das persönliche Regiment und eine etwas sonderbare Idee von der Ordnung und ihren Bedingungen. Besteht in den Augen von Staatsmännern die Ordnung einzig' darin, daß der Verkehr auf den Straßen und öffentlichen Plätzen sicher gestellt wird? Sind die zahlreichen Regi menter in Paris und Umgebung dein Lande ernste Bürgschaften der Ordnung? Welcher Jrrthum! Die Ordnung ist die Sicherheit der Geschäfte und der Zukunft, sie ist der Credit auf lange Frist, die freie Entwickelung des Handels, der Industrie, der Landwirthschaft, das Vertrauen des Capilals, welches diesen allen zu Gute kommt. Die Ordnung, welche der Soldat und die Polizei schafft, befreit die öffentliche Meinung nicht von dem Alpdrücke. Das Ultimatum des Sultans an Ismael Pascha von Egyp ten enthält folgende Punkte: 1) der Vicckönig soll seine Kriegsschiffe verkaufen, 2) seine Armee bis auf 10,000 Manu entlassen, 3) weder neue Anleihen, noch neue Steuern machen, ohne Erlaubniß des Sultans, 4) das Budget in Konstantinopel verlegen und 5) eben daselbst die wichtigen Rechtsfälle entscheiden lassen. Die Sache hätte nichts zu sagen, wenn nicht Frankreich Lust zeigte, sich einznmischen. Rom, 8. Dec. Die Eröffnung des Cvncils hat begonnen. Die Väter des Concils (etwa 700) begaben sich in das obere Atrium der Basiliko des Vatikans, woselbst auch bald der Papst erschien. Eine ungeheure Menschenmenge war auf den Straßen versammelt. Die Tribünen der Concilshalle waren dicht besetzt mit Fürstlichkeiten, Gesandten, distinguirlen Fremden und Mitgliedern des römischen Adels. Getrennt und wiedervereinigt. Eine Erzählung aus dem Leben. Von I. Franz. (Fortsetzung.) Das Vorspiel lvar beendet; der Augenblick erschien, wo Marie ihr Lied beginnen sollte. Schüchtern erhob sie ihr Auge; die erste Gruppe, auf der cs haften blieb, in welcher Heinold, Doctor Wellmann und dessen Braut sich befanden. Sie lwrte Heinolds Veräußerung über ihren Schmuck. Marie suhlte, wie die auf sie gerichteten Blicke ihr in das Herz drangen; ihre Wangen brannten, das Armband glühte an ihrem Arme; die goldene Kette schnnrle ihr den Hals zusammen. Allen ihren Muthzusammenraffend, setzte sie an; vergebens war ihre An strengung — sie brachte keinen Ton hervor. Die Noten verschwam me« vor ihren Augen. Der ganze Saal drehte sich im Kreise, ihre Knice wankten; Sinne schwanden; sie sank ohnmächtig nieder. Ein Schrei des Mitleids ging durch die Versammlung.