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dort spielenden Theatergesellschaft überrascht, worinnen dieselbe das Lustspiel „Aufgcschobcn ist nicht aufgehoben" mit seltener Verkehrung der Worte" Aufgehoben ist nicht aufgeschoben" in Aussicht stellte. Die richtige Erklärung dieses Räthsels ergab sich aber am Abend pon selbst, indem der Dircctor nebst Gesellschaft und allem Zubehör trotz ansgegebener Billets verschwunden war. Wie der „L. Z." aus Greiz mitgetheilt wird, ist dem dortigen Eisenbahnbau-Vereine von Seiten der königl. sächs. Staatsregierung die Concession zum Bau einer Eisenbahn von Gera über Greiz und Elsterberg nach Plauen zugesichert und dabei ein Anschluß an die vom jetzigen Bahnhofe zu Plauen nach Oelsnitz zu bauende Bahn strecke, und zwar im Elsterthale bei Weischlitz, in Aussicht gestellt worden. Die Düsseldorfer Zeitung thcilt jetzt berichtigend mit, daß die Verhandlung des Prozesses gegen den r Reichstagsabgeordneten des Freiberger Kreises, Fritz Mende, nicht auf den 30. Januar k. I. fest gesetzt, sondern auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden ist, indem Mende von München aus, wo er sich in einer Augenhcilanstalt be findet, ein Krankheitsattest eiugeschickt hat, nach welchem sein Er scheinen unmöglich war. In Hof hat sich ein Comitee gebildet, welches den Weiterbau der projectirten Eisenbahnlinien Chemnitz-Aue-Adorf von Adorf nach Hof anstrebt. Im Feuilleton der Berliner Börsen-Zeitung schreibt man: Unser Landtag muß sich ein wenig tummeln, wenn nicht der Säch sische Bnndcsbrnder uns aus allen Gebieten in beschämender Weise überflügeln soll. Die Sächsische Negierung hat ihren Kam mern ein Preßgesetz vorgclegt, das unsern Neid in hohem Grade erregen kann und dessen Wohlthaten uns Preußen nimmer zu Theil werden, so lange das Herrenhaus der Fortentwickelung unseres Staates den Weg versperrt. Die Zeitungen in England lesen sich wie ein schlechter Ver brecher-Roman. Jeder Tag ist mit Mordthatcn und grauenhaften Verbrechen bezeichnet; überall Moder und Schlamm unter der an ständigen Oberfläche. Als Beispiel das Verbrechen des jüngsten Ta ges. In einer der Vorstädte Londons läuft die feingebüdete Gou vernante Miß Death davon, um mit einem rohen Kerle, Hinson, der kaum buchstabiren kann, in wilder Ehe zu leben. Hinson hat zuvor seine angetrante Frau ins Elend gestoßen. Sein Nachbar Boyd ist ein roherer Kerl, der zwei Frauen hat und ein berüchtigter Don Juan ist. Hinson ist eifersüchtig auf ihn, er giebt eine Reise vor und sieht, wie Miß Hinson und der Don Juan die Eisenbahn be steigen. Als sie Nachmittags zurückkehren, schlägt er Boyd nieder, schleppt die Miß in sein Haus und erschießt sie, rcnnt in daS Haus ocs verwundeten Boyd und schlägt ihn todt. Das alles vor vielen feigen Zeugen —Tags darauf erschießt ein 82jühriger Greis, Green, ein Beamter, seinen 78jährigen Nachbar Keyser um geringfügigen Streites willen. Der Ermordete ist ein Jude aus Frankfurt, der als Knabe seinen Eltern davongelaufen und in England ein reicher Mann geworden war. Die Polizei-Präfectur in Paris hatte neulich Auftrag erhalten, eine Frau und deren Tochter ausfindig zu machen, die lange im größten Elend gelebt hatten urd zuletzt völlig verschollen waren. Es handelte sich darum, diese Unglücklichen in den Besitz einer Erbschaft von 500,000 Fr. zu setzen, die ihnen aus der Ferne zugefallen war. Oeffentliche Aufforderungen hatten zu nichts geführt und so wurde ein junger, gewandter Polizeiagent beauftragt, die Erben aufzu- fpüren. Er erbat sich 14 Tage Zeit, und nach Ablauf dieser Frist nochmals 14 Tage und dann noch einen ganzen Monat. Sein Vor gesetzter machte ihm über seine Ungeschicklichkeit Vorwürfe, er ver^ stehe seine Sache nicht. Gut, versetzte der Agent, ich ziehe mich zu rück; allein ich erlaube mir die Anzeige, daß ich vor 8 Tagen mich mit der Tochter vermählt habe, und bitte daher um Auszahlung der 500,000 Fr. und um meinen Abschied. — Kein Glück. Eine Erzählung von Ludwig Habicht. Viertes Kapitel. (Fortsetzung.) „Mein Gott, das wollten Sie thun?" rief der junge Mann freudig erschrocken, und durch die Nacht seiner Verzweiflung brach es wie himmlisch versöhnendes Stcrnengeflimmcr; „ach, dieses unaus sprechlichen Glückes wäre ich nicht Werth!" — „Nein, das bist Du auch nicht!" brach jetzt der alte, um all' seine Hoffnungen betrogne Mann in höchster Wuth los. „Ich werde Dich selbst den Gerichten überliefern, ich, Dein Vater; Du sollst Deinem Lohn empfangen für Deine Schandthat, elender Bube!" und der alte Mann stürmte in höchster Aufregung fort. Der Commcr- zienrath wollte ihn zurückhalten, der Atte stieß ihn heftig zurück: „Laßt mich nur, ich bin ja sein Vater — ich — der Schurken- und Spitzbubenvatcr!" und er glitt mit einer raschen Bewegung aus dem Zimmer. „Fliehen Sic zur Stunde! drängte der Commerzienrath, „suchen Sie einen ausländischen Hafen zu erreichen und dann fort nach Ame rika, das wenigstens nichc der eigne Vater seinen Sohn ins Zucht haus liefert; noch ist es Zeit." „Nein, es ist zu spät, ich kann nicht mehr fort," jammerte der von der Bezweiflung des Vaters völlig darnieder Geschmetterte, „und dann, ich habe kaum noch hundert Thaler!" Der Commerzienrath erwicdcrte nichts, zog schweigend sein Ta schenbuch bervvr und dem von diesem Edelmuch lief Gedemüthigtcn einige Cassenscheine von je 50 Thaler in die Hände drückend, sagte er: „Hier, so viel ich entbehren kann; werfen Sie einen andern Rock über und fliehen Sie so schnell Sie können, und nicht über Hamburg — nach einem französischen Hafen; eh' hier Ihre Verfolgung einge- lcitet wird, sind Sie längst in Sicherheit." Der junge Mann wollte sich zerknirscht und reumüthig dem Com merzienrath, den er schändlich betrogen und der ihm großmülhig da für zur Rettung und Freiheit verhalf, von Neuem zu Füßen werfen, er wollte Worte des Dankes stammeln, aber kein Wort kam über die bleichen, geschlossenen Lippen. Der Commerzienrath schnitt all' diese Ausbrüche überströmender Dankbarkeit ah, indem er ihn zur Anleg ung eines andern Rockes und dann zur Thür drängte, ihm die höchste Eite und die größte Ruhe und Umsicht empfahl. Willenlos, kaum seiner Sinne mächtig, eilte der elende, junge Mann hinweg. Mariechen hatte mit großen offenen Augen dem Auftritte zuge sehen und wandte sich jetzt klagend an den Commerzienrath: Du hast doch den Arthur fortgeschickt und ich hab' Dir das schöne Herz ge schenkt!" — Dieser hatte sich sinnend ans Fenster gestellt und blickte dem Davoneitendcn.gedankenvoll nach. „Ich habe geklagt, daß ich kein Glück habe," sprach er vor sich hin, „und doch, jetzt weiß ich, was das rechte Unglück ist; hier wuchert es üppig aus einer einzigen That und vergiftet den Frieden Beider, von Vater und Sohn, und gegen diese Unglücklichen bin ich unentlich glücklich, denn keine Macht baut wieder das Sternengewölbe des innern Friedens auf, wenn es unsere eigne verbrecherische Hand zusammenstürzt . . ." Das Geplauder der Kleinen weckte ihn aus seinen Träumereien, und als sie ihre Vorwürfe wiederholte, wurde er erst aus das Me daillon aufmerksam, das er noch immer in seiner Hand hielt. Er betrachtete das Medaillon genauer, aus dem das Wörtchen „Itegnrätz!" eingravirr war, drückte an demselben herum, es öffnete sich plötzlich und er blickte staunend auf in minutiöser Schrift eingravirte fran zösische Zeilen; aber feine Verwunderung ging in die freudigste be- gluckendpe Ueberraschung über, denn hier blitzte ihm etwas entgegen, das diamanten funlelnde, — sein mit dem heißesten Eifer jahrelang gesuchtes Geheimniß, nach dem er gerungen mit der ganzen Hart- nactigteit seines Charakters — hier war es — in diesen wenigen Zeilen — kein Zweifel, dies eine Geringfügige hatte ihm zur Emaille bereitung gefehlt und doch, an ihm hing Alles; er fühlte, er wußte es jetzt uuo es war so einfach; tausendmal halte er bei seinen Ex perimenten vorbeigetappt, er wollte sich vor den Kopf schlagen über feinen Stumpfsinn; aber nein, „es ist gefunden!" rief er lachend und der finstere Mann war plötzlich wie umgewandelt; er jubelte und lachte und ging, die zitternden Hände auf die überquellende Brust haltend, mit gewaltigen Schritten und in höchster Aufregung in der Stube auf und ab. Das war Glück und Sonnenschein in reicher Fülle und daS zagende, von der Nacht des Unglücks erkaltete Herz konnte kaum die schäumende Fluth dieser hellperlenden Glücksstrahlen fassen. — Er nahm dann die Kleine auf den Arm und mit ihr im Zimmer herum tanzend, sagte er: „Ich ahnte es wohl, daß Du mir das Glück wie derbringen würdest, den» Du bist ein lichter, freundlicher Engel!" Er fragte Mariechen, wo sie das Medaillon her habe; sie wußte wenig davoii zu sagen, nur daß es ihr Papa gegeben, weil sie ihn recht sehr darum gebeten. Lieser kam jetzt von seinem finstern, unglücklichen Gange zurück; die Aufregung war vorüber, er hatte seine vermeintliche Pflicht ge- than, und im Innersten gebrochen und erschöpft, warf er sich auf ei nen Stuhl. — Der Postmeister hatte anfangs den alten Freund auS- gelacht; als aber dieser in immer glühenderen Worten von der Schandthat seines Sohnes sprach und auf die augenblickliche Ver haftung des Elenden drang, mußte er doch die Sache ernster nehme» und bei der Polizei Anzeige machen, die sich auch mit kleinstädtischer Geschwindigkeit beeilte, zur Verhaftung des Verbrechers zu schreiten, als er bereits das Weichbild der Stadt hinten» Rücken und bald in einem Hafer, angelangt sein mußte. Der alte Apotheker fragte nicht nach seinem Sohne, ob er fott oder noch da sei; keine Sylbe kam mehr über die bleichen, geschlosst- ne» Lippen und die müden, thränenseuchten, zur Erde gerichteten Augen verzichteten, .aus de» erlittenen Schiffbruch einen rettenden Balken zu erforschen. Es war sein einziger, leider von seiner kürzlich verstorbene» Frau verzärtelter und verzogener Sohn; er war es gewohnt, ihm völlig freien Wille» und ihn unbeobachtet Hu lassen, weil er das vollste unbeschränkteste Vertrauen in seine angeborene Ehrenhaftigkeit setzte, und jetzt hatte sein eignes Fleisch und Blut so schälidtich vom Wege eiserner Ehrlichkeit abirren können, auf dem zu wandeln sein einziger Stolz gewesen war. Sein ehrlicher Name war ihm Alles und den hatte sein Sohn besudelt und vernichtet, und damit war es aus mit dem alten, armen Manne und dumpfe Verzweiflung legte die scharfe Axt an den innersten Nerv seines Lebens . . . Der Commerzienrath wollte den Apotheker darnach fragen, wie Mariechen in den Besitz des Medaillons gelangt sei; doch dieser war heute jeder Unterhaltung unzugänglich. Er,t am folgenden Tage lockte er mühsam so viel von dem Alten heraus, daß Mariechen das Medaillon von ihrem Vater erhalten, der sie ihm zur Pflege gegeben, daß er cs habe sorgfältig aufbewahren sollen, aber die Kleine habe es einmal gesehen und dann nicht eher Ruhe gehabt, bis sie es er halten. „Ich sollte, wenn das Mädchen größer wäre, zu einem Hüttenbesitzer gehen und würde viele Tausende dafür bekommen, war das Wort des Vaters; aber ich habe geglaubt, daß es nur eine fixe Idee und wenig darauf gegeben, denn er sprach von nichts, als die sem unbezahlbaren Schatze." So war kein Zweifel, es war das Kind. seines Meisters, das ihm dieser gewiß aus Furcht entfernt hatte und das ihm jetzt der