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für Wilsdruff, Tharandt, Kossen, Sicbeulchn imd die Umgcgcndc». Amtsölatt fürdas Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselM. 48. Dienstag, den 22. Juni 1869. Tag esges chichte. Dcm Obersorstmcistcr Friedrich Wilhelm v. Cotta zu Tharandt ist aus Anlaß seines 50jährigen Dienstjubiläums das Comthurkreuz 2. Classe des Verdienstordens verliehen worden. Aus Glauchau vom 17. Juni geht den Chemnitzer Nachrichten folgender Bericht zu: Die auf heute anberaumte erste Diöcesanversammlung der EphorieGlauchau hat einen Verlaus genommen, wie ihn wohl niemand geahnt. Auf der Tagesord nung befand.» sich nämlich als letzter Punkt der Tagesordnung auch die bekannten fünf, von den Pastoralconferenzen ausgestellten Sätze betreffs der Stellung der Schule zur Kirche. Da jedoch von den Kirchenvorständen zu Glauchau, Meerane, Hohenstein re. theils ablehnende Beschlüsse ergangen, thcils zu erwarten waren, so hatte der Ephorns Dr. Otto schon im Programm die Bemerkung beigefügt: „Da hiernach die Kirchenvorstände entweder Erklärungen über bereits erfolgte Abstimmun gen oder über ihre Absicht, auf die Discussion dieser Sätze überhaupt nicht eingehen zu wollen, haben anher gelangen lassen, so erscheint der Gegenstand zu einer Be sprechung in der Diöcesanversammlung kaum noch geeignet." Jedermann war daher höchlichst verwundert, als vr. Otto schon in seinem einleitenden Vortrage sich des Langern über diese Angelegenheit, die programmäßig zuletzt zur Verhandlung kommen sollte, verbreitete und in präjüdizirender Weise eine Trennung der Schule von der Kirche für moralisch und politisch unmöglich erklärte. Warum er plötzlich andern Sinns geworden uud doch eine Abstimmung über die fünf Sätze herbeijühren wolle, sollte sich bald zeigen. Bevor zur Discussion überhaupt geschritten wurde, theilte 1>r. Otto ein Schreiben des Ministeriums mit, das auf geschehene Ansrage des Glau chauer Consistoriums am Abend zuvor eingegangen war und über den Abstunmungsmodus verordnete: „Jede Kirchengemeinde hat bei Diöccsanversammlungen mit 2 Stimmen abzuftimmen, durch ein" geistliches und ein weltliches Mitglied, da der Abstimmungs modus viritii» viel Gefahr laufe, eine tendenziöse Richtung zur Geltung zu bringen die nicht der wahre Ausdruck der Versammlung sei." Alach dieser Verordnung glaubte Hr. Otto der Majorität in der fraglichen Angelegenheit sicher zu sein, da erstens die Halste der Abstimmcnden Geistliche und zweitens jede kleine Landgemeinde so viel Stimmen gehabt hätte, als eine der Städte, und deswegen war er über Nacht an dern Sinnes geworden. Hr. Penzig auS Meerane protestirte gegen eine solche Jn- terpredation und legte namens des Meeraner Kirchenvorstandes Verwahrung ein; Hr. Clauß im Namen des Glauchauer protestirte gleichfalls und beantragt: wohl zu debattiren aber nicht abzustimmcn. Pastor Müller aus Lobsdorf will den Diöccsan- Versammlungen das Recht der Abstimmung ab- und den Parochialversammlungen u. der Synode zugesprochen wissen. Hr. Otto protestirt schließlich gegen jede weitere Debatte über diesen Punkt, und entzieht, nachdem Hr. Clauß aus Hohenstein für Schluß der Debatte, die Herren Kobes aus Glauchau, Penzig aus Meerane, Förster aus Hohenstein entschieden gegen Schluß derselben sich erklärt, Hrn. Uhle, der sich energisch im gleichem Sinne aussprechen wollte, entschieden das Wort. Da verlassen säutmtliche Meeraner, Glauchauer und theilweise die Hohensteiner, mit Ausnahme der Geistlichen, den Saal unter Protesteinlegung. Die Zurllckbleibenden, meist Ver treter der kleinen Landgemeinden, erklären das Verfahren der Austretende» für un gesetzlich und fahren in der Debatte fort, erledigen die 14 ersten Punkte des Pro gramms, enthalten sich jedoch einer Abstimmung über die S Sätze. Am 13. Juni früh wurde der Winzer Karl Gottlob Krauße in Kleinzadel bei Meißen, einige Schritte von einer Kiefer am Rande eines Gehölzes todt aufgefunden. Der Entseelte hatte ein Stück von einem Strick am Halse und zeigten sich am Hinterkopfe Spuren von Wunden. Ein anderer Theil des Strickes war etwa 20 Ellen hoch an der oben erwähnten Kiefer festgeknüpft. Außerdem fand man noch eine lange Leiter an den Baum angelehnt, in dessen Nähe noch ein Messer auf dem Erdboden lag. Jin ersten Augenblicke gewann es den Anschein, es habe Krauße versucht, sich zu erhängen, dann sich wieder losgeschnitten und dabei durch Herabfallen von der Lei ter die Kopfwunden erhalten. Eine von den zugezogenen Gerichts personen in der etwa 150 Schritte von der Auffindungsstelle befind lichen Wohnung des Entseelten vorgenommene Besichtigung hat je doch ergeben, daß hier kein Selbstmord, sondern ein Mord vorliegt. Es fanden sich nämlich in der gedachten Wohnung mehrere mit Blut besteckte, von Krauße benutzt gewesene Gegenstände, als dessen Leder schürze, ein Beil, einige Bretstücke u. s. w. Insbesondere erregte cs Verdacht, daß auch der neue, in den Holzstall eingeschlossene Schie- bock Spuren von Blut zeigte. Unter diesen Umständen fand man sich veranlaßt, Kraußens Ehefrau, eine geb. Polster aus Ebersbach bei .Radeburg in Haft zu nehmen. Kcaußc selbst, aus Leckwitz ge bürtig, stand im 31. Lebensjahre und war seit dem Monat März d. I. vcrheirathct, doch soll steter Unfli.de die kurze Ehe gestört haben. (D. I.) Der aus Leipzig gebürtige Fourier 4. Escadrvn II. Ulanen- Regiments, Heinrich Gustav Barth, ist durch ein am 21. Mai d. I. zusammengetretenes Kriegsgericht wegen Unterschlagung dienstlich an vertrauter Gelder, Betrugs und Fälschung zu 3 Jahren 2 Wochen Zuchtsaus, Degradation, Ausstoßung aus dem Soldatenstande, Ver lust der Kokarde, des Feldzugserinnerungszeichens von 1866 und aller Ehrenrechte rechtskräftig verurtheilt worden. Am 15. Juni ist der neulich in Strehla nach langen Mühen zur Haft gebrachte, ans dem Zuchthaus in Waldheim im Februar entsprungene Sträfling Heinrich nach Dresden transportirt und vor läufig ins Polizeigefängniß daselbst ausgenommen worden. Seine Geliebte begleitete ihn auf diesem Wege, da gegen sie Verdacht der Betheiligung an den Eigenthumsvergehen Heinrichs, sei es auch blos Hehlerei rc., vorliegen soll. Ziemlich die ganze in Dresden lebende Verwandtschaft Heinrichs (Wohl 7 Personen) sind ebenfalls eingezogen worden. Jedenfalls geht die Sache nun ans königl. Bezirksgericht in Dresden und dürfte eine interessante Hauptverhandlung bevor stehen, wobei Heinrich als Rinaldo neuesten Datums figuriren wird. In der Nacht des 15. Juni wurde in Crimmitschau in einem dortigen Gold- und Silberwaarengeschüft ein bedeutender Diebstahl verübt. Es sollen Waaren im Betrage von 800 Thalern gestohlen worden sein. Vor dcm Schwurgericht in Gera kam der am 3. Februar in Weimar vorgekommene Postdiebstahl zur Verhandlung. Aushülfs- dicner Bauer war der Dieb, der gestohlene Postbeutel enthielt 3519 Thlr., das Geld wurde bis auf 30 und einige Thaler bei ihm ge funden. Er wurde des qualifizirten Diebstahls schuldig gesprochen und zu 4 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Im Zollparlament ist der Petroleum-Zo ll abgelehnt, der Zoll für Walz- und Schmiedeeisen, für Neis und gebrannten Kaffee ermäßigt worden. Nun ists auch heraus, wer die Unruhen in Paris angezettelt hat. Das hat der Bismarck gethan, der Gaulois (Gallier), eine Pariser Zeitung weiß es ganz gewiß; denn bei mehreren Verhafte ten haben sich deutsche Kreuzer gefunden. Es ist ja bekannt, daß Preußen vom Thaler und Groschen auf den Kreuzer gekommen ist. Andere Verhaftete trugen 45,000 Frs. in Gold in ihren Taschen, 6 Gassenjungen jeder 12—1500 Frs. in Gold. Napoleon war übri gens so zufrieden mit der Energie der Pariser Polizei, daß er 10,000 Fres, unter sie vertheilt hat. Seinen Generalen und Offizieren hat er einen Wink gegeben, den sie nicht mißverstehen können. Die Nachkommen des Marschalls de Thermes, der vor 200 Jahren ge lebt hat, suchten um die Erlaubniß nach, eine Straße nach ihm nennen zu dürfen; Napoleon schlngs ab, weil der Marschall Vor einem Pariser Crawall zurückgewichen sei. — Zwei Zeitun gen in Paris, Rappel und Reveil, erscheinen nach den Unruhen nicht mehr und haben guten Grund dazu, denn kein Drucker Wagt sie zu drucken. — Unter den Tausenden von Gefangenen befinden sich viele deutsche Vergnügungsreisende; sie wollten sich das interessante Schauspiel einer Pariser Revolution nicht entgehen lassen und wur den mit ihrem rothen Berlepsch oder Bädecker unter dem Arm ver haftet. In Paris haben die bei den Straßen-Krawallen Verhafteten, deren Zahl sich nach amtlichen Mitthcilungen auf 1500 beläuft, die ersten Verhöre bereits zu bestehen gehabt. Mittlerweile ist dem Straf gericht schon wieder neue Arbeit in St. Etienne erwachsen, wo ei nige 100 Meuterer die Kohlengruben-Arbeiter zur Arbeitseinstellung verleitet und den einschrcitendcn Gensdarmeu uud Truppen mit be waffneter Hand Widerstand geleistet haben. Mexiko. Der Gesandte des norddeutschen Bundes in Mexiko, Herr von Schlözer, hat dort den freundlichsten und entgegenkom mendsten Empfang gefunden. Auf Befehl des Präsidenten Juarez war demselben für die Eisenbahnfahrt von Vera-Cruz bis Passo de Macho ein Salonwagen znr Verfügung gestellt. Der Stadtcomman- dant erschien am Bahnhofe, um sich persönlich bei ihm zu verab- abschieden, eine Ehrenwache war aufmaschirt und zwei Offiziere ga ben ihm das Geleit im Salonwagen; unter den Salven der Fest ungskanonen setzte sich der Zug in Bewegung. Von Passo de Macho wo die Eisenbahn endet, begleiteten den Gesandten zwei Tage hin durch von Ortschaft zu Ortschaft größere oder kleinere Cavallerieab- theilungcn als Ehrengeleite. Am 30. April Abends langte Herr von Schlözer in der Hauptstadt an; am 3. Mai machte er dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten auf dessen Einladung einen ersten Besuch, um ihm sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen. Da die folgenden Tage Feiertage waren, so konnte er erst am 7. Mai von dein Präsidenten Juarez empfangen werden. Die Audienz fand in