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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Vierteljährlicher Pränumsrationspreis 10 Ngr. — Insertion«gebühren für den Naum einer gespaltenen Corpuszcile 8 Pf. — Annahme von Inseraten bis Montag rcsp Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz dieses Blattes entsprechen, werden mit großem Tanke angenommen, nach Befinden honorirt. ZA. Ireitag, den 23. Lxril 1868. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 22. April. Am Montag, den 19. d. M., Nach mittags hat sich der 52 Jahr alte Kohlenfuhrmann Karl Gottlieb Preußer allhier, ein ruhiger, ordentlicher Mann, in einem Anfall von Schwermuth erhängt. Er hinterläßt eine Frau und 5 Kinder. — Am Mittwoch, den 21. d. M., hat der Gartennahrungsbe- sitzer Karl Gottlob Pötzsch in Alttanneberg seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht. Auch hier ist Schwermuth als Ursache der Selbstentleibung anzugeben. Pötzsch hinterläßt eine Frau und ein Kind. In Meißen ist bei dem Logiswechsel am jetzigen Osterquartal eine Familie obdachlos geblieben und hat in das Armenhaus ausge nommen werden müssen; in Dresden haben sich dagegen aber gleich zeitig dem Vernehmen nach 150 Parteien obdachlos angcmeldet, wäh rend dort ca. 200 Quartiere im Mangel von Abmiethen leer geblie ben sind. (M. T.) Am 16. April hat sich in Dresden ein junger Mann, früher Oekonom, mittels eines Revolvers in seiner Wohnung erschossen. Von den fünfthälerigcn Noten der landständischen Bank in Bautzen sind in den letzten Tagen in Dresden abermals Falsifikate aufgelaucht. « Ein beklagenSwcrthes Unglück hat sich am 16. d. M. gegen Abend in Neujonsdorf bei Zittau zugetragen. Auf dem Felde des Gartennahrungsbcsitzers C. A. Lindner waren der Hausbesitzer uud Weber E. F. Birnbaum und der Hausbesitzer Rudolph von hier be schäftigt, die durch Frost heraufgetriebencn Felsstücke mit Anwendung von Pulver zu zersprengen, wobei ihnen ein Schuß versagte und sie zum Nachsehen nöth.igte. Im Begriff den Schuß auszubohren entlud sich derselbe und riß Rudolphen die letzten beiden Finger so weit weg, daß sie nur noch an einem Faden hängen, während der dritte arg beschädigt wurde. Verhältnihmäßig schlimmer ist es Lindnern er gangen, welchem das Pulver ins Gesicht gekommen, so daß der Ver lust des Augenlichts befürchtet werden kann. Wie das in Leipzig erscheinende „Demokratische Wochenblatt" meldet, ist gegen den Redacteur desselben, Liebknecht, wegen des in Nr. 3 befindlichen Abdrucks aus dem schweizer „Felleisen" (Programm republikanischen Inhalts) endgiltig die Anklage auf Verbreitung staats- gefährlichcr Lehren erhoben worden. Leipzig, 18. April. Das Resultat der Tuchmcssc kann, wie jenes des Ledermarktes, iin Allgemeinen befriedigend angesehen wer den. Dagegen hat der günstige Anlauf, den die Manusactur- und Kurzwaaren genommen, keine Ausdauer gehabt, es erfolgte ein Rück schlag und das Geschäft geht seitdem flau. Auch Seidenstoffe sind wenig gefragt und nur Modesachen fanden Absatz^ Die Garnbvrsc war gleich bei ihrer Eröffnung stark besucht und ging es auf diesem Markte lebhaft zu. In einfachen und doublirten vaumwollcncn Gar nen kamen bedeutende Abschlüsse zu vollen Preisen zn Stande. Bis jetzt kann das Ergebniß der Messe nur ein mittelmäßiges genannt werden. Wären nicht ausnahmsweise die Amerikaner zahlreich er schienen, so würde das Resultat noch ein geringes gewesen sein. Es fehlt in der Handelswelt das Vertrauen in die europäischen Zustände, der bewaffnete Friede und die enormen Steueranstrengungen wirken verstimmend auf Handel und Industrie. In Nr. 91 der „Leipz. Ztg." ist eine Besprechung der Wahlen enthalten, die in nicht langer Zeit für den sächs. Landtag werden ausgeschrieben werden, und entnehmen wir diesem in vielen Bezieh ungen behcrzigcnswcrthen Artikel Folgendes: Nach dem neuen Wahlgesetze ist jeder 25 Jahr alte Sachse, der nicht nach Z. 2 des Gesetzes vom Stimmrechte ausgeschlossen ist, zur Abstimmung berechtigt, dafern er entweder a) Eigenthümer an einem mit Wohnsitz versehenen Grundstücke am Orte > t oder Ist an direkten Staatsabgaben mindestens einen Thlr. jährlich entrichtet. Da nur Diejenigen zur Wahl zugelassen werden, welche in der Wahlüste stehen, mag inan sich rechtzeitig vergewissern, ob auch der Name in der Liste enthalten ist. Wählbar zur 2. Kammer ist jeder stimmberechtigte Sachse, welcher an direkten Staatsabgaben mindestens 10 Thaler jährlich entrichtet . . . Wie müssen aber die Männer beschaffe» sein, auf die wir unser Augenmerk für die Wahl zu lenken haben? Festigkeit des Charakters muß sich mit ehrenwerther Gesinnung und Intelligenz vereinigen. Wäh len wir nicht den ersten Besten, welcher sich uns ausdrüngt, weil er zu Hause nichts oder nicht genug zu thun hat und es deshalb vorzieht, mit Hilfe der Diäten ein an genehmes Leben in der Residenz z» führen, vielleicht auch auf diese Weise Carriere zu machen und aus Kosten des Landes für seine Eitelkeit Lorbeeren zu pflücken hofft. Ungleich höher muß uns der Mann stehen, welcher nur ungern Geschäft und Familie verläßt und uns ein Opfer bringen muß, was ihm durch Diäten nicht ausgewogen Werden kann. Hüten wir uns vor Denjenigen, welche nichts als die Schlagwörter der Zeit im Munde führen; sie lassen erkennen, daß ihnen die eigenen Gedanken feh len und sie sich deshalb mit fremden Fede'-» schmücken müssen. Hüten wir uns vor Denjenigen, welche Zuviel und Unmögliches versprechen; sie lassen dadurch erkennen, entweder, daß sic selbst Nichtwissen, was sie sagen, oder daß sie uns zu selbstsüchtigen Zwecken zu täuschen beabsichtigen. Welche politische Gesinnung müssen unsere Abge ordneten haben? Nach dem Friedensschl.isse mit Preußen hat unser König erklärt, er wolle offenen und ehrlichen Anschluß an den norddeutschen Bund. Dieses königliche Wort muß auch für den Abgeordneten zur Richtschnur dienen. Er darf weder sinn los gegen gegebene Verhältnisse ankämpsen, noch darf er willkürlich weiter gehen, als es der Friede mit Preußen bestimmt hat, und muß Mit aller Kraft für die uns ver bliebene Selbstständigkeit einstehen. . . Wählen wir Männer auf unseren Landtag, welche die Intelligenz des Landes vertreten und mannhaft bekennen, wir wollen in nerhalb des norddeutschen Bundes Sachsen bleiben, so wird man uns achten und uns keine dcmüthigenden Zumuthungen machen. . . Schauen wir uns ein Jeder in seinem Kreise nach Männern um, welche würdig und fähig sind, unsere Interessen bei unserem Landtage zu vertreten, auf daß uns, wenn die Wahlen ausgeschrieben sind, die Kürze der Zeit nicht überrascht. An jedem Orte, in der Stadt und auf dem Lande, mögen Alle, denen das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt, sich für die bevorstehenden Wahlen vereinigen. Werden dann Männer zu Abgeordneten vorgeschlagen, deren Name für ihreJntelligenz und ihren Patriotismus Bürgschaft giebt, so mögen sie für diese ihre Stimme erheben und durch das Gewicht ihrer eignen Namen denselben die Stimmen aller Derjenigen zuführen, denen sie und ihr Charakter hinreichend be kannt sind. Eine solche Wahlagitation ist eine erlaubte, eine vollkommen berechtigte und gesetzmäßige. Sie ist viel besser und einflußreicher als Volksversammlungen, in welchen auswendig gelernte Reden gehalten werden, uud gewöhnlich diejenige Patei, welche am zahlreichsten vertreten ist, oder auch nur den größten Lärm zu machen weih, jede andere Meinung, sie mag noch so berechtigt sein, durch den Terrorismus der Menge unterdrückt. In der 19. Sitzung des Reichstages am Mittwoch ist bei der Berathung über Gewerbeordnung der 8 33 in folgender Weise ange nommen worden: „Wer Gastwirthschaft, Schankwirthschaft oder Klein handel mit Branntwein oder Spiritus betreiben will, bedarf dazu der polizeilichen Erlaubniß. Diese Erlaubniß ist nur dann zn versagen, 1) wenn gegen den Nachsuchendcn Thatsachcn vorliegen; welche die Annahme rechtfertigen, daß er das Gewerbe zur Förderung der Völle- rei, des verbotenen Spieles, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit miß brauchen werd. ; 2) wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Local wegen seiner Beschaffenheit und Lage den polizeilichen Anfor derungen nicht genügt. Es können jedoch die Landesregierungen die Erlaubniß zum Ausschenkcn von Branntwein und den Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus auch von dem Nachweis eines vor handenen Bedürfnisses abhängig machen. Dem Reichstage in Berlin ist etwas menschliches widerfahren, 4 lange und heiße Stunden debattirte er am 16. April rein aus Miß- verftändniß. Die beiden Antragsteller, die besten Redner von beiden Seiten und Graf Bismarck mißverstanden sich, bis endlich Lasker das Mißvcrstäudniß in Wohlgefallen verwandelte. Das ging so Fu. Twesten und Graf Münster (der Hannoveraner) hatten einen Antrag auf Einsetzung von Bundesministern gestellt, namentlich von Mi nistern des Krieges, der Finanzen, des Handels und des Verkehrs; denn Bismarck, der Bundeskanzler, sagten sie, könne nicht alles allein thun. Bismarck sah den Antrag als ein Mißtrauensvotum für sich an und bekämpfte ihn in langer, scharfer und interessanter Rede; er glaubte, seine leitende Stellung im Nordd. Bunde, der Einfluß des BundeSralheS (aus Commissaren der Regierungen der Einzelstaaten bestehend) und der Nest der Selbstständigkeit dkr Kleinstaaten sei ge fährdet. Er wurde förmlich zum Lobredner des ParticulariSmus und der Kleinstaaten und gab manchem großspurigen Verächter der letz ter!! viel zu denken. Da ergriff Lasker, als der klarste Redner, das Wort und wandelte die scharfe Ablehnung in halbe Zustimmung um. Lasker sagte: Es handelt sich nur um die Frage, ob die Exeku tive (die vollziehende Gewalt) durch den Bundeskanzler oder durch Bundesminister auszuüben ist. Es giebt nirgends eine Regierung, die durch die Verantwortlichkeit eines ManneS geleitet wird; jeder groß artig angelegte Mensch hat Eigenschaften, die zurückgehalten werden müssen, wenn sie nicht unter Umständen zum Schaden des Staates ausschlagen sollen; es ist Sache des collegialen Zusammenwirkens,