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WocheMM für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentes)» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. vierteljährlicher Pränumerationspreis 10 Ngr. — Jnsertionsgebühren für den Naum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf.— Annahme von Inseraten bis Montag resp. Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. 61. Dienstag, den 22. September 1868. " —— 1-1 - , ... ' ' -W—«MW» Tagesgeschichte. Wilsdruff. Am 17. d. M. Hai sich der Eisenbahnarbeiter Karl August Kutzschke (ein dem Trünke ergebener Menfch) im soge- gcnamuen Schasbusche bei Rothschönberg erhängt und ist Tags da rauf gerichtlich aufgehoben worden. Zwickau, 19. September. Sächsischer Städtetag. Ucber 60 Städte und mehrere Landgemeinden sind vertreten. Derselbe beschloß: Die Sicherheit- und Wohlfahrtspolizei innerhalb der Gemcindebczirke sei Gcmeindesache. Der Dualismus der städlischen Collegicn und die Lebenslängtichkelt der Anstellung derMagistrathspersonen ist aufzuhe ben und die Petitionen für die allgemeine Gcmcindeverfassung und Staatsverwaltungsreformcn im Sinne der größeren Sclbstrcgierung seien vorzubereiten. Der Städtctag sei künftig Gemeindetag für Stadt und Land. Freiberg, 16. September. In voriger Woche ist hier folgen der räthsclhaficr Fall vorgekommcn. Ein neu angestellter Zahlmei ster der im Bau begriffenen Freiberg-Chemnitzer Eisenbahn kommt am Freitag mit einer Summe von 20,000 Thlr., nach andern An gaben 30,000 Thlr. hier an, kehrt in dem von seinem Vorgänger ihm empfohlenen „Deutschen Hause" ein, verschließt seine Cassette im Secrctär seines Zimmers und besucht Abends mit dem Gasthof-besitzcr das Sinfonie-Conccrt im Nupprecht'schen Saale. Am Tage darauf reist er mit seiner Cassette nach Oederan und bemerkt hier, daß ihm 7500 Thlr. fehlen und zwar in großen Wcrthpapiercn. Ob nun diese Summe wirklich entwendet worden ist und ob dies hier oder anderwärts geschehen, ist zur Zeit noch nicht aufgeklärt. Die „L. N." berichten: Vcm Polizeiamle in Leipzig ist die Auf lösung des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins verfügt und dicfe Maßregel dem hiesigen Bevollmächtigten des Vereins gestern publicirt worden. Die Gründe hierfür basiren auf Folgendem: Der Allge meine deutsche Arbeiterverein habe das Recht der Körperschaft nicht erlangt, öffentliche Angelegenheiten in den Kreis seiner Bcrathungen und Schlüsse gezogen und die in den einzelnen Ortschaften eingczahl- tcn Vercinsbcträge nicht an den Cassirer des Vereins sondern für Localzwecke der Mitglieder verwendet. Hinsichtlich des in Leipzig (s. v. Nr.) sich ereigneten Mordes wird weiterhin mitgetheilt, daß ein zweites Kind der Familie des Kellners Karl an den erhaltenen schweren Verletzungen verstorben ist. Die anderen beiden noch eben schwer verletzten Kinder befinden sich eben falls in einem trostlosen Zustande, während das älteste Kind außer Gefahr zu sein scheint. Die von einer Berliner Volksversammlung am 12. Juni nieder- gesetzte Commission hat eine Petition gegen das bestehende Schulwesen an das Abgeordnetenhaus festgestellt, welche jetzt zur Unterschrift öf fentlich ausgelegt werden soll. Außerdem sind auch Statuten zur Be gründung eines Vereins für die Freiheit der Volksschule entworfen. Letztere sollen einer neuen, im Octobcr einberufcndcn Volksversamm lung zur Berathung und Genehmigung vorgclegt werden. Die Peti tion geht auf ein „zeitgemäßes Untcrrichtsgcsetz," welches den Einfluß der Geistlichen auf die Volksschulen beseitigen und dicfe unter der Lei tung von Schulmännern unter Mitwirkung der Gemeinde stellen soll. Diese ganze Frage wird im nächsten Landtag viel Rumor machen. Die Herbstmesse zu Frankfurt am Main hat sich im Großhan del nicht gut angelassen. Desto lebendiger war der Verkehr im Klein handel. Es gab Käufer in Menge.' Besonders ging das Ledcrge- schäft ausnehmend gut. In Sohlleder waren die Vorräthc rasch Vorgriffen. Die Lederfabrikanten machten die fröhlichsten Gesichter von der Welt, weil sie rasch und gut verkauften. Wie sich die Zeiten ändern! Der König von Preußen macht in den Herzogthümcrn eine Art Triumphreife. (?!) Aus Kiel vom 15. Sept, lautet ein Bericht: „Sc. Mas. der König machte heute Morgen auf dem Kriegsschiff „Adler" eine Wasscrfahrt nach Fricdrichsvrt und besichtigte daselbst das Marinedepot. Von dort setzte der König von berittenen Landleuten begleitet, seinen Ausflug zu Wagen nach Schloß Bellevue fort, wo das daselbst veranstaltete Dejeuner eingenommen wurde. Der König wurde überall mit großem Jubel empfangen Heute 5 Uhr erfolgt die Weiterreise." — Ferner aus Flensburg 15. Sept.: „Der König ist um 8V4 Uhr Abends hier eingctroffcn, begleitet vom Prinzen Adalbert, dem Großherzog von Mecklenburg- Schwerin, und wurde enthusiastisch vom Volk empfangen. Die Stadt war glänzend illuminirt, Abends 10 Uhr fand großer Fackelzug sei tens der Gesangvereine unter zahlreicher Betheiligung der Bevölkerung statt." Von katholischer Kirchenzucht erzählen die „Evangelischen Blät ter aus beiden Hessen und Nassau" in Nr. 31 folgende empörende Geschichte: Die Tochter eines höhern Beamten in Kassel, katholischer Konfession, hatte sich mit einem evangelischen Bcamlcn verlobt, und sollte die Trauung dem Gesetze gemäß von dem evangelischen Geistli chen vollzogen werden. Es war bis dahin von dem katholischen Mi litärgeistlichen, zu dessen Gemeinde die Familie gehört, kein Hinder niß der Verheirathung in den Weg gelegt worden, namentlich auch - mit keiner Silbe von einem Versprechen der Braut, ihre etwaigen Kinder katholisch werden zu lassen, die Rede gewesen. Am Morgen des Trauungstages geht nun die Braut zur Kirche, uin dort zu beich ten. Im Beichtstuhl erwartet sie nicht der Militärgeistliche, sondern ein junger Kaplan. . Dieser setzt nun alle Hebel' an, um von der Braut das oben erwähnte Versprechen, zu dessen Forderung er in keiner Weife befugt war, zu erhalten. In welch zarter und schonender Weise dies geschehen sein mag, erhellt daraus, daß die Braut ohn mächtig wird; der Kaplan läßt sie liegen; als sie wieder zu sich kommt, fährt er da fort, wo er aufgchört hat, und setzt ihr auf's Neue so zu, daß die Arme zum zweiten Male ohnmächtig wird; der Kaplan läßt sie auch dies Mal ruhig liegen, und als sie die Augen aufschlägt — man sollte es kaum für möglich halten, aber cs ist so — setzt er zum dritten Male an, ihr das besagte Versprechen zu erpressen! Die Braut wird zum dritten Male ohnmächtig und schlägt diesmal so heftig mit dem Hintcrkopfe auf, daß andere in der Kirche anwesende Leute erschreckt herbeieilen und der Gefallenen aufhelfen —Die Braut war standhaft geblieben und hatte das Versprechen nicht gegeben. Und nun? Zum Schluß, als der Kaplan seine Mühen ver geblich sieht, verlangt er ein anderes Versprechen, nämlich nicht zu erzählen, daß er ihr die Absolution verweigert habe. Der pfäffische Fanatismus ist etwas Entsetzliches. In Boom in Belgien hat Pfarrer Hehlen einem so eben verstorbenen Mädchen mittelst Kaiserschnittes den Leib geöffnet und der Frucht dieses Leibes die Taufe ertheilt. Er erklärt öffentlich, nach Vorschrift seines Bi schofs gehandelt und sich überzeugt zu haben, daß das Kind Zeichen des Lebens gegeben und erst nach der Taufe gestorben sei. Die Aerzte aber erklärten: Wenn das Kind gelebt hat, war auch die Mutter noch am Leben. Die Aufregung ist groß, zumal da noch mehrere geistliche Kaiserschnitte bekannt und verbürgt sind. Aus Pesth, 12. Sept, wird gemeldet: Das große 6000 Centncr fassende gemauerte Reservoir der Petroleum-Naffinerieakticngcsell- schaft in Ofen brennt seit 3 Uhr Nachmittags. An Löschen ist nicht zu denken, man bemüht sich, Pie 5 nebenan liegenden Reservoirs zu schützen, da deren Entzündung jeden Augenblick befürchtet wird. Der Schaden ist ungeheuer. Drei Menschen' sind verunglückt. In Amersfoört in Holland verbrannte die Cavallerie-Stallung mit 150 Pferden. In Wilna brach Feuer im Hause eines Juden auS; derEigcn- thümcr lief auf die Straße und rief polnisch: Hülfe! Feuerjo.! Tags darauf wurde er um 25 Rubel gestraft, weil er öffentlich polnisch gesprochen habe. Das schweizerische Dorf Obergesteln ist am 2. September bei nahe total abgebrannt. Von 180 Häusern blieben nur 6 verschont.