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Es ist nun entschieden, daß die Reichstagsabgeordneten keine Diäten erhalten; 100 Mitglieder sprachen sich für, 104 gegen Diä ten aus. Könnte man's nicht so einrichten, daß die 100 ihre Diäten erhalten und die 104 nichts? Den Nichtwollenden geschieht ja kein Unrecht. Der Postvertrag zwischen der Schweiz und dem Norddeut schen Bunde ist auf Einführung eines Portosatzes von 2 Sgr. für frankirte Briefe berechnet. Nächsten Herbst wird derselbe zur Aus führung gelangen. In Baden sind zwei wichtige Gesetze verkündet worden: Ueber Ministerverantwortlichkeit und über die Presse. Ersteres räumt der zweiten Kammer das ausschließliche Anklagerccht ein, wäh rend die erste Kammer den Staatsgcrichtshof bildet. Das Preßgesetz giebt die vollständigste Preßfreiheit; es hebt auch die Concessions- pflicht und den Zeügnißzwang für den Herausgeber, Verleger oder Drucker einer Zeitung auf. In Polen ist ein Ukas veröffentlicht worden, welcher befiehlt, daß die Polizcibcamten von Jedermann gegrüßt werden müssen und daß Jeder, welcher von denselben angesprochen wird, bei Vermeidung von Geld- oder Gefängnißstrafen die Kopfbedeckung in der Hand zu halten verpflichtet sei. Eugen i e. (Fortsetzung.) Theuerstes Fräulein! Ihr Brief hatte mich beinahe eben so bestürzt gemacht, wie Sie der meinige. Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen zu antwor ten. Was Sie mir darin von Liebe schreiben, ist mir etwas Neues. An jenem ersten und letzten Abend unserer Bekanntschaft hätte ich au diese Folgen nicht geglaubt, aber wenn ich damals etwas ge sprochen hätte, was Sie in dieser Hinsicht für sich günstig hätten aus legen dürfen, so bitte ich Sie, obwohl das nunmehr wenig nützen dürfte, um Verzeihung. Hätte ich so etwas ahnen können, würde ich jenen Ball nicht besucht haben. Sie werden fragen, warum ich Sie nicht lieben kann, da Sie doch schön, reich, liebenswürdig sind. Weiß ichs? Ich achte Sie wahrlich recht hoch, könnte Ihnen zeitlebens treuer Freund sein, aber lieben und lieben wie sich einst gebeut zu lieben, wenn man mit Jemand durchs Leben gehen will, das kann ich nicht. Sollte ich Sie unglücklich machen, wo es dann zu spät wäre zurückzutreten? Nein, das will, das kann ich nicht. Unsere Charaktere passen nicht für einander. Damit sich Zwei recht lieben, ists nvthig, daß das eine des anderen Fehler, Schwächen ergänzt. Ich weiß, daß mir die Ruhe fehlt, die ich zeige, und Ihnen ist sie nicht eigen. Wir würden beide nie zur Ruhe gelangen, die dem Ehe leben so nöthig ist. Wenn Sie sür Ihr Herz einst eine Wahl treffen wollen, richten Sie sich darnach. Zn viel Ruhe von des Geliebten Seite würde Ihnen zwar noch mehr das Leben vergällen, doch ein ruhigeres Herz als das meine müssen Sie wählen, um selbst leiden schaftsloser zu werden. Ich schreibe Ihnen da Dinge, die ich nicht zu schreiben berechtigt bin, doch geschiehts zu meiner Rechtfertigung, Ihnen aber zum Droste. Die Liebe ist blind und das Leben vsl lang. Vergeben Sie Ihrem Freunde, der als solcher stets verbleibt Ihr Alexis Waldek. Nachdem Waldek den Brief gesiegelt, steckte er ihn zu sich. Zwei Stunden daraus reiste er mit seinem Freunde ab. In der nächsten Stadt gab er ihn zur Post. Städte und Dörfer zogen an ihnen vor über. Die Eisenbahn trug sie schnell ihrem Ziele zu. Lassen wir sie jetzt, tim nach Eugenie zu sehen. Sic erhielt den Brief und warf ihn erbost ins Feuer, nachdem sie ihn gelesen. Nachdem er aber verbrannt, hätte sie ihn gern zu rückgenommen, war er doch von ihm, dem sie sür die Tauer nicht zürnen konnte. Es war ihr, als habe er wirklich Recht. Aber daß cs gerade so sein mußte, begriff sie nicht. Ein neuer Thränenguß, und noch mancher nach diesem, schwemmte vieles Leid hinweg. Der meisten Frauen guter Engel ist die Fähigkeit zu weinen, und viel zu weilten. Mehrere Wochen ging sie nicht aus dem Hanse. Sie wurde blasser von Tage zu Tage. Jbren Eckern, die den (Bund ihrer Miß stimmung nicht kannten, wurde bange um sie. Auf alle Fragen ant wortete sie hartnäckig mit einem: „Mir fehlt ja gar nichts!" Lange hielt ihr Characler es auch nicht aus. Auf die Tage der Abgeschlossen heit folgten Tage des Vergnügens. Au» einer Zerstreuung taumelte sie in die andere. Gab es jetzt auch weniger Bälle, so doch um so häufiger Concerte. Die Nachbarstadt halte eine Garnison, deren Musik üch genugsam in diesem Genre übte, mithin fehlte es nicht an Zerstreuung. Wollte es einmal ins Stocken gcrathen, half eine kleine Reise aus der Verlegenheit. Widerstand von Seiten ihrer Eltern kannte sie nicht. Mittlerweile bereitete man in der Hauptstadt des Landes eines der großartigen Feste vor, an denen das letzte Decenium so reich war. Natürlich mußte das auch besucht werden. Sie hatte eine Freundin allda, und diese hatte nicht verabsäumt an sie eine Einladung zu verabfolgen. Eugenie reiste mit vollem Gepäck. Ihr Herz klopfte vor Freude, Vor Freude auf das gebotene Vergnügen einmal, das andcremal lag eine Erwartung in ihrem Herz, dort vielleicht Alexis wieder zu begegnen. Im tiefsten Grunde des Herzens war sein Bild noch immer zu finden. Sie kam an. Vergnügen folgte ans Vergnü gen, doch keines wollte ihr so recht munden. Soviel sie sicb Milbe gegeben hatte ihm zu begegnen, sie hatte ihn nicht entdeckt. Ter alte 6 Zorn leuchtete wieder auf und nun wollte sie sich rächen, inder sie die anderen Bewerber nicht mehr verscheuchte. Lieben wollte sie kei nen mehr, höchstens achten; aber nur ein angesehener und reicher Mann sollte Anspruch auf ihre Hand haben. Der vierte Festtag war über die Hälfte beendigt. Viele Gäste hatten das Fest schon wieder verlassen. Ein anderer Theil beschloß den nächsten Tag einen Ausflug per Dampfschiff zu machen. Sie hatten es bekannt gemacht; wer von der Partie war, hatte sich an zumelden. Eugenie und ihre Freundin waren nicht dabei. Der Abend vorher wurde auf einem Balle verbracht. Unter den vielen, die die beiden Rosen umschwärmten, war auch ein Handelsherr der Haupt stadt. Ein etwas Heller Flecken des Scheitels zeugte davon, daß er bereits die erste und zweite Jugend hinter sich habe. Er war nichts weniger, als schön. In der Unterhaltung mehr langweilig, als an regend, allein seine Kleidung redete seinem Reichthume das Wort. Mit unendlichem Behagen horchte er dem heitern Geplauder Eugenieus. Ihre Worte glänzten von Witzen. Jeder der sich ihr Nahenden be kam einiges arktisches Salz zu kosten. Mancher ging etwas verdutzt davon, obwohl er geglaubt, mit seinem geistigen Rcichthum alles be siegen zu können. Den trocknen Handelsherrn behandelte sie hingegen so rücksichtsvoll, daß er eher glänzte als unterlag. Nast) wenig Stunden war er von ihrem Wesen derart eingenommen, daß er in sich beschloß — „diese oder keine!" Er begleitete sie nach Hause, bedauernd, daß er nicht längst ihre werthe Bekanntschaft zu machen die Ehre gehabt. Den nächsten Morgen offenbarte sich der alte Sohn seiner Mama und bat dieselbe, doch für kommenden Abend ein kleines Soup« zu veranstalten. Dazu wolle er unter Anderen auch diese beiden Freun dinnen einladcn, bei welcher Gelegenheit die Frau Mama die lebens lustige Eugenie kennen lernen und sondiren sollte. Frau Mama, höchst zufrieden damit, that Alles, was der Herr Sohn wünschte. Dieser schrieb eiligst Einladungskarten und beförderte sie durch einen Diener an die begünstigten Personen. Als dieser mit der Nachricht zurück kam, daß Alle zugcsagt, sprang der alte Sohn wie toll durchs Zimmer. Eugeniens Freundin fragte, nachdem sie die Karten nochmals betrachte!, dieselbe, ob sie denn wirklich diesen alten Jüngling liebe? „Lieben? Vielleicht. Heirathen würde ich ihn, wenn er um meine Hand anhielt." „Apo auch ohne Liebe kann man heirathen," spottete diese. „Auch Du kannst es, die ehemals ganz anderen Sinnes war? Ich werde irre an Dir." „Das Leben mit seinen Erfahrungen ändert manche Jugendansicht. Doch laß dies!" setzte sie mit Thräncn im Auge hinzu. Der Abend kam. Eine gemischte Gesellschaft bewegte sich in den eleganten Räumen. Eugenie wurde bald zur Königin des Festes. Scherz und Ernst wechselten. Eugenie war so reizend, so liebens würdig, daß sie nicht nur die zukünftige Schwiegermutter, sondern auch alle Anwesenden Hinriß. Für jeden Herrn, ohne Unterschied des Alters, hatte sie freundliche Worte; in jedes Gespräch der Damen wußte sie sich derart zu finden, das sie als das bescheidenste und doch liebenswürdigste Mädchen gack. Ihre Bildung wurde allgemein be wundert. In der Mitte des Festes schon nahm der entzückte Haus herr Gelegenheit, mit ihr allein zu sprechen. Bald war das Gespräch dahin eingemündet, wohin er es haben wollte. Und ehe sie noch auseinandergingen, hatte er die Erlaubniß, um ihre Hand anhalten zu dürfen. Eugenie verließ die Hauptstadt wiederum, der Bräutigam in »ps begleitete sie zur Bahn und verabschiedete sich mit dem Wunsche, bald sie Wiedersehen zu dürfen. „Das liegt in Ihrer Hand," lächelte sie. Beglückt ging er nach Hause; mit einer Genugthuung, die weder erfreulich noch bitter war, flog sie mit Flügeln des Dampfes der Hei math zu. ' (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. Der „D. A. Z." schreibt man: Seitens der in dem Reichstags wahlbezirke Chemnitz wohnenden Arbeiter, welche Försterling als Ab geordneten gewählt haben, hat die Handlungsweise des Gegenkandi daten desselben, Ädvocat Ludwig in Chemnitz, allgemeine Anerkennung gefunden, daß dieser zu dem von den Arbeitern gegründeten Diäten fonds einen erheblichen Monatsbeitrag gewährt. Saarbrücken, 15. April. Auf der Rhein-Nahebahn hat sich gestern ein Unglück ereignet. Als nämlich ein Güterzug um 6 Uhr zwischen den Stationen St. Wendel und Türkismühlc den an jener Stelle etwa 80 Fuß hohen Damm Passirtc, entgleiste die Maschine und riß einige Waggons mit in die Tiefe hinab. Der Locomotivführer (Na- mens Burges von Bingerbrück, er hatte sich vor Kurzem erst verhei- rathet) blieb auf der Stelle todt, während der Heizer und einige an dere Leute des Zugpersonals mit größeren und geringeren Verletzun gen davon kamen. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Ain Sonntage Misericord. predigt Vormittags Herr Diac. Hochmuth, Nachmittags: Betstunde. Wochcumarkt zu Wilsdruff am 17. April 1868. 1 Kanne Butter 16 Ngr. — Pf. bis 17 Ngr. — Pf. Ferkel wurden eingebracbt: 164 Stück und verkauft L Paar 4 Thlr. bis 0 Thlr.