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196 und eilte hinab. Bald sielen zahlreiche Schüsse und Noland mußte zu seinem größten Schrecken sehen, wie die Weißen sich auf ihre Pferde warfen und davon jagten; sie schienen mehrere Leute ver loren zu haben. So konnte ihn also Nichts retten? Und doch, wie gern hätte er seinen letzten Bluts tropfen dahinfließen sehen, wäre er nur beruhigt gewesen über Ediths Schicksal. Bald erschien sein Wächter wieder, begleitet von zwei jungen India nern, die ihm die Fußfesseln lösten, und da er trotzdem nicht gehen konnte, ihn zwischen sich nah men und halb trugen. Der Alte ritt hinter ihnen auf einem höchst wahrscheinlich erbeuteten Pferde. Er war in höchst trauriger Stimmung, die noch vermehrt wurde durch öftere Züge aus einer höl zernen Flasche. Roland konnte die Ursache seines Trübsinns aus folgenden Worten erkennen: „Sohn todt! Guter Jäger, tödten Bär und Büffel, fangen Fische, tödten weiße Manner, scalpiren! Nicht mehr Fische bringen, nicht Fell von Bär, nicht Zunge von Büffel! Sohn todt! Nie mehr sehen Sohn!" Als Ler Abend einbrach, machte die Gesellschaft Halt in einer Lichtung an einer klaren Quelle. Nachdem die Wilden gegessen hatten (auch Roland war reichlich versehen worden) machten sie ein Lager zurecht. Dürre Blätter und Moos wurde zu sammengetragen, der Gefangene auf's Neue gefes selt, und damit ihm jede Möglichkeit der Flucht abgeschnitten würde, brachte einer der jungen Wil den eine Anzahl Schlingpflanzen aus dem Walde, die er Roland über den Leib zog, dann lagerten sie sich zu beiden Seiten und wickelten sich die Enden um die Hände. Ein gleichmäßiges Schnar chen deutete bald an, daß die Wächter in tiesen Schlaf versunken waren; nur der Alte schien nicht eher sein Lager aufsuchen zu wollen, als bis kein Tropfen mehr in seiner Flasche war. Endlich stimmte auch er in den allgemeinen Ekor ein. Nur Roland konnte kein Auge schließen, der Druck der Fesseln und die Angst um Edith hielten ihn wach. Mit ternacht mochte schon vorüber sein, als in unmit telbarer Nahe ein Schuß siel, und wenige Augen blicke darauf hörte er den schweren Schlag der Streitaxt auf den jungen Indianer, der zu seiner Rechten lag, Roland konnte nicht entdecken, was um ihn her vorgl'ng. War es ein Freund, der zu seiner Befreiung herbeieilte? Er rief, Niemand ant wortete; bei dem letzten Scheine des verlöschenden Feuers sah er den alten Indianer mit zerschmetter tem Gesicht auf sich zuwanken, in der Hand sein Messer; aber ehe er seine Rachegedanken zur Aus- sührung bringen konnte, siel sein Arm kraftlos nieder und der Körper stürzte auf Roland, den er fast er drückte. Alles blieb stumm wie zuvor und Roland siel in einen Zustand, der halb Schlaf, halb Ohn macht war. Als er daraus erwachte, fand er seine Fesseln gelöst und neben sich die zwei Leichname der Indianer. Er suchte mit den Augen nach seinem Retter und wie groß war seine freudige Ueber- raschung, als er den alten Nathan mit einem Becher frischen Wassers von der Quelle kommen sah. (Fortsetzung folgt.) Vor fünfzig Jahren. (Fortsetzung.) Zum Unglück für Napoleon machte sein Schwa ger Mürat, König von Neapel, Miene, von der Familiensache abzufallen und sich Oesterreich in die Arme zu werfen. Er sah den Thron Napoleons zusammenbrechen, wie den Josephs in Spanien und glaubte sein Königreich zu retten, wenn er sich von dem lossagte, der ihm die Krone gegeben. So mußte Napoleon nicht nur die schöne Armee von Neapel, ungefähr 60,000 Mann stark, entbehren, sondern verlor auch seinen tüchtigsten Reitergeneral. Wie sollte er all diese Verlusts ersetzen? Tag und Nacht grübelte er, woher Menschen, Pferde und Geld kommen sollten. Eine neue Aushebung, das wußte er, konnte ihm nur Kinder liefern; darum verfiel er auf den Gedanken, alle Jahrgänge von 1803 an nochmals durchzumustern und alle nur irgend brauchbaren Leute zu Rekruten zu pressen, mochten sie unverheirathet oder Familienvater sein. Er schmeichelte sich, aus diese Weise 300,000 kräf tige Männer zu erhalten. Außerdem wurde über all die Nationalgarde aufgeboten, man nahm die tüchtigsten Leute heraus und steckte sie in die Linien- regimenter. Aber die auf diese Weise Betrogenen liefen zu Tausenden wieder davon und wollten lieber einen Sommer im Walde leben, als sich zur Schlacht bank führen lassen. Pferde verschaffte sich der Kaiser dadurch, daß er sie überall wegnchmen ließ und Bezahlung versprach, wenn der Feind besiegt sein würde. Was kümmerte es ihn, wenn ein großer Theil der Felder unbebaut bleiben mußte? Die größte Schwierigkeit bildete der Mangel an Geld. Schon im Jahre 1813 waren alle Kassen leer, nicht nur die Staats- sondern auch die Gemeindegüter verpfändet oder verkauft und die Steuern auf eine furchtbare Höhe getrieben. Aber das Vaterland war in Gefahr -- die Steuern wurden nochmals gesteigert, und da das nicht viel half, denn Nie mand hatte Geld, wurde zu dem letzten Rettungs mittel gegriffen: die Ersparnisse Napoleons, eine Summe von 133 Millionen Franken, von denen kein Minister Etwas wußte. Die Deutschen konnten besser darüber Auskunft geben, die in unserem Vater lande erpreßten Kontributionen waren fast sämmt« lich in die Keller des kaiserlichen Schlosses gewandert. Mit solchen Mitteln war es ihm möglich, bis zum Februar 1814 ein Heer von 60,000 Mann zusam menzubringen, das zum großen Theile aus Rekru ten bestand. Mit dieser Armee wollte er 200,000 siegestrunkene Feinde in ihrem Marsche aufhalten. Die Verbündeten drangen in 3 Abthcilungen in Frankreich ein: der Fürst Schwarzenberg durch die Schweiz, Blücher auf dem geradesten Wege über Köln und Mainz und der Kronprinz von Schweden über Holland. Der Letztere war aber noch so eifrig mit der Bekämpfung der Dänen und der Belage rung Hamburgs beschäftigt, daß Napoleon von ihm vorerst Nichts zu fürchten hatte. Der gefährlichste Gegner war Blücher: ein Greis an Jahren, aber ein Jüngling an Thatkraft, der, wenn auch ge-