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wieder zurückkehren, um in ehrenhaften Verhältnissen unter dem Legen deS Herrn neben einander zu wohnen. — Als d,r König von Neapel jüngst die de- schworenc Landesverfassung stürzte und das Volk moroen ücp, flüchteten alle in Neapel anwesenden Franjsien und Engländer auf ihre im Hafen be findlichen Kriegsschiffe und erhallen jetzt den von ihnen gefodcrten Schadenersatz. Oer französische Admiral Baud in richtete wahrend solcher Unter handlungen seine Kanonen auf das Schloß. Aber was wird den dortigen zahlreichen Deutschen, welche bei dem königlichen Gewaltstreiche nicht we niger verloren haben? Sie wagen gar nicht, an derartige Fodcrungcn zu denken, weil Niemand, kein Gesandter, keine deutsche Kriegsflotte ihre Rechte wahrnimmt und solche nachdrücklich unterstützt. Viele deutsche Gewerbsleute sind völlig geplündert worden; dec Consul Löffler, der im Palast Gravine wohnte, reitete kaum das nackte Leben, indem er aus ein französisches Kriegsschiff flüchtete. Deshalb muß Deutschland vor Allem etwas Anderes werden als es ist und namentlich für eine Kriegsflotte be sorgt sein! — Wenn die ziemlich gleichlautenden Nachrichten aus Polen sich bestätigen, so bekommen wir, was man auch dagegen sagen mag, russischen Be- su ch. Ucberschreitcn aber die Russen auf eigne Faust die deutschen Grenzen, so kommcn sie als Eindring linge, als Eroberer, als Räuber; kommcn sie aber auf heimliche Veranlassung der Kabinette zu Berlin, Wien u. s. w., so ist das deutsche Volk verrathen und es wird wissen, was e^ zu rhun und an wen es sich zu halten hat. Je näher nun die Russen der Grenze rücken und ihre Heere daselbst verstär- ken, je fragender blickt das deutsche Auge auf den König von Preußen, auf die übrigen Fürsten und die deutschen Armeen. Schon frvgt man überall: was wird Wilhelm thun, wenn sein Schwager Nikolaus über die Grenze rückt? wenn er kommt, ihm seine volle Souverainetäl wieder zu er obern? Darf daö Volk warten, bis die russischen Kolonnen in Posen und Schlesien entwickelt, bis sie vielleicht durch Ueberrumpclung von Thoren und Graudenz u. s. w. Ostpreußen abgeschnitten haben? Will das Volk nicht lieber schon früher von seinen Fürsten eine Erklärung fodern? Es wird das ge schehen müssen, sobald über die Bewegungen der russischen Armee Gewißheit vorhanden ist. Man sieht also, die Lebensfrage der deutschen Volksfrei heil ist noch nicht gelöst. Wir wünschen aufrichtig, daß dies ohne Blutvergießen möglich wäre. War- um soll ihre goldene Saat immer nur auf Schlacht feldern gedeihen? Die Weltgeschichte lehrt uns endlich noch Folgendes: wo Verweichlichung und falsche Verfeinerung in einem Staate oder Volke innere Uebel, Entartung rc. hervorriefcn, da eilten stets die roheren aber kräftigeren Nachbarvölker herbei, entweder mit der Verfeinerung auch Wohl stand und Bildung zu vernichten oder Eroberungen zu machen. Und was ist Rußland gegenwärtig 219 anders, als eine rohe Kraft? Sollte wirklich der Russe kommen, so kann vor der Knechtschaft uns nur ein gewaltiger Aufschwung der ganzen Nation retten. Auch durch den Kampf kann die Freiheit kommen, erwarten wir ihn als Männer. O e r l l t ch e s. Wilsdruf, am 25. Juni 1848. Die früheste Morgenstunde des heutigen Tages versammelte einen großen Theil der Bewohner uns rer Stadt zu einem so ungewöhnlichen als ernsten Zwecke. Am 22. d. M. war nämlich in Dresden des Herrn Obristleutnant von Schönberg auf Roth schönberg und Limbach einzige Tochter im blühend, sten Lebensalter plötzlich am Nervenfieber verschieden und cs sollte zu der eben angeführten Zeit die Leiche unsre Stadt passiren, um in der von Schönberg'- schen Familiengruft in Rolhschönberg beigcsetzt zu werden. Das Geläute aller Glocken von den Thürmcn unsrer Stadl verkündete den Bewohnern derselben das Herannahen des Trauerzuges, der in weiter Ferne schon wahrgcnommen werden konnte, da er von Fackelträgern umgeben war. Die Geist lichkeit, der Stadtralh und die Stadtverordneten, die Liedertafel sowie eine Schar schwarz gekleideter junger Mädchen mit Blumenkränzen in den Händen erwarteten auf der Höhe vor der Stadt in der Nähe der Besitzung des Herrn Gutsbesitzers Häntzschel den Traucrwagcn, den der einzige Bruder der Früh- vollendeten, Herr von Schönberg-Wilsdruf mir sei ner ältesten Fräulein Tochter begleitete. Gegen 2 Uhr langte der Zug daselbst an und die feierlich ernsten Töne eines erhebenden Chorals, von der Liedertafel gesungen, empfingen ihn. Sodann hielt Herr Pastor Bauer eine kurze, dem Herzen ent strömte Rede, worauf wiederum die Sänger eine Arie anstimmten. Darauf setzte der Zug unter dem neu begonnenen Geläute aller Glocken sich wieder in Bewegung, gefolgt von der wogenden Menge, welche sich trotz der ungewöhnlichen Tageszeit au ßerordentlich zahlreich eingcfunden hatte. Nachdem derselbe die Stadt durchzogen und die erste Höhe vor derselben erreicht hatte, hielt derselbe noch ein mal still und nochmals ertönte der Gesang der Sänger. Nachdem er geendet, rief Herr Diaconus Ulbricht in ergreifenden Worten der Dahingcschic- denen das letzte Lebewohl zu, worauf dann zum Abschiedsgruße die Stimmen der Sänger sich er hoben. Als sie geendet, wandte sich die Menge der Stadt wieder zu, die Traucrwagcn abcr, deren Be gleiter die Fackeln gelöscht hatten, fuhren langsam und still in den immer lichter heraufdämmernden Morgen hinein ihrem ernsten Ziele entgegen. Gott aber sende seinen himmlischen Trost in die verwaisten Elternhcrzcn, daß sic mit Ergebung in seinen unerforschlichen Willen den unersetzlichen Verlust ertragen! 26'