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allzeit durch eine Gutmüthigkeit gedampft, über die ich mich ost recht geärgert, denn sie erschien der Welt als Dummheit. — Und hier im Kerker drangen Haß und Groll dermaßen in mich ein, daß sie meine Galle so erregten, um eine Magen- verdnbniß hcrbeizuführen, die ich noch jetzt nicht gründlich überwunden bade und an der ich viel leicht nun lebenslang leiden muß. Vielleicht ist mail geneigt, mit einigen meiner Gegner und Feinde anzunehmen, daß ein Hang zur Rachgier schon in meinen kleinen Aufsätzen, die ick veröffentlicht, sichtbar werde, indem sich Personen durch Aeußerungcn oder Darstellungen verletzt fühlten und weshalb auch mehrere Jnju- rimprozessc gegen mich anhängig gemacht wurden. Dagegen muß ich jedoch anführen, daß meine, selten oder nie direkt an oder gegen die betroffe nen Personen gerichteten Worte meist nur den Sachen galten, die nicht von den Personen zu trennen waren, und daß im Grunde dabei immer der wohlwollende Gedanke mich leitete: es muffe Einer eben heraustreten in der geknechteten Zeit, damit die Zustande durch den Uebermuth Derer, die das Heft in den Händen führen, nicht zur Unerträglichkeit gesteigert würden. Ich fühlte Kraft in mir einen Theil dieser Mission wahrer Patrio ten unter unfreien Verhältnissen zu übernehmen und hierin, nicht aber in dem unedlen Verlangen nach Privatrache, sind wahrlich die richtigen Be weggründe meines handelns zu suchen, wenn man überhaupt darauf ausgcht: finden zu wollen. Wenn ich nun den Maßstab der Ucberzeugung durch eigene Erfahrung streng an die betreffende Frage lege, so kann ich nickt umhin, die Jsolir- haft für ganz ungeeignet zur Herbeiführung einer Besserung der Menschen zu erklären. Entweder scheint sie mir nur geeignet noch mehr zu verhär- ren, oder sie führt — bei schwächeren Charakte ren.— zur gänzlichen moralischen Zerknirschung und Vernicklung, worauf nimmermehr ein neuer Grundbau des Guten errichtet werden kann, denn dazu gehört vor Allem Kraft, welche vsn .der Isolirhaft gerade vorzugsweise zerstört wird. Ich denke mir den Verbrecher an der Gesellschaft als einen von Schicksalsstürmcn niedergebcugten Baum, Ler sick nur vermöge einer kräftigen Stütze wieder emporrichlen könnte. Diese Stütze, wenn sie sclbststänoig, d. h. gediegen und zuverlässig sein soll, muß vom Stamme selbst ausgehen; die Wurzeln desselben müssen den rechten Halt ge ben! Und die Isolirhaft macht eben die Wur zeln noch lockerer und mürber, als sie ohnehin waren! — — — — Mir scheint, die Gcsellschastscxperimcntalisten führen mit dieser sogenannten Bcsserungsmethodc eine Gattung psychischer Henkerkur durch und pfu schen der Gottheit, oder wie andere wollen, der :ümn inatkw, auf Stümperwkise in's Handwerk. Ich kann mir nicht helfen, es muß gesagt wer den: Ihr Herrschenden und Nichtverbrechcr! wer det ihr zuerst besser, dann werden die Nichtherr- schenken und Verbrecher auch ohne Isolirhaft sicherlich besser werden. So lange aber der Vor dersatz so mangelhaft wie bisher in Erfüllung ge bracht wird, erscheint die Isolirhaft hauptsächlich eben nur als eine der vielen sichtbar werdenden Gewaltausübungcn des Menschen über seine Brü der, auf der nimmermehr ein Segen ruhen kann. Auf mich, der ich an das Stubensitzen ge wöhnt bin; der ich geistige Mittel besitze, mich daran aufzurichtcn; der ich mich unschuldig fühlte; dem allerlei geistige Nahrung an Lektüre zuge lassen wurde; der ich eine kräftige Gesundheit, einen tüchtigen Körperbau besaß; auf mich wirkte die Isolirhaft so höchst nachthcilig ein und dar nach läßt sich auf die Einwirkung derselben unrer noch weit ungünstigeren Umständen schließen. Wenn ich die Rachcgelöbniffe einzelner Gefan gener, denen ich nahe kam, wenn ich den auf vergilbten Gesichtern deutlich ausgeprägten, jam mervollen Zustand Anderer bedenke, die im eigent lichen Sinne durch die Haft physisch und mora lisch vernichtet erschienen; wenn ich die Beispiele dazu rechne, welche ich im praktischen Leben von der Folgezeit solcher Verhaftetgcwcsenen kennen lernte, so wünschte ich mir Engclzungcn, um meine Zeitgenossen von der Anwendung dieser modernen Tortur abzumahnen, die so schlimm und schlimmer ist als die mittelalterliche, weil sic sich obendrein mit dem Mantel der Heuchelei umgibt, indem von ihr die Wir kung auf Besserung vorgegeben und beansprucht wird. Was würde der edle Penn dazu sagen, wenn er erführe, daß eine solche Tyrannei mit seinem, Menschenfreundlichkeit dokumcntirenden, Namen belegt wird? Die krasse amerikanische Ge fühllosigkeit, der schimpfliche, krämcrische Mate rialismus der neuen Welt sollte mit dieser Ent deckung gebührend an den Pranger gestellt werden in Europa, nicht aber Nachahmung finden, oder wjr beflecken uns durch die Adoption einer Schimpf lichkeit, wo wir Tugenden nachabmen sollten!—" Jocose Geschichte der Aufhebung der englischen Korngesetze. Das meiste Unheil in der Welt kommt daher, daß die, welche im Rechte zu sein wähnen, nichts von ihren, ost nur vermeintlichen Rechten opfern wollen, daß aber auch oft diejenigen, welche Rechte fordern, zu viel fordern. Wären die ersteren ent gegenkommender und letztere mäßiger in ihrem Verlangen, so wäre der Welt manche Schand- that, mancher Vcrrath an den Menschenrechten, mancher Krieg, manches Blutbad und manches Weh erspart worden. — Was anderswo in an derer Form vorkommt, indem man dort um das 29*