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Das Königfchießcn in Wilsdruf. Gestern, als am 11. d. M., wurde von der hiesigen Scheibenschützengesellschaft das zweite Kö nigschießen abgehalten, nachdem bereits im vori gen Jahre derselbe Zweck die Mitglieder der Ge sellschaft zu einem ähnlichen Feste vereinigt hatte. Ehe wir jedoch eine kurze Schilderung der stattgc- fundenen Festlichkeiten, die wir alljährlich in die sem Blatte niederzulegen gedenken, geben, dürste es, zur bessern Verständigung des Folgenden nö- thig sein um ein Jahr in die Vergangenheit zu rückzugehen. Wir glauben dieser Absicht nicht besser entsprechen zu können, als wenn wir eine damals abgefaßte Schilderung des Festes jetzt vor anstellen, deren Erscheinen in diesem Blatte der Zufall verhindert hatte. Vielleicht ist auch das Nachstehende Manchem eine freundliche Erinnrung und deshalb nicht ganz unwillkommen. Wilsdruf, am 10. Juli 1843. Gestern nahm hier das erste Königfchie« ßen mit Büchsen seinen Anfang. Bereits vor Jahresfrist hatte sich eine Anzahl hiesiger Bürger im Verein mit einigen auswärtigen Theilnehmern mit Scheibenschießen belustigt und so den Grund zu dem sich jetzt ausgebildeten Schützen-Corps ge legt, das gestern als solches zum ersten Male öffentlich auftrat. Das Corps besteht zur Zeit aus 42 Mann, 3 auswärtige Mitglieder mit ein gerechnet. Bei dein guten Geist, der Alle beseelt, und dem regen Eifer, ein Büchseuschützen-Corps zu organisiren, das selbstständig Schießübungen halten kann und darf, war sehr viel gethan und geleistet worden, was denn auch die vollste Aner kennung gefunden hat und finden mußte. Auf der Schießwiese, wo alljährlich das Vogelschießen abgehalten wird, ist ein in jeder Hinsicht sehr pas sender Scheibenstand errichtet worden, sodaß sich derselbe in Hinsicht der Oertlichkeit an den Raum, den die Requisiten zum Vogelschießen einnehmen, anfchließt. Ein recht geschmackvoller großer Bre- tersalon, der allen Eindrücken der Witterung Trotz zu bieten vermag, ist unmittelbar beim Schießstand aufgeführt worden und hat die Bestimmung, auch den Winter über stehen zu bleiben, weshalb er mit einer Unterlage von Sandsteinen versehen worden ist. Der bei Scheibenschießen übliche Platz zur Aufbewahrung der Gewehre und zum Laden der selben befindet sich dicht neben dem Salon und ist gleichfalls überdeckt und auf der westlichen Seite ganz zugcbaut. Auch der Stand, von wo aus geschossen wird, bildet eine kleine an den Seiten und oben zugebaute niedliche Klause, und es sind alle nötkigen Vorkehrungen getroffen, um jedes Unglück beim Schießen zu verhüten. Die Schü tzen selbst haben sich nach eignem Geschmack uni- formirt und nehmen sich in den kurzen grünen Ueberwürfen, (eine den Staubmänteln ähnelnde Bekleidung) die ein Ledergurt um die Taille zu- sammenhalt, den Pulvcrhörnern an der Seite und den grünen Mützen mit den frischen Eichenblattern (Brücher) recht gut aus, wobei sie noch den Vor theil des praktischen Nutzens für sich haben. Die Chargirten tragen noch besondere entsprechenoe Auszeichnungen, wie Silberborden u. d. m. Das Corps besteht unter der Leitung eines Obervor- stehers, eines Commandanten und einiger Char girten, die es aus seiner Mitte gewählt hat. Der hierzu befähigte Commandant hatte mit dem Schü tzencorps Exercirübungen angcstellt, damit ihm bei den Aus- und Einzügen die nöthige militairische Haltung und Gewandheit nicht fehle. Wir wer den weiter unten Gelegenheit haben, darauf zu rückzukommen. Am 8. Abends 9^ Uhr, als am Vorabend des Festes, ertönte militairischer Zapfenstreich in den Straßen unserer Stadt, und am frühen Mor gen des 9. Juli wurden die Bewohner durch die Reveille geweckt, wodurch der Tag die erste Weihe empfing. Die Straßen und Häuser, durch welche der Zug auf seinem Marsch nach dem Schießplätze sich bewegen mußte, waren von einem Theil seiner Bewohner durch Guirlanden und Kränze und sonst noch auf manche Weise festlich geschmückt worden, ja man hatte sogar einen Theil der Stra ßen mit Blumen bestreut. Nach 2 Uhr des Nach mittags setzte sich der Festzug von feinem Sam melplätze (vor dem Dresdner Thore) aus in Be wegung, wie natürlich von einer großen Masse schaulustiger umgeben. Voraus schritt der festlich gekleidete Zieler, ein Barret mit wehenden Federn auf dem Kopfe, die Scheibe auf dem Rücken. Ihm folgte die Musik, muntere Märsche blasend. Darauf erschien das Corps selbst, je drei Mann neben einander, im Paradeschritt. Am Rathhause angelangt, machte der Zug Halt und stellte sich dem Rathhause gegenüber auf. Die Zuschauer, welche alle Fenster in den Hausern besetzt hatten und in dichtgedrängten Schaaren unten den Zug umschwärmten, hatten jetzt vollkommne Gelegen heit, von der Fertigkeit, die das Corps in kriegeri scher Haltung in kurzer Zeit sich angeeignet, sich zu überzeugen. Die beiden Herren Vorsteher des Corps begaben sich jetzt auf das Rathhaus, uni den König — schon im vorigen Jahre hatte ein Königschießen unter der damals noch nicht so zahlreichen Gesellschaft stattgefunden — mehre Mitglieder des Stadtraths und der Bürgerschaft und noch einige andere zu der Feierlichkeit eingc- ladene Herren daselbst abzuholen und dann in öe- ren Begleitung den Marsch nach der Schießwiese sortzusetzen. So geschah es denn auch. Der Kö nig, mit den Insignien seiner Würde bekleidet, er öffnete, von zwei Rathsherren geführt, den Zug. Unmittelbar vor dem König schritt ein blondge lockter Knabe in grüner Blouse, des Königs blu- Mengeschmückte Büchse tragend, oie im vorigen Jahre die beste Kugel nach dem Ziele entsendet.