Volltext Seite (XML)
— die Köpfe sich gehörig wund, — und durch des Aufruhrs trübe Flut — floß so im Juni vieles Blut. — Doch 's Furchtbarste hat er gebracht — mit Bel grads grauser Schreckensnacht, — wo man dem Königs paare dort — das Leben nahm durch Meuchelmord. — Auf geht nun Peters Ruhmeslicht, — wie lange, weiß er selber nicht! — Befolgte Draga meinen Rat, — lebt' sie noch heut' in Franzensbad! — Drängt ja zum Bad jetzt alle Welt, — doch wem es fehlt am nöt'gen Geld, — der bleibt ganz einfach hübsch zu Haus, — läuft tüchtig in das Freie 'naus — und kühlt sich ab in Fluß und Teich; — das muß auch Frohlieb Schmerzensreich. Forschaus Eulenruf. Eine deutsche Familiengeschichte von L. M. Paul. (Schluß.) Nachdruck verboten. Kurze Zeit darauf reiste ich zu meinem Vetter nach Russisch-Polen, der mich herzlich eingeladen hatte. Hier wurde ich, wenn auch nur halb freiwillig, iu den damaligen Aufstand meiner Landsleute gegen Rußland verwickelt und, wenn ich auch der sofortigen Verhaftung entging und mich an verschiedenen Orten unter Beihilfe meiner Freunde verborgen halten konnte, fo verging doch bei der scharfen Bewachung der Grenze mehr als ein Jahr, bis ich auf weitem Um wege und verkleidet zu meiner Frau und dem im Januar 1847 im Hause meines Schwagers geborenen Töchterchen zurückkehren konnte, da ich meinen Urlaub, wenn auch unfreiwillig, überschritten hatte, so blieb ich bei meinem Schwager. Dann kam das Jahr 1848 mit seinen gewaltigen Bewegungen, und ehe wieder geordnete Zustände eintraten, wurde ich, was nur damals möglich war, im Winter von 1849 auf 1850 in einer kalten Nacht durch eine Kosackenpatrouille aufgehoben, über die nahe Grenze geschafft und in Warschau als Gefangener interniert. Meine liebe Frau, die inzwischen ihre volle Gesundheit wieder erlangt hatte und die unser Kind bei der Schwester und bei ihrer früheren Amme Maruschka wohl auf gehoben wußte, folgte mir, nachdem ich zur Verbannung nach Sibirien verurteilt worden war, dorthin. Daß wir dort von all und jeder Verbindung mit unseren Familien abgeschnitten wurden, ist ja wohl begreiflich und so erfuhren wir erst viele Jahre später, daß die Schwester meiner Frau im Winter 1851 gestorben war. Dem Schwager mochte nun wohl unser Kind nebst dessen Wärterin zur Last fallen; er hatte sich, wie ich spätes erfuhr, mit meinem da- Bruder, der auf mich wegen meines politischen Ver haltens und meiner Entlassung aus der Armee erzürnt war, brieflich in Verbindung gesetzt und denselben schließlich veranlaßt, unser Kind in sein Haus aufzu nehmen. Da nach der langjährigen Zugehörigkeit Maruschkas zu meiner Familie und der mehr als 30 Jahre lang bewiesenen Treue derselben über deren Zuverlässigkeit kein Zweifel gehegt werden konnte, wurde die Person mit der Ueberführung unseres Kindes nach Köln betraut, nachdem dieselbe nicht allein reichlich mit Reisegeld versehen, sondern ihr auch eine Kassette übergeben worden war, welche einen Teil meines Vermögens enthielt und die mein Schwager bis dahin in Verwahrung gehabt hatte. Nach dem, was ich hier heute vernommen habe, kann es keinen Zweifel unterliegen, daß Maruschka, von den in ihren Händen befindlichen Werten verblendet, von der ihr deutlich vorgeschriebenen Reiseroute ab gewichen und nach Thüringen gereist ist und dort das ihr anvertraute Kind in gewissenlosester Weise absichtlich verlassen hat. Wir können unserem Herrgott und Ihnen, liebe Freunde, nicht genug danken, daß das Kind damals in Ihre Hände kam, daß Sie dasselbe in der besten Weise erzogen, an Kindesstatt annahmen und daß uns, nachdem wir längst jede Hoffnung auf ein etwaiges Wiederfinden aufgeben mußten, der Himmel noch bescheert hat, unser liebes Kind als blühende schöne Frau eines hochgeachteten Mannes und Mutter so prächtiger gesunder Kinder wieder zu finden. Mein Bruder hatte allerdings nach dem Aus bleiben jeder weiteren Nachricht an meinen Schwager Hartmann geschrieben, der Brief war aber mit dem Vermerk zurückgekommen: Adressat verzogen, unbekannt wohin. Da mein Bruder zu derselben Zeit als Major nach Westfalen versetzt wurde, hat er sich eben um die Angelegenheit nicht weiter gekümmert und geglaubt, mein Schwager habe sich eines anderen besonnen und das Kind behalten. Im Jahre 1858 wurde ein Schwager meines Bruders der preußischen Gesandtschaft in Petersburg als Attache zugeteilt und dessen Bemühungen habe ich es zu verdanken, daß mir die Rückkehr nach Deutsch land gestattet wurde. Durch jenen Schwager meines Bruders und dessen eigenen Beziehungen zu unseren höheren Beamten am Berliner Hofe, gelangte ich zu einer Audienz bei dem damaligen Prinzregenten Wilhelm von Preußen und erhielt, da ich nach dem Verluste eines Teiles meines Vermögens auf irgend einen Erwerb angewiesen war, die Bewilligung zum Wieder eintritt in das Heer, in meiner früheren Charge als Premierleutnant. Nach wenigen Jahren zum Rittmeister befördert, habe ich als solcher den Feldzug 1866 mitgemacht, wurde im Kriege 1870—71 Major und bin, nachdem ich inzwischen zum Oberst aufgerückt war, vor einigen Jahren als solcher in Pension gegangen. Im Jahre 1861 wurde uns noch ein Sohn geboren, derselbe mußte, da er sehr schwächlich war, auf die militärische Karriere verzichten, später aus demselben Grunde seine Studien unterbrechen und Landwirt werden. Mein Schwager Hartmann hatte seiner Zeit ein schönes Gut nicht weit von F. gekauft, war aber nach wenigen Jahren gestorben, nm dasselbe seinem einzigen Sohne zu hinterlassen Mit diesem Neffen trafen wir nun später auf der Insel Rügen zusammen, wie wir überhaupt mit ihm in stetem Briefwechsel geblieben sind. Als mein Sohn vor einigen Jahren seine Studien unterbrechen mußte, ließ der Vetter durchblicken, daß er unseren Max zum Erben einsetzen werde, wenn derselbe den Rat des Arztes befolge und Landwirt werde. Das ist geschehen, unser Neffe starb im vorigen Sommer und hat sein Versprechen erfüllt. Der Wunsch unseres Sohnes war es nun, daß wir unseren Wohnsitz nach F. verlegten und wieder mit ihm zusammen leben sollten. Wir müssen dies als ein Werk der Vorsehung betrachten, denn nur so war es möglich, daß wir unsere verlorene Tochter wiederfanden. Wie wunderbar hat Gott alles gefügt! Wäre in der Konditorei nicht der Name Olga, der bei uns stets schmerzliche Erinnerungen weckte, an unser Ohr geklungen, wäre uns nicht die Aehnlichkeit, die unser Enkelkind mit seiner Mutter hat, sofort auf gefallen, wir hätten unsere Tochter wahrscheinlich nie wieder gesehen. Gott sei Lob und Preis für seine Güte!" So schloß der bewegte alte Herr seine Aus führungen. Der Oberst hatte kaum geendet, als auf dem Hofe Schlittengeläute erklang. Die drei Söhne des Forstmeisters eilten wie der Wind auf den Hof, um den neuen Onkel in Empfang zu nehmen. Dieser, ein hochgewachsener, schlanker, junger Mann von 25 Jahren, war selbstverständlich ebenfalls von dem großen Ereignis ebenso überrascht und er freut, wie die anderen. Mit hohem Interesse betrachtete er alles, was zu der wiedergefundenen Schwester und deren Familie gehörte. Besonders lebhaft unterhielt er sich mit den Neffen und Nichten, und fühlte sich sehr wohl in dem trauten Kreise, als hätte er immer da verkehrt. mit großer Freude um einige Gänge erweitert hatte, und Hans, der dem feierlichen Tag zu Ehren, seinen Wein nicht sparte, ging es lustig und fröhlich her, herrschte eine solch gute Laune, daß alle Teilnehmer sich kaum eines Tages in ihrem Leben erinnerten, an dem sie so von Herzen froh und glücklich gewesen wären. Mit berechtigten Stolz führte Frau Olga die neugefuudenen Eltern durch das Haus, und die Frau Oberst erkannte mit innerer Genugtuung den überall zu Tage tretenden Wohlstand, die ordnende Hand der fürsorglichen Hausfrau und Mutter. Mit glücklichem Gesicht drückte sie der Tochter die Hand und sagte lächelnd: „Ich kann es Deiner Pflegemutter nicht genug danken, daß sie Dich so gut erzog, Dich in allein unterrichtete und eine so tüchtige Hausfrau aus Dir machte. Vergiß es nie in Deinem Leben, was diese guten Menschen an Dir getan." Frau Olga hat auch uie aufgehört, ihren geliebten Pflegeeltern dankbar zu sein. So wurden denn an einem Tage zwei Familien glücklich. Selbstverständlich verbreitete sich diese Neuigkeit rasch in der Umgegend und die zahlreichen Bekannten der Familie Werner nahmen regsten Anteil und freuten sich von Herzen. Der alte Oberst, der mit Fritz Werner ganz besondere Freundschaft geschloffen hatte, war täglicher Gast in der Forstmeisterei und freute sich an dem Glücke, das in dem stattlichen Hause wohnte. Der Spekulant. Original-Roman von Hans Dahlen. I. Auf eine eintönige Periode von Regengüssen und Stürmen war ein Herbsttag von wunderbarer Schön heit gefolgt. Von: zartblauen Himmelszelte, dessen keusche Reinheit kein Wölkchen trübte, strahlte seit dem Frühmorgen die Sonne mit dem weichen, warmen Licht des Spätjahres;' die Luft ging lau und lind wie au guten Maitagen, und gegen Mittag wurde es fast sommerlich warm. . Es war Sonntag, der Tag, welcher die Riesin Arbeit fesselt und die strengen Bande ihrer Sklaven mit milder Hand löst. So kamen sie alle, die in den dumpfen Arbeitervierteln ihr ärmliches Heim hatten, die in den elenden Mietskasernen der Vorstädte wohnten, und strömten in's Freie, in's goldene Sonnenlicht, um die Lasten und Sorgen des Alltagsleben für kurze Zeit zu vergessen. Am Rande des Stadtwaldes wimmelte es schon trotz der frühen Nachmittagsstunde von bunten Menschen gruppen, die mit der Trambahn hinausgefahren waren. Sie gehörten ohne Ausnahme zum Proletariat oder zum ärmeren Mittelstände, denn die Begüterten waren jetzt noch kaum von der reichgedeckten Mittagstafel aufgestanden, fröhnten der Siesta, schlürften ihren Mokka und warteten auf die hergebrachten Ausgeh- stunden. Im Stadtwald begann das sonntägliche Frei konzert. Grell und schreiend durchhallten die Klänge der Blechinstrumente die dünne lauliche Luft und bewirkten an den rohen Ziegelsteinwänden der jenseits der Chaussee gelegenen Neubauten ein klatschendes Echo. Beim Beginn der Musik erhob sich im Vorder raume des Hochparterres einer kleinen Villa, von deren Dachgerüst der grüne buntbebänderte Tannenbaum herabgrüßte, ein untersetzter Mann in rötlichem Voll bart von den aufgestaffelten Fußbodenbrettern, auf denen er gesessen hatte. Er gähnte und reckte die stämmigen Schultern; dann warf er einen schnellen Blick durch die dreigeteilte Fensteröffnung, in welcher der Nahmen erst lose eingekeilt war. Mit einem Lider schlage umfaßte er das gelbe Ziegelfeld vor dem Neu bau mit seinen wassergefüllten Löchern, die Chaussee, auf der Trambahnwagen klingelnd einhersurrten, und die herbstlich bunten Wipfel des Stadtwaldes, welcher die Aussicht abschloß; nochmals gähnend, wandte er sich ab. Nun stieg er über die neugelegte Treppe nach oben, langsam und bedächtig, wobei er alles, was in den Bereich seiner Angen und Hände kam, einer genauen Prüfung unterzog, von dem überladen geschnitzten Treppenpfeiler bis zu den barocken Stuckornamenten der Wände. Seine breiten Lippen waren in andauern der Bewegung und flüsterten die Resultate der Be obachtungen vor sich hin: „Pfuscherei, dem werd' ich's, dem Stockmann!" oder: „Faules Gesindel, die Ver putzer. Entweder arbeiten sie von morgen an im Akkord, oder —" Und die Hände des kräftigen Mannes ballten und schüttelten sich wie gegen einen anwesen den Feind. Im Oberstock machte er wieder Halt. Er raffte einen Tapetenfetzen vom Boden und bereitete sich auf dem schmutzigen Anstreichertische einen Sitz. Die kurzen stämmigen Beine berührten den Boden nicht und baumelten hin und her. Von draußen herein drang immer noch die lärmende Musik, das Brausen und Johann Wilhelm Neumann ließ sich nicht behelligen durch den ständig wachsenden Lärm, sondern ging wieder seinen Gedanken nach. Er hatte nicht oft Zeit zu diesem Luxus, aber es war heute ein ganz besonderer Tag, der ihm am Abend eine Entscheidung von für ihn unberechenbarer Tagweite bringen mußte. Seit längerer Zeit schon war er zur Arbeit wenig brauchbar gewesen; er wußte wohl, daß dies nicht auf die vorhergegangene wochenlange fast übermenschliche Tätigkeit zurückzuführen war, die ihn Tag und Nacht in Anspannung gehalten hatte — pah, Johann Wilhelm Neumann kannte keine Ermüdung, sonst würde er nicht das sein, was er heute war. Aber die unnatür liche Aufregung, das peinliche Erwarten von etwas überaus Wichtigem, das schon so nahe ist, daß man seine Nähe gleichsam fühlt, hatte seine Nerven überreizt. Wie es stets der Fall ist, wenn ein nener Lebens abschnitt vor uns liegt,, trat auch vor Neumanns Seele die Vergangenheit in scharf umrissenen, leuchtend klaren Bildern. Er war der Sohn eines kleinen Schreinermeisters nuten aus der Altstadt. Seine Mutter hatte er kaum gekannt, der Vater hielt ihn überstreng, hatte ihn, sein einziges Kind, auch nicht auf eine höhere Schule geschickt, wie es Johann Wilhelms heißester Wunsch gewesen war. Er hätte es ganz gut gekonnt, der Vater, aber er trank viel und spielte gern — nun, er war tot. — In der Volksschule brauchte Johann Wilhelm seinen Hellen Kopf nicht übermäßig anzustrengen; er war und blieb ja doch der Erste. Es war in ihm ein Ueberschuß von geistiger Kraft, die ihn seine queck silbrige Regsamkeit, sein unruhiger Tätigkeitsdrang in Anspruch zu nehmen trieb. Johann Wilhelm tat's, und in der Art und Weise, wie er tat, lag schon ein Hinweis auf seine zukünftige Lebenstätigkeit. Mit Eifer betrieb er die Jugendspiele, bei denen es etwas zu gewinne» gab, Griffel oder Stahlfedern, Schreib papier oder Soldatenbilder. Spiele, bei denen es nichts zu spekulieren gab, verschmähte er; lieber erfand er neue Spiele, die seinen Erwerbsdrang stillten, wenn seine Kameraden der alten überdrüssig geworden waren. Als er die Schule verlassen hatte, mußte er seine Lehrzeit in der Werkstatt seines Vaters durchmachen und hart arbeiten. Wenn aber seine Altersgenossen, die da und dort in der Lehre waren, die Abendstunden zu ihrem Vergnügen benutzten, saß er in seinem arm seligen Dachkämmerchen und studierte, um die Lücken seines Wissens nach Möglichkeit auszufüllen. Schließlich