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ohne Anstrengungen die Schönheiten Rügen's kennen lernen will, richtig vermuthet und wonach sie unter Hinzufügung des typischen n'est — ce pus radebrechend fragt: „Die Thurm von ollLteau von der Jagd." Nette Häuser mit Hochrothen Ziegeldächern, da neben große Bauwerke, zur Masseuverguartiruug von Badegästen eingerichtet, umsäumen den Strand: Binz. Vor der noch im Bau begriffenen hölzernen Landungs brücke, die 200 m in's Meer sich hinausrakelt, wendet das Schiff. Passagiere gehen zu und ab, wie über all an den Haltepunkten. Keck ruderr eine einzelne Dame um unsern schwimmenden Holzbau, alles mit spöttelnder Miene musternd, wohl eine Berlinerin. Der Anker wird emporgehoben und von neuem beginnt die Reise. Köstlich ist die Lnft, die uns umfächelt. Wir passiren Dwasiedeu, eine Besitzung des Geh. Raths von Hansemann, wo ein prächtiges Schloß mit breiter Freitreppe sichtbar wird. Doch nähern wir uns etwa einem Kriegshafen? 2 Kriegsschiffe, die Schulschiffe Moltke und Gneisenau, haben bei Saßnitz Aufenthalt genommen. Schmuck präsentiren sie sich in weißem Anstrich; die Masten sind von schaulustigen Matrosen besetzt. Näher halten wir auf das Land zu und biegen endlich in den von einer weit in die See ausladenden Mole, die seitens der Regierung unter Aufwendung von mehreren Millionen Märk erbant wurde, begrenzten Hafen ein. Sowohl den größten Seeschiffen, als auch den Kriegsschiffen bieten sich dort geschützte Anker plätze dar. Auf ansteigendem Ufer recken sich hellschimmernde Gebäude aus tiefsattem Grün heraus; sie ziehen sich hinauf bis zum Fuße der das Bad einengenden wald reichen Höhen. Haben wir dieselben erklommen, so dehnt sich zu unseren Füßen eine unendliche, azurne Fläche aus, die wimpelnde Fischerzeichen beleben, und auf welcher sich in der Sonne blitzende Segel schaukeln. Ein Gleißen liegt auf der besonnten See, als ob es eitel Silber wäre. Der Ort, auf einem schmalen Küstenstreifen zusammengedrängt, hat schmale, ab schüssige Straßen; die sonstige bevorzugte Lage täuscht über diese lästige Zugabe hinweg. Bazare und Läden mit prächtigen Muschelwaaren, geschnitzt und bemalt, giebt es die Menge. Sie locken und locken, bis der für Nothfälle zurückbehaltene Nickel in anderen Besitz übergegangen ist. Stramme, blaue Jungen ziehen heute die von überhängenden Laubkronen beschattete Strandpromenade hinab. Sie überbieten sich in zarten Galanterien gegenüber einer ob dieser Huldigungen freudestrahlenden, ländlichen Maid. Es sind Leute comme il saut, zu Scherz und Ernst gleich gut ge drillt. Wir nehmen anfänglich denselben Weg; links biegen wir später ab und klettern hinauf die zahllosen Stufen zu dem schattigen Waldwege. Hellgrüne Buchendächer, von schlanken Stämmen getragen, be schatten die reinlichen Serpentinen. Bergauf, bergab windet sich der Weg dahin, grandioser werden die Felsbildungen, umfassender die Ausblicke auf die uferlose, spiegelblanke Wasserfläche. Nach einem ein stündigen Marsche landen wir in der Waldhalle. Rings um das Gebäude herum steheu verstreut Tische und Stühle unter einem fast lückenlosen Blätterdome; selten nur huscht neugierig ein goldiger Sonnenstrahl durch den schattigen, kühlen Raum. In tiefdunklem Forst verliert sich der Pfad, daun wieder tritt er hinaus in eine sonnenbestrahlte Lichtung. Plötzlich kreuzt der Lauf eines tief in den Boden ein gegrabenen Baches, besten klare Wasser gurgelnd und plätschernd das Meer zu gewinnen suchen, den Weg. Vorsichtig voltigirt man wohl an 100 Stufen hinab, um an der anderen Seite wieder emporzusteigen zu gleicher Höhe. Immer imposanter baut sich der weißschimmerude, vou üppigem Grün gekrönte Fels auf; staunend stehen wir still vor diesen Wunderwerken der Natur. Wir streifen jetzt eine Signalstation mit den characteristischen Korbzeichen und nun noch eine letzte Anstrengung . . . dann treten wir hinaus auf den Felsvorsprung, der sich 119 m über den Wasserspiegel erhebt: den Königsstuhl. Kanzelartig vorgedrängt, athmet er gewaltigen Ausfluß der Naturkräfte und Majestät. In feiner Beobachtung der Natur hat hier die vox populi die richtige Benennung gefunden. Senkrecht gleitet der Blick am Felsen herunter, er eilt über die weite, schillernde Wastermasse hinweg, kein Hinderniß scheint sich dem Auge eutgegcnzustellen und doch da wo Himmel und See Zusammen treffen liegt ein undurchdringlicher Schleier. Es ist ein Eindruck unendlicher Erhabenheit, den man in sich aufnimmt, und der noch durch ein Marineschauspiel vertieft wurde. Weit ab dampft ein Kriegsschiff, ein neuer Kreuzer auf der Probefahrt, mit 28 Knoten in der Stunde vorüber. Jetzt blitzt es auf, nochmals und wieder, donnernd brechen sich nach mehreren Sekunden die Schallwellen mit dröhnendem Krachen an den Kreidewäuden; exacte Evolutionen folgen - . . „Lieb Vaterland magst ruhig sein." Beim Verfolgen des Schiffskurses stießen wir auf die Stätte des vielköpfigen Gottes Swantewit, den nördlichsten Punkt der Insel, Arcona, durch einen Leuchtthurm leicht kenutlich. Allmählich senken sich die Ufer nach dem Innern zu. Wenige Minuten nur und tiefdunkler Wald nimmt uns auf. Wir sind im mytheureichen Gebiete der Göttin Hertha — Nerthus — angelangt. Ver witterte Opfersteine auf moosigem Grunde reden eine gar lebendige Sprache. Sie zeitigen vor unserm geistigen Auge die markigen Gestalten der früheren heidnischen Bewohner, deren niedrige Gesittung, deren Ceremonien, die so häufig in grauenhaften Menschen opfern ausklangen. Ein geheimnißvoller Zauber hält uns umfangen, der auch nicht weicht, wenn wir zuni Herthasee mit seinem durch die Bucheneinfassung vor getäuschten, schwarzen Wasser treten; kein Lant stört den heiligen Gottesfrieden. Doch wieder hinaus aus dem düstern Hain zur lichteu Uferhöhe und dann hinunter auf vielfach ge wundenem schmalen Wege zum Strand, wo eben unser Dampfer eintrifft. Vorbei an den weißen Kalkwänden, an welchen zartgrüne Gewebe herabfließen, vorbei an aufschießenden Spitzen und Schroffen geht die Heim fahrt. Wie flüssiger Stahl wälzt sich die schäumende See vor uns. Wald, Fels und Wasser bilden hier Farbeukoutraste, wie man solchen an allen deutschen Meeresküsten wohl kaum mehr begegnet. Nach mehrstündiger Fahrt halten wir wieder vor Binz. Das Ausbooten naht seinem Ende. Allein übrig bleibt ein gewichtiger Herr, welcher, da das Boot nur noch wenige leere Plätze aufweist, besonders abgeholt werden muß. In der Zwischenzeit entspinnt sich nun folgendes Gespräch: „Capitaining, wüßt Ihr wat eck wög?" „Na, mi Harr." „279 Pund blut." „Dat har eck witen mäken, jetzt send wi de Betrukenen, Ihr hätt 2 Billeter brukt." Unter allgemeinem Gelächter wurde auch dieser dabei die bekannten Verse: Ein Vergnügen eigner Art Ist so eine Wasserfahrt vor sich hinmurmelnde Uebermensch in das Boot über- geführt. Nunmehr sind wir in unserer Villeggiatur angelangt. Der Tag ist ein Tröpflein in der Vergangenheit, das Erlebte ein Merkmal der Vergänglichkeit. Die Meereswellen aber branden spritzend, klatschend, schäu mend Tag für Tag und singen ihre einförmige und doch machtvolle Melodie bis in Ewigkeit. -QIU (Nachdruck verbalen.) Original-Roman von Irene v. Hellmuth« (2. Fortsetzung.) Lori starrte auf den vor ihr Sitzenden; auf ihrem anziehenden Gesicht erschien eine Helle Röte, und das Etui mit dem Nähzeug entfiel ihrer Hand. Der junge Mann reichte es ihr zurück, doch sie bemerkte es nicht. Ein tiefer Seufzer hob ihre Brust, und um den schön geformten Mund lag ein bezauberndes Lächeln; dann wiederholte sie wie träumerisch: „Also der Lindemanns hof? — Ob ich den kenne, fragen Sie? O, — ob ich den Lindemannshof kenne? — So gut bin ich dort bekannt, — so gut meine schönsten Er innerungen haften ja dort, die Erinnerungen an eine köstliche Zeit, wo ich dort wie zu Hause war. Ich sehe alles noch so deutlich vor mir, das Haus mit der knarrenden Wetterfahne, mit den alten herrlichen Nußbäumen davor, und unter diesen Bäumen eine roh gezimmerte Bank, wo es sich im Sommer so gut ansruhen ließ; der Garten mit der Fliederlaube, die alte Mauer, wo es im Frühling so viel duftende Veilchen gab, — das alles sehe ich so deutlich vor mir, als ob ich es gestern erst verlassen hätte, — und doch durfte ich seit zehn Jahren keinen Fuß mehr in diese Herrlichkeit setzen." Lori hatte mehr zu sich selbst gesprochen, und be merkte es gar nicht, wie erstaunt der junge Mann ihr zugehört hatte; jetzt unterbrach er die Sprecherin: „So sagen Sie mir doch, wie heißen Sie, und wie kommt es, daß sie alles das so genau wissen?" „Ich heiße Lori Berneck und —" Im Nu stand der Frager auf seinen Füßen, und rief voll freudiger Ueberraschung: „Lori — Lori Berueck, ist den« das möglich? — ja, wie konnte ich mich nur so täuschen? ist es denn wirklich wahr? — ich — bin so überrascht, ich — Sie sind also meine kleine Lori, ja, wahrhaftig, Sie sind's, o, daß ich nicht gleich darauf kam, aber Sie haben sich sehr, sehr verändert, nur Ihre Augen sind geblieben, — so blau und schön, wie sie früher waren!" — — „Und Sie," rief Lori, ebenfalls lebhaft und freudig bewegt, „Sie sind Johannes Herr Lindemann," — verbesserte sie sich errötend. „Jawohl, derselbe," bestätigte er, noch immer in ungläubigem Staunen ans das zierliche Mädchen blickend, das ihn so treuherzig ansah, wie einst in den Kinderjahren. „Derselbe Johannes, der einst keinen Apfel, fast keinen Bissen Brot essen konnte, ohne seiner kleinen Spielkameradin davon abzugeben, dem kein Baum zu hoch war, wenn es galt, für sie einen rotwangigen Apfel, eine Birne oder sonst etwas herunterzuholen, — wenn er nur ein Lächeln seiner kleinen Freundin da für erntete." Lori stand stumm vor dem lebhaft plaudernden Jugendfreunde. An ihrem geistigen Auge zog Bild um Bild ihrer glücklichen Kinderzeit vorüber. Sie sah den blondlockigen schönen Knaben vor sich, wie er mit glühenden Wangen und blitzenden Augen ihr zurief: „Hasch mich, Lori, wenn du kannst!" und wie ein Pfeil dahinflog auf dem weichen Rasen, ein Bild von Jugendlust und keckem Uebermut und die Eltern saßen auf der Bank unterm Nußbaum, und nickten sich gegenseitig zu, und meinten bedeutsam: „Das giebt wohl einmal ein schönes Pärchen, die Zwei!" Lori verstand damals noch nicht, was damit gemeint sei, aber sie erinnerte sich gleichwohl sehr gut, daß ihr geliebtes Mütterchen jedesmal, wenn die Rede darauf kam, lebhaft zum Vater sagte: „Nicht wahr, Konrad, die Zwei sollen sich einmal heiraten? Es wäre zu schön!" Und der Vater hatte lächelnd genickt dazu und der Mutter zugeraunt: „Wenn sie sich wollen, warum nicht?" „O, sie werden sich gewiß wollen, solche Jugend freundschaft hält fest, die dauert fürs ganze Leben, es paßt alles, du wirst sehen, wie die Zwei sich einst lieb haben." Nun war ihr Mütterchen schon lange tot, ach so lange schon, auch die Mutter des Jugendfreundes war gestorben, und dann kam der dumme Streit, der die beiden so eng befreundeten Familien trennte, so nachhaltig trennte, daß nicht einmal der Name des Einen vor dem Anderen genannt werden durfte. An all das dachte Lori, als der junge Mann ihr Sinnen durch die Frage unterbrach: „Haben Sie nie herausgebracht, was damals deu furchtbaren Streit zwischen unseren Vätern verursachte?" Lori schüttelte den Kopf. „Niemals! Mein Vater geriet jedesmal in eine große Erregung, wenn ich danach fragte, und wies mich barsch ab. Das verstände ich nicht, herrschte er mich an, so daß ich immer betrübt davonschlich." „So viel erinnere ich mich," meinte Johannes, „daß der Zwist kurz nach dem Tode Ihrer Mutter ausbrach; o, ich weiß noch genau, wie mein Vater zornrot im Gesicht, mich damals ernstlich ins Gebet nahm und mir strengstens verbot, jemals wieder meine kleine Freundin zu besuchen, noch mit ihr zu verkehren, sonst würde ich bei Wasser und Brot in den Keller gesperrt, drohte er. Ach, das war ein harter Tag, als er mir das sagte, und ich kannte den Gestrengen zu genau, um nicht zu wissen, daß er unbedingt Wort halten würde, wenn ich ihm trotzen sollte. Wie viele heiße Thränen habe ich deswegen geweint, wenn die Sehnsucht nach meinem verlorenen Paradiese gar zu stark wurde. Manchmal verlegte ich mich aufs Bitten, aber mein Vater blieb hart wie Stein." — „Mir erscheint es doch merkwürdig, daß wir uns niemals begegneten," sagte Lori nachdenklich, in dem sie sich daran machte, den Rock, so gut es ging, zu reparieren. „O, unsere Väter wußten das wohl zu verhin dern," antwortete Johannes, „ich durfte z. B. ins Städtchen hinab und zur Schule nicht mehr den ge wohnten Weg gehen, der am Gutshofe vorbei führt, sondern mußte auf strengen Befehl den Umweg über die Waltersmühle machen, und außerdem kam ich bald darauf fort vom Elternhause, um etwas Tüchtiges zu lernen, — und später, wenn ich in den Ferien heimkam, — da mögen wir uns wohl begegnet sein, ohne uns zu kennen. Ohne den heutigen Zwischen fall wäre ich stumm an Ihnen vorübergegangen, — ich kannte Sie wirklich nicht mehr." Die schwierige Näharbeit war vollbracht, die Beiden schwiegen eine Weile, langsam schritten sie am Waldesrand dahin auf dem weichen Boden. Die Sonne sandte hie und da einen goldenen Strahl durch das dichte Gezweig. In zauberischem Frühlingsglanze lag die Welt, in Duft uud Blüten eingehüllt, jubilierend hob sich die Lerche in das Aetherblau und schien nicht genug singen zu können von all der Pracht und Herr lichkeit, die es zu schauen gab auf Gottes schöner Erde. Der Maienzauber wob goldene Fäden um die beiden, daß es ihnen dünkte, sie hätten den Frühling nie in solcher Schönheit geschaut, wie heute. (Fortsetzung folgt.) Mannigfaltiges. — Etwas vom Kastengeist. In einem kleinen Kreisstädtchen des Thüringer Waldes kauft die Frau eines Beamten in einem Schnittwaarengeschäft ein Kleid, bringt es aber bald darauf wieder zurück. Sie könne es unmöglich tragen, denn sie sei eben einer Lehrerstochter begegnet, die mit demselben Stoffe bekleidet sei, den diese offenbar in demselben Laden gekauft habe. Man sollte ihr doch nicht zumuthen, daß sie als Gattin eines Beamten dritter Klasse ein gleiches Kleid trage wie die Tochter eines Beamten vierter Klasse! Wie die „Dorfztg." erzählt, war es vergeblich, die erregte Dame mit dem Hinweis zu beruhigen, daß der Geschäftsmann doch von jedem Muster ein Stück von 35 bis 40 m auf Lager nehnien