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aus, sie war kleiner; ihr blondes Köpfchen stach gegen Luises dunkles Haar ab. Die Tochter des Försters glich dem Vater. Etwas Gemeinsames hatten beide Mädchen: den Zug von Herzensgute und echt weiblichem Empfinden, der ein Frauengesicht so anziehend macht. Einmal blickte Bernhard zu Luise hinüber. Ihre Augen trafen sich, doch errötend senkten sich die Wimpern über die braunen Augen. Luise wandte den Kopf zur Seite und zog Ines mit sich ins Haus. Unwillkürlich fielen die Worte der Schwester dem jungen Assistenten ein, die Luise von ihm geäußert hatte. „Ines, ich bin so froh, daß du bei uns bleibst," sagte die Tochter Tante Emmas, so bald sie mit der Freundin allein war. Sie umarmten sich zärtlich nach Mädchenart. „Mein Louischcn, nichts Lieberes könnte mir nach unsere», schweren Verlust geschehen," cntgcgnete Ines, und ihre Augen trübten sich. „Ich freue mich, daß Bernhard meinen Wunsch billigt. Gefällt er Dir?" Luise schien die Frage zu überhören. „Ich werde die Mutter bitten, daß Du mein Zimmer teilst," sagte sic, „ich denke es wird Dir lieber sein, als mit einer Fremden Zusammen zu wohnen. Augenblicklich haben unsere Pensionärinnen noch Ferien. In einer Woche kehren sie zurück, dann fängt die Hcrbstarbeit an." „Ach ja, wie lieb von Dir, mich bei Dir aufzunehmen," versetzte Ines erfreut. „O, ich will alles, alles lernen, um später meinem Hardy das Hans recht behaglich zu machen." Die Geschwister mußten zum Kaffee bleiben, der unter der breitwipfligen Linde vor dem Hause getrunken wurde. Ein großer, runder Tisch, ländliche, grün gestrichene Stühle standen auf diesem Licblingsplatz des Försters, und während er sich mit Bernhard unterhielt ihm von gemeinsamen Jag'o- erlcbnissen mit dem Major erzählend, war Tante Emma verschwunden. Sic war mit Luise und Ines in der Küche, uni frische Waffeln zu backen. Vorher aber hatte sic die Waise fest in die mütterlichen Arme geschlossen und sie herzlich unter ihrem Dach bcwillkoiiimet. Die Bitte Luisens wegen des Wohnens der Freundin wurde gern gewährt. Mit einem zierlichen Schürzchen angetan, war Ines Feuer und Flamme bei der Kunst, die goldgelben Kuchen zu backen. Bisher hatte sic durch ihre wissenschaftlichen Stunden wenig Zeit gehabt, sich dem Haushalt zu widmen; der Vater war sehr selten anspruchslos und mit allem zufrieden. „So, Kinder," sagte die Frau Oberförster, als ein statt licher, mit Puderzucker weiß bestreuter Berg der leckeren Kuchen sich erhob, „geht jetzt den Tisch zu decken, ich mache indessen den Kaffee. Vergeht auch nicht die Blumen — es blühen gerade meine Nelken und einige Edelrosen — Blumen gehören auf einen festlichen Tisch, und heute ist für uns ein Fest, weil Du zu uns kommen wirst, liebes Kind. Nicht wahr, ich darf dich doch, wiejdie anderen jungen Mädchen, mit dem traulichen „Du" anreden?" „Gewiß, liebe gute Tante Emma!" rief Ines und küßte die rundliche Hand der Frau Förster. Es war heute recht still im Forsthause, die jüngeren Kinder machten einen Ausflug mit einer Nachbarsfamilie. Mit rosig erhitztem Gesicht half Ines Luise beim Pflücken der Blumen. „Hier die schöne, dnnkelrote Rose mußt du vor Hardys Tasse legen", sagte Ines, „es ist seine Lieblingsblume." Das schneeweiße Tischtuch, die bunten Taffen waren schnell hcrbeigebracht. Bernhard freute sich, wie frisch und geschäftig sein Schwesterchen war. Als sie einmal neben ihm stand, schlang er den Arm um sie und streichelte ihre Hand. Auch die Blumen wurden teils auf dem glänzen den Damast verteilt oder in einer Vase in die Mitte der Tafel gestellt. Die dunkelrote Rose lag richtig vor Bern hards Platz, er beachtete sie aber nicht und unterhielt sich weiter mit dem Förster. Ines zupfte den Bruder neckend am Ohr. „Die Rose ist für dich," sagte sie. Ein bittender Blick Luisens ließ sie verstummen; sonst hätte sie noch hinzugefügt: „Luise hat sie für dich gepflückt." Trefflich mundete der Kaffee und die Waffeln, die Ines stolz auf den Tisch setzte. „Selbftgcbackcn," sagte sie zu Bernhard, „mein erstes Probestück." „Ihre Schwester entwickelt einen wahren Feuereifer," bemerkte Tante Emma lachend, „ich denke, sie ist in einem Jahr eine perfekte Wirtin, Herr Baron." Während Bernhard und Ines in der Forstei waren, erlebte Herta etwas für ihr Leben Entscheidendes. Randen hatte cs nicht länger ausgehalten. Dem Wunsch des geliebten Mädchens entgegen war er nach Liebenau gereist. Nun stand er vor ihr. Er war so erregt, daß seine Lippen unter dem starkenSchnurrbartezitterten. „Zürnen Sie mir nicht, daß ich schon heute gekommen bin, ich konnte nicht anders, ich habe Sie ja so grenzenlos lieb." Herta duldete cs, daß er ihre Hand ergriff und sie mit Küsten bedeckte. Sie blieb äußerlich ruhig, aber ihr Herz pochte doch schneller. Langsam entzog sie ihm ihre schmale Rechte. „Herr von Randen," sagte sie und jedes Wort war seltsam deutlich und berechnet, „wie ich Ihnen schrieb, nehme ich Ihre Werbung an. Ich bin zu der Ueberzcugnng ge kommen, daß es so am besten ist." Er wollte sic unterbrechen, da winkte sie ihm Schweigen gebietend, und fuhr fort: „Daß erst nach einigen Monaten von einer Hochzeit die Rede sein kann, werden Sie begreifen, unsere Trauer verbietet es. Ich werde meine Stellung kündigen und zu einer Schwester meiner Mutter gehen." Sie schwieg, als erwarte sie eine Antwort auf Liesen Plan. Als er nur zustimmend nickte, sprach sie weiter: „Ich werde keine leicht zu nehmende Frau sein, dazu bin ich nicht fügsam genug, Herr von Randen. Der Gretchen-Typus liegt nicht in meiner Art, ebenso wenig kann ich Kätchen von Heilbronn Geschmack abgewinnen. Ich finde beide alt modisch und langweilig. Die modernen Frauen verstehe ich dagegen. Wollen Sie es trotzdem mit mir wagen?" Es war das letzte.Aufzucken ihrer Mädchenfreiheit. Sie wußte, daß, wenn er nein sagte, sie kaum etwas empfinden würde, das einem Bedauern gliche. Randen hatte still zugehört. In seinem Gesicht zeigte sich keine Spur von Bewunderung. Wie aus Erz gegossen, schienen die männlichen Züge, die dunklen Augen allein hatten Leben; es glomm in ihnen. Ein Vulkan mußte in dem Mann schlummern, aber er hatte sich meisterhaft in der Ge walt, die Schule des Lebens hatte cs ihn gelehrt. „Ja," sagte er auf ihre Frage hin, „ich will es mit Ihnen wagen, Herta." Wie eine Weiche Liebkosung fiel ihr Name von seinen Lippen. „Ich will es mit Ihnen wagen, denn ich vertraue auf die Stärke, auf die Macht meiner großen Liebe zu Ihnen; sie kann nicht ohne Eindruck auf das Gemüt der Frau bleiben. Meine Aufgabe soll es sein, Ihre geheimsten Wünsche zu erraten, ich will sie erfüllen. Was an Rücksicht und Zart gefühl von einer Frau gefordert werden kann, ich will es Ihnen cntgegenbringen. Sie glücklich machen, ist mein höchster Ehrgeiz. Daß Sie mir keine Liebe cntgegenbringen, weiß ich. Ich habe ja kein schönes Aeußcre, die Jugend liegt hinter mir, und Sie sind berechtigt, höhere Ansprüche zu jmachcn." Die letzten Worte klangen so traurig, daß sie das kalte Herz des Mädchens rührten. Sie konnte bezaubernd sein, wenn sic wollte. Mit einem Lächeln, das ihr strenges, klassisches Gesicht verschönte, streckte sie ihn, die Hand hin. „Ich achte Sie, Baron Randen, und — ich fühle etwas wie Freundschaft für Sic." „Das ist genug!" rief er hingerissen und wollte sic an sich ziehen. Die ganze Leidenschaft seiner Neigung schlug in Hellen Flammen Uber ihm zusammen. Sie entschlüpfte seiner Umarmung. Von ihm abgcwcndct stand sie am Fenster. Sic atmete beklommen, ihre Weißen Zähne gruben sich tief in die rote Lippe. „Lassen Sie mir Zeit," bat sic, „es — es ist noch so neu, ich — ich muß mich erst daran gewöhnen, Herr v. Randen." „Verzeihen Sie," sagte er, es hat mich übermannt. Sie so nahe zu sehen, so schön nnd rührend in Ihrer tiefen Trauer- klcidung, das brachte mich einen Moment aus der Fassung." „Wenn doch Bernhard und Ines bald kämen," dachte Herta, „ich wäre froh, dieses Alleinsein unterbrochen zu sehen." Sie klingelte dem Dienstmädchen und bestellte ihr leise, den Kaffee zu besorgen, dann wendete sie sich an Randen. „Bitte," sagte sic, auf einen Stuhl gegenüber dem Sofa deutend, „wollen Sie nicht Platz nehmen? Mein Bruder wird wohl bald von seinem Gange zur Forste! zurück sein." Herta lehnte sich weit in die Kissen des Sofas zurück. Der Tisch war zwischen Randen und ihr. Sie sprachen, wie man bei einer Visite spricht: über Kunst und Theater, über die letzten literarischen Erzeugnisse. Das heißt, Herta fällt ihr sicheres Urteil darüber, er warf nur ab und zu ein Wort dazwischen. „Ich glaube, sie will mir auf den Zahn fühlen," dachte Randen, „ich bestehe das Examen schlecht. Mein Himmel, wenn man in Ostpreußen das runde Jahr auf seinem Gute sitzt, so verliert man die Fühlung mit der übrigen Welt." Herta gewann dieselbe Ueberzeugung. — Die Magd hatte alles zum Kaffeetisch bereitet. — Randen und seine Braut gingen in das Speisezimmer, beide dachten dasselbe. „So werden wir in Zukunft unsere Mahlzeiten einnehmcn, wir beide, ganz auf einander Angewiesene." Ihn erfüllte der Gedanke freudig; sie verscheucht ihn bald wieder. Warum schon jetzt daran denken? Dazu war später genug Zeit. Später, wenn das schwerwiegende „Ja" gesprochen war, wenn der kleine, goldene Reif, das Symbol der ehelichen Treue, den Finger schmückte. Sie waren ver stummt. Ein drückendes Schweigen lastete auf beiden. Randen drehte an seinem Schnurrbart, Herta blätterte in einem Album. Er hätte ihr so viel zu sagen gehabt, so voll zum Ueberfließen war sein Herz, aber das Wort erstarb auf seinen Lippen angesichts der kühlen Zurückhaltung. „Da sind die Geschwister!" rief Herta wie erlöst. Im nächsten Augenblick traten Bernhard und Ines ins Zimmer. „Hardy, da ist Baron Randen, mein Verlobter." Die Männer reichten sich die Hand. Schon bei diesem ersten Begegnen merkten sie: „Wir werden Freunde sein." Auch Ines begrüßte in ihrer spontanen, warmherzigen Art den Bräutigam der Schwester. Er gefiel ihr mit diesem freundlichen, offenen Gesicht, und mit den guten, dunklen Augen, in denen so Viel Liebe lag, sobald er Herta ansah. Nachdem Friedrich von Randen von seinen neuen Ver wandten als Mitglied der Familie ausgenonimen war, wurde die Stimmung viel weniger gezwungen, als vorher beim Alleinsein mit Herta. Sie gab sich natürlicher und trat mehr aus sich heraus. Es gelang ihr, die beobachtenden Blicke des Bruders zu täuschen, einen wenn nicht gerade strahlend glücklichen, so doch zufriedenen Eindruck hervorzurufen. Ines fand es sehr interessant, zum ersten Male eine ihr so nahe stehende Person als Braut zu beobachten. Nur war sie sehr enttäuscht und äußerte es in ihrer kindlich harmlosen Art. „Warum duzt Ihr Euch nicht?" fragte sie naiv. „Ich dachte, das gehört sich von einem Brautpaar, nicht einmal mit Namen nennt Ihr Euch." „Das kommt mit der Zeit, Kleines," sagte Bernhard, dem die Verlegenheit der beiden Verlobten leid tat. Der Zug, mit dem Randen abreiste, ging um sechs Uhr ab; cs war Zeit für ihn, Abschied zu nehmen. Ines schüttelte ihm herzlich die Hand, Herta haschte daneben. „Wird er mich jetzt küssen?" dachte sie und eine Abwehr prägte sich ans ihren, Gesicht aus. Randen sah es und zögerte eine Sekunde, dann drückte er seine bärtigen Lippen leicht auf das Haar seiner Braut. Sie hatte den Kopf zu ihm geneigt, Damit er den Mund nicht berührte. Noch eine tadellose Verbeugung an der Tür, dann verschwand Randen. Bernhard begleitete ihn bis zur Bahn. Er wollte dem zukünftigen Gatten der Schwester manches über ihren komplizierten Charakter sagen, ihn bitten, Geduld mit ihr zu üben. Und er tat cs in liebevoll schonender Art. Er sprach von Hertas guten Eigenschaften. Sie sei sehr bcgeistcrungssähig und strebsam, ein warmes Empfinden schlummere unter der oft mit Absicht zur Schau getragenen Kälte ihres Wesens. Auf der anderen Seite hätten Eitelkeit und Hoffahrt mitzusprechen. Randen hörte zu und erwiderte, daß er nicht blind seine Wahl getroffen habe. Er freue sich, dem geliebten Mädchen die Annehmlichkeiten bieten zu könnnen, die der Reichtum mit sich bringt, sie recht zu verwöhnen. „Nicht zu viel," meinte Bernhard. Herta wird es gut tun, eine feste Hand zu fühlen; daß es in ihrer Macht liegt, hoffe ich." Das sich noch weiter entwickelnde Gespräch brachte beide Männer näher. Sie trennten sich mit einem Gefühl gegen seitiger Hochachtung und Sympathie. „Er ist ein lieber, prächtiger Mensch," dachte Bernhard von der Eiche, „Herta wird mit ihm glücklich werden, es liegt nur an ihr." Einige Tage später wurde der kleine, bescheidene Haushalt des Majors aufgelöst. Die Möbel wurden teils verkauft, teils abgestcllt. Es ist etwas trauriges uni solch eine Auf lösung des Elternhauses, um das ForttraHen der Sachen, an die sich die früheste Kindeserinnerung knüpft. Man sagt sich, daß wieder ein wichtiger Lebensabschnitt da ist, daß es nie mehr werden kann, wie cs war. Die drei Geschwister fühlten cs, jedes in seiner individuellen Art. Ines weinte viel, Herta war stumm und wortkarg, Bernhard besorgte alles Geschäftliche und preßte sein Herz zusammen. Er war bemüht, den Schwestern durch seine Umsicht und Fürsorge den Abschied zu erleichtern. Ihr letzter Gang galt dem Trabe des Vaters. Die Töchter schmückten cs mit Blumen, der Sohn stand dabei. Das Geheimnis des Tote» war ihm allein bekannt. Würde sich je der dichte Schleier lüften? Würde Bernhard von der Eiche die Spur finden, die Klarheit brachte? Er glaubte es kaum. Bei seiner Heimkehr fand Bernhard sehr viel Arbeit. Der erste Assistent war krank, so mußte Eiche ihn vertreten. Mit erneuter Lust nnd Fleiß machte er sich an die schwere, aber ihn ganz erfüllende Pflicht. Die Hochöfen hatten während seiner Abwesenheit Stockungen erlitten, cs galt, sie wieder in Ordnung zu bringen. Oft kam Bernhard über 24 Stunden nicht aus den Kleidern, seine Gewissenhaftigkeit, sein Ehrgeiz erlaubte» es.ihm nicht anders. Er besaß die Gabe, sich bei aller Strenge das Vertrauen und die Liebe der Arbeiter zu gewinnen, denn er war gerecht und leistet" selbst viel. „Der Eiche ist dazu geschaffen, einmal eine leitende Stellung einzunehmen," hieß cs beim Aufsichtsrat. Als ein Streik ansbrach, vermochte es der junge Assistent durch die Macht seiner markigen Persönlichkeit durch die überzeugende Gewalt seiner Rede die erregten Gemüter zu beruhigen. Man überließ ihm die Vermittlung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Sic gelangten zu einem beide Teile befriedigenden Resultat. Von seinen Schwestern erhielt Bernhard oft Briefe. Ines schrieb voller Sehnsucht nach dem geliebten Bruder, sonst aber zufrieden und heiter. Sie fühlte sich sehr glücklich in der Forste! und behauptete, eine perfekte Wirtin zu werden, lieber Luise schrieb sie in allen Briefen mit warmer Freund schaft. Unwillkürlich dachte Bernhard dadurch auch öfter an das junge Mädchen, an ihr sanftes, freundliches Wesen, an ihr liebliches Aeußcre, aber kein wärmeres Gefühl sprach mit. Nur war er ihr als Freundin seiner Licblingsschwester dankbar. Hertas Briefe klangen'andcrs. Sie langweilte sich offenbar bei der Tante in der kleinen thüringischen Stadt und jchien den Zeitpunkt ihrer Hochzeit herbeiznwünschen. Randen war einige Male gekommen und hatte seine Braut besucht. Er überschüttete sie mit Geschenken und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Sechs Monate nach dem Tode des Majors fand die Trauung statt. In Anbetracht der Verhältnisse konnte das Trauerjahr nicht abgcwartet werden und die Tante wollte verreisen, sie schloß so lange ihr Haus. Sie hatte Herta eine kleine Summe für die Aussteuer gegeben und fuhr mit ihr nach Berlin, um dort einzukaufen und das Brautkleid zu bestellen. Es war viel zu kostbar sür die kleine Hochzeit. Die lange, schwere Brokatschleppe fegte über den ansgetretenen Fußboden der einfachen Kirche, die vollgepfropft von Neu gierigen war. Randen war solche Schaustellung sehr zuwider. Er hätte eine häusliche Feier vorgezogen, aber er fügte sich dem nachdrücklichen Wunsch Hertas. Eine wunderschöne, nur sehr farblose Braut war sie. Nicht das leiseste Rot innerer Erregung färbte ihre blaffe Wange, eine steinerne Ruhe lag auf den klassischen Zügen. Wie ein Marmorbild, so schön, aber auch so kalt stand sie da und Hörle kann, auf die Worte, die sie dem Mann ihrer Wahl antrauten. Randen sah im Frack und in der weißen Binde — wenn auch nicht hübsch, so doch vornehm aus. Eine tiefe Bewegung malte sich auf seinem Gesicht, die dunklen Augen hatten einen ernsten und doch unendlich glücklichen Ausdruck, wenn sie auf die hohe weiße Gestalt an seiner Seite fielen. Herta war gröster als ihr Bräutigam, ein Mißverhältnis, über das die guten Einwohner der Winkelstadt eifrig sprachen. In ihrem duftigen, weißen Kleidchen stand Ines tief ergriffen neben der Schwester. Ihr weiches Kindergemüt fühlte den ganzen Ernst dieser Stunde und ein inbrünstiges Gebet für das Glück Hertas stieg ans Ines Herzen zu Gott empor. In der kurzen Zeit, die sie Randen kannte, hatte ihn seine Schwägerin herzlich lieb gewonnen. Wie wars auch anders möglich bei seiner stets gleichen Freundlichkeit und ritterlichen Rücksichtnahme auf seine kleine Verwandte. Am Tage vor der Hochzeit hatte er Ines ein hübsches, goldenes Armband geschenkt, der erste, wertvolle Schmuck, den sie besaß. I» ihrer spontanen Art war sie Randen um den Hals gefallen und hatte ihn geküßt.