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«r voll! — über die Reling nach den Scholien. Der Verschluß' wurde niedergelassen, wir warteten auf das gewohnte Poltern... Wir glaubten unseren Augen nicht zu trauen. Narrte uns wer? Ooer? Klack, klack und bum, das war nicht das lustige Poltern der silbernen Fischleiber, das war... Kurz und gut: wir hatten insgesamt drei grüne Schnee«! Hasen, einige Krebse, zwei winzige Schellfische und einen aus»! gewachsenen Grundhai in den Schotten. Ein Hai im Netz wars hier oben keine Seltenheit, aber zumeist fingen wir diese ge fährlichen Fischfresser mit vielen anderen Seeueren. Uns wurde unheimlich zumute. Ein Hai im Netz! Ein Hai allein! Seine kleinen Augen strahlten Tücke und Bosheit, mit der Mchtigen Schwanzflosse schlug er wild, und es schien uns, als lachte er uns allesamt aus. Wir hätten ihn in Stücke zerschnitten, so erbost waren wir. Aber wir waren erfahrene Hochseefänger, die wußten, was sich schickte. Wir unterdrückten unseren Grimm und ließen Hein Kieven, der von jeher dieses Amt übernahm, an seine Arbeit gehen. Hein näherte sich dem Vieh; gewandt schlang er eine Seilschlinge um die Schwanzflossen, wir ließen die Wintsch laufen, daß der Hai — wohl gute zwanzig Zentner mochte er haben — hochgehicvt wurde. Hein stieß ihn über die Reling und machte sich eben daran, mit einem einzigen Schnitt die Steertflosse vom Rumpf zu trennen — so töteten wir unseren Feind, der Rumpf klatschte gewöhnlich ins Wasser, wo er blutend versackte —, als sich plötzlich die Seilschlinge lockerie und der Hai lautlos in die Tiefe fiel. Heins Messer, das lief in der Schwanzflosse steckte, verschwand mit. Armer Hein Klcven! Uns tat der Jung mit einem Male leid. Hein zerfiel unter seiner Schuld. Die Möve ließ er frei, aber es war schon zu spät... Unser Käppen war keinesfalls abergläubisch, aber auch ihn überkam das Gruseln, als wir beim nächsten Netzhieven den Hai abermals einhollen. Hein Klevens Messer steckte dem Vieh noch bis zum Heft in der Schwanzflosse. Wieder schien es uns, als lache uns der Hai aus, und wieder traten wir zurück, Hein Kleven an die Arbeit zu lassen. Hein sträubte sich, aber er tat, wenn auch widerwillig, seine Pflicht. Wieder band er die Seil schlinge fest — dabei bekam er eins mit der Seitenflosse weg, daß es ihm die Haut vom Oberschenkel riß —, wieder lärmte die Wintsch, und — wieder löste sich die Schlinge... WaS soll ich sagen? Beim nächsten Hol — natürlich hatten wir wiederum nur den Hai im Netz — erging es uns nicht anders, obwohl wir Hein Kleven, der zu nichts mehr zu ge brauchen war, die Arbeit abnahmen. Wir verloren drei Messer und «ein neues Tau. Die Wintsch hatte sich aus irgend einem Grunde verheddert, und das Tau riß auf geheimnisvolle Weise. Der Hai entkam. Wir änderten sofort unsere Position, denn daß es so nicht weitergehen konnte, lag auf der Hand. Kolgujew ließen wir dwars liegen. Wir dampften auf die Karastraße zu, wo unser Käppen gute Fangplätze wußte. Wir hätten während des Dampfens Zeit genug gehabt, uns um Hein Kleven, der fiebernd in seiner Koje lag — Salzwasser war in seine Wunde gekommen, nun eiterte der Oberschenkel bösartig —, zu kümmern. Aber wir ließen ihn, der doch unser Kamerad war, hilflos liegen. Ja, eine Schuld reiht sich an die andere... Hein war für uns ein Gezeichneter. Vor der Karastratze trafen wir aus das erste Treibeis. Die See war glatt wie Oel, blau und weiß geisterten die Eisschollen. Vor uns'dehnte sich niedrig die unendliche Tundra der Insel Nowaja Semlja. Angesichts der Landmarken warfen wir das geflickte Backbordnetz aus... „Fluch über uns!" jammerten wir zwei Stunden später. Es hatte plötzlich einen harten Ruck gegeben, der ganze Eimer zitterte eine Weile nach, daß wir glaubten, wir seien aufgelaufen. Wir waren nicht aufgelaufen, abe'- unser Netz mitsamt den Scherbrettcrn zum Teufel. Einfach weggerissen... Welch eine Schande! Ohnmächtig schrien wir uns unsere Wut aus den Leibern. Drei Tage nur noch konnten wir uns über den Fang- Plätzen halten. Unser Kohlenvorrat wurde knapp. Unser Käppen war der einziqe, der die Ruhe behielt. Hein Kleven stand dabei, als wir hievten. Es war kurz nach Mitternacht. Wir zurrten, was die Kräfte Hergaben. Der Beutel schoß hoch. Wir zitterten um einen guten Hol... Es war vergebens. Diese Reise war uns verdorben. Das Satansvieh von Hai — wir erkannten ihn an der verwundeten Schwanzflosse — war uns gefolgt und zum vierten Male ins Netz gegangen. Brüllend stürzten wir uns über den rauhhäuti gen Kerl. Hern Kleven war uns voran. In blinder Wut stach cr auf daS Tier ein. Riesige Stücke schnitt er aus dem bald llotcn Fisch. Die Stücke schleppte er zur Reling und warf sie über Bord. Wir beruhigten uns bald. Wir rissen die Augen auf und beobachteten Hein Kleven, der wie ein Irrer wütete. Jetzt warf er den letzten Rest des Hais, die mächtige Schwanzflosse, über die Reling. Hein strengte sich dabei tüchtig an, mit den Füßen kletterte er im Eifer auf die untere Querstange der Reling. Und es gelang ihm... aber der Schwung riß den Tobenden mit. Ein wilder Schrei — und ehe wir es hindern konnten, stürzte Hein Kleven über Bord. -I— kmMMH kleiner. Mrrv ML NsLÄLlsLS Linä. In dex kleinen deutschen Ueberscekolonie an der Salpeter küste wußte jeder, wer „Gundlachs Heiner" war, dieser ver trunkene Maler und Geschichtenerzähler. Der seine Zeche meist mit einem schnell hingestrichenen Bild an der weißgetünchten Wand beglich. Ueberall, wo er gewesen, überraschte dieser merk würdige Schwung der Linien, die Tiefe der Ferne, die Schärfe, mit der ein einziger Schatten das ganze Bild betonte. „Der konnte einmal etwas —", hörte Heinrich Gundlach - oft Neuankommende aus der alten Heimat sagen. Damit war er für sie abgetan. Gundlach wußte, was sie von ihm dachten. Zechte aber immer mit ihnen, scherzte, sich selbst und sein Schicksal zum besten haltend: nur einer, der diese Bilder schon öfter unter wegs gesehen, dachte anders — denn er kannte Gundlach von früher her. Hermann Alberding stammte aus, dem Loquitztal bei Eichicht, war mit Henny Rühle verheiratet, deren Vater Nachfolger des alten Pfarrers Gundlach wurde. Was sie dort zu Hause von Hennys Neigung zu Heinrich Gundlach sprachen, das war längst verjährt. Nun gelang es Alberding endlich, Gundlachs Spur zu finden — denn Gundlachs Heiner war unsteter als der Wind auf der Heide... Draußen im Hafen liegt ein deutscher Dampfer. Gestern eingelaufen. Die Mittagsglut brennt auf Wellblechdächer und kalkweiße Steinbauten. Weißer Staub ist die Straße, mit einem schmalen, schmälsten, tief violetten Schattcnraum. Durch die Ritzen der Jalousien sickert das Licht in einzelnen funkeln den Tropfen... Heinrich Gundlach liegt im Faltstuhl, seine Augen starren nach dieser Hölle von blendendem Licht dort draußen. Da hört er mit einem Male ganz deutlich in der atemlosen Stille jemand singen — ein Jahrzehnte nicht mehr gehörtes Lied, wie sie es daheim !m Thüringer Wald singen, abends aus dem Heimweg, in den Walddörfern am Rennsteig, wenn die Abend kühle aus dem Fichtenwalddunkel strömt. — „Ach — wie ist's möglich dann, Daß ich dich lassen kann, Hab' dich von Her—zcn lieb, Thüringer—land!" Gundlach springt auf, reißt die leinenen Vorhänge zu, schreit: „Verfluchtes Geplärre!" Er Preßt die Fäuste vor die Ohren — er kann nicht hindern, daß ein schluchzendes Stöhnen ihn schüttelt, den Thüringer Pfarrerssohn, dem einmal vor Jahrzehnten die Welt nicht groß genug sein konnte. Er sieht sie, die Heimat, und hört ihren Ruf aus dem Gesang der Frauenstimme. Gundlach schließt die Augen und lächelt, ohne zu wissen — denn er erblickt die Heimat. Waldberge, wenn schon das erste goldene Leuchten über das schwarzgrüne Bollwerk der Fichtenwälder gleitet — Forcllcnbäche in schmalen Wiesentälcrn, von denen steile, sonnige Leiten und Schieferbruchhalden aufsteigen in das Walddunkel der Bergkämme. Irgend et^as macht ihn nüchtern, reißt ihn aus dumpfer Nauschgiftbetäuvnng in unbarmherzige, hellwache Klarheit, so daß ein anderer Rausch ihn ergreift, gleich einer Offenbarung. Er beginnt zu zeichnen. Wirre Linien erst, aus denen sich schon einzelne Striche scharf abheben. Farbstifte zerbrechen zwischen seinen nervigen Fingern. Immer wieder beginnt er von neuem, es ist ein Kampf mit dein Stoff. Blatt um Blatt wirft er beiseite, nimmt einzelne wieder auf und heftet sie nebeneinander an die Wand. — Merkwürdig still werden seine Freunde, die abends in den Klub kommen, wo er wohnt, und sein ver ändertes Wesen sehen. Was hier in diesem Menschen brennt, ist kein Irrlicht, sondern lebendiges Feuer! Einer der Neberseckaufleute, derjenige, welcher den Wahren Wert seiner Bilder längst erkannt hat und hier eine Möglichkeit sieht, einen Weg für ihn, durch die vollendete Leistung diesen Mann zu sich selbst zurückzuführen, diese ein mal und vielleicht nie wicdcrkehrcnde Möglichkeit — reicht Gundlach wie zum Scherz einen großen Malkarton, der an der Wand lehnt. „Wenn Sic das Bild um Sonnenaufgang fertig haben, zahle ich Ihre Ucberfahrt nach Deutschland." Sein spöttisches Lachen zeigt Gundlach, wie sicher er ist, daß der Maler vor dieser Aufgabe versagen wird. Aber der fragt nur: „Gilt das?" „Die Anwesenden sind Zeugen." Gundlach sieht diesem unbarmherzigen Spötter ins Ge sicht. Er hat Alberding sofort erkannt, und seine Augen werden ganz groß. Fuhr er deshalb über die halbe Erde, um den, den da, hier zu treffen? Betäubt vom Haß ist Gundlach und doch von klarer Schärfe in jedem Gedanken. Alles Schwankende verging, er steht auf dem harten Boden der Tatsacke, daß der da nicht recht behalten darf! Das '.st Gundlach der'Henny Rühle schuldig. Die andern drängen sich ringsum. Nach kurzem Aus atmen beginne Heinrich Gundlach zu arbeiten. Der Raum ist taghell vom elektrischen Licht erleuchtet. Acht Uhr abends zeigt die Uhr. Noch zehn Stunden bis Sonnenaufgang. Alberding setz: sich abseits in einen Schaukel stuhl, schaut zu, spricht kein Wort, schaut nur unentwegt hin — von Zeit zu Zeit nach der Ubr blickend. Ein Lächeln mildert Gundlachs scharfe Züge, ein Lauschern aus den Ruf der Heimat, der zum gewaKmcn Sturmlb'd wurde. So, wie Heinrich Gundlach eS vor sich gesehen im ersten Augenblick, das Bild der Heimat, so steht es nun im scharf umrissenen Linien da, als die gebannte Vision! Dev Fcdertalsfelsen über dem Göliytal mit dem Blick von dev Wickersdorfer Höhenstraße bis nach den reußischen Bergen und! ins Vogtland. Es wurde ein jubelnder Choral, glaubensstark! und lebensfroh! Er schafft — selbstvergessen, entrückt — ein Sehender ge- worden in dieser Stunde, üno die Sehnsucht nach der Heimat! wird ganz groß in ihm, gibt ihm ienc erbitterte Stärke dev Einsamkeit. Gundlach spricht mit einem Male auch wieder so, wie sis daheim reden, m den Walddörfern am Rennsteig. In ihm wächst eine Kraft, die ihn über sich selbst hinausträgt, die er wachte aus dem Glauben an sein Werk. „Einen Glauben muß! der Mensch haben!" ist eins seiner wenigen Worte. Diese Männer haben schon manche tolle Nacht erlebt,! aber keine war wie diese — Das leise Wiegen des Schaukclstuhls, in dem Alberding« sitzt, ist bald langsam, bald schneller zu hören — aus diesem Laut sprechen Alberdings unausgesprochene Gedanken zm Gundlach, der mit geschärften Sinnen das geringste wahr nimmt. Durst und oas irrsinnige Heimweh wollen ihm div klare Besinnung rauben. Im Whisky, im Agavenschnapss wartet das Vergessen — daneben fühlt er das Lachen dev anderen lauern, die warten, ob er nicht doch auch heute versagt. Neber allem pocht der Nhrpendel, jagt die Zeit. Heinrich Gundlach wächst an diesem Kampf. Sein Blut braust! Ev hört zuletzt nur noch die Uhr gehen, allein mit der Zeit und! seinem Werk — wie ein Blutzeuge der ersten Jahrhunderte. Als das Bild fertig ist und Heinrich Gundlach sieht, daß! es Ihm gelungen, spricht er zu sich selbst aus der tiefen Er schöpfung des Vollendeten: „Nun könnte ich sterben, ohne daßf es mir leid zu sein brauchte." Da tritt Alberding hinzu, reicht ihm die Hand, während' jemand die Vorhänge öffnet und das Licht ausschaltet. „Es ist kurz vor sechs Uhr morgens, Heinrich Gundlach, Sie haben die Ueberfayrt nach Deutschland. Morgen abend läuft dev Dampfer aus. Mit diesem Dampfer ist meine Frau an gekommen. Wir wohnen gegenüber." Heinrich Gundlach entsinnt sich deutlich, daß es eine Frauenstimme gewesen ist, die das Lied von der Thüringer Heimat sang. Es ist um die Mittagsstunde, als er Frau Henny gegenübersteht. „Du hast mich mit dem Lied unserer Heimat gerufen, ohne es zu wissen. Ich bin erwacht und folge diesem! Ruf." Der Blick, mit dem „Gundkachs Heiner" sie bei diesen Worten ansieht, ist so frei und stark, so von innen heraus ge härtet, daß sie unwillkürlich spricht: „Es war Wohl alles not wendig, wre es gekommen ist, damit Du den Weg zu Dir selber fandest." Die verschwiegensten Briefträger der Welt. Briefträger sind von amtswegen zur Verschwiegenheit ver-, pflichtet. Immerhin kann es geschehen, daß sie gegen ihrem Willen von dem Inhalt einer Postsache Kenntnis erhalten. S« etwas aber ist ganz undenkbar in jener Gegend, die heute im Mittelpunkte des Interesses steht, im Osten von Abessinien, also; in Erythräa und Umgebung. Die Eingeborenen, denen dort die! Zustellung der Briefe obliegt, sind deshalb so verschwiegen, weil! sie nicht lesen können, nicht einmal die Anschrift, die auf dentz Umschläge des Briefes steht. Aber eifrig und treu, wie diese- schwarzen Zeitgenossen nun mal sind, finden sie trotzdem unfehl-j bar den Empfänger und überreichen ihm den Brief, der an dev Spitze eines langen Stabes steckt. Und nicht ohne Respekt be trachten sie das „kleine Stück Papier, das sprechen kann". Die- Postverwaltung hat denn den schwarzen Mannern auch die ent sprechende Ehrung zuteil werden lassen. Die verschwiegenstem Briefträger der Welt erstrahlen in tiefstem Dunkel auf den Brief marken von 1930, die für fünf oder zehn Centesimi zu haben sind^ Schwedischer Flugzeugkreuzer besucht Deutschland. Hm Reichskriegshafen Kiel traf der schwedische Flugzeugkreu- zer „Gotland" zu einem längeren offiziellen Besuch der deut schen Reichskriegsmarine ein. Der Besuch der „Gotland" soll die guten.Beziehungen, die zwischen der deutschen und schwe dischen Marine bestehen, vertiefen. (Weltbild — M.) Die Deutfchlandhalle als Sportstätte geweiht. Hn der neuerbauten Deutschlandhalle zu Berlin fanden die er sten Radreimen statt. Das Bild links gibt einen Ausschnitt vom IVO-Kilometer-Mannschaftsrennen — rechts sehen wir Welt meister Toni Merkens, dem in Anerkennung seiner großen Er folge die Plakette des Reichssportführers durch besten Vertreter treter Breilmeyer überreicht wurde. (Weltbild-Schirner M.)