Volltext Seite (XML)
Wilsdruffer Tageblatt 2. Matt Nr. 222 — Montag, den 23. September 1935 Tagesspruch. So viel gibt's, was beglücken kann Und Freude macht entstehen; Es kommt auf Herz und Augen an, Daß sie, was Glück ist, sehen. Trojan. Zeitbetrachtungen. , Im ganzen Reich fanden am Sonntag Ent- lasisungsappelle des Arbeitsdienstes statt. Der Reichsarbeitsführer hat alle ausscheidenden Arbeits- «äniner feierlich verabschiedet. In ihre Stelle rücken dann bald neue, erdbraune Bataillone nach, die die niedergeleg- ten Spaten aufnehmen und die in den Lagern mit dem gleichen nationalsozialistischen Geist erfüllt werden, der ojuf dem ReichsparteAag in Nürnberg durch den Auf« marsch des RS.-Arbeitsdienstes so eindrucksvoll gestaltet wurde. Die ersten Bataillone der neuen Arbeits dienst p f l i ch t ivrrden mit geschultertem Spaten in die Lücken einrücken, m die Rhön, im Moor des Emslandes, an den ostpreußischcn Seen, im Bayerischen Wald und überall in Deutschland, wo der Spaten neuen Boden für den Pflug des Bauern erobert. Jene aber, die aus der Gemeinschaft des Arbeitsdienstes ansscheiden, werden den Geist,, der in dieser neuartigen Erziehnngsschule der Nation sin sie hineingetragen wurde, vorwärtstragen an der Stätte ihres neuen Wirkens. Sie werden sich ein ordnen iy. die Gemeinschaft überall dort, wo sie im Dienste ihres Vvlkes hingestellt werden. Ein Teil von ihnen wird den Spaten mit dem Gewehr vertauschen. Ein anderer Teil wird den Weg in die SA. nehmen, der Urzelle dys Erlebens der nationalsozialistischen Gemeinschaft, aus dex heraus auch der Arbeitsdienst gestaltet wurde. Stets wprden sie Kameraden sein im Dienste der Nation, die Lehr gleichen Spaten getragen haben. * Der Gau Groß-Berlin der Deutschen Arbeitsfront führt eine fünftägige Schulungswocheimgroßen Berliner Sportpalast durch. Bisher ist der Sportpalast — außer für Großveranstaltungen der ver- schliedensten Sportzweige — einzig der Ort der gewal tigen Kundgebungen und Massenversammlungen der NSDAP, gewesen. Auf diese Weise ist der Name dieser riesigen Halle ans das engste mit der Geschichte der NSDAP, verbunden. Durch die Veranstaltung der Deutschen Arbeitsfront ist nun ein neues bedeutsames Ereignis mit dem Berliner Sportpalast verknüpft: Die erste große Massenschulung, bei der Zehntausende von Menschen in einem Saal Abend für Abend zu sammengefaßt werden, um systematisch eine Vertiefung ihres Wissens in allen weltanschaulichen und fachlichen Fragen, die ihr Arbeitsgebiet als DAF.-Walter berühren, zu erfahren. — Die Schulung, die sich bisher nur «nmer auf einen kleinen Kreis beschränkte, wird hier zum Instrument der M a s s c n a u f k l ä r u n g, zum Instrument der einheitlichen Willensausrichtung Zehn tausender. Denn Schulung im nationalsozialistischen Sinne ist nicht nur Wissensvermittlung, sondern in erster Linie Willensausrichtung. ' Bei der augenblicklichen Verteilung der Bevölkerung des Deutschen Reiches auf Stadt und Land ist die natür liche Bevölkerungsbewegung in den Großstädten gerade zu der Ausdruck für Gunst oder Ungunst der Gesamt bevölkerungsentwicklung. Die Großstadtbevölkerung ist bis 1933 als überaus geburtenscheu bekannt. Bis 1933 einschließlich hat die Gesamtgeburtstätigkeit abgenom men. Das ist das bedauerliche und Höchstgefahr anzeigende Merkmal dafür gewesen, daß ein großer Teil des deut schen Volkes keinen kräftigen Fortpflanzungswillen mehr hatte. So lag es bis 1933 einschließlich. Im Jahre 1934 setzte ein Umschwung ein. In diesem Jahre zeigte.sich ein Gesamtzug zum Aufstieg. Diese Erschei- Vom Arbeitsdienst Über den Waffendienst zum Reichsbürger. Reichsarbeitsführer Hierl an die " scheidenden Arbeitsdien st männer. Anläßlich der in den einzelnen Abteilungen des Arbeitsdienstes dieser Tage stattfindenden Entlassungs- appellc hielt am Sonntag Ncichsarbcitsführer Hierl über den Dcutschlandsender im Rahmen einer Feierstunde, in der der Neichsmusikzug des Arbeitsdienstes sowie Gesang- und Sprechchöre aus den Arbcitsdankmitglied» schäften mitwirkten, eine Ansprache an die aus dem Arbeitsdienst scheidenden Soldaten der Arbeit. In wenigen Tagen, so führte er aus, werden 180 000 Arbeitsmänner nach abgeleisteter Dienstzeit aus dem Ncichsarbcitssiihrcr Hierl bei seiner Rnndfunkansprache. tSchcrl Bilderdienst - M.) Arbeitsdienst entlassen. Ich sage euch, meine auS- scheidenden Arbeitskameraden, Lebewohl und wünsche euch für euren weiteren Lebensweg viel Gutes. Ihr könnt aus eurer Dienstzeit das stolze Bewußtsein mitnehmen, daß ihr für euer Volk wertvolle Arbeit geleistet habt. Die meisten von euch treten jetzt in die Wehrmacht über, um dort den Waffendienst zu erlernen und nach dieser letzten Ausbildung des deutschen Mannes zum vollwertigen Reichsbürger zu werden. Ich er warte von euch, daß ihr als Soldaten der Schule des Arbeitsdienstes Ehre macht. Soldaten und Arbeitsdienst männer müssen gute Kameraden sein; sie stehen beide im Ehrendienst ihres Volkes. Eure Führer bleiben euch nach eurem Ausscheiden als Freunde verbunden. Dann richtete Reichsarbeitssührer Hierl Will kommen sw orte an die am 1. Oktober neu in dem Lager eintretenden Volksgenossen. Wer guten Willens ist, so sagte er, wer sich dem im Arbeitsdienst geltenden Gesetz der Treue, des Gehorsams und der Kameradschaft willig nnterzuordnen bereit ist, soll uns als Kamerad will kommen sein. Er wird sich in unserer Gemeinschaft bald Wohl und heimisch fühlen und den erdbraunen Ehrenrock des Arbeitsmannes mit Stolz tragen. Wenn ihr dann eure Arbeitsdienstzeit treu abgedient habt, dann werdet ihr auf diese Zeit ebenso mit Befriedigung zurückblicken wie diejenigen, die ietzt ausscheiden. Reichswellkampf de- ASM. beginnt. Tagesbefehl an das NSKK. Korpsführer Hühnlein erklärt in einem Tages befehl an das NSKK. u. a.: Der Reichsparteftag der Freiheit ist verklungen, doch was er ausgestrahlt, diese Urkraft l,es Glaubens und der Zuversicht, der „Geist von Nürnberg", ist einer heiligen Offenbarung gleich über uns gekommen und pflanzt sich fort von Herz zu Herz. Erfüllt von diesem Geschehen und in dem beglückenden Bewußt sein, des Führers Blick auf uns gefühlt zu haben, sind wir nach Hause zurückgekehrt. Neue große Aufgaben harren unser. Der Reichs- Wettkampf des NSKK. beginnt. Hat das Korps in Nürnberg seinen Mann gestanden und aus des Führers Mund hohe Anerkennung gesunden, so wird es auch beim Reichswettkampf seine Disziplin, seine Pflichttreue und sein Können un'B Beweis stellen. Es lebe Deutschland, es lebe der Führer. nung vemete aus eine einschneidende Veränderung im volksbiologischen Verhalten hin. In der Tat machte sich der Einfluß der durch weise und zweckmäßige Maßnah men der Reichsregierung neu erwachten Heirats lust geltend. Die Grundfrage ist nun, ob die andere Einstellung zur Nachwuchsfrage auch von Dauer sein wird. Nicht Erstgeburten allein bestimmen die Nach wuchshäufigkeit, sondern sie hängt ab von der Häufig keit zweiter, dritter und vierter Kinder in einer Ehe. Man kann freilich von den jungen, im Jahre 1933 ge schlossenen Ehen nicht erwarten, daß sie 1935 bereits wieder neue Kinder in die Welt setzen. Es wird des halb zu befürchten sein, daß, da die Zahl der Ehe schließungen von 1934 auf 1935 nicht so stark gestiegen ist wie von 1933 auf 1934, zunächst ein Nachlassen der Geburtenhäufigkeit auftreten wird. Ob dies Nachlassen dauernd oder ob es nur vorübergehend ist, das kann erst Ende 1935 festgestellt werden. Aber die Zahlen für die Mo na Isergeb nisse des ersten Halbjahres 1 9 3 5 deuten doch darauf hin, daß sich wieder ein Ge burtenhoch im Jahre 1935 ausbildet, dem zunächst ein gelinder Abfall folgt. Demnach wird aller Voraussicht nach mit einem Geburtstief im Oktober/November zu rechnen sein. Allerdings wird dieses „Tief" hoffentlich und wahrscheinlich noch höher liegen als der Jahres durchschnitt des guten Geburtensahres 1934. Das würde dann bedeuten, daß es sich beim Nachwuchs 1935 nicht mehr so ausschließlich oder vornehmlich um Erstgeburten handelt, sondern daß schon Mehrgeburten sich geltend zu macken beginnen. Tag -es deutschen Volkstums. überall im Reich fanden Feiern statt. — Auch das „Fest der deutschen Schule" wurde begangen. Überall im Deutschen Reich wurde am Sonntag der „Ta gdesdeutschenVolkstums" als Zeichen der inneren Verbundenheit der Deutschen in aller Welt gefeiert. Der Volksbund für das Deutschtum im Ausland, der die festlichen Veranstaltungen durchführte, wollte damit vor aller Welt Zeugnis dafür ablegen, daß die Deutschen im Reich mit den Brüdern und Schwestern jensMs der Grenzen als Träger deutschen Lebenswillens uno deutscher Kultur unlösbar zusammengehören. Der Tag, der gleichzeitig als „Fest der deutschen Schule" begangen wurde, fand auch im deutschen Rundfunk entsprechende Beachtung. In einem Geleitwort, das Reichsminister Dr. Frick dem VDA. zum Tag des deutschen Volkstums gab, heißt es: „Im nationalsozialistischen Deutschland hat das Werk des Führers ein wiedergeeintes Volk geschaffen und den Volkstumgedanken und die ihm erwachsenen Ver pflichtungen fest in aller Herzen geschrieben. Aber außer halb der Reichsgrenzen ringen unsere Volksgenossen nach wie vor um deutsches Wesen und kulturelles Eigenleben. Ihre opferwillige, in vielen Stürmen immer von neuem bewährte Treue zum Volkstum soll uns ein Ansporn sein, im Kampf um die Neugestaltung und Festigung der großen Gemeinschaft, der wir uns tief innen verbunden fühlen, nicht zu erlahmen." küok Dürms-Vsttsg. Aalls (Lams). s52 Dietlinde hatte die beiden Wolfshunde bei sich, die sie Immer in den Wald mitnahm. Harras und Sultan wurden von ihrer jungen Herrin Ivie gute Kameraden behandelt und liebten sie dafür über alles. Die gutgepflegten Tiere liefen meist ein Stückchen voraus, kehrten danach aber immer wieder zu ihrer Herrin zurück, als ob sie sagen wollten: Fürchte dich nicht, wenn wir ab und zu für kurze Zeit aus deinem Gesichts feld verschwinden; wir kommen schon brav wieder, um uns zu überzeugen, wie es dir geht und daß dir nichts passiert! Lorenza meinte: „Ein paar zuverlässige Beschützer haben Sie an den Hunden, Lindel." Dietlinde nickte strahlend. „Und ob das Beschützer sind! Aber wir drei verstehen uns auch glänzend." Sie übertrieb vor Begeisterung ein bißchen. „Mitten durch den Urwald ginge ich mit den beiden Prachtkerlen." Lorenzas Gedanken verließen, obgleich sie mit ihrer Begleiterin sprach, doch eigentlich keinen Augenblick den geliebten Mann. Was gab es denn für sie jetzt auch Wichtigeres als ihn und sein Schicksal?! Sie antwortete fast mechanisch: „Urwald haben wir ja hier nicht, aber ich glaube, daß man auch hier gelegentlich solche Beschützer wie Harras und Sultan sehr nötig brauchen kann." Sie sagte es nur, um etwas zu sagen, um ihre Auf merksamkeit zu beweisen; aber das Herz lag ihr schwer, io schwer in der Brust, und es tat Weh, so entsetzlich weh. Dietlinde hielt den gefundenen Unterhaltungsstoff fest, glaubte, das Thema lenke Lorenza etwas von ihren trüben Gedanken ab. Sie begann also, ausführlich von ihren Hunden zu erzählen. Lorenza hörte auch zu, Wort für Wort glitt in ihr Ohr, aber meist nur als leerer Schall. Ihr Kopf überlegte un ablässig, was sie für den Geliebten tun könne. Dietlinde aber merkte in ihrem Eifer nichts davon, daß Lorenza ihr gar nicht richtig zuhörte; sie geriet immer mehr in Begeisterung über ihre beiden Lieblinge, und schließlich blieb sie stehen, faßte das eine Ende der schmalen schwarzen Stoffschleife, die Lorenzas Kragen abschloß, und lobte mit leuchtenden Augen: „Sie müßten nur mal sehen, wie die Kerle vorgehen, wenn sie Gefahr für mich wittern, wenn ich ihnen zurufe: Aufpassen! Dann stellen sich beide vor den Beargwöhnten auf und zeigen die Zähne, so daß er vor Angst keinen Schritt weiter zu machen wagt, bis ich vorbeigegangen bin. Sie tun ihm nichts und kommen sofort, wenn ich sie weg rufe. Ich habe solch Erlebnis mit ihnen hier im Walde schon gehabt. Ich laufe oft sehr weit. Im allgemeinen ist ja unsere Gegend sauber, aber es gibt doch leider noch Mitmenschen, denen man nicht ganz trauen kann. Balder sagt manchmal, ich stromere zuviel im Walde herum, aber mit den Hunden läßt er mich laufen. Er versteht mein Herumstromern im Walde vollkommen, er hat ja selbst unseren Wald lieb." Sie legte Lorenza die Rechte auf die Schulter und schaute zu der Größeren empor. „Unser Wald, nicht wahr, der ist doch herrlich? Ich habe öfter gelesen und gehört, daß man die Mark arm nennt an Naturschönheiten. Die Menschen, die so etwas behaupten, müssen wirklich sehr dumm sein. Entweder schwatzen sie das nach, oder sie sind mit Scheuklappen von Vorurteilen durch die Mark gegangen." Sie schöpfte ganz tief Luft. „Unser Wald ist doch wunderschön, unser Laub wald, unser Nadelwald — und unsere Waldseen sind das Köstlichste, was es auf Erden gibt, meine ich. Ich bin ja nicht hier geboren, aber die Mark ist Mutters Heimat, und alle Leute sagen, ich wäre Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Da bin ich natürlich auch innerlich wie Mutter und habe viel von ihrem Märkerblut — nicht wahr?" Sie bekannte: „Ich möchte nie mehr hier fort, ich würde anderswo krank werden vor Sehnsucht nach hier. Vor Sehnsucht nach Heide und Wasser und — so töricht es klingen mag — auch vor Sehnsucht nach unserem Sand!" Lorenza hatte zuletzt doch zugehört. Hatte es gemußt, da Dietlinde dicht vor ihr stand und begeistert auf sie einsprach. Und sie empfand die herzwarmen Worte so wie sie gesprochen waren. Sie liebte ja auch die Heimaterde über alles. Sie erwiderte: „Ich glaube, ich würde anderswo auch krank werden vor Sehnsucht nach hier." Plötzlich schossen ihr die Tränen in die Augen. Ihre Gedanken waren schon wieder zu dem Geliebten gegangen. Dietlinde blickte sie betroffen an, aber sie begriff sehr schnell. Sie nahm Lorenzas beide Hände in die ihren. „Ich wollte Sie gern von allzu traurigen Gedanken ablenken nnd erzählte Ihnen von Harras und Sultan, dann schwärmte ich von unserer Mark, und Sie können doch eigentlich an nichts anderes denken als nur an das selbe. Ich verstehe das ja. Sie haben Angst um Otto Stürmer — nicht wahr?" Lorenza nickte, und ein paar Tränen rannen langsam über ihr Gesicht. „Ich habe übergroße Angst! Mir ist's, als könne daS Furchtbare gar nicht wahr sein. So ein Verdacht, und er! Das paßt nicht zusammen, und das schien mir fast komisch, wenn es nicht so furchtbarer Ernst wäre." Dietlinde sah ganz deutlich, wie Lorenza zitterte, und da reckte sie sich hoch und schlang impulsiv beide Arme um ihren Hals. „Bitte, weinen Sie nicht, Lorenza, es wird ja alles bald wieder gut werden. Man muß ihn doch freilassen. Man muß! Daran sollten Sie nicht zweifeln!" Sie flüsterte erregt: „Der Schuldige wird sich nicht mehr lange der Freiheit erfreuen, glauben Sie mir das und klammern Sie sich daran, wenn Sie die böse Angst quält!" .(Fortsetzung folgt-j