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Mezs MMchisrr. Berlin. Das deutsche Sprachpflegeamt teilt mit, daß es seine Arbeit ausgenommen hat Seine Geschäftsräume, die mit denen der Reichsschrift tumskammer verbunden sind, befinden sich in Berlin W 8, Leipziger Straße 19. Dis Beratung ist kostenlos. Hameln. Auf dem Süntel, gegenüber der Reichs erntedankstätte auf dem Bückeberg, soll ein Horst- Wessel-Ehrenmal errichtet werden. Für die Ge staltung dieses Denkmals wurde ein Wettbewerb aus geschrieben. Schwere Schlägerei Sei einem Tanzvergnügen. Dirscha». Bei einer Veranstaltung des Schützenver- bandes in Dirschau (PommereÄen) kam es im Verlauf eines Tanzvergnügens zu einer Schlag e"rei, die zwischen Betrunkenen entstanden war. Die Inneneinrichtung des Lokals wurde demoliert. Während der Schlägerei erlitten nicht weniger als fünf Personen zum Teil lebensgefährliche Verletzungen. Einer der Ver letzten schwebt in Lebensgefahr. Die Polizei hat mehrere Verhaftungen vorgenommen. z, Lastkraftwagen saust gegen Straßenbahnwagen. Gelsenkirchen. In einer Kurve in Geftenkirchen- Heßler sauste ein mit leeren Kisten beladener Lastkraft wagen in voller Fahrt gegen einen Stra ßenbahnwagen. Der Lastkraftwagen überschlug sich und begrub Fahrer und Beifahrer unter sich. Der Führerstand des Straßenbahnwagens wurde völlig ein gedrückt. Der Kraftwagenfahrer erlitt neben Kopfver letzungen einen Oberschenkelbruch, sein Beifahrer eine tiefe Fleischwunde am rechten Oberschenkel. Die schwer sten Verletzungen c, ocr Straßenbahnwagenführer, der außer einer Kopfverletzung innere Verletzungen da vontrug. Alle Verletzten wurden dem Krankenhaus zu geführt. Brennender Straßenbahnwagen in voller Fahrt entgleist. Moskau. In Taganrog geriet der Motor eines Straßenbahnwagens in Brand. Der Wagen entgleiste in voller Fahrt und stürzte um. Fünf Personen wurden getötet, sieben schwer- und achtzehn leicht verletzt. Der Wagenführer wurde verhaftet. * Ein Mörder irinkt den Giftbecher. Das im Jahre 1935 in Kraft getretene neue estlän - dische Strafgesetz sieht zwei Arten der Todes strafe vor, den Galgen und den Giftbecher. Die Wahl Pat der zum Tode verurteilte Verbrecher. Jetzt ist zum erstenmal der Giftbecher zur Vollstreckung des Todes urteils in Anwendung gekommen. Für ihn hatte sich der junge Este Paul Voigemast entschieden, der wegen Ermordung eines Lehrers zum Tode verurteilt worden war. Schweres GinffurMglöck in Kronstadt. Flugzeugschuppen begräbt 46 Arbeiter — 7 Tote, 26 Schwerverletzte. . In der rumänischen Flugzeugfabrik I. A. R. in Kronstadt (Siebenbürgen) ereignete sich ein schweres Unglück. Ein neu errichteter Flugzeugschuppen stürzte mn und begrub 49 Arbeiter. Bisher konn ten 26 Schwerverletzte und siebenTote geborgen wer den. Über das Schicksal der weiteren Opfer herrscht noch keine Klarheit. Mit den Ausräumungsarbeiten ist un verzüglich begonnen worden. Der Architekt, der den Schuppen errichtet hatte, wurde ver hastet. Gerüsiemsiurz auf einer französischen Werft. Durch den Einsturz eines Gerüstes auf einer Werft in Breeourt bei Cherbourg fielen einige Arbeiter in einen zehn Meter tiefen Schacht. Sechs von ihnen wurden sehr schwer verletzt, ein Arbeiter starb bei der Einlieferung ins Krankenhaus. Vier Todesopfer der Berge. Nach eincer Mitteilung der Deutschen Bergwacht wurde der seit dem 20. August vermißte 26jährige Münche ner Bergsteiger Sebastian Pronberger von einer Bergungsexpedition aus München und Oberstdorf am Fuß der Seewände t o t a u fg e fu n d e n. — Wie aus Inns bruck gemeldet wird, hatte die 21jährige Medizinerin Gerda Rappaport aus Wien mit einem Begleiter eine Partie in die Stubaier Berge unternommen. Donnerstag früh brachte der Begleiter die Nachricht, daß Fräulein Rappaport bei einer Besteigung des Wilden Freigers infolge Abrutschen? des Gesteins tödlich ab - gestürzt sei. — Nach einer weiteren Meldung aus Bozen verunglückte bei eineer Klettertour der Rechts anwalt Dr. Blank aus Spittel an der Drau tödlich. Mit ihm verunglückte gleichfalls tödlich die Professorin Marie Tietz aus Böhmen. Frau Tietz war eine bekannte Karls bader Leichtathletik- und Sportlehrerin. Mf Personen irr die Keser gestürzt. Schweres Unglück Sei einer Dampferlandung. Ein Todesopfer. Bei der Landung des Vergnügungsdampfers „Vor wärts" in Bremer Haven ereignete sich einschwerer Unfall, der auch ein Menschenleben forderte. Durch das auflausende Wasser hatten sich die Haltetrossen des Dampfers gelockert und dem Schiss einen derartig weiten Spielraum gegeben, daß sich derLaufsteg löste und ins Wasser stürzte. Mit dem Steg sielen sünf Fahr gäste, die gerade an Bord gehen wollten, in die Weser. Obgleich die Besatzung den Abgestürzten sofort Rettungsgürtel zuwarf und auch Vorübergehende sich an der Rettungsaktion beteiligten, gelang es nur, vier Personen zu retten. Der 61jährige Lehrer M-ertens, der in Blumenthal bei Verwandten zu Besuch weilte, wird noch vermißt. Es ist anzunehmen, daß er den Tod durch Ertrinken gesunden hat. Der Veröächiige Brustkorb. Italienischer Matrose im Hafen von Gdingen wegen Zollschmuggels verhaftet. Im Gdinger Hafen (Polen) versuchte ein italienischer Matrose vom italienischen Dampfer „Arcol", 5000 Zigaretten zu schmuggeln. Dem Zoll beamten kam jedoch derBrustkorbdes Matrosen verdächtig vor, und er unternahm eine Untersuchung, bei der die Zigaretten vorgefunden wurden. Darauf trat der Grsnzzoll sofort in Verhandlung und verurteilte Tosci zu 5000 Zloty Geld st rafe. Da er jedoch die Summe nicht beschaffen konnte, wurde er der Polizei übergeben. Der Matrose zog plötzlich eine Pistole und schoß sich eine Kugel durch den Kopf, die seinen sofortigen Tod verursachte. Neues Ms Äse Welt. Fortuna goß das GMckshorn aus. In der Staatslotterie wurde ein 100 000-Mark- Gewinn aus das Los Nr. 333 173 gezogen. Das Los wird in der 1. Abteilung in Achtellosen in Mecklenburg und in der 2. Abteilung in Achtellosen in Bayern gespielt. Kurz danach gab es noch einen großen Gewinn. 300 000 Mark sielen aus die Nummer 257169, die in Achteln in Berlin und in Schleswig-Holstein gespielt wird. Durch den Führer begnadigt. Der Führer und Reichskanzler hat den wegen Mordes an der unverehe lichten Frieda Schilling vom Schwurgericht in Ellwan gen zum Tode verurteilten Wilhelm Keim aus Herren tierbach, Kr. Gerabronn, zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. Der Gnadenerweis ist ergangen, weil der Verurteilte den Entschluß zur Tat in verzweiselter Stim mung faßte, zur Zeit der Tat auch erst 20 Jahre alt und bisher unbestraft war. Dle ersten 34er Weine werden in Trier versteigert. Auf oen Herbstweinversteigerungcn in Trier, die am 1. Oktober beginnen, werden die ersten Weine des Jahr gangs 1934 angeboten werden. Am I. Oktober erfolgt ein Ausgebot von 77 Fudern, am 2. und 3. Oktober folgen weitere 75 bzw. 77 Fuder. Sondcrausstellungen zum Reichsparteitag. Aus Anlaß! des vom 10. bis 16. September stattfindenden Reichspartei tages wird das Germanische Nationalmuseum in Nürn berg zwei Sonderausstellnngen eröffnen. Das Museum hat seine urgeschichtlichen Sammlungen nach den neuesten Gesichtspunkten und Ergebnissen der Forschung umgestattet und wird sie anläßlich des Parteitages in der neuen Form der Öffentlichkeit übergeben- Im Mittelpunkt steht die Darstellung der Entwicklung der Germanen und alt germanischer Kulturhöhe. Als zweite Sonderschau wird das Museum eine Dürerausstellung veranstalten, in der der gesamte Besitz der Stadt und des Kupferstichkabinetts! vereinigt sein wird. Deutschlands schönster Naturschutzpark. Von dep mecklenburgischen Grenze bis dicht vor die Tore des- Städtchens Barth erstreckt sich der nach Ansicht der! Wissenschaftler schönste und interessanteste Naturschutzpark! Deutschlands, an dessen Ausbau augenblicklich noch eifrig! gearbeitet wird. Bei den Arbeiten ist auch eine Abteilung, des Arbeitsdienstes eingesetzt, die in dem großen BeziM Entwässerungsgräben zieht und Wege baut. Daneben! werden jetzt in einer Länge von etwa 15 Kilometer hohes und starke Wildgatter errichtet. Schon in nächster Zeit wird) das gesamte Gebiet mit verschiedenen Wildarten besetzt werden. Kunstflüge auf 25 Jahre alter Maschine. Am 1. Sep tember findet in Köslin i. P. ein Großflugtag mit Segelflugvorführungen, Kunstflügen und Fallschirm absprungen statt. Altmeister Hans Grade wird dabei auf einer im Jahre 1910 selbstgebauten Maschine KunMügej vorführen. Aus dem Gerichtssaal Sühne für eine gemeine Tat. Vor der 29.Großen Strafkammer des Dresdner Land gerichts fand das schamlose Verhalten jener Burschen ein Nachspiel, die während der Dresdner Vogelwiese ein 17- jähriges Mädchen in einen Wohnwagen lockten und sich in unerhörter Weise unter Anwendung von Gewalt an ihm vergingen. Die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit ge führte Verhandlung ergab zwar nicht, daß das Mädchen gegen seinen Willen in den Wohnwagen gelangte, aber auf Grund der Angaben der Angeklagten stand fest, daß^ drei von ihnen ein Notzuchtverbrechen an dem Mädchens verübten. Das Urteil lautete wegen vollendeter Notzucht) gegen den 20 Jahre alten Edwin Ewald Fritz Böhme auf- ein Jahr sechs Monate und gegen den 34 Jahre alters Reinhold Walter Werner auf ein Jahr drei Monate Ge-t fängnis, wegen versuchter Notzucht gegen den 34 Jahre alten Reinhold Karl Köhler auf ein Jahr Gefängnis. Der vierte Angeklagte wurde freigesprochen. Die Straße ist kein Kinderspielplatz. Im April war in der Pfarrgasse in Dresden ein fünf jähriges Mädchen tödlich überfahren worden. Der Führer einer Kraftdroschke sollte, obwohl sich am Rand der Straße spielende Kinder aufhielten, mit erheblicher Geschwindig-! leit gefahren sein und fahrlässig den Tod des über die! Straße laufenden Kindes verschuldet haben. In der Ver-, Handlung stellte sich die völlige Schuldlosigkeit des Kraft-! Wagenführers heraus. Er hatte beim Anblick der spielen den Kindergruppe seine Geschwindigkeit gemäßigt, konnte aber trotz aller Vorsicht den Unfall nicht verhindern, weil das Mädchen, wie Zeugen bestätigen, unvermittelt auf die' Straße sprang und in den Kraftwagen hineinlief. Der! Sachverständige vertrat, ebenso wie der Staatsanwalt und! dann in seinem freisprechenden Urteil das Gericht, die, Auffassung, daß der Angeklagte den Unfall in keinem Fall- mehr abwehren konnte, weil ihm zum Bremsen ein viel' zu kurzer Weg zur Verfügung stand. Aie Schuld lag allein bei dem Kinde. Dieser Unfall gibt erneut Veranlassung zu der Mahnung an Eltern und Kinder: Straßen sind keine Kinderspielplätze! LZ WADMZ Oie Geschickte einer liöniZUcken stiebe floman von Uster Di oll l8 Beriag: Dötsch L Holl, Bayerische Matern-Korrefpondenz, München, Schillerstr. 18 „Madame, Ihre Nummer! Es hat schon geklingelt!! Das Publikum wartet! Chöre Mademoiselle —" Sie warf den Kopf in den Nacken. „Ja doch, ich komme ja schon!" Delarge führte sie zur Tür hinaus. Er spürte, wie sie an allen Gliedern zitterte. — Die Bühne. „Ich kann nicht", flüsterte Gaby. „Es wird vortrefflich gehen", ermutigte er lächelnd. Und mit einem Male stand sie allein mitten auf der Bühne. Starrte in die schweren, samtenen Falten des Vorhanges, der sich wie von selbst in der Mitte teilte. Mein — ausgeliefert den tausend Blicken, die aus dem gähnenden Dunkel des Riesenraumcs sie umkrallten. Da hob sie wie mechanisch die Hände. Der Ring an der Linken funkelte. Sein Ring. Und mit eknem Male durchrann sie eine magische Kraft, geweckt von dem Feuer dieses Ringes. War das nicht wie ein lieber Gruß? Augenblickslang dachte sie: Vielleicht ist er da? Vielleicht sitzt er dort unten irgendwo? Und grüßt mich mit seinem Herzschlag? Ja, vielleicht — vielleicht! Für ihn tanze ick! Und nun waren wie mit einem Schlage die Fesseln von ihren Füßen gelöst. Das maskenhafte Lächeln iüres Gesichtes löste sich zu einer natürlichen, strahlenden Heiterkeit auf. Ge rade im rechten Augenblick setzte sie mit ihrem Tanz ein — wie Delarge es vorausgesagt hatte. Und wie er es voraus geahnt, so kam es: Es wurde ein voller, triumphaler Erfolg! Der Cirque d'hiver hallte wider von dem Beifallsklatschen der entzückten, begeisterten Pariser. Die Kunst der Gaby Deslys und ihre Schönheit hatten ihre Herzen im Sturm erobert. Wie ein Taumel halte es alle ergriffen. Paris war um eine schöne Seusgiion reicher! — Atemlos wankie Gaby Deslvs in ihre Garderobe zurück. Delarge stand schon mit dem Glas Sekt bereit. Diesmal schmeckt cs besser", schmunzelte er diabolisch. „Ich gestatte mir, gleich eins mitzutrinken." Er blutte sie verliebt an. Sic lächelte strahlend. Trank in Lernen Schlucken. „Es schmeckt vorzüglich, Delarge." — So begann Gaby Deslys wunderbarer Aufstieg. Wer ver- a" diesem, am nächsten, amftibernächsten Abend darauf,, daß. der Marquis d- Alvarez sich einsinden wurde. Und eine feine Trauer überschattete ihre Seele. Er hatte sie nicht gesunden! War seine Liebe, diese geheim nisvolle, maßlose Liebe, die sie erahnt hatte, die seine Augen ihr verraten hatten, doch nicht so groß, daß sie imstande war, sie in Paris zu sindcn? Es tat weh im Herzen. Und sic blickte oft in einer stillen Stunde den Ring an und ließ das Feuer seiner Steine leuch ten. Ob dieses Feuer jemals stark genug sein würde, um ihn magisch in ihre Nähe zu ziehen? Törichter Mädchcnwunsch! Blind hoffender Wunderglaube! Sie bewahrte ihn heimlich in der Tiefe ihres Herzens. — Und dann sielen die Abenteuer, die neuen Erlebnisse von Paris über sie her. Sie war ein Stern am Kunsthimmel ge worden. Die Menschen begannen, Ansprüche an sie zu stellen. Es regnete Bukette, Einladungen, die Salons der Reichen und Vornehmen öffneten sich ihr wie von selbst, und die Schar ihrer Bewunderer, die nach mehr als einem Lächeln von ihr begehrten, wuchs. Abenteuer lockten. Ihre Schönheit war wie eine einsame Fackel, um die die Motten tanzten und sich die Flügel verbrannten. Der Comte von Guise, ein Lebemann, dessen Ahnherr ein Kammerherr Ludwigs des Vierzehnten gewesen, bot ihr ein Schloß bei Deauville an mit Wagen und Dienerschaft, wenn er dort für nur einen „ganzen Tag" ihr Gast sein dürfte. Er verstand es, sich sehr diskret auszudrücken. Sie lachte ihm schallend ins Gesicht. „Comte, was für dumme Scherze!" Monsieur de Toussaint, ein junger, bildhübscher Galan- tuomo, dessen Vater einer der ersten französischen Industrie kapitäne war, schickte ihr mit einem Blumenstrauß ein Perlen kollier im Werte von zwanzigtauscnd Frank und knüpfte daran die Bitte, mit ihr allein soupieren zu dürfen. Er bekam das Kollier umgehend zurückgeschickt mit einer Photographie von ihr, auf deren Rückseite Gaby geschrieben hatte: „Stellen Sie's gegen die Suppenterrine, wenn Sie allein speisen, Monsieur! Und guten Appetit!" Toussaint besaß Humor genug, sich nicht verletzt zu fühlen, und in den Salons belachte man die amüsante Abfuhr und erklärte Gaby Deslys ftzr einen Engel. Faudet, der bekannte Lyriker, Mitglied der Dichterakademie, schrieb einen Hymnus auf die „göttliche Tänzerin von Paris", der viel Beifall fand. Im dritten Monat ihres Pariser Aufenthaltes wies sic den Herzog von Mirabeau, einen der reichsten Aristokraten der Republik, der allen Ernstes um ihre Hand anhielt, ab. Es geschah in einer so herzlich-mädchenhaften Art, daß der nicht mehr junge Herzog begeistert erzählte: „Sie ist mehr als eine große Künstlerin. Sie ist ein reines Menschenkind. Achtung Vor ihr!" Und man begriff endlich, daß die großen Tänzerinnen und schönen Frauen der Welt durchaus nicht alle gleich waren. Es gab zumindest eine unter ihnen, die nicht im entferntesten daran dachte, aus ihrer Schönheit billiges Kapital zu schlagen, so oder so. Und die hieß Gaby Deslys! Es gab allerdings auch unentwegte Skeptiker, die erklärten: Sie wird ihren Liebhaber bereits haben! Denn eine Tänzerin, die selbst einen Herzog von Mirabeau abweist, gibt es nicht, sosern sie srei ist. Sie muß also einen anderen haben! Ja, nur daß diese Skeptiker sich verzweifelt den Kopf dar über zerbrachen: Wen? Denn von der seltsamen Liebe, die Gaby Deslys im Herzen trug, konnten sie nicht gut etwas ahnen. Sie hätten's gewiß auch nicht verstanden. — Es ging jetzt schon in den Frühling hinein. Von Afrika her wehte nun schon etwas von der Hitze der Tropen. Auf den Boulevards spazierten die ersten Frühlmgsklcidcr, leichte, duf tige, kokette Gebilde mit vielen Rüschen und Volants, die leisr und verheißungsvoll bei jedem Schritt knisterten. Die franzö sische Mode liebte damals diese duftigen Tändeleien der Klei dung, mit der die Pariserin scharmant zu kokettieren verstand. Dazu trug man unwahrscheinlich hohe Stöckelschuhe in allen Farben, die graziös unter dem gerafften Kleidsaum trippelten. Um diese Zeit wurde Gaby Deslys an die „Vaudevilles" engagiert. Sehnsucht aller Schauspielerinnen und Tänzerinnen von Rang. Eine große Freude war in ihr. Aber auch eine sch«e Melancholie. Kam sie vom Frühling her? Sie wußte es nicht. Aber sie wußte dies eine: daß sie kr manchen Nächten von einem Mann träumte, der aus sehnsüch tigen Augen sic unentwegt anschautc. Sein gebräuntes, suqcnd- liches Gesicht war voll stummer, trauriger Frage, und ihr war, als frage er lautlos: Denkst du noch an mich, Gaby? Denkst du noch an die fünf Abende in Wien? Trägst du noch meinen Ring? Da konnte es dann wohl geschehen, daß die große, be rühmte Gaby Deslys, der alle Welt zu Füßen lag, die große Deslys, die rn einer armseligen Strohhutte in einem kleinen böhmischen Nest ihre Kindheit verträumt hatte, erwachend die Hände faltete und flüsterte: „Ja, ich denke noch an dich. Zuviel vielleicht. Vielleicht hast du mich schon vergessen. Aber ich denke an dich!" Und doch knüpfte das Schicksal schon geheimnisvoll die Fäden weiter, mit denen es Gaby Deslvs und den Mann, den cs sttr sie bestimmt, langsam, langsam, langsam, in recht spie lerischer Laune zusammcnsührte. Das Schicksal liebt Possen und Verwicklungen und seltsame Sprünge. Kein Mensch entgeht ihm. Könige nicht und auch nicht Tänzerinnen. Das Schicksal liebt die Umwege. Und darum mutzte Gaby Deslys Lord Derby keuncnlerncn. Lord Derby, den vornehm sten Aristokraten Londons. Den nobelsten Menschen, der da mals unter den upper-tcns von England zu finde» war. Es war nach Gabys zweitem Auftreten in den „Vaude villes", als sie diese Karte mit einem Blumenstrauß in die Garderobe geschickt bekam: „Lord Henry Derby." (Fortsetzung folgt.)