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Bon ihrer Hände Werk. Schwere Zeiten hat die deutsche Hand werkerschaft in der Nachkriegszeit durchgemacht. Von dem sprichwörtlichen goldenen Boden des Handwerks war nichts mehr zu spüren. Nicht allein, daß die Maschine den handwerklichen Umsätzen Abbruch tat, der Ruf der Handwerksarbeit und mit ihr die Nachfrage danach ging durch Pfuscharbeit und uneigene Arbeits ausführungen zurück. Schlimmer noch, geriet in Miß kredit. Wie das möglich war? Nicht das Handwerk, der alte Stamm tüchtiger, arbeitswilliger, schöpferischer Meister und Gesellen war schlechter geworden, sondern, gedrängt durch Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Not erbot sich allenthalben ein großer Teil ungelernter oder ungenügend ausgebildeter Arbeitskräfte für billiges Geld zur Leistung von Handwerksarbeiten. Damit entstand dem geschulten, tüchtigen Handwerker ein gefährlicher Wettbewerber. Der gute Klang des Meistertitels litt unter den mangelhaften Leistungsn sogenannter Schwarz arbeiter. * Attes Handwerker-Wanderlied. Ls mag ein feiger INuttersohn hier bleiben bei den Paihen. Lnd hinlerm Ofen ihm mit Hohn die porster Äpfel braten: Wir haben hierzu keine Lust. Es sehnt sich unsre frische Brust Aach lobenswerten Thaten. Der seinen Kopf Hal in der Welt fein weit herumgetragen. Lnd mit den Feinden in dem Feld sich tapfer rumgeschlagen, Der hat mit gutem Recht verdient. Daß niemand sich darauf erkühnt. Was Schimpflich's nachzusagen. Um diesen ungesunden Verhältnissen ein Ende zu machen, wurde in diesem Jahr die Handwerkskarte eingeführt. Sie bringt dem Handwerk den „Großen Befähigungsnachweis" und soll ein An sporn sein zur Erreichung hoher Leistungen, die des Ehrentitels Meister würdig sind. Durch diesen Großen Befähigungsnachweis soll allmählich eine Front tüchtiger Menschen, wirklicher Könner herangebildet werden. Diese , genaue Vorbereitung und Schulung für den Handwerks beruf ist um so notwendiger, als das Handwerk einen großen Prozentsatz deutscher Menschen in seine Hut nimmt. Mit Familienangehörigen ist ungefähr ein Achtel des deutschen Volkes zum Handwerksstand gehörig. Insgesamt sind im Handwerk gegen 4 Mil lionen Menschen tätig. Allein im Schneider handwerk arbeiten mehr Menschen als im Kohlenbergbau, in anderen großen Handwerkszweigen mehr Menschen als in der ganzen chemischen Industrie. Diese 4 Millionen Handwerkskräfte verteilen sich auf 1,5 Millionen Handwerksbetriebe. Von diesen 1,5 Millionen waren 94 Prozent Kleinbetriebe, d. h. solche, die bis zu 3 Gesellen beschäftigen, 4,5 Prozeß Mittelbetriebe, solche mit 4 bis 10 Gesellen, und nur 1,5 Prozent Groß betriebe, die mehr als 10 Gesellen beschäftigen Woraus hervorgeht, daß das Handwerk meist reines Familien unternehmen ist und nichts mit „kleinbetrieblicher In dustrie" zu tun hat, wie ein beliebtes Schlagwort ver gangener Tage fälschlich behauptete. Wie verteilen sich nun die Handwerksarten auf die Betriebe? 35 Prozent aller Handwerksbetriebe gehören zur Gruppe Bekleidung und Reinigung, ein schließlich Friseure, 16 Prozent zur Gruppe Nahrungs- und Genußmittel, 14 Prozent zum Bauhandwerk, 13 Pro zent zur holzverarbeitenden und 15 Prozem zur metall verarbeitenden Gruppe. In der Lederverarbeitung und in der Gruppe Papier und Vervielfältigung sind je 2 Pro zent vertreten, die restlichen 3 Prozent entfallen auf ver schiedene Handwerke. Wie stark die Not der vorausgcgangcncn Zeit, die Arbeitslosigkeit und die mangelnde Achtung vor hand werklicher Leistung die Umsätze in den letzten Jahren vermindert haben, beweist die Tatsache, daß die Um sätze, die 1927 noch 22,3, 1923 noch 20,1 Milliarden ausmachten, 1931 nur 14 und 1932 nur noch 11 Milliarden betrugen. Durch die Förderungs maßnahmen des nationalsozialistischen Staates hat das Handwerk wieder eine Belebung seiner Umsätze erfahren. Für 1933'34 werden die Umsätze auf je dreizehn bis vierzehn Milliarden Mark geschätzt. Durch die Ehestandsdarlehen haben vor allem die holzverarbeitenden Gewerbe und die Sattler und Polsterer in der Zeit von 1933 bis 1934 einen großen Auftragszuwachs erhalten, der ihre Umsätze teilweise um 10, 20 und mehr Prozent steigerte. Durch die Zunahme der Arbeitstätigkeit, die Wiedereinreihung von vier Millionen arbeitsloser Menschen in den Arbeitsprozeß hat auch das Schneidcrhandwerk wieder größere Umsätze erzielen können. Es brauchte nicht mehr alles von der Stange gekauft zu werden. Mit der zunehmenden Steigerung des Volks einkommens wird sich die Verbraucherschaft von selbst wieder mehr und mehr dem Handwerk zuwenden; denn sie Weitz, datz deutsche Handarbeit Wertarbeit ist. ' L. Hamel. Handwerk, aas M TraMion! Das deutsche Handwerk blickt auf eine Jahrhunderts alte Geschichte zurück, eine Geschichte, die eng verknüpf! ist mit den» deutschen Schicksal, eine Geschichte, die das Handwerk zu Stolz berechtigt. Wie alt das Handwerk ist, wir wissen es nicht. Zweifellos aber hat es schon in den ältesten Kulturen Handwerker mit eigenen Gesetzen und Ordnungen gegeben. Alte Handwerks- darstellungcn kennen wir z. B. von pompejanischen Wandmalereien. Die An sicht, daß unsere Vorfahren kein Handwerk gekannt hät ten und ihre Hauptbeschäf tigung im Vertilgen von Met bestanden hätte, muß endlich gründlich korrigiert werden. Schon vor andert halbtausend Jahren sind Z. B., wie wir aus zeitge nössischen Quellen sicher wissen, einzelne germanische Stämme als wandernde Handwerker, vor allem als Zimmerleute und Bauhandwerker, weit berühmt gewesen. Schmie- den ist eine uralte germa nische Kunst, vermutlich so Tas Abzeichen zum Rcichshandmerkertag. gar bei den Germanen entstanden und erfunden. Jeden falls gibt es zu denken, daß in Gräbern früher ägyptischer Könige einwandfrei germanische Bronzewasfen gefunden wurden! Auf den Höfen der deutschen Könige saßen schon vor rund 1200 Jahren alle möglichen Handwerker. Vom 10. bis zum 16. Jahrhundert dauert die Entwicklungs- und Blütezeit des in den Zünften geeinten Handwerks. Was es in dieser Zeit geschaffen hat, ist unvergänglich. Wer denkt nicht an die herrlichen deutschen Domo und die prächtigen alten Bürgerhäuser, die ans dem handwerk lichen Geist der Blütezeit des Mittelalters entstehen? Wer denkt nicht an Hans Sachs, wer könnte Männer wie Dürer, Riemenschneider, Veit Stoß oder den Erzgießer Peter Vischer vergessen, die dem Handwerk entstammen? Und wer würde je die Blütezeit der deutschen Städte nennen, ohne des Handwerks zu gedenken, das oft genug der Träger des Wehrgedankens in den Städten ist? Anfang des sechzehnten Jahrhunderts beginnt der Niedergang und Zerfall des deutschen Hand werks. Der unheilvolle Dreißigjährige Krieg und später der Kampf der. Fürsten und des Klerus um die Städte sind der Beginn des Kultnrniederganges in Deutschland und machen auch vor dem Handwerk nicht halt. Die wirt schaftlichen Umwälzungen, bedingt durch die technischen Erfindungen, führen zu einem immer weiter fort schreitenden Niedergang des Handwerks, dem die Ein führung der Gcwerbcfreiheit den Rest gibt. Die Gründe der einst stolzen Bedeutung des Hand werks sind in den Lcbensgrundsätzen der alten Zünfte zu suchen. Ihre Wehrhaftigkeit, ihre bewußt ge triebene B l u t s a u s l e f e, der Kameradschafts geist, der Disziplin und Opfergei st voraussetzt, und die stets geübte Achtung der Bräuche und Sitten sind die Garanten seines geistigen Aufstieges.' Die geordnete Standesausbildung, die Gemeinschaft von- Meister, Lehrling und Geselle und der Stolz auf die ge leistete Arbeit, der wohl als bestes Leistungsprinzip gelten kann und den Ruf deutscher Handwerksarbeit begründet, sind die Grundlagen seines wirtschaftlichen Aufstieges. Das Abgehen von diesen Grundsätzen, z. T. veranlaßt durch die immer mehr fortschreitende Mechanisierung der Betriebe und das Geschäftsgebaren des Frühkapitalis mus, hat den Niedergang des Handwerks zur Folge. Wenn heute Partei und Staat dauernd um eine Hebung des deutschen Handwerks bemüht sind, so ist das besonders daraus zu erklären, datz der nationalsozia listische Staat in den Lebensgrundsätzen der alten Zünfte jene ihm selbst verwandten Grundsätze sieht, die er für jedes gesunde Gemeinschaftsleben als notwendig erachtet. In mehreren Verordnungen regelt daher die Reichsregie rung den Wiederaufbau. Durch Einführung des Grotzen Befähigungsnachweises, um den das Handwerk seit mehr als 60 Jahren vergeblich ge kämpft hat, wird eine alte Forderung des Handwerks er füllt. Nun ist wieder wie einst zum Grundsatz erhoben, daß niemand ohne Meisterprüfung einen Handwerks betrieb eröffnen darf. Damit wird rein handwerklich zu nächst einmal wieder eine Leistungsauslesc betrieben. Gleichzeitig wird bestimmt, daß künftig in die Haud- werksrolle im Gegensatz zu früher nicht jeder Be triebsinhaber, sondern nur jeder Meister eingetragen wird. So wird es dazu kommen, daß in nicht zu ferner Zeit das Handwerk wieder zu einem Stand der wirk lichen Meister werden wird. Bin ein fahrender Gefell... Tausend wandernde Handwerksgesellen werden am Tag des Handwerks in Frankfurt a. M. in trachten frohem Zuge dem Reichshandwerksmeister eine Lade mit kunstvollen Geräten übergeben. Mit dieser Handlung will das deutsche Handwerk bewußt ein altes Brauchtum erneuern, das sicherlich bis in das 14: Jahrhundert zurückreicht. Denn alte Handwerks- und Zunftordnungen berichten uns, daß das Wandern der zünftigen Handwerksgesellen im 14. und 15. Jahrhundert nicht nuz: allgemein üblich, sondern eine unbedingte Voraus setzung für die Aufnahme in die Zunft und in die Meisterschaft war. Das Ziel, das das alte Handwerk mit der Ein führung der Wanderpflicht verfolgte, wird in vielen Zunftordnungen bestätigt: der junge Handwerksgenosse sollte andere Länder, Menschen und Sitten, andere Berufs- und Wirtschaftsverhältnisse kennenlernen, um gewandter', selbständiger und gereifter zu werden und mit seinen unterwegs neugewonnenen Erfahrungen die heimische Handwerkskunst zu bereichern. Für die Durchführung der Wanderschaft hatten sich im Laufe der Zeit feste Formen herausgebildet. Die Zünfte oder die Gesellenbrüderschaften nahmen sich der jungen wandernden Handwerksgenossen an, sei es, datz sie für diese Zwecke eigene Herbergen unter hielten oder, wo das nicht möglich war, daß die Meister der Reihe nach den zugereisten Gesellen für kürzere Zeit bei sich aufnahmen, Quartier, Essen, Trinken und Zehr geld für die Fortsetzung der Wanderschaft gewährten. Um nun zu verhindern, datz unberechtigte Wanderer von diesen Vorteilen Gebrauch machten, waren für die Kleidung, die Meldung auf der Herberge und das Um schauen nach Arbeit bestimmte Formen und Formeln vorgeschrieben. Aus dieser Zeit her hat sich bis in unsere Tage bei spielsweise die besondere Kleidung der wan dernden Zimmcrgesellcn erhalten: der dunkle Rock, die Hose und Weste aus Manchesterstofs, beide nach besonderem Schnitt — ganz auffallend die Hose mit ihrer tulpcnförmigen Erweiterung nach unten und die Weste mit sechs grotzen, weißen Perlmuttknöpfen besetzt — und nicht zu vergessen der große, hohe Schlapphui oder zu weilen auch der Zylinderhut; dazu ferner das Weiße Hemd ohne Kragen, jedoch mit einem langen, schwarzen Schlips, die „Ehrbarkeit" genannt, der nur durch das oberste Knopfloch gezogen wurde. Zur Wanderausrüstung gehörten schließlich unbedingt noch das „Felleisen" oder „Berliner" (Wanderbündel), das unter dem Arm oder über der linken Schulter getragen wurde, und der derbe Wanderstock, der „Stenz". Beim Betreten der fremden Stadt hatte sich der Wandergeselle sofort auf seiner Herberge zu melden. Zum Gruß sagte er die Fragen und Sprüche her, die für sein Hanswerr vorgeschrteven waren. Der Herbergsvater nef den Orts- oder Altgesellen herbei, der dann den Zu gereisten' nach allen Regeln der Kunst in der vor geschriebenen Weise ausfragte. Zum Abschluß des Wechselgesprächs hatte der Zugereiste noch seinen „Zettel" oder seine „Kundschaft" vorzuweisen; das Ware« Arbeitsbescheinigungen aus den schon durch wanderten Orten. War alles in Ordnung befunden, so erhielt der Wandergeselle sein „Geschenk", den Will- kommenstrunk, Nachtquartier und Frühstück. Der Alt geselle „schaute auch nach Arbeit um" für den „fremden" Gesellen bei den ortsansässigen Meistern. So waren in den vergangenen Jahrhunderten stets Tausende von Handwerksgesellen auf der Walze. Aber mit dem Verfall der Zünfte ist auch die Handwerks wanderschaft bis auf ganz bescheidene Reste, die sich bis in unsere Tage z. B. bei den „fremden" Zimmergesellen erhalten haben, leider in Vergessenheit geraten. Um so mehr ist es zu begrüßen, datz es jetzt wieder zu einer Belebung der alten, schönen, berufsfördernden Sitte gekommen ist. Die Erneuerung der beruflichen Wanderschaft ist zugleich auch ein erfreuliches Zeichen der Erstarkung des deutschen Handwerks im neuen Staat.