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Die feierliche Enthüllung des Dominik-Denkmals. Vor dem Universitätsgebäude zu Hamburg wurde jetzt das Denkmal für den Kolonialpionier Hans Dominik enthüllt, das ursprünglich bereits vor Ausbruch des Weltkrieges für Kame run bestimmt war. WM Wagcnborg-Bildmaterndienst Vom Potsdamer Reitturnier, das jetzt von der kandespolizeireitschule und den Reiterregi mentern Potsdams durchgeführt wird und vorzügliche Leistun gen zeigt: ein Zehnergespann der Reichswehr. da fatzte sie wieder ohne Zögern zu, schleppte ihn in ihre Stube und legte ihn in ihr eigenes Bett. Sie wärmte Ziegel steine, flößte rhm warmen Tee ein, tat, was sie konnte, ihn am Leben zu erhalten, den Landstreicher — sie, die Mutter Poehlmann, die keine Liebe hatte. Er öffnete endlich die Augen, starrte sie an, ungläubig Und entsetzt, und als er die Wirklichkeit erkannte, wandte er in fassungslosem Schreck das Gesicht der Wand zu. Sie sprachen kein Wort miteinander, wie sie zwanzig lange Jahre stumm aneinander vorübergegangen waren, hochmütig ver ächtlich die eine, scheu, gedrückt der andere. Er lag still wie ein Toter; Mutter Poehlmann saß ebenso still auf der Ofenbank und starrte vor sich hin. Aber das war nicht dieselbe Miene Poehlmann mit den in Menschen verachtung erhärteten Zügen und dem kalten Blick. An die Stelle der selbstbewußten Sicherheit war ein Ausdruck des Zweifelns und Verwunderns, ein staunendes Lauschen ge treten. Da lag nun dieser Mensch, der ihr Leben einsam gemacht und vergiftet hatte, von ihr selber sorgsam gebettet und behütet in ihrem Hause. — War das erfaßbar? War das Gerechtigkeit? Keiner im Dorf wußte, daß die beiden einmal ein Band verbunden hatte. Miene, die arme Häuslertochter aus dem Dorf, hatte als Magd auf einem benachbarten Gut gedient, r? ? , Gärtnerbursch ebenda. Sie, ein gesundes, schönes, ! echter Bauernsproß, schwerblütig, steifnackig und stolz; er, ein halber Städter, geschmeidig, beweglich, ein fixes, Windiges Kerlchen. Es war Schicksal, daß sich die beiden grundverschiedenen Menschen fanden und aneinander zer brachen. Miene Poehlmanns Liebe war stark und aus- schlicßend, wie später ihr Hast. Als ihr Liebster die andere nehmen mußte, weil sie ein Kind von ihm erwartete, hatte nian der Verlassenen den Lebensnerv zerschnitten. Es war die andere Miene Poehlmann, die damals stumm ihrer Er hat kein Glück gehabt. Als er vor zwanzig Jahren in ibrem Dorf erschien, wo sie der Eltern kleines Erbe an- aetrctcn hatte, kam er als halber Strolch, verwahrlost, zer mürbt und siech. Suchte er etw'a einen Unterschlupf bei ihr? Sie sah ihn nicht. Er war ihr zu gering, als daß sie ihm auch nur ein abweisendes Wort gegönnt. Sie sah ihn einfach nicht. Es war ihm ganz unmöglich, an sie heran- znkommeu. So gab er es auf, fristete kümmerlich sein Leben durch Gelegenheitsarbeiten oder strolchte bettelnd in der Gegend umher. Man steckte ihn bald ins Armenhaus und fütterte ihn notgedrungen durch... Hatte sie je den hungrigen Birck rn fernem Auge gesehen? Ahnte sie seine Seelenangst vor ihrer erbarmungslosen Härte? — Nein! Vorhin, als sie den elenden, kinderleichten Körper zwischen ihren starken Händen gefühlt hatte, da war ihr ein jäher Schreck in die Glieder gefahren. Mitleid? Reue? — O nein! Miene Poehlmanns Herz stak in einer harten Rinde. Es wollte sie emporreißen, zu ihm ziehen, aber der stcifnackige Bauerntrotz gab nicht nach. Nur ein scheuer Blick streifte sein Lager: Lebte er noch? Gegen Morgen begann er unruhig zu werden. Seine Hände griffen zuckend auf der Bettdecke umher, und der Atem kam schwer aus seiner Brust. Das Feuer im Ofen war längst ausgcgangen, die Petroleumfunzel erlosch, die Luft in der Stube kalt und stickig. Durch die gefrorenen Fensterscheiben warf der däm mernde Tag ein geisterhaft blasses Gesicht. In diese unheim liche Stille röchelten die Atemzüge des Sterbenden... Da kroch ein Grauen in Mienes Herz, wie sie es nie im Leben empfunden hatte, eine Angst vor der Leere um sie her, Vor der entsetzlichen Einsamkeit ihres Daseins. — Hätte sie ihn sich nicht erhalten können, wenn sie weniger stolz, weniger gerecht gewesen wäre? Besaß sie selber keine Fehler? Und von weit, weit her, aus der Jugendzeit, rührte ein leiser Ton an das Herz der alten Frau: „Aber die Liebe ist die größte unter ihnen!" Was sind Gerechtigkeit und Pflicht- erfüllung ohne die Liebe? Eine jagende Angst trieb sie unwiderstehlich zu ihm, dem einzigen Menschen, der ihrem Herzen nicht gleichgültig war. Er lag jetzt ruhig, bereits vom Tode gezeichnet. Sie beugte sich über ihn, lauschte auf seinen Atem, strich ihm über die Stirn. Da schlug er noch einmal die Augen auf, hell bewußt, sah sie groß an, erkannte sie. „Miene!" kam es wie ein Hauch von seinen Lippen. Seme kraftlosen Arme wollten sich ihr cntgegenstrecken. Sie nahm seine kalten Finger fest rn ihre warmen, starken Hände. „Laß gut sein, Joseph!" So starb er. Miene saß wieder auf der Ofenbank. Ihr steifer Rücken war gebeugt, die kalten Augen blickten müde und einwärts gekehrt. Das frierende Kätzchen kam geschlichen, suchte Wärme m ihrem Schoß. Sie nahm es, streichelte es. „Komm, Mieze! Nun sind wir beide ganz allein." — Er war doch da gewesen, der Joseph. Jungarbeiter und Jungarbeiterinnen sehnen sich nach Sonne, Lust, Kameradschaft! Erfüllt ihnen diese Sehnsucht! Gebt der schaffenden Jugend Freizeit! Tischler Robbs war operiert worden. Es stand schlimm um ihn, und er wußte es. Am Tag nach der Operation ver- langte er nach feinem Freund, dem Postassistenten Müfflein. Müfflein erschien: klein, dürr und bescheiden. Eine Krankenschwester empfing ihn mit drohender Miene, und nm erhobenen Händen beschwor sie ihn, den Patienten nicht aufzu- regen. Auf den Zehenspitzen schlich Müfflein an Robbs' Bett. Er erschrak über das kalkweiße Aussehen seines Freundes, aber flink gefaßt flüsterte er lächelnd: „Nur Mut, aller Junge, Du kommst schon übern Berg." „Mach mir nichts vor!" brummte Robbs. „Dazu habe ich Dich nicht herbestellt. Ich habe Ernstes mit Dir zu be reden, denn ich denk, Du bist ein Mensch, aus den man sich verlassen kann." „Das kann man wohl", murmelte Müfflein und sah ver wundert drein. „Du weißt, ich habe eine Frau und drei Kinder. Bar Geld hinterlasse ich nicht viel. Mein Geschäft ging ja nicht schlecht, aber fürs Knausern bin ich nie gewesen." „Weitz ich, Robbs, weiß ich", nickte'Müfflein, und er ge- dachte all der Feierlagsbraten, die er im Robos'schen Hause ge- schmaust, und all der Schnäpse, die ihm Robbs am Stammtisch spendiert hatte. „Meine Frau kennst Du ja", fuhr Robbs fort, „eine Schönheit ist sie nicht, Mucken hat sie auch bisweilen — wer hat die nicht? —, aber im großen und ganzen ist sie eine gute Frau."" Müfflein schwieg abwartend: er hatte sich nie für Frau Robbs interessiert. Robbs knurrte gereizt: „Es gibt schlimmere, das kannst Du mir glauben." „Gewiß doch", versicherte Müfflein schnell. Er war seit drei Jahren Witwer und fühlte sich seitdem recht wohl. Die Kinder sind ja wilde Rangen, wie Jungen eben sind, aber sonst gut geraten, das kann ich wohl sagen." „Sicher, Robbs, sicher", pflichtete Müfflein bei, obwohl ihm Robbs' lärmende Buben immer einen gelinden Schrecken elniagten, aber mit Kindern wußte Müfflein überhaupt nicht viel anzufangen. Robbs starrte sinnend auf die Bettdecke. „Ich hatte schon an Tischler Bohnert gedacht. Er ist ein ordentlicher Kerl und ein stattlicher Mann, und das Geschäft hätte er auch über nehmen können, aber er ist ein zu eingefleischter Junggeselle. Wenn der meine Frau nur von weitem sieht, macht er schon einen Bogen um sie. Nee, nee, kommt gar nicht in Frage. Du machst ia äußerlich nicht viel her, Müfflein — na, das weißt Du selbst, aber ein richtiger Mann bist Du ja doch, und ein sicheres Einkommen hast Du als Beamter." Müffleins Augen wurden beängstigend groß. „Was — was — meinst Du denn eigentlich?" „Ich meine, Du bist mein Freund. Und wenn ich sterbe, will ich die Gewißheit haben, vaß ich nicht eine arme Witwe und drei Halbwaisen auf Leoenszeit hinterlasse. Ich will vor her wissen, daß übers Jahr meine Frau wieder einen ver nünftigen Mann und meine Jungen einen richtigen Bater- ersatz haben. Und darauf, Müfflein, soll Du nur jetzt die Hand geben." Müfflein saß starr wie ein Denkmal. Robbs streckte seine Rechte einladend ans. Müfflein rutschte auf seinem Stuhl hin und her. „Aber Robbs — das ist doch 'ne Lebensfrage — das muß ich mir doch erst überlegen." „Dazu haben wir jetzt keine Zeit", drängte Robbs, „gib mir die Hand!" Müfflein krampfte seine Hände ineinander und preßte sie fest auf den Magen. „Ich will mich ja gern um Deine Fa- m-lie kümmern — nur —" Robbs wurde unruhig. „Nee, nee, das ist eine halbe Sache, ich will sicher gehen. Gib die Hand her!" Müfflein rührte sich nicht. Robbs bekam einen roten Kopf, seine Stirnadern schwollen an. Mit aller Kraft brüllte er: „Gibst Du mir endlich die Hand?" Die Tür schnellte auf. Wie eine Bombe sauste die Kranken schwester herein. Wie ein Habicht stürzte sie sich auf Müfflein: „Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen chn nicht aufregen?" Robbs brüllte weiten „Gib mir die Hand, die Hand!" Mit einem Ruck riß die Schwester Müffleins Rechte an sich und schob sie Robbs hin. Dessen Finger preßten sich darum. Halb aufgerichtet, mit rollenden Augen schmetterte er gebiete risch: „Und nun sage: Ja!" „Um Himmelswillen, so sagen Sie doch ja!" kreischte die Krankenschwester. „Sie töten ihn ja sonst." Müfflein bebte an allen Gliedern, der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Seiner Sinne kaum noch mächtig, hauchte er verzweifelt: „Ja, >a, Du kannst Dich darauf verlassen." Robbs sank mit einem Lächeln im geröteten Antlitz in tue Kissen zurück, und die Schwester bugsierte den zitternden Müfflein ;ur Tür hinaus. Zwei Tage später erfuhr er, daß Robbs sanft und fried lich entschlafen sei. Es war ein furchtbarer Schlag für Müff lein, denn daß er Vas gegebene Wort dem toten Freunde halten mußte, stand für ihn fest, daran war nicht mehr zu drehen und zu deuteln. Zunächst sagte er sich allerdings: Der Takt erfordert, daß ich einige Wochen vergehen lasse, bevor ich mit Frau Robbs darüber rede. Und er genoß diese Zeit wie eine Gnadenfrist.! Aber immer dringender mahnte sein Gewissen, es sei zweifel los Robb's Wunsch gewesen, feiner Witwe baldigst die be ruhigende Aussicht zu eröffnen, daß sie nach Ablauf des Trauer- whres wieder einen fürsorgenden Gatten und Vater im Haus haben würde. Und so machte sich Müfflein denn schweren Herzens schließlich auf den Weg. Als er an der Robbs'schen Tischlerwerkstatt vorbeikam, fiel ihm ein, daß es wohl seine Pflicht sei, sich schon jetzt um dieses Geschäft zu kümmern. Auf jeden Fall wollte er einen Blick hineinwerscn, bevor er mit Frau Robbs das entscheidende Wort sprach. Doch als er die Tür öffnete, blieb er betroffen stehen. Mitten in der Werkstatt, hochaufgerichtet, frisch und fröhlich, stand Tischler Bohnert. „Immer rein in die gute Stube!^ rief er Müfflein herzlich entgegen. Ja, ja, er schaue hier nach dem Rechten, ein sachkundiger Mann gehöre ja in den Laden. Müfflein kniff die Augen zusammen. „Aha, Sie denken daran, das Geschäft zu kaufen? Kein schlechter Gedanke von Ihnen." Bohnert sah Müfflein nachdenklich mit seinen ehrlichen blauen Augen an. „Sie waren ja der beste Freund von Robbs, Herr Müfflein. Ich kann also Wohl schlicht und offen mit Ihnen reden. Kurzgesagt: ich habe die Absicht, Frau Robbs zu heiraten." Müfflein machte Stielaugen. „Sie??" stotterte er. „Aber wieso denn plötzlich Sie?" Bohnert lächelte. „Ich werde Ihnen klaren Wein ein schenken. Als Robbs' alter Freund dürfen Sie es ruhig wissen. Sehen Sie, als Robbs vor zehn Jahren heiratete, lud er mich zu seiner Hochzeit ein. An jenem Tage sah ich Frau Robbs znm ersten Mal, und seitdem habe ich sie gern. Ich bin ihr Vie ganzen zehn Jahre lang aus dem Weg gegangen; keine leichte Sachz, aber es mußte eben sein. Und wenn Robbs am Leben geblieben wäre, hätte ich der Frau ewig aus dem Weg; gehen müssen. Aber da es nun so gekommen, wie's gekommen ist ", er machte eine kleine Pause uud schloß sodann: „Ich denke, wenn Robbs es heute wüßte, würde er nichts da gegen haben." „Durchaus nicht", fiel Müfflein hastig ein. „Ich weiß aus seinem eigenen Munde, daß er viel von Ihnen gehalten hat." Und Böhnerts mächtige Figur fast andächtig musternd: „Mit den Jungen werden Sie ja auch gut fertig werden." „Und ob!" lachte Bohnert. „Von mir aus dürfen gut und gern noch ein halb Dutzend mehr rnmspringen." Eine Stunde später schritt Müfflein, mit einem Jmmor- tellenkranz überm Arm, zum Friedhof, legte den Kranz behut sam auf Robbs' Grab und sagte feierlich: „Ich hätte mein Wort gehalten, Robbs, so schwer es mir auch geworden wäre. Aber gegen höhere Gewalt, da kann kein Mensch an, da müssen wir uns fügen, Robbs." Und leichten Herzens wandelte er heim. Ein Naturwunder in Lettland. Im nördlichen Lettland liegt im Jflung-See die gleich namige Insel, die in der letzten Zeit die allgemeine Aufmerk samkeit auf sich gezogen hat. Es handelt sich dabei um ei« treibendes Stück Land, das nach der Ansicht oer umwohnende« Bauern im Winter verschwindet, um im Sommer wiedei aufzutauchen, angeblich, weil böse Geister mit dem Eiland ihi Spiel treiben. Vielleicht ist infolge dieser Bewegung die Insel so fruchtbar, doch kann man immer mir für wenige Woche« darauf wohnen, da der Boden ungewöhnlich sumpfig ist. Daj es mit der Tätigkeit der bösen Geister nichts auf sich Hatz zeigten jüngst vorgenommene Untersuchungen eines Professor! der Geologie aus Riga. Ihm ist es gelungen, durch Bohrum gen das Geheimnis der Insel zu lüften. Danach steht dies« in der Tat nicht in fester Verbindung mit dem Seeboden, uni unter ihr befinden sich Gase, die sich im Sommer ausdehne« und das über ihnen liegende Land an die Seeoberfläche hebew Bei eintretender Kälte ziehen sie sich wieder zusammen, uni die Insel versinkt im See.