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Operette, die so im siebzehnten Jahrhundert spielen mochte. Eine Königin, von zwei x-beinigen Pagen begleitet, sang viel und neckisch. Im kleinen Chor waren ein paar allerliebste glutäugige Köpfchen. Und — die Hauptsache für uns — unser Direttore della Tarantella, der uns morgens rasierte, saß als erster Geiger würdevoll an seinem Pult und spielte — musi kalisch wie alle Italiener — gut und mit Feuer. Trotzdem langweilten wir uns sehr in unserer engen Loge. Und da der erste Akt zu Ende war, überlegten wir: sollen wir in dem heißen Kunststall ausharren oder lieber — wie jeden Abend — von unserer Terrasse aus übers Meer und in den Sternenhimmel schauen und uns Geschichten vom Rhein und aus Livland erzählen. Da warf ich so ins Gespräch: „Wie wär's, Kinder, wenn ich mitspielte?" „Du ...? Sie ...? Mitspielen ...?" — „Das wäre — wie wollen Sie das machen?" — „Du kannst ja keine fünfzig Worte Italienisch." — „Und fingen?" so ging's durcheinander. Aber ich war in dem Alter und der Stimmung, wo alles Unwahrscheinliche den Uebermut reizt. „Wetten wir um zwanzig Lire, daß ich im nächsten Akt mitspiele!" Lachend und ungläubig hielten Rudi und die Damen sofort die Wette. Und als ich mit eiligen Schritten mich aus dem Publikum, das in der Pause mitgebrachte Stullen in den Gängen aß, verlor, lachten mir die Meinigen ungläubig nach. Ich aber ging hinter die Bühne, verlangte höflich den Direktor der Truppe zu sprechen. Der kam denn auch — er spielte einen alten Verwandten der Königin und sah aus wie oer König Lear im Kostüm des Grafen Essex. Es erwies sich, daß sich — indem er deutsche W.orte ein- treueud Italienisch und ich italienische Vokabeln als Rosinen pendend Französisch sprach — eine Unterhaltung notdürftig ühren ließ. Ich trug mein Anliegen vor. „Impv88ii>Is, I^oimieur" — aber als ich erwähnte, daß ich zwanzig Lire zu opfern bereit sei, erhellten sich seine Züge. Und als ich die Banknote zuckte, war er schon dabei, mir einen die Obliegenheiten des Regisseurs, Garderobiers und einen Edelmann (im Stück) mimenden Kollegen vorzustellen, der mich, einen italienischen Wortsalat über mich ausgießend, alsbald nach hinten in eine schrecklich nach Schminke, Schweiß und Käsebrote riechende kleine Stube zug. Dort riß er mir mit Hilfe einer sichtlich begeisterten alten Dame Hose und Jackett herunter, während mir ein Bäche schwitzender Jüngling das Gesicht mit farbigem Fett einrieb und einen Spitzbart anklebte. Der Direttore aber erklärte mir, der zweite Akt werde eröffnet von einem von vier Paaren getanzten Menuett vor der Königin. Ob ich Menuett tanzen könne? Ich sollte mir nur absehen, wie das die andern machen. Ich stellte den Conte Sowieso dar, der als Gast am Hof für feinen Fürsten nm die Hand der Königin anhält. Gleich nach dem Menuett hatte ich vorzutreten, meinen schmierigen Federhut (schon stülpte ihn mir einer von hinten auf) zu schwenken und mit tiefer Verbeugung zu sagen: hier das, was auf dem Zettel stehe ... Da ich ja ein Gesandter sei, könne ich nach der ersten Begrüßung den Auftrag meines Principe ablesen. Und er las mir vor. Die Königin werde mir dann einen gesungenen Korb geben, und ich habe nach drei tiefen Verbeugungen achselzuckend unter die anderen Freier zurückzutreten, die schon im ersten Akt musikalische Körbe bekommen hatten. Schon erklang die Einführung zum zweiten Akt. Man hatte mir noch rasch einen Orden angeklebt und einen Degen umgehängt, der mich sehr behinderte, und ein paar Stulpen handschuhe, mit denen schon mal einer ein blutiges Stier gefecht oder eine Zahnoperation erlebt haben mochte, in die Hand gedrückt. In der Kulisse sah ich noch geschminkt, aber in Unterbeinkleidern, einen zornigen Mann stehen, dem ich offen bar dkt schöne Rolle vor der Nase weg spielte. Und schon hatte mich eine beleibte Dame im grünen Samtkleid bei der Hand und zog mich auf die Bühne. Meine Tanzpartnerin. Dazu lächelte sie verführerisch und sprach ermunternde Worte zu mir. Der Vorhang ging hoch. Nun konnte ich zufällig — von einer Wohltätigkcits-Dilettantenvorstellung in meiner Vater stadt im Vorjahr her — ein wenig Menuett tanzen. Verdarb also zur Freude das in der Kulisse mit Glubschaugen stehen den Direttore nichts. Ich gestattete mir tanzend einen Blick kn unsere Loge. Dort sahen die drei Damen mit Rudi immer wieder nach der Logentür. Denn wie sie mir später gestanden: daß ich die Frechheit hätte, da vorn zu spielen, erwarteten sie nicht. Das Menuett ging zu Ende. Der Direktor, schon für seinen Auftritt in Positur, machte mir aus der Kulisse Zeichen: »Los, vortreten, die Königin anreden!" Und ich trat vor, schwenkte meinen schmierigen Fede« Hut, verbeugte mich mit einer mich selbst verblüffenden Zier» lichkeit und —, Ja und ... Unten im engen Raum der Musiker hatte sich der erste Geiger, mein Friseur, erhoben, hatte sich einen Zwicker aufgesetzt, und fixierte mich scharf. Als ich aber, frech wie Oskar, die ersten Worte sprach: „kwpitadilo vene- rancka krincipe88a! II mio krinoipe " Weiter kam ich nicht. Hingerissen von seiner Verblüffung schlug der Perucchiere in seine dicken Hände, klatschte wie irr sinnig, trampelte dazu und machte das ganze Publikum ver rückt, indem er wie ein Ausrufer immerzu schrie: „Oll il Lignore teckesco-kravo! — II Lignore teclesco-bravo I" In meiner Loge die vier hatten sich erhoben — ein großer Teil des Publikums auch, alles lachte und klatschte, und ein Zuschauer wisperte oder brüllte es dem andern ins Ohr: „Der Deutsche.aus der ,Piccola Sircna' spielt den Conte." Am begeistertsten war mein Direttore in der Kulisse. Er stand auf einem Bein und rieb sich die Hände — solchen Erfolg hatte er nicht erwartet — und gab mir verzweifelte Zeichen, auf den Beifall zu reagieren. So ließ ich ab von der hoheitsvoll aufgebauten Königin, trat an die Rampe, verbeugte mich dankend — und hatte meinen ersten großen.Theatererfolg. Im „Teatro Tasso" in Sorrent! Ich habe später noch manchmal auf der Bühne gestanden >— aber nie mehr im Trikot des Grafen Sowieso —, ich habe mich auch manchmal noch vor dem Premiörenbeifall neigen dürfen ... Aber fo gänzlich rein und harmlos und ohne Furcht vor den gedruckten Einschätzungen am nächsten Tage nie mehr. ... Der Abend endete spät, sehr spät auf der Hotelterrasse. Ich bekam meine zwanzig Lire wieder, denn die Wette war gewonnen. Und wie gewonnen — so zerronnen ... Im vino rosso, das war selbstverständlich für solche Nacht des ulkigsten Triumphes tm Angesicht Neapels. Und der Vesuv gab in dieser Nacht, so schien's, besondere Feuerkünste zum besten. Am nächsten Morgen — der Maestro Perucchiere, der Direttore der Tarantella, hatte, nachdem er in seiner Be--. geisterung mir den Mund voll Seife geschmiert und meinen Freund Rudi ins Kinn geschnitten, unter unzähligen Bück lingen das Zimmer verlassen, da kam das Zimmermädchen. Eine niedliche Schweizerin aus dem Tessin, die Deutsch sprach und meldete: „Herr Doktor, die Schauspieler sind unten." „Was für Schauspieler?" fragte ich, den Schwamm auf meinem schmerzenden Kopf ausdrückend. „Nun, die vom Teatro Tasso". „Was wollen sie denn?" „Sie fragen, ob — ob der Herr Doktor ihnen die Ehre geben wollen, heute abend wieder aufzutreten. Sie wollten's dann in den Hotels bekannt machen und —" Ich habe mir weitere Triumphe verkniffen. Schade, vielleicht hätte ich bei dieser Gelegenheit Gerhart Hauptmann schon kennen gelernt — nicht erst später in Berlin. Er wohnte nämlich damals, wie wir am Tag der Abfahrt erfuhren, die ganzen Wochen hindurch nur durch ein paar hohe Mauern, wie sie in Sorrent die Gärten trennen, von uns entfernt. Und während ich den Conte Sowieso im Teatro Tasso spielte, schrieb Gerhart Hauptmann ein neues Stück. Ich glaube, es tvar die „Versunkene Glocke". Großflugzeuge der Zukunft. lieber die Entwicklung des Flugzeuges in der nächsten Zu kunft machte kürzlich Igor Sikorsky, der bereits durch die Kon struktion von Großflugzeugen bekannte Russo-Amerikaner, vor der Königlichen Aeronautischen Gesellschaft in London be merkenswerte Ausführungen. Danach sind Flugzeuge und Flugboote von mehreren hundert Tonnen Gewicht für die nächste Zukunft nicht allein möglich, sondern auch für den praktischen Dienst brauchbar. In einem derartigen Flugboot würde man neben Einzelkabinen für die Reisenden, Speise räumen und Rauchzimmern fast jeden Luxus haben können, den heute die großen Schnelldampfer bieten. Zweifellos könn ten schwere und daher sehr tragfähige Flugzeuge, welche die Ozeane ohne Zwischenlandung mit einer Geschwindigkeit von 250 bis 350 Kilometern in der Stunde überqueren, schon heute konstruiert und innerhalb zwei bis drer Jahren dienstbereit ge macht werden. Es seien auch noch höhere Reisegeschwindig keiten denkbar, aber nicht erforderlich und kaum erwünscht. Das Flugwesen werde größere Fortschritte machen, wenn die Konstrukteure mehr Wert auf gesteigerte Bequemlichkeit für die Fluggäste legten und für niedrigere Kosten sorgten. In bei den Richtungen dürften in den nächsten fünf Jahren erhebliche Fortschritte gemacht werden.