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Sonntags-Keilage Nr. 4 ANsüruNer cagevlatt 2S. >. I»rs ^(IS weiyeiy Hebey rL) L.2 AZLZ.Z — Von liuclolf presber. tagne" unv „Tramontana" nicht fehlte, daß man aus Garten und Vorderzimmer unmittelbar über den blauschimmernden Golf hinüber nach Neapel und zum Vesuv sah. Der Preis war mäßig und bei der kleinen Pension inbegriffen der „Wein nach Belieben". Aber hier muß ich zu unserer Ehre anmerken, daß wir dem Wirt — e'r sprach ein wenig Deutsch — er klärten, wir beide seien Deutsche, Rheinländer, deren Heidel berger Studium noch nicht so weit zurückläge und beim „Wein nach Belieben" würde er ein recht schlechtes Geschäft machen. Wir wollten es s o halten: eine Flasche gehörte täglich zum Pensionspreis — was wir mehr tranken, sollte nach der Weinkarte berechnet werden. Er war's zufrieden und — hat uns bei der Abreife herzlich gedankt. Und als ich ihn nach vielen Jahren — leider als kranken Mann — wiedersah, hat er sich noch lächelnd der beiden vergnügten Deutschen er innert, die ihn in anständiger Weise vor Schaden bewahrt hatten und deren einer ... Aber davon will ich gerade erzählen. Unserer kleinen Gesellschaft — das heißt, die Kinder, die sich erholen sollten, blieben spielend mit der stets erstaunten Jungfer im Garten —> hatten sich noch zwei Damen angeschlossen. Eine Baronin K., eine Verwandte jener berühmten pietistischen Freundin des Kaisers Alexanders I., deren Broschüre „k.e camp äcg vertus" heute vergessen ist, deren Einfluß auf den Zaren (den sie zum Abschluß der „Heiligen Allianz" bewog) aber ein Stückchen Geschichte darstellt, und ihre Nichte. Beide aus dem Baltikum, vornehm, hochgebildet und voller Interessen. Wir fünf — drei Damen und zwei Herren — unternahmen nun in fröhlichster Laune und immer gleicher Aufnahmefähigkeit für die Herr- lichkeiten des Südens fast alle Ausflüge gemeinsam. Kleiner« zu Fuß, größere in den flinken Einspännern, die unerböri sorglos von den ewig vergnügten Kutschern meist im Galopp bergauf und bergab gehetzt wurden oder auch auf den bedäch tigen Eseln, die zum Entsetzen der Damen — ehrlich gesagi auch nicht zuunferer Freude — immer dicht am Abgrunk hergehen und kopsnickend gleichmütig in die Tiefe schauen. An jenen herrlichen Frühlingsabenden zeigte sich di« Natur stets gleich wunderbar in ihrer Pracht und Fülle AVer „viel los", wie's der Mitteleuropäer bezeichnet, wai nicht. Mandolinen-Konzerte auf der Piazza und Tarantellc auf der Terrasse des „Tramontana" — gab es als Ab Wechslungen. Bei den Vorführungen der Tarantella aber wcn der behäbige, fröhliche Mann zugleich „Direttore" und erst-- Geiger, der jeden Morgen, das Becken unter dem Arm, n unser Schlafzimmer trat, die Vorhänge vom offenen Feilste auseinanderriß und uns weckend mit Pathos, als ob er ein« unerhörte Neuigkeit übermittelte, äußerte: „Ein schöner Tac heute, Signori!" — dann rasierte er uns. Da wurden eines Morgens beim Frühstück Zettel verteilt, die besagten, in Teatro Tasso (das war ein kleines stallartiges Gebäude, das sonst unbeachtet und verschlossen nahe der Piazza lag) werde eine Truppe aus Neapel die überaus herrliche Operette — ja, wie hieß sie doch? eine überaus herrliche Operette vor führen. Selbstverständlich waren wir fünf darin einig, das wir diese Kunstdarbietung keinesfalls versäumen dürften. Schon morgens früh holte Rudi — mein Freund — wir hatten's ausgesteint, wer's zu besorgen hatte — fünf Ein trittskarten. Es erwies sich, daß das gerade eine Loge, die dritte von der Bühne, war. Die Ausgabe war bescheiden, und der Genuß, so hofften wir, würde groß sein. Er war's leider nicht. Von der Fremdenkolonie waren viele uns bekannte Gesichter anwesend. Engländer und Deutsche, die alle nicht recht mit den sich bester amüsierenden Italienern mitlachen konnten. Dazu verstanden sie zu wenig vom Text, und die Landluna war sinnlos. Eine Koktüm- ver Sckritt auf clie kükne Auf der Heimkehr von meiner ersten Orientreise, die ich im glücklichen Alter von sechsundzwanzig Jahren unternehmen durfte, war eine der letzten Stationen: Sorrent. Erfüllt von Erinnerungen an die Pyramide von Gizeh, an den Garten Gethsemane mit dem Blick ins Kidron-Tal, an die Hagia Sofia, ans Pantheon und an den Blick von Palermos Hafen promenade auf den edelgeformten Monte Pellegrino, war ich doch noch frisch genug, dre Lieblichkeit dieses hoch auf dem schroffen Felsen im Schmuck ihrer Orangen- und Limonen- Gärtchen liegenden Städtchens dankbar zu kosten. Der halbe Tag, der uns nur zur Besichtigung blieb — denn unten lag unser schönes deutsches Schiff, das uns nachts über Neapel nach Genua tragen sollte —, genügte nicht für all die Schön heit, die zum Vollgenuß die Ruhe des Verweilenden, nicht die Hast des Touristen verlangte. Dann war's seltsam: daheim gab es des Erzählens kein Ende von Kairo, Konstantinopel, Brussa, Athen ... Aber wenn ich allein war, tauchte vor meiner Sehnsucht Augen immer wieder das Städtchen auf mit dün Blick nach dem Vesuv und dem weiß sich breitenden Neapel hinüber, mit der echt italienischen kleinen Piazza, auf der die Marmor-Statue des Torquato Tasto steht, der hier m Sorrent im längst ins Meer gestürzten Haus geboren wurde. Vieles von dem sonst Geschauten mochte Erinnerung bleiben und manches allmäh lich verblassen — hierhin aber, nach Sorrent, mußte ich unbedingt nochmal zu längerem Verweilen. Mußte die flüchtig gewonnenen Eindrücke verstärken, mußte ohne Hast die Schön heit seiner Felsen und Blicke übers Meer, seiner duftreichen Gärten und Straßen in die Berge, feine Ruhe und Einsam keit genießen. Und ich rechne es zu den Gnadengeschenken meines Lebens, daß mir dieser Wunsch noch mehrmals erfüllt wurde. Zwei Jahre nach jener „Entdeckung" beschloß ich, mit Lem für diesen Zweck Gesparten über Ostern für ein paar Wochen nach Sorrent zu fahren. Ein wenig jüngerer Freund, mir aus Karlsruher und Heidelberger Tagen nahestehend — er führte denselben Vornamen wie ich, nur in Ver kleinerung — hörte davon und erklärte sich sofort bereit, mich zu begleiten. Gern. Aber er war schon m seinen jungen Jahren Herr eines sehr beträchtlichen Vermögens. So er klärte ich ihm: „Diese gemeinsame Reise ist nur möglich, wenn Du auf Heller und Pfennig so viel — das heißt nicht mehr — Geld mitnimmst wie ich. Denn ich habe weder vor, mich irgendwie von Dir freihalten zu lassen, noch möchte ich zusehen, wie Du den dicken Wilhelm spielst und ewig „Spumante" trinkst, während ich mir Barletta einschenke ..." Er war es zufrieden. Ich nannte ihm genau die Summe, die ich für die vier vorgesehenen Wochen zu verzehren hatte — er gab sein Ehrenwort, nicht mehr mitzunehmen, und hielt's. Ehe wir in Frankfurt miteinander losfuhren, hörten wir, daß die reizende Gattin des mir befreundeten Malers G., eine Amerikanerin, auch nach dem Golf von Neapel fahren wollte. Mit ihren beiden netten Kindern, deren eins eine schwere Lungenentzündung hinter sich hatte und sich da unten erholen sollte. So fuhr sie denn mit den Kleinen und einem urdeutschen, ewig verblüfften Kindermädchen mit uns. Da wir nun zu sieben waren, hatten wir ein Abteil für uns, schenkten uns sparsam den Schlafwagen; und die blonden Kinder hingen nachts, von der praktischen und stets gut gelaunten Mutter rührend betreut, in Hängematten über uns zwischen den Gepäcknetzen. Ich hatte — schon bei meinem ersten Aufenthalt mit der Wiederkehr liebäugelnd — ein hübsches kleines Hotel ausfindig gemacht, das verlockend „Piccola Sirena" hieß und dem der Vorzug der großen, teuren Gasthöfe „Grand Bre- Vorstel- ZM1 bis