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- Erscheinungsdatum
- 1930-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193011244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19301124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19301124
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-11
- Tag 1930-11-24
-
Monat
1930-11
-
Jahr
1930
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MMtMktWSdkWtzte WiMWrsWe. Die Verwesung statistischer Ergebnisse. — Von Stadtschulrat Tr. med. Th. F ürst - München. Die Statistik hat die Aufgabe, den Eintritt von Massen- erscheinungen, die sich in der menschlichen Gesellschaft ab spielen, zahlenmäßig festzustellen. Dabei ist zu unterscheide» zwischen der Bevölkerungsstatistik, die sich mit der durch Geburten und Todesfälle bedingten Bewegungen irr Altersaufbau der Bevölkerung beschäftigt, und der eigent lichen medizinischen Statistik, die in erster Linn dem Zweck dient, die Verteilung der einzelnen Krankheits arten auf die verschiedenen Altersstufen und Bevölkerungs schichten sowie die zahlenmäßige Zu- und Abnahme volks- kygleulsch besonders wichtiger Krankheitsgruppen in be stimmten Zeitabständen zu studieren. In den meisten Füller kann aus der zahlenmäßigen Betrachtung von Massenerschei nungen — gleichgültig ob es sich um Krankheiten oder nor male Erscheinungen handelt — noch nicht auf die Ursache geschlossen werden. Dies ist erst auf Grund der Ergebnisse der medizinischen Detailforschung möglich, die im Gegensatz zur Statistik auf Einzelbeobachtungen aufbaut. Dabei hat sich herausgestellt, oaß beim Zustandekommen von Krankheiten nicht nur die eigentlichen Ursachen, sondern auch Hilfsursachen berücksichtigt werden müssen. So wissen wir z. B. von den Infektionskrankheiten, daß es nicht immer nur auf das Vorhandensein des Erregers ankommt, sondern auch auf den Grad seiner Virulenz, die zeitlichen Schwankungen unterworfen fein kann, ebenso wie auch die Disposition der infizierten Organismen nicht zu allen Zeiten die gleiche zu sein braucht. Ein anderes lehrreiches Beispiel für das Zusammen wirken verschiedener Faktoren bei oer Entstehung von Krank heiten bilden die Geisteskrankheiten, wo zwischen auslösenden Faktoren und eigentlicher Ursache zu unterscheiden ist. Früher — als die medizinische Detailforschung noch nicht genügend vorgeschritten war — wurden auslösende Ursachen vielfach für die eigentliche Ursache gehalten, und auch heute noch fällt es oftmals schwer, den Laien davon zu überzeugen, daß Trauer, Sorge, Schreck, Ueberanstrengung nur die Rolle der Krankheitsauslosung spielen, während die eigentliche Ursache der Geisteskrankheit entweder auf einer ererbten oder durch Syphilis bzw. andere Gifte erworbenen Schä digung beruht. Mit diesen Beispielen soll nur augedeutet sein, daß die statistische Beobachtung von krankhaften Massenerscheinuugen erst dann von Wert sein kann, wenn alle bei der Entstehung in Betracht kommenden Bedingungen durch die naturwissen schaftliche Detailforschung klar gelegt sind. Die Statistik beschäftigt sich aber nicht nur mit der zahlenmäßigen Erfassung der Bewegung von Krank heiten, sondern auch mit den im Bereich des Nor malen gelegenen Lebensveränderungen, die sich in Form von Massenerscheinungen abspielen. Es besteht hinsichtlich der Verwertung statistischer Ergebnisse krankhafter Erschei nungen und normaler Lebensvorgänge insofern ein wesent licher Unterschied, als der Begriff des Krankhaften meist ein deutig ist, der Begriff des Normalen jedoch nicht ohne wei teres. Statistische Norm braucht sich nicht immer mit biologischer Norm zu decken. Die Grenzen der als normal für bestimmte Einzelvorgänge feststellbaren Werte können sich bei Verschiebung der Umweltsfaktoren verändern. Eine weitere Schwierigkeit besteht ferner darin, daß eine Reihe von biologischen Vorgängen wie Wachstumsablauf und Wachstumsdauer die zahlenmäßige Beziehung zwischen Dauer des Wachstums und Lebensdauer, Geschwindigkeit der Generationsfolge und Absterbeordnung nicht wie die meisten Krankheitsvorgange einer Klärung durch den Tierversuch zu gänglich sind, bzw. daß die an Tieren und Pflanzen über solche Vorgänge gewonnenen Erfahrungen nicht ohne wei teres auf das Menschengeschlecht übertragen werden können. Man wird also bei oer Deutung von brologischen Verände rungen und den daraus für die Hygiene sich ergebenden Schlußsolgerungen große Vorsicht walten lassen müssen. Unter den gegenwärtig bei den Kulturvölkern besonder- augenfällig in Erscheinung tretenden Massenveränderungen sind zu neunen: die Zunahme des Wachstums bei gleich zeitiger Verkürzung des Entwicklungsablaufs, die Abnahme der Geburtenziffer und die Zunahme der durchschnittlichen Lebensdauer des Menschen. Was zunächst die erstgenannte Erscheinung anlangt, so ist sie keineswegs jungen Datums, sondern sicherlich schon weit zurückreichend. Bei der Betrach tung von mittelalterlichen Rüstungen in Museen fällt auch dem biologisch Ungeschulten sofort auf, daß die damaliger Menschen durchschnittlich wesentlich kleiner gewesen sein müssen. Die Tatsache der Zunahme der Körperlange in wehrpflichtigen Alter, die sich in der Vorkriegszeit bei der Musterungsutttersuchungen von Jahr zu Jahr herausstellte fand ihre Ergänzung durch die Ergebnisse schulärztliche' Untersuchungen. Danach wird es wahrscheinlich, daß du Zunahme der durchschnittlichen Körpergröße der volksschul pflichtigen Altersstufen mindestens schon auf vier Jahrzehnt, zurückreicht. Es wurde ferner festgestellt, daß die Zunahnu der Körpergröße auch auf die volksschulentlassene Jugend sick erstreckt und daß die Körpermaße der Jugendlichen nicht nui in München, sondern auch in anderen Städten Deutschland- Die Königin des Tabaks. In Paris trat ein nationaler Raucherkongreß zusammen. Den Anlaß bot bei 100. Geburtstag des französischen Diplomaten und Ge lehrten Jean Njcot, der am 16. November 1530 in Nimes geboren wurde und am 5. Mai 1600 in Paris gestorben ist Nicot, Sieur de Valentin, lernte als Gesandter Frankreichs in Lissabon die Tabakpflanze kennen und brachte sie naü Frankreich. Man betrachtete sie hier zunächst als ein Kuriosum, mit dem man nichts Rechtes anzufangen wußte. Es gab vornehme Damen, die den Tabak wie ein Gemüse kochten, bevor man seine wahre Bedeutung für die Welt erkannte. Als der Tabak schon geschnupft wurde — das fcheint die erste Etappe gewesen zu sein —, nannte man ihn „Nicotiano". Später ist bekanntlich „zu Ehren Nicots" der Giftstoff, den die Tabakpflanze enthält, Nikotin ge nannt worden. Diese zweifelhafte Ehrung hatte der harm lose Nicot ganz bestimmt nicht verdient. Man hat ihm deshalb jetzt eine Art Genugtuung gegeben, indem mau die übliche Gedenktafel enthüllte, um auf ihn und seine Bedeutung hinzuweisen. Die originellste Feier war aber das große Wettrauchen, das im Nahmen des Raucher kongresses stattfand. Den Preis erhielt ein Herr Element, der eine Riesenzigarre in 2 Minuten 30 Sekunden be wältigte. Es schloß sich daran eine Schönheits konkurrenz, auf welcher eine „Königin des Tabaks" ge wählt wurde. Die Wahl fiel auf die schönste Zigarren- Sie Vorkriegswerte wesentlich übertreffen. Es handelt sich vermutlich um eine internationale Kulturerscheinung, die sich bei uns in Deutschland in besonders ausgesprochener Weise bemerkbar macht. Es wurde ferner an Hand der Münchner Fugendlichenuntersuchungen der Nachweis beführt, daß die Zunahme des Wachstums gleichzeitig mit einer Verkürzung der Dauer der Entwicklung verbunden ist und daß gerade die Periode der Pubeszenz auf eine kürzere Zeitperiode zu- sammengedrängl wird. Die konstitutionelle Leistungskraft wird dadurch ungünstig beeinflußt und eine Reihe von funk tionellen sowie nervösen Störungen begünstigt. Der Kampf gegen die Unregelmäßigkeiten des Wachstums und die funk tionelle Unausgeglichenheit bildet daher den Kernpunkt einer rationellen Gesundheitsfürsorge für den jugendlichen Nach wuchs. Die Durchführung wird nur möglich sein, wenn man dem Schularzt im schulischen und außerschulischen Leben der Jugend größeren Einfluß gewährt. Wayreno auf diesem Gebiet bezüglich der aus den statisti schen Feststellungen sich ergebenden Forderungen in den Kreisen der Hygieniker völlige Einigkeit besteht, ist dies hin sichtlich der Schlußfolgerungen, die sich aus der zweiten gegen wärtig besonders charakteristisch zu Lage tretenden Massen erscheinung, der Abnahme der Geburtenziffern, ergeben, nicht der Fall. Was zunächst die Ursache dieser Abnahme anlangt, so ist wohl anzunehmen, daß sie zu einem großen Teil, viel leicht sogar zum größten Teil, gewollter Art ist. Es braucht keiner Begründung, daß die Bekämpfung von Ein griffen gegen das keimende Leben sowohl vom hygienischen als auch vom ethischen Standpunkt aus mit größter Strenge durchgeführt werden muß. L)v es jedoch unter den gegenwärtigen Verhältnissen als Aufgabe des Staates betrachtet werden kann, eine Hebung der Geburtenziffer zu fordern, und ob dies überhaupt aus dem Wege „behördlicher Maßnahmen" durchführbar erscheint, ist eine andere Frage. Ihrer Beantwortung müßte eine ein gehende wissenschaftliche Klärung vorausgehen, ob hinter der gegenwärtigen Abnahme der Geburten außer gewollter Ge- burtenverhmderung nicht auch noch andere biologische Gründe stecken. Es sei darauf hingewiesen, daß nicht nur die Sta tistik sondern auch die wissenschaftliche Detailforschung der unfruchtbaren Ehen ein vernachlässigtes Gebiet darstellt. Es ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Ursachen steriler Ehen keineswegs einheitlicher Art sind und nicht im mer nur in lokalen anatomischen Anomalien, sondern viel leicht auch in einer Art Abschwächung der chemischen Ver wandtschaft der Keimzellen gesucht werden dürfen. Eine syste matische Detailforschung über die Gründe steriler Ehen wäre von größter biologischer Bedeutung. Zum Teil könnten auch Stammbaumuntersuchungen zur Klärung dieser Frage dienen. Auffallend ist z. B_, daß sogar auf dem Lande — wo also gewollte Ursachen weniger ins Gewicht fallen — bei Stamm baumuntersuchungen von letzten Namensträgern alter, ur sprünglich weit verzweigter Familien plötzlich — von einer bestimmten Generation ab — ein Nachlassen der Prolifera tionskraft einsetzt. Solche Vorgänge, die an das Absterben alter Bäume erinnern, müßten an der Hand größeren Ma terials geklärt werden, Wobei insbesondere auch darauf zu achten wäre, ob ebenfalls ähnlich wie bei Pflanzen — nach einer gewissen Ruheperiode wieder eine Erholung der Pro liferationskraft eintreten kann. Neber alle diese Dinge wissen Wir noch viel zu wenig. Solange aber über die tieferen bio logischen Gründe der Abnahme der Geburtenziffern bei Kul turvölkern keine sicheren Kenntnisse bestehen, wird die Hy giene in dieser Frage hoch einen abwartenden Standpunkt einnehmen müssen. * Nur kurz fei zum Schluß auf die Tatsache hingcwiesen, daß die durchschnittliche Lebensdauer des Menschen im Laufe der letzten fünfzig Jahre sich um zwanzig Jahre verlängert hat (von 37,0 Jahren in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aus 57,4 Jahre jetzt). Es fehlen allerdings genauere statistische Untersuchungen, ob es sich in den ein zelnen Berufsarten mit der durchschnittlichen Erwerbsdauer ebenso verhält. Es ist aber kaum anzunehmen, daß diese bei dem deutschen Arbeiter z. Zt. mehr als dreißig Berufsjahre beträgt, was angesichts der jetzigen hohen durchschnittlichen Lebensdauer zu wenig erscheint. Ebenso besteht ein Wider spruch darin, daß bei Beamten nach dem Krieg der Zeitpunkt der Pensionierung fünf Jahre früher angenommen wird als vor dem Krieg, obwohl die Lebensdauer seit dem Krieg um acht Jahre zugenommen hat. Die Bestimmung des Zeit punktes der biologischen durchschnittlichen Invalidität wäre für jeden Beruf gesondert vorzunehmen, was nur durch ärzt liche Ueberwachung der den absteigenden Ast der Lebens leistungskurve erreichenden Jahrgänge geschehen könnte. So ergibt sich aus der statistischen Beobachtung der charakteristischen Lebenserscheinungen im Gesamtbild der Menschheit, daß wir nicht bei der zahlenmäßigen Feststellung von Veränderungen stehen bleiben, sondern auch dauach unser Handeln in Bevölkerungspolitik und Gesundheitsfürsorge richten sollen. raucyerin, oer tn der Person der anmutigsten Zigaretten raucherin eine „Vizekönigin" beigegeben wurde. Und nun ist Wohl Zeit, daß auch bei uns und in allen andern Ländern eine solche schön angerauchte Königin gewählt wird, weil wir bekanntlich nocb viel zu wenig Schönheits konkurrenzen haben. Die finanzierte abessinische Kaiserkrönung. Jetzt erst erfährt man, daß die Krönungsfeste in Abessinien beinahe vereitelt worden wären, weil kein Geld im Kasten klang. Der neue Kaiser Haile Selassie I. befindet sich nämlich in wenig erfreulicher finanzieller Lage. Wenn nicht große europäische und amerikanische Handelskonzerne „aus ge schäftlichen Gründen" die Krönung finanziert hätten, hätte sie sich wahrscheinlich in sehr bescheidenen Grenzen halten müssen. Ein Beweis für des neuen Kaisers Geldnot ist die verbürgte Tatsache, daß am Vorabend der Krönung der Kutscher, der den aus Berlin verschriebenen Krönungs galawagen lenken sollte, in den Streik trat, da ihm seit langer Zeit kein Lohn gezahlt worden war. Der Leib kutscher Haile Selassies I. ist ein Österreicher, der in Diensten des Kaisers Karl von Österreich gestanden hatte. In zwölfter Stunde erst bekam der energische Kutscher als Abschlagszahlung etwa 400 Mark, worauf er sich wie der auf den Kutschbock setzte. Die belgischen Offiziere, die in Abessinien als Lehrmeister der abessinischen Armee tätig sind, klagen auch darüber, daß sie nicht nur unpünkt lich, sondern dazu auch noch recht schlecht bezahlt werden: sie erhalten nicht mehr als etwa 500 Mark monatlich und müssen sozusagen fast ausschließlich von der „großen Ehre" leben. Wem ms demM-mWErnstM.. Tödliche Unglücksfälle, Mord und Selbstmord auf offener Szene. Von Gerhard Krause. Der Realismus auf der Bühne geht oft sehr weit. Das war schon im tiefsten Altertum so. In offener Arena mußten die Christen für ihren Glauben bluten und sterben. Im Rah men des Theaterspieles habe sich Schreckliches ereignet, berichtet Tertullian. In einem Drama „Herkules" erlitt der Helden darsteller tatsächlich den Flammentod: Vor dem wilden Publi kum wurde er bei lebendigem Leibe verbrannt. Der Unglück liche war ein zum Tode Verurteilter, den man gezwungen hatte, diese Rolle zu spielen. Diese Fälle, daß Verbrecher als Schauspieler ihr Leben einbüßen müssen, finden wir recht häufig im Altertum. In einem Theaterstück wurde der Helt dem Minotaurus ausgeliefert, einem wütenden Stier, der sein Opfer auf offener Bühne bis zur Unkenntlichkeit zerfleischte. Die Unglücksfälle, die sich heutzutage täglich auf den Bühnen zutragen, sind kaum zu zählen. Manche werden durch die ungeschickte Handhabung der Requisiten herbeigeführt, viele Tragödien, aber auch — wie man so schön sagt — „aus Ver sehen — nnt Absicht". In einem Stück „Die Sünden der Nacht", das 1896 auf einer englischen Bühne zur Aufführung kam, wurde der Held, ein spanischer Bandit, von dem Bruder seiner Geliebten mit einem Dolchstoß getötet, weil er sie ver führt hatte. Den Banditen mimte Temple Gazier, den rächen den Bruder sein bester Freund Moritz. Da diesem das Messer nicht prächtig genug war, nahm er statt des Requisits einen schöneren Dolch aus seinem Besitze mit auf die Szene und verwundete damit in der Erregung den anderen so schwer, daß der Getroffene tot liegen blieb. Wilfrid Moritz wurde geisteskrank. Die seinerzeit rühmlichst bekannte Schauspielerin Anna v. Strantz-Führing erzählt von einem Auftreten im Danziger Stadttheater einmal: Ich gastierte als Theodora in Saroous gleichnamigem Stück. Ernst, der Heldendarsteller aus Mün chen, spielte darin den Markus. Ich hatte ihn im dritten M auf seinen Wunsch mit einer Haarspange zu erstechen. Da er die Rolle nur unvollkommen beherrschte, war es kein Wunder, daß er sich versprach. Statt der Worte „Ich sehe die Nadel in Deinem Haar" sagte er: „Ich sehe die Haare in Deiner Nadel." In demselben Augenblicke drang schallendes Gelächter an meine Ohren, ich zog die Spange aus den Haaren und stach in der Verwirrung den Unglücksmenschen tatsächlich bis tief auf den Knochen nahe am Herzen. Das Blut spritzte hoch heraus, das Publikum schrie: „Aber Führing, Führing!" Do Aktschluß war und Markus nicht mehr aufzutreten hatte, ging das Spiel ruhig weiter. Der arme Ernst wurde verbunden und mußte einige Tage das Bett hüten. Ich besuchte sein Kranken lager, und er war keineswegs böse über meine Ungeschicklich keit, sondern meinte, das käme daher, daß er nicht besser memoriert habe. — Garrick war wegen des Realismus' seines Spiels berüchtigt, und oft weigerten sich die Schauspielerinnen, die Desdemona zu spielen, wenn Garrick den Othello mimte Solche Angst hatten sie vor der Leidenschaft seines Spiels. Die große tschechische Schauspielerin Lenoni trat 1895 in Prag als Julia auf, und als sie sich den Dolch ins Herz stieß, schrie sie laut auf: Das Blut sickerte über ihr Weißes Gewand, und nach ein paar Sekunden starb die Darstellerin. Der Garderobenmeister hatte der Künstlerin ein scharfes Stiletl gegeben, ohne daß sie es bemerkte! Ein ähnlicher Fall ereignete sich 1925 in Offenbach und auf einer englischen Bühne. Wie viel Unglück ist schon durch die Schießerei auf der Bühne ent standen, namentlich, wenn mit Pulver geschossen wird. Ein Verfehlter Apfelschuß trug sich in einem Melodrama zu, das zur Feier eines Danksagungstages 1883 im Coliseum-Theater in Cincinnati zur Aufführung gelangte. In diesem Stück Hai der Gatte einen Apfel von dem Haupte seiner Teuren zu schießen. Infolge einer Beschädigung der Springfeder seiner Büchse verfehlte der Schütze den Apfel, und die Kugel drang in die Stirn der Darstellerin, die binnen einer Viertelstunde auf der Bühne starb. Bei tödlichen Unglücksfällen auf offener Szene spieli manchmal auch verbrecherische Absicht eine Rolle. Die Ge liebte Napoleons I., die große Tragödin Georges, hatte viele Neider, und als sie sich eines Abends erdolchen sollte, wurde ihr statt einer Attrappe ein messerscharfer Dolch in die Hand gedrückt. Die Schauspielerin Pflegte immer äußerst naturwahr zu sterben, und auch diesmal stieß sie sich den Dolch mit voller Gewalt in den Brustkasten. Hätte sie nicht ein Korsett mii starken Stahlstäben getragen, dann wäre der Plan, sie umzu bringen, ihren Feinden glatt gelungen. Napoleon machte, als er von diesem Attentat erfuhr, seinen Spaß darüber und sagte, er sei bei ihr „über die Verteidigung der Flanken" beruhigt gewesen! Natürlich laufen Zweikämpfe auf der Bühne bisweilen recht tragisch aus. In einem Orte in Hessen (Volkmarsen), so las man 1830, fand eine Dilettantenvorstellung statt, bei der ein Kampf zwischen einem Polizisten und einem Verbrecher dargestellt wird. In der Rolle des Polizisten hatte ein junger Försterssohn die Aufgabe, den Büroangestellten Schmidt zu erschießen, der den Verbrecher mimte. Da der mit einer Bühnenpatrone geladene Revolver versagte, griff der Dar steller des Verbrechers zu einem Dolch, den er im Gürtel bei sich trug, und stürzte sich, um einen effektvollen Kampf vorzu- j täuschen, auf den Polizisten. Bei dem Handgemenge erhielt der Darsteller des Polizisten plötzlich einen tiefen Stich in die Herzgegend und sank nnt einem Aufschrei zusammen. Das Publikum kam erst später dahinter, daß aus dem Spiel Wirk lichkeit geworden war: Den Darsteller des Polizisten hatte der unbeabsichtigte Dolchstoß seines Partners tödlich getroffen, und er starb nach kurzer Zeit. Am Pariser Ambigu-Theater mußten einmal zwei Schauspieler in dem Stück „Der Bucklige" ein Duell ausfechten. Da sie verfeindet waren, so beschlossen sie eines Abends, mit scharfen Waffen zu kämpfen. Lagadere, oer eine von ihnen, wurde verwundet und mußte ins Kranken haus gebracht werden. In Vallo, einem Städtchen in Spanien, wurde 1881 ein militärisches Drama „Die Belagerung Geronas" aufgeführt. Der dritte Akt endigte unter lebhaftem Gewehrfeuer. Zum all gemeinen Entsetzen stellte sich heraus, daß viele der Flinten scharf geladen waren. Mehrere Personen erhielten mehr oder minder schwere Verletzungen, und ein Herr Roberts sowie dessen Diener, der eben mit einer Tasse Kaffee die Loge betrat, wurden getötet. Ein amerikanischer Schauspieler mußte in einem Stücke die Rolle eines Schurken spielen. Dieser wird entlarvt und hat sich eine Kugel in den Kopf zu jagen. Als der Künstler 1870 in Philadelphia wieder einmal in dieser seiner Glanzrolle auf trat, zog er an der genannten Stelle des Stückes die Pistole und schoß sich wirklich in die Schläfe. Rauschender Beifall folgte, wie immer, dieser Szene. Als der Vorhang fiel, waren die übrigen Darsteller nicht wenig verwundert, als ihr Kollege ruhig liegen blieb. Bei dem toten Schauspieler sand man einen Brief, in dem er seinen Freunden herzlich Lebewohl sagte und erklärte, unglückliche Liebe sei das Motiv zu seinem Selbst morde gewesen. .
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