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08ttäk Reisiek V/3K0^U L/^ tlL Fortsetzung.) Das war der Stadtkommandant von Paris: Massard. der als einziger Zuhörer zugelassen war und der sich später be rufen fühlte, die Nachwelt über den Prozeß zu unterrichten. Den Borsitz des Kriegsgerichtes führte Oberst Semprou, der ehemalige Chef der republikanischen Garde. Kurz und ernst, wie es sich an solcher Stelle und M solchem Falle schickte, ließ Obe.rst Semprou die Anklage gegen Ger trud Margueritta geschiedene Mae Leod geborene Zelle, ge- nanni Mata Hari, verlesen. Schars und kalt klang jeder einzelne Satz aus dem Munde Mornays. Eine gute Viertelstunde las er und was er las, hätte auch einen Mann zerschmettern können. Nicht io Mata Hari! Nichts ist nichts und alles ist nichts, was diesseits des Ewigen ist. Was wir tun, müssen wir mit Bewußtsein tun. Also müssen wir sterben können, wie wir gelebt haben Sie würde es können, wenn es nötig war, aber kampflos wollte sie es nicht tun. Was man ihr vorwars. oertrai sie vor Gott Die da Menschen mordeten, taten Schlimmeres als sie Wenn der Krieg ein Geschäft war, wie Churchill erklärt hatte, und wenn er von ihnen als Geschäft geführt wurde, dann halte sie sich nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil! Ihr Tun entsprang einem heiligen Wollen und dieses Wollen hieß- Friede! Hochaufgerichtet, in steinerer Ruhe hört Mata Hari Punkt für Punkt der Anklage an. Keine Bewegung wird sichtbar an ihr, kein Verfärben des Gesichtes, kein Zittern der Hände. Nichts verrät ihr Empfinden. Ihre Ruhe wirkt verwirrend, und jeder im Saale ist sich bewußt, daß er über einer Frau zu Gericht sitzt, die der Situation gewachsen, mutig und unerschrocken ist. „Und so scheint die Angeklagte der Spionage dringend und hinreichend verdächtig." schließt Oberst Mornay seine Aus führungen Atemloses Schweigen. Nur aus dem Tische Massards knistert leise ein unbeschriebenes Blatt Papier. * * * Die bei allen Gerichtsverfahren gleichen Eröffnungsfor- malitäten waren zu Ende. Oberst Semprou schritt zur Be fragung der Angeklagten. „Wo befanden Sie sich am Tage der Kriegserklärung?" „In Berlin." „Zu welchem Zwecke?" „Ich absolvierte ein Engagement." „Sie sollen an jenem Tage mit dem dortigen Polizeipräsi denten gefrühstückt haben und dann mit ihm in seinem Wagen nach Hause gefahren sein? Die tobende Menge soll auch Sie begeistert haben?" „Von einer tobenden Menge iah ich nichts. Wohl aber be rührte die stille und kraftvolle Größe, mit der die Deutschen die sich überstürzenden Ereignisse hinnahmen, erhebend " „Wo und unter welchen Umständen lernten Sie den Poli zeipräsidenten kennen?" „In Ausübung seines Amtes." „Ich möchte Sie bitten, sich deutlicher zu erklären." „Ich tanzte im Varietö Wintergarten. Die Presse kriti sierte meine Kostüme und schrieb, ich trete fast nackt auf Die deutsche Polizei hat das Recht und die Pflicht, anstößige Kostüme zu beanstanden. Der Präsident ließ sich infolge dessen meine Garderobe zeigen. So kamen wir in Be ziehungen zueinander." „Richtig! So ist es uns bekannt. — Wenige Tage später brachte Sie der Präsident mit dem Chef der Spionage zu sammen." „Nein! Den kannte ich schon seit längerem, aber nicht in dieser Eigenschaft, sondern als Offizier."' „So? — Und dieser Herr betraute Sie später mit seinen Aufträgen. Er ließ Ihnen dafür 30 000 Mark übermitteln." „Dafür?!" — Schroff erwidert das Mata „Sie irren! Ich erhielt den Betrag nicht als Lohn für Dienste der von Ihnen angedeuteten Art. sondern als Geschenk. Der Herr war mein Freund " „Auch das ist uns bekannt. Sie werden uns aber gestatten müssen, daß wir Zweifel in die Richtigkeit Ihrer Angaben setzen. Es ist nicht glaubwürdig und einleuchtend genug, daß ein noch so vermögender Liebhaber derartige Geschenke für empfangene Gunstbezeugungen macht," Ironisch lächelnd antwortet sie: „Dann allerdings wären Herr Oberst keine Akquisition für eine Dame. Mir gab nie mand weniger." „Um so besser für Siel — Wann kamen Sie nach Paris?" „Gegen Ende des Jahres." „Auf welchem Wege?" „Ueber Belgien, Holland und England." „Und was veranlaßte Sie zur Rückkehr?" „Da ich in Neuilly ansässig bin, dürfte sich d c O:ttwort von selbst ergeben." „Wie lange blieben Sie in Neuilly?" „Bestimmt weiß ich das nicht mehr." „Und was veranlaßte Sie von Neuilly fon hm?" „Ich wurde nach Vittel gerufen." „Und wer rief Sie dahin?" ' „Herr Rittmeister Marow." „Auch ein Geliebter?" fragte Semprou Einen Augenblick stutzte Mata. Dann hatte sie sich in der Gewalt. Mit dieser Frage konnte sie Semprou nicht beleidigen. Liebenswürdig lächelnd und voll warmem Wohllauts in S*r Stimme sagte sie schlicht: „Mehr als ein Geliebter." Und Semprou fragte weiter: „Rittmeister Marow ist ßiukse. Weshalb ließ er sich nach Frankreich kommandieren?" „Ich bin geneigt zu glauben, daß er es meinetwegen tat." .Sie pflegten ihn !m Feldlazarett und hielten sich sieben Monate in der Kampfzone auf." „Das Feldlazarett lag leider m der Kampfzone. Ich lieble den Rittmeister und wäre noch sieben mal sieben Monate geblieben, wenn ich ihm das Augenlicht hätte mieder geben können." „Während dieser ganzen Zeit standen Sie nur mit Offi zieren in Verbindung " „Ja! Mich haben immer nur Männer interessiert, die zur Armee gehörten Auch mein Mann war Hauptmann. — Wenn ich mich verliebte" — sie verneigte sich lächelnd — „es ist oft oorgekommen, meine Herren dann aber immer nur in tapfere und vornehme Männer des Heeres ohne Ansehen ihrer Nationalität. Dessen wollen Sie versichert sein " „Das ist uns bekannt." sagte der ritterliche Semprou und verneigte sich ebenfalls. „Man sah Sie während Ihres hie sigen Aufenthaltes ausschließlich nur in Gesellschaft von Militärs Das eben ist aufgesallen. Und weiter fiel aus, daß es hauptsächlich Flieger waren, die Sie auszeichneten." „Weil sie von «allen Soldaten den meisten Gefahren aus gesetzt sind, also notwendigerweise zu den mutigsten gehören müssen " „Hm," warf Oberst Mornay ein, „nicht weil sie mehr sehen als andere?" Blitzenden Auges und schneidend rief Mata dem Vor sitzenden zu: „Schützen Sie mich vor diesem Menschen." Clunet winkte ihr erschreckt Schweigen, und Semprou ant wortete begütigend: „Herr Oberst Mornay hat das Recht zu fragen Ich kann es ihm nicht wehren." „Das war keine Frage," rief Mata in gleicher Erregung, „es war eine Verdächtigung, zum mindestens eine unge zogene und taktlose Bemerkung." „So fassen Sie es auf," antwortete Mornay, „wir sind von weniger großer Empfindlichkeit. — Aber wie dem auch sei, die Tatsache besteht, daß die Flieger Ihre besonderen Freunde waren und Sie über die wichtigsten Dinge auf das Genaueste unterrichteten. Auf welche Weise es Ihnen ge lang, diesen an sich doch pflichttreuen Offizieren ihre Geheim nisse zu entlocken, könnten uns wohl nur die Wände Ihres Boudoiers verraten, denn Sie werden sich hüten, uns aufzu klären " „Das ist unerhört!" „Doch nicht so sehr," entgegnete Semprou. „Cs ist er wiesen, daß Sie unsere Veobachtungsposten und Flieger stationen, die zur Ueberwachung der Front beim Vorrücken errichtet waren, dem Feinde bis ins Einzelne bezeichneten. Sie haben Tausende unserer Soldaten auf diese Wiese in den Tod geschickt." „Das ist nichl wahr! Beweisen Sie es!" „Sie haben nicht von Bittel aus nach Holland geschrieben?" „Das leugne >ch nicht Ich habe aber nicht das geschrieben was Sie behaupten. - Daß mein Freund zufällig Chef der deutschen Spionage in Holland war, dafür kann ich nicht ver antwortlich gemacht werden In unseren Briefen stand nie etwas vom Kriege noch über den Krieg." Das sagte Mata Hari ruhig, bestimmt und ohne jede Er regung und Oberst Semprou, der in diesem Falle nur ver mutete, also keine schlüssigen Beweise besah, erwiderte: „Das klingt unwahrscheinlich Jedenfalls dürften in diesen uns so schwer bedrückenden Zeiten kaum Briefe geschrieben werden und worden sein, di? vom Kriege nichts enthielten. Die ihrigen werden keine Ausnahme gemacht haben. Ich will glauben daß Sie die Bedeutung Ihrer Mitteilungen unterschätzten Daß Sie aber unseren Feinden sehr wertvolle Mitteilungen machten, beweisen die Summen, die Sie er halten haben." „Ich habe nicht nur nach Holland geschrieben und von dort Geld erhalten, ich habe auch anderswohin geschrieben und Geschenke bekommen." „Das wissen wir. Wir werden später einige Briefe ver lesen. Immer aber haben Sie an Offiziere geschrieben." „Weil nur Offiziere meine Freunde waren." „Bankiers und Großkaufleute sind doch zahlungsfähigere Liebhaber als Offiziere ..." „Möglich! Aber die Reichsten sind nicht immer die Frei gebigsten. Und dann sind eben Bankiers keine Offiziere." „Sie behaupten somit lediglich — sagen wir: Als Kokotte — bezahlt worden zu sein. Spionage aber nie getrieben zu haben?" Marow retten, Marow nicht in Verlegenheit bringen, ihm einen ruhigen Lebensabend sichern, das nur wollte Mata. Um eine Klippe war sie herum, die sein Lebensschifflein hätte zerschmettern können — es war Eingangs des Ver höres gewesen — sein Name durfte nicht wieder fallen, nie mand wissen, daß sie alles — durch ihn veranlaßt — getan und das Geld für ihn erbeten hatte. Was lag ihr daran, wenn man sie eine Dirne nannte! Auf Semprous Frage antwortete sie: „Das behaupte ich nicht nur, das ist so!" „Und Sie beabsichtigen auch nie Spionage zu treiben?" „Wie — meinen — Sie — das?" „Nun," entgegnete Semprou mit eisiger Ruhe, „haben Sie nicht hier in Paris, zu einer Zeit, als Sie sich beobachtet fühl ten, den Chef der französischen Spionage, Herrn Hauptmann Ledoux Ihre Dienste angeboten?" Im Innersten erschrocken schwieg Mata Hari In ihr kroch es kalt empor. Jene Stunde der Verzweiflung war wieder gegenwärtig. „Nun." drängte Semprou. „haben Sie das?" „Ja! Ich habe es." „Warum? - Aus Liebe zu Frankreich?" „Nein! Ich liebe Frankreich nicht mehr als Deutschland oder irgendein anderes Land. Ich liebe keine Staaten. Ich liebe Menschen Ich bot Ihnen meine Dienste an. weil ich ohne Geld war." „Trotz der Briefe? Sonderbar! — Und wie gedachten Sie uns zu dienen?" „Durch Ausnutzung meiner Beziehungen zugunsten Frankreichs, wie ich das in der Marokkoangelegenheit tat." „Marokkoangelegenheit? — Davon weiß ich nichts." „Bestimmt aber weiß der frühere Leiter der zweiten Ab teilung im Generalstab davon, dem ich bei meiner Rückkehr aus England die Stellen der marokkanischen Küste namhaft machte, an denen die deutschen U-Boote Waffen ausluden." „Das war sehr liebenswürdig. Geschadet hat es den Deut schen aber nicht." antwortete Semprou und Mornay fuhr auf „Beweist Nur das eine, daß Sie mit den Deutschen in Ver bindung standen. Anderswoher konnten Sie Ihre Weisheit nicht haben." Mit schneidender Stimme warf ihm Mata die Worte hin! „Schuft" und noch einmal „Schuft" „Mäßigen Sie sich," versuchte Semprou zu beruhigen, aber sie ließ sich nicht beirren Auch Clunet vermochte nichts. Noch lauter fuhr sie fort: „Es kann Ihnen gleich sein, woher ich die Weisheit habe. Sie könnte ja auch aus England stammen. Daß sie Ihnen nützte, denk' ich, ist wichtig. Daß ich sie gab, bedaure ich! Ich bin keine Französin und fühle mich Frankreich in nichts ver pflichtet Ich bin ein gehetztes Weib, daß solcher Art Offi- üere" — sie zeigte auf Mornay — „verderben möchten. Er ist ein Schuft und wieder ein Schuft!" „Ich ersuche Sie nochmals, sich zu mäßigen." „Danke," antwortete Mata wieder vollkommen gelassen- .Sie haben recht. Es ist die Erregung nicht wert." „Erzählen Sie uns bitte von den Vereinbarungen, die Sie mit Hauptmann Ledoux trafen, nachdem Sie ihm Ihre Dienste freiwillig angeboten hatten." Die Angeklagte schwieg und senkte langsam den Kopf. Diese Frage war so peinlich und die Antwort so schwer. „Wenn Sie nicht mögen, dann muß ich — so ungern ich es lue — die Dinge rekapitulieren. — Sie, als Holländerin, er boten sich nach Holland zu gehen, um einem unserer dortigen Agenten Instruktionen zu überbringen. Herr Hauptmann Ledoux übergab Ihnen einen versiegelten Brief, bestimmt kür jenen Agenten. Ihre Reiseroute lautet- über England und Holland nach Belgien! Dahin aber fuhren Sie nicht. Sie reisten wohl nach England, nicht aber nach Holland und Belgien, sondern direkt nach Spanien." „Was hat das mit Spionage zu tun?" „An sich nichts. Die Umstände aber sind beachtlich und die Folgen bedeutend, die aus dieser eigenmächtigen Handlung erwuchsen. — Wissen Sie noch, was mit dem Briefe geschah, der Ihnen übergeben wurde?" „Nein!" „Wir auch nicht, müssen ihn aber mit der Tatsache in Ver bindung bringen, daß unser Agent in Brüssel, an den der Brief gerichtet war, drei Wochen nach Ihrer Abreise von den Deutschen erschossen wurde." „Oh," sagte Mata Hari, „das bedaure ich aufrichtig" und Mornay rief in unbeherrschter Leidenschaftlichkeit: „Das ist keine Spionage?" „Nein," sagte Mata gelassen und Mornay schrie noch lauter: „Dann ist es Verrat!" „Auch nicht, Herr Oberst Es ist einer jener unglücklichen Zufälle, deren es in diesem Kriege so viels gibt." Da fiel Semprou ein mit der Frage: „Und ist das auch Zufall, daß Sie im Ritzhotel in Madrid bas Zimmer neben dem deutschen Spionagechef inne hatten?" „Nein, das war kein Zufall." „Dieser Herr besuchte Sie täglich!" „Ja! Ich ihn auch." „Haben Sie Geld von ihm bekommen?" „Gewiß -- er war ja mein Freund." „Sehr gut! — Wieviel bekamen Sie von ihm?" „Wie soll ich das heute noch wissen!" „Sie bekamen 15 000 Mark Stimmt das?" „Es ist möglich." „Es ist Tatsache! — Ihr Freund in Madrid depeschierte Ihrem Freunde in Amsterdam, er möchte Ihnen dies» Summe überweisen. Sie waren damals wieder in Paris. Die hiesige holländische Gesandtschaft vermittelte das Ge schäft." „Ich entsinne mich. Es ist richtig, was Sie sagen." „Und der Betrag war die Abfindung für jenen Brief, den Sie nach Belgien befördern sollten." „Sehr im Irrtum, Herr Oberst. Das war er bestimmt nicht." „Dann müßte ich ja annehmen, daß die deutschen Spio- nageleiter Ihre Gunstbezeugungen mit dem Gelds ihrer Regierungen bezahlten!" „Ich kann Sie vom Gegenteil nicht überzeugen. Ich habe aber nie indiskret nach den Vermögensverhältnisjen meiner Freunde gefragt." „Wir werden uns diese Erklärung dienen lassen. Ihr« Vernehmung ist beendet." Semprou machte eine Pause. Das Verhör hatte ihn er müdet. Er strich sich mit der schmalen weißen Hand über die hohe Stirn und Mata Hari bemerkte, wie unter diejer weißen Hand zwei dunkle schwermütige und schmerzerfüllte Augen zu ihr herübersahen. Darüber war sie fröhlich und voller Hoffnung. „Bevor wir zur Zeugenvernehmung schreiten," begann Semprou wieder, „möchte ich einige Briefe verlesen, die bei der Angeklagten gefunden wurden." Er legte sie vor sich hin. Es waren solche von Offizieren aller Waffengattungen, Fliegern. Diplomaten und fehr be kannten Pariser Persönlichkeiten. Er las sie sitzend vor. Und die lange Reihe derer, die Mata Haris Freunde waren und gewesen waren, zog an ihrem geistigen Auge vorbei. Ein Beben, Erschüttern, Begehren oder Verlangen löste keiner aus. Eindruckslos glitten sie dahin. Da erhob sich Semprou. Stehend begann er den letzten Brief, der geschrieben war von seinem obersten Vorgesetzten. , » dem Kriegsministerl Mata Hari unterbrach ihn. Fortsetzung in der Mittwoch Nummer.