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MsdrufferTageblait Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstren amts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nai^nale Tageszeitung für die ^andwirtschast. Dar «Wilrd^lffer Tageblatt* erscheint an allen Werktag« nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM.. bei Postbestellung 2 AM. zuzüglich Abtrog- . __ . gebühr. Einzelnummern 18«pfg. Alle Postanstalten 2L>0cyeNVlatt für Wilsdruff u. Umaeaeno Postboten und unscreAus. träger und Geschäftsstellen —- — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. 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Nr 267 — 88 Jahrgang Telegr Adr ,Amtsblatt^ Wilsd uff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Soanabead, den 16 November 1929 Gute und schlechte Sitten. Respekt vor dem Rathaus. — Von Haus und Hof vertrieben. In den Sitzungssälen unserer Stadtverordneten versammlungen ging es vielfach, unmittelbar vor den Neuwahlen zu den kommunalen Körper schaften, recht hoch her. Immer häufiger lösen sich alle Bande frommer Scheu, so daß die Versammlungsleiter sich nicht anders zu helfen wissen, als durch hurtige Flucht vor nicht zu bändigenden Stadtverordneten den Abbruch der Beratungen herbeizusühren. Die Polizei in solchen Fällen herbeizurufen, wie das ja im Reichstag schon das eine oder das andere Mal geschehen ist, dazu mögen sich die Vorsteher dieser parlamentarischen Gebilde doch nicht entschließen, weil es nun einmal zu den Überlieferungen des deutschen Bürgertums gehört, daß die bewaffnete Macht in den städtischen Ratsstuben nichts zu suchen habe. Die Verhältnisse, unter denen heute die sogenannten Stadtväter tagen und arbeiten müssen, haben sich freilich gegen früher von Grund aus geändert. Heute gehören bewußte und mit rücksichtsloser Entschlossenheit durch geführte Störungen öffentlicher Verhandlungen leider schon zu den alltäglichsten Dingen, während zu Groß vaters Zeiten der allgemeine Respekt vor jeglicher Amts ausübung in den Rathäusern die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung auch 'n den Stadtverordneten . sitzungen ganz von selbst gewährleistete. Wie lange wird diese gute alte Tradition sich wohl noch behaupten lassen? Einzelne deutsche Parlaments sind schon zu mehr ener gischen Schutz- und Strasmaßnahmen gegen ungebärdige Abgeordnete übergegangen, weil anders sachliche Arbeit überhaupt nicht mehr zu leisten war. In den Rathäusern wird man wahrscheinlich auch bald in den gleichen sauren Apfel beißen müssen, weil ja schließlich die Unbotmäßig keit gewisser Elemente doch einmal auf irgendeine Ari und Weise gebrochen werden muß. Oder darf man sich etwa dem holden Wahn hingeben, daß wir nach den Neu wahlen von selbst wieder zu gesitteteren Zuständen kommen werden? * Aber freilich, wie klein müssen uns diese Sorgen und Probleme erscheinen im Vergleich zu den Enthüllungen, die durch das plötzliche Auftauchen von zwölftausend bäuerlichen Sibirien-Deutschen vor den Toren der russischen Hauptstadt vor den Augen der Well emporaestieqen sind! Unfaßbar für jedes menschliche Herz und dah gerade der Staat, der neben Arbeitern und Soldaten'als Dritten im Bunde die Bauern als die eigent- "Ve, ia als die ausschließliche Grundlage seiner ge- priesenen Sowjetgemeinschaft verzeichnet, hier die ganze BrutaliM seiner Verwaltung dazu auflnetet, um viele Tausende des besten Menschenmatertals, über das er in seinen entlegenen Dörfern verfügt, von Haus und Hof zu vertreiben und sie mit verschränkten Armen der nackten Verzweiflnng preiszugeben. Und so erlebt jetzt die Welt das schreckensvolle Schauspiel, daß in Moskau selbst, wo doch schließlich verantwortlichen Staatslenker der Räte republik beisammen sind und wo noch am ehesten um fassende »der doch zum mindesten notdürftige Hilfsmaß nahmen für diese erbarmungswürdigen Menschen zu er möglichen sein müßten sich keine Hand, kein Finger rührt, sei es auch nur um die Frauen und Kinder, die Greise und Kranken vor völligem Untergang zu bewahren. Während nun das wirklich arm genug gewordene Deutsche Reich sich zu einer großzügigen Hilfsaktion anschicken muß, weil Mißlich, nach dem berühmten englischen Sprichwort, Vlm doch dicker ist als Wasser Wir werden tun, was wir tun können. Wir müssen sogar damit rechnen, daß auf die Äundc von diesem Liebeswerk immer neue Scharen ?k"ischstammiger Bauern, die sich in nicht weniger Lage befinden als ihre schon abgewanderten alsUen Schwestern, diesen nachfolgen und mit den werden ^^"ungen der deutschen Grenze Zuströmen Gchlechtbelohnie Gastfreundschaft. Ausweisung russischer Generale aus Danzig. Der Senat Hai einige in Danzig von ehemaligen russischen.^lzleren und Militärpersonen begründen Organisationen, die sich ausdrücklich als Vereinigungen solcher militärischer Kreise bezeichneten, verboten, weil ihre Pereinstatlgkeit den Danziger Interessen schädlick sein könnte. Der Polizeipräsident hat ferner die Aus weisung der ehemals russischen Generale Glase napp, Lebedew und Diakow angeordnet. Hierzu wird noch berichtet: Die drei Ausgewiesenen sind in der weißgardistischen Bewegung tätig gewesen. Bei der Aufdeckung einer m o n archistischeu Verschwörung in Moskau wurden seinerzeit mehrere Offiziere verhaftet. Sie wurden be schuldigt, im Auftrage einer monarchistischen Organisa üon, deren Haupt der in Danzig wohnhaft gewesen: L 7- , 87 Z7L7r' W°°"E SnMkns MideWe Haltung England -eW deutsches Eigentum. Rückgabe schroff abgelehnt. Der englische Schatzkanzlcr Snowden hat einen ofsi zielten Brief an den deutschen Botschafter in London ge richtet. Snowden teilt mit, dem von der deutschen Re gierung gestellten Anspruch auf bedingungslofe Rückgabe alles während des Krieges beschlagnahmten deutschen Privateigentums, das noch nicht liquidiert ist, könne nicht entsprochen werden. Es liege im Interesse Deutschlands das bei Besprechungen zwischen deutschen und britischen Sachverständigen im Londoner Handelsamt angeregte Verfahren so bald wie möglich anzunehmen, um die Durchführung der Empfehlungen zu erleichtern, welche die Väter des Uoung-Plans angedeutet haben. Sonst müsse die augenblicklich eingestellte Liquidation des deut schen Eigentums vielleicht wieder ausgenommen werden Diese Mitteilungen stehen in ziemlichem Gegensatz zu den englischen Versprechungen im Haag, nach denen das noch nicht liquidierte deutsche Eigentum bedingungslos freizugeben sei. Erst später haben das englische Schatz amt und das Handelsamt erhebliche Vorbehalte gemacht, so daß das anfängliche Entgegenkommen stark an Werr verlor. Snowden lehnt auch die vom Deutschen Reich erhobenen Ansprüche auf Rückzahlung der erzielten Über schüsse beim Verkauf des deutschen Eigentums ab. Der Gesamtbetrag der deutschen Forderung wird von Snowden auf etwa 23 Millionen Pfund geschätzt. Die auffällige und schroffe Stellungnahme des englischen Schatzkanzlers hat in Berlin überaus befremdet. * Oie Meinung des Ltntechaufes. Im Unterhause stellte der Abgeordnete M a c Pherson die angekündiate Anfrage an den Präsidenten des Handelsamtes, ob er nach der Bestimmung des Ver trages von Versailles angeben könne, wieviel von dem Erlös des beschlagnahmten deutschen Privateigentums zur Befriedigung privater britischer Forderungen an Deutschland oder deutsche Bürger verwendet worden sei Der Präsident des Handclsamtes, Graham, erwiderte die Summe der Einnahmen durch das deutsche Privat eigentum bis zum 31. August 1929, an dem die Liquidation im Hinblick auf die schwebenden Verhandlungen mit ver deutschen Regierung eingestellt worden sei, betrage nach der Rückstellung gewisser Reserven 55 750 000 Pfund Sterling. Von diesen Geldern seien 38 500 000 Pfund Sterling..zur Begleichung britischer.Forderungen, an die in Danzig und verfügte über reiche Geldmittel und soll, wie behauptet wird, mit estländischen und lettischen Spionagezentralen in ständiger Verbindung ge standen haben. General Lebedew war, wie weiter er klärt wird, ebenfalls in der weißgardistischen Propaganda tätig und gehörte als ehemaliger russischer General nach der Umwälzung der W r a n g e l - A r m e e an. Er hatte insbesondere Fühlung mit Paris und galt als Agent französischer Spionagestellen. Krise im englischen Sergbau. Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Generalsekretär der Bergarbeitergewerkschaft, Cook, kündigte soeben vor einer Arbeiterversammluny in London an, er sei durch die Regierung ermächtigt, mitzu teilen, daß die Schaffung einer Körperschaft für die Siche rung eines nationalen Lohnabkommens im Bergbau durch die bevorstehenden gesetzgeberischen Maßnahmen der Regierung gesichert erscheine. Wenn diese Mitteilung einwandfrei sein sollte, wird ein starker Konfliktstoff in der Bergbaukrise geschaffen, da die Grubenbesitzer die Einrichtung eines Nationallohnes und die Beibehaltung der gegenwärtigen Lohnhöhe im Falle einer Verminderung der Arbeitszeit von acht aus sieben Stunden entschieden ablehnen und ihren Widerstand offen bekanntgegeben haben. 4- Die Ursachen des Konflikts. Nicht bloß vom wirtschaftlichen, sondern auch vom politischen Standpunkt aus ist die gegenwärtige sehr ver wickelte Bewegung in der englischen Kohlenwirtschaft zu beurteilen. Der politische sei kurz erwähnt. Vor den letzten Parlamentswahlen hat die jetzt an der Regierung befindliche Arbeiterpartei den Bergarbeitern versprochen, die nach dem letzten großen Bergarbeiterstreik 1926 auf acht Stunde*. erhöhte Arbeitszeit wieder auf sieben Stunden zu senken. Ferner handelt es sich um die Stellung zum Washingtoner Arbeitszeitabkommen, das für die Bergarbeiter eine verkürzte Arbeitszeit vorsieht. Jetzt wollen die englischen Bergarbeiter Erfüllung des deutsche Regierung oder an deutsche Retchsangeyorlge ver wendet worden. Es könne zugegeben werden, daß nur noch weitere 3 000 000 Pfund Sterling für diese Zwecke erforderlich seien. Die tatsächliche Höhe desjenigen, was von England noch beansprucht würde, hänge aber von den Entscheidungen des gemischten Schiedsgerichts ab. Mac Mersons ^reigeSungsanirag. Für den von dem Abgeordneten MacPherson vorbereiteten Antrag zur bedingungslosen Freigabe des nicht liquidierten deutschen Eigentums sind mindestens hundert Unterschriften von Nnterhausabgeordneten ge sammelt worden. Darunter befinden sich maßgebliche Per sönlichkeiten aller drei Parteien. Die Zusammenstellung der Liste, die sich noch durch weitere Unterschriften ver längert, wird in aller Kürze erwartet. Dann soll sie ver öffentlicht werden. Snowden hat sich mit einem Brie? an den deutschen Botschafter in schroffen Gegensatz zu dem Antrag gestellt. An Hoesch meist »ei Briand Paris, 15. November. Von amtlicher deutscher Seite wird mitgeteilt: Der deutsche Botschafter von Hoesch hatte am Freitag abend erneut eine Unterhaltung mit dem französischen Außenmini ster Briand. Wie der Vertreter der Telegraphen-Univn vsn un terrichteter Seite erfährt, galt Ne Unterredung diesmal nicht der Behandlung einer großen außenpolitischen Frage, wie der Rhein landräumung, sondern der technischen Vorbereitung der 2. Haager Konferenz und den damit in Zusammenhang stehenden Fragen^ darunter dem Stande der verschiedenen Kommissionsarbeiten und dem Datum des Zusammentritts der Haager Konferenz. Rumäniens Reparaiionshoffnungen. Eröffnung der Parlamentstagung. Die ordentliche Parlamentstagung ist in einer gemein samen Sitzung von Kammer und Senat durch den Regentschaftsrat eröffnet worden. Prinz Nikolaus ver las die Eröffnungsbotschaft. Diese schließt mit einem Rückblick auf die Haager Konferenz und spricht dabei die Überzeugung aus, daß die Gerechtigkeit und der allgemeine Wunsch nach einem dauerhaften Frieden die Wiederstände überwinden werden, die einer gerechten Liquidierung der Neparationsfrage noch im Wege stehen, und daß unter dem wachsenden Einfluß des Völkerbundes eine neue Zeit friedlicher Zusammenarbeit zwischen den Völkern Europas beginnen wird. ihnen vor den Wahlen gegebenen Versprechens, verlangen auch, daß sie die Regierung vor einer Lohnherabsetzunq schützt, falls die Verkürzung der Arbeitszeit durchgeführt wird. Erwähnt werden mag noch, daß es seit dem großen Streik ständig rund 200 000 erwerbslose Bergarbeiter gibt. In wirtschaftlicher Beziehung liegen die Dinge so, daß der teilweise stark veraltete, vor allem nur sehr mangelhaft durchorganisierte Bergbau Englands, der jährlich etwa 280 bis 300 Millionen Tonnen Kohle fördert, zum großen Teil trotz der 1926 erfolgten Arbeitszeitvcr- längerung und Lohnkürzung nach den Versicherungen der Grubenbesitzer unrentabel arbeitet. Erfolge eine Arbeits zeitverkürzung, so müsse nach den vorliegenden Angaben die Unrentabilität steigen, die man bisher dadurch etwas weltgemacht habe, daß man den Jnlandsabsatz durch höhere Preise als die vom Ausland geforderten mit Erfolg belasten konnte. Ansätze zur distriktsweisen Organi sation des Bergbaues sind da, sind aber ziemlich lose nnd nicht im entferntesten etwa mit dem deutschen Ruhrkohlen syndikat zu vergleichen. Diese Verbindungen wurden teils auch schon wieder gesprengt, als sich der Gegensatz zwischen den älteren und den modernen Gruben geltend machte Da nun weiter die Erzeugungskosten in den verschiedenen Gebieten erhebliche Unterschiede aufweisen, stehen die Bergwerksbesitzer auf dem Standpunkt, daß allgemeine Bergarbeitertarife nicht abgeschlossen werden könnten Höchstens könne man sich für diesen Fall in einem Distrikt einigen. Nein wirtschaftstechnisch gedacht, wird vorge schlagen, die älteren mit zu Hohen Unkosten arbeitenden Gruben stillzulegen. Aber — es ist kein Geld da, um di - dadurch entstehenden Kapitalsverluste zu decken. Wobei bemerkt werden muß, daß die entsprechende Rationali sierung des deutschen Bergbaues zum Syndikat in einer Zeit steigenden Absatzes und großen Kapitalüberflusses er folgte. Schließlich darf auch nicht vergessen werden, daß in England anders wie in Deutschland die großen Kohlen erzeugungs-, Kohlenhandels- und Schiffskonzerne in einer Hand liegen oder zum mindesten aufs engste verbünde sind, so daß eine gesetzliche Kontrolle der Preisbildung ans große Schwierigkeiten stößt. Die Regierung hatte im Sommer dieses Jahres von den Bergherren verlangt, sich spätestens bis zum Beginn der Wintertagung, des Parlaments organisatorisch -