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MMufferTageblatt N ^ür Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Wilsdruff-Dresden Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Naumzeile 20Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweifungsgednhr 20 Reichspsennige. Dor- geschriebeneLrscheiuungs- tage und P^atzvUrschriften werden nach Möglichkeit AekNipVechbk: AMI 2öUSdVUff Nk. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis norm.10 Uhr. - — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattansprrr ch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftrag geb er in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- Nr 249 — 88. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt* Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 24 Oktober 1929 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, erschein« an allen WerktayUl nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der »eschSflsslelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Austeilung durch die Boten 2,3» AM., bei Postbestellung 2 «W. zuzüglich Abtrag. " gebühr. Einzelnummern Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend P^ott,^ 3m Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung ooer seurzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beilicgt. Briands Sturz. Erst einmal den äußeren Vorgang, wie er sich in der Französischen Deputiertenkammer abspielte. Auf die Frage, wann die Negierung die zahlreichen Inter pellationen über die Außenpolitik, vor allem dieHaager Konferenz, die Rheinlandräumung, den Noung-Plan usw., beantworten wolle, erklärt Briand, es sei jetzt noch nicht die Zeit dafür gekommen, da endgültige Resultate nicht vorliegen; er bäte daher, die Beratung dieser Interpellationen zu vertagen. Heftiger Widerspruch, namentlich von rechts und ans der Mitte der Kammer, schließlich auch bei den Sozialisten. Briand solle Auskunft geben zum mindesten über die Räumungs-, die Saarfrage und die Internationale Bank. Der Ministerpräsident weigert sich aber aus dem schon an geführten, nochmals unterstrichenen Grunde, stellt die sog. Vertrauensfrage, ein paar Abgeordnete der Mitte warnen noch vor einer Regierungskrise, aber vergeblich — der An trag, die Beratung der Interpellationen auf den 15. No vember anzuberaumen, wird mit 11 Stimmen Mehrheit angenommen. Das war die Niederlage, di« Krise ist da; denn nach kurzer Beratung mit seine« Ministerkollegen geht Briand zum Staatspräsidenter Doumergue und überreicht diesem die Demission der Gesamtkabinetts, die angenommen wird. Als Parallele: im Deutschen Reichstag ist eine Verhandlung über alle die mit der Haager Konferenz zusammenhängenden Dinge auf Wunsch der Reichsregierung abgelehnt worden. Ein Ministersturz ist in Frankreich weiter nichts Un- aewöbnliches; diesmal kam er aber doch ziemlich über raschend. Und die Gründe? Sieht man sich dic Mehrheit an, von der jetzt die Krise herbeigeführt wurde, so sind die „Rechtsradikalen" (Gruppe Marin) dabei, aber auch die Sozialisten unter Leon Blum. Dazu noch ein großer Teil der „Radikalen", die etwa unserer politischen Mitte entsprechen und, soweit sie der Regierung Briand von Anfang an kühl ablehnend gcgenüberstehen — sie ver sagten ihm bei der Bildung des Kabinetts durch Stimm enthaltung das Vertrauen — als Führer dem Abg. De- ladier Gefolgschaft leisten, übrigens die stärkste Gruppc in der Kammer darstellen. Aber auch aus allen anderen Parteien haben größere oder kleinere Teile der Abgeord- ustni am Sturz Briauds mitgewirkt. Für jede fran- zostsche Regierung ist es schwer, in der Kammer über eine ^"Dhrheii zu'verfügcu. Erstens gibt es dort sehr viele tu neien und zweitens sind die Grenzen zwischen ihnen unbestimmt, haben zahlreiche Politiker oft die imrleien gewechselt, — was in Deutschland ja fast als .^"^chen gilt. Mau steht in Paris auch nicht — wie — auf dem Boden irgendeiner politischen "'T^.t.anschauung", sondern hat ein politisches Programm praktisch^ Art und vor allem — einen Führer, um den Nch tue Gruppc schart. Solch ein parlamentarischer Führer pal aber auch Ehrgeiz. Er „will auch mal ran". Und der jeweilige Ministerpräsident genötigt, in wichtigeren Fragen sich, durch Nachgiebigkeit hier, durch Energie dort, erst eine Mehrheit zu schaffen. Manchmal mißlingt es. Auch, wie jetzt, einem Mann von nicht nur großem parlamentarischen Geschick, sondern auch von un zweifelhaft hohem persönlichen Ansehen, wie Briand es besitzt. Minister Tardieu, der als aussichtsreichster Nachfolger Briands gilt. Dadurch Wird für den Außenstehenden die ganze Sache recht kompliziert. Wird es diesmal aber ganz besonders, weil die Mehrheit, von der Briand gestürzt wurde, aus den verschiedensten Elementen zusammengesetzt, von eben so verschiedenen Gründen beeinflußt ist. Von der Rechten bis tief hinein in die Mitte: Mißtrauen gegen die Politik Briands gegenüber Deutschland. Auf der Linken: die oppositionelle Tendenz zum Sturz eines Ministers, der mit einem Fuß auf der Rechten stand. Und im übrigen: eine Menge ungestillten Ncgierungschrgeizes. „Ote-toi, gus js mau»" lautet ja ein französisches Sprichwort; „stehe auf, damit ich mich hinsetze". Auf den Minister- präsidentenstubl nanilich Ob sich Briand wieder darauf setzen wird, ist durchaus möglich, wenn er auch zurzeit Ser SM des StMMiGWr Einstweilige Verfügung gegen Preußen abgelehni. Das Leipziger Urteil. Reichsgcrichtsprästdent Dr. Bumke verkündete am Mittwoch nachmittag als Vorsitzender des Staatsgerichts- hoses zu Leipzig in der Verfassungsstreitsuche zwischen der preußischen Landtagssraktion der Deutschnationalen Volkspartei und dem Lande Preußen folgende Entschei dung: „Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Ver fügung wird zurückgewiesen." Die Klage hatte sich gegen den Erlaß des preußischen Staatsministeriums gewandt, durch welchen die Beamten vor Unterzeichnung des Volks begehrens gewarnt wurden. Es wurde eine einstweilige Verfügung gegen diesen Erlaß verlangt, auch des In Halts, daß die Staatsregierung weitere Kundgebungen dieser Art zu unterlassen, die bisherigen Anweisun gen aber zurückzuziehen hatte. Bei Beginn der Verhandlung hatten die Vertreter des Staates Preußen wie der klägerischen Partei das Recht ihrer beiderseitigen Auftraggeber darzulegen ver sucht. Es lag auch ein Antrag vor, den Reichsausschuß für das Volksbegehren als Mitkläger zuzulassen. Der Staatsgerichtshof beschloß jedoch, den Anschluß des Reichsausfchusses für das Volksbegehren zurückzuweisen, da er keine preußische Landesstelle sei und deshalb einer Verfassungsstreitigkeit innerhalb des Landes Preußen nicht als Partei beitreten könne. Einen preußischen Negie rungsantrag auf Vertagung der Angelegenheit wies der Staatsgerichtshof ebenfalls ab. Im weiteren Verlauf kamen die verschiedenen Auf fassungen wiederholt zu ausführlicher Darlegung und es wurde beschlossen, der preußische Ministerpräsident Braun solle nähere Erklärungen über die Auslegung gewisser Stellen des an die preußischen Beamten gerichteten War nungsaufrufes geben. Aus -er Begründung des Gtaaisgerichtshofes. Für den ablehnenden Bescheid gegenüber dem Verlangen der preußischen deutschnationalen Landtagsfraktion, eine einst weilige Verfügung betr. des Volksbegehrens gegen die preu ßische Regierung zu erlassen, führte der Vorsitzende des Staats gerichtshofes in der Begründung u. a. folgendes an: „Der Staatsgerichtshof habe bisher nur zwei ähnliche solche Verfügungen erlassen; die eine in einem Privatstreit zwischen zwei Ländern, die andere in einem Streit zwischen dem Reich und mehreren Ländern. Es könne dahingestellt bleiben, ob Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes überhaupt Raum für eine einstweilige Verfügung des Staatsgerichtshofes bieten. Im vorliegenden Falle sei der Erlab einer Verfügung total ausgeschlossen, weil lhre Be schränkung auf die Regelung eines einstweiligen Zustandes unmöglich sei. Sie würde zugleich eine Entscheidung über die Hauptsache enthalten. Die Frage der Befugnis der preu ßischen Beamten, ohne Rücksicht aus ihre Beamtenstellung sich in die Listen sür das Volksbegehren einzuzeichnen und später an der Volksabstimmung teilzünehmcn, sei auch gerade Gegen stand des Hauptklageantrages und bilde den Streitpunkt der Parteien. Es würde also schon im voraus der sachliche Streit entschieden werden. Das könne nicht geschehen. Deshalb er weise es sich als unmöglich, die beantragte einstweilige Ver fügung zu erlassen." Erklärungsn Brauns. Zu Beginn der Mittwochvcrhandlung gab der preußische Vertreter, Ministerialdirektor Dr. Bädt, im Namen des preußischen Ministerpräsidenten eine Er klärung ab. Der Ministerpräsident sei der Auffassung, eine authen tische Interpretation seiner im Preußischen Landtag ab gegebenen Regierungserklärung erscheine nicht nötig, da cs sich jetzt nur um die einstweilige Verfügung handeln könne. Die deutschnationalc Landtagssraktion hätte bei den mehrtägigen Debatten im Landtag Zeit genug gehabt, der artige Aufklärungen zu verlangen. Dieses Verlangen wäre zweifellos beantwortet worden. Wenn die Klägerin cs vorgezogen habe, den Umweg über den Staatsgcrichts- hos zu wählen, um den Ministerpräsidenten innerhalb dieses Verfahrens zu irgendwelchen Verlautbarungen zu zwingen, so sehe der Ministerpräsident keinen Anlaß, ihr auf diesem Wege zu folgen. Wenn der Staatsgerichtshof für eine demnächstige Entscheidung in der Hauptsache die Beantwortung einer Frage sür zweckmäßig halte, so er warte der Ministerpräsident die Vorlegung einer bestimmt formulierten schriftlichen Frage. Er werde dann dafür Sorge tagen, daß bis zum Termin schriftliche Beantwor tung erfolgt. Der Vertreter der preußischen Regierung, Dr. Badt, brachte nunmehr eine Reihe von Gründen gegen den Erlaß einer einstweiligen Verfügung vor. Die preußische Re gierung sei zu ihrem Vorgehen berechtigt gewesen, da § 4 des Volksbegehrens nur den Zweck einer "Brandmarkung der jetzigen Minister verfolge. Rechtsanwalt Dr. Seelmann, der Vertreter der Klägerin, bestritt das und betonte, der ß 4 sei ausschließ lich nur sür die Zukunft bestimmt. Da das Volksbegehren zugelassen sei, müßten auch die Beamten das Recht haben, sich daran innerhalb der Grenzen der Disziplinargesetze zu beteiligen. Nachdem die verschiedenen anwesenden Vertreter der preußischen Regierung nochmals ihre abweichenden Mei nungen vorgetragen hatten, wurde die Verhandlung ge schlossen und der Staatsaerichtshof zog sich zur Beschluß fassung zurück. behauptet, „die Nase gründlich voll" zu haben. Vielleicht macht Tardieu das Rennen, was eine leise Rechts schwenkung bedeuten würde. Oder — als Führer der größten Oppositionspartei — Deladier, dem Briand das Amt anzubieten rät. Das wäre eine leichte Links schwenkung. Aber viel anders wird auf alle Fälle die französische Politik auch dann nicht werden, wenn ein mehr nach links oder mehr nach rechts eingestelltes Kabinett kommt. * Eine übrigens nicht unerhebliche Frage: Ist Briand gestürzt, weil die Beziehungen zu England so kühl ge worden sind? Das mag möglicherweise im Hintergrund stehen. „Gras Ze-pelin" Wer Barcelona Friedrichshafen, 23. Oktober. Das Luftschiff, das heute 6.49 Uhr in Friedrichshafen mit 18 Personen an Bord zur Spanienfahrt aufgestiegen ist, wurde um 13.30 Uhr über Nimes, um 14.40 Uhr über der Rhonemündung gesichtet und erreichte um 18 Uhr Barcelona. Unter den Fahrgästen befinden sich u. a. auch der spanische Botschajler in Berlin Fernando Espinosa de los Monteros und der argentinische Konsul in München Fremery. pfchräummig geht ungehindert weiter. Unzutreffende Gerüchte. Die verbreitete Nachricht, wonach das französische Oberkommando auf Veranlassung des Kriegsministeriums die Abmarschbefchle für die aus der Pfalz wegzuztehen- den Truppen zurückgenommen habe, daß im Gegenteil für die bereits weggezogenen Truppen neue Rekruten- formationen in die Pfalz gelegt werden sollten und daß schlreßlich auch im Mainzer Nrückenkovk die Truvvcuncr- minderung zum Stillstand aekommen sei, ist in allen Teilen unzutreffend. Das französische Oberkommando hat keinerlei Rück nahmebefehle gegeben, sondern die von vornherein beab sichtigten Maßnahmen werden ordnungsgemäß und wie vorgesehen durchgeführt. Zwei Gruppen Artillerie, etwa 600 Mann, sind bereits aus Lache »-Speyerdorf nach Frankreich abtransportiert worden. Nachdem die jetzt zur Entlassung kommenden alten Mannschaften nach Frankreich zurückgekehrt sind, wird von den acht französi schen Infanterieregimenten in der dritten Zone je ein Neftbataillon (Gerippe) nach Frankreich zurückgezogen, nimmt dort feine Rekruten auf und verbleibt in Frankreich. Hierdurch tritt also eine Verminderung der Truppenstärke um acht Bataillone ein. Schließlich wird ein Pionier bataillon aus Speyer nach Frankreich zurückgezogen. Belagerungszustand in Peking. Die gesamte Straßenbahn zerstört. In Peking ist zu der allgemein scharf gespannten politischen Lage in China ein neues Moment getreten, ge eignet, die Dinge noch mehr zu verwirren. Viele Tausende von Arbeitern, sogenannte Rikschakulis, also Leute, welche die dort üblichen Rikschas — Beförderungsmittel für einzelne Personen — ziehen, haben an verschiedenen Stellen der Stadt die Straßenbahn angegriffen und das Material in verheerender Weise zerstört. Die Fahrgäste wurden aus den Straßenbahnwagen herausgcholt und die Wagen demoliert. Die Polizei blieb dem Andrang gegenüber fast machtlos und es mutzte Militär hcrbei- geholt werde», mit dem es zu heftigen Zusammcnstötzen kam. Die Rikschakulis, die sich in gedrückter sozialer Position befinden, betrachten die Straßenbahn als das Mittel, durch das ihre Existenz gefährdet wird. Sie versuchten auch, die Verwaltungsgebäude der Straßenbahngesell schaft zu stürmen. Infolge der Unruhen schlossen sämtliche Geschäfte in Peking und der Wirtschaftsverkehr ist gestört. Zur Sicherheit wurde der Belagerungszustand über die Stadt verhängt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß