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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ D«» .Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2RM. in: Monat, bei Zustellung durch die Baten 2,3t)RM., der Boftbestellung 2 RN!» zuzugltch Abtr g» gebühr. Einzelnummern tö«p!s Wochenblatt für Wilsdruff u. ümgeaend P-stb°lcnunduniE-Aus. r^Lgerund Gejchaftsnel en -— - - - - nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Fau« höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht dein Anspruch auf Lieferung d« Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Stücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten, des Amts- gerrchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 16S — 88. Jahrgang Telegr-Adr .Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2640 Dienstag, den 23 Juli 192S für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raum-eile 20 Rpfg., die 1 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich»" Pfennig, die 3 gespaltene Sirklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweijungsgebühr 20 Reich »Pfennige. B»r- gefchrledeneEricheinungs- —, - tage und Platzvrrschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. AnzciLen- annabmebis vorm.lOUHr. —— '— -- Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabatranspruch erlischt, wenn der Betrag durch Zweifel und Bedenken. Großes Aufsehen überall in der Welt hat es erregt, rief bei unseren Gläubigermächten freudigste Zustim mung, andererseits aber schärfste deutsche Proteste hervor, was der Reparationsagent Parker Gilbert Ende Dezember vergangenen Jahres in seinem Bericht gesagt hatte, der von der Erfüllung des Dawes-Planes durch Deutschland im vierten Annuitätsjahr handelte. Dieser Bericht, der mit dem größten Optimismus von der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit Deutschlands in Gegenwart und Zukunft sprach, ist es aber gewesen, der die Richtschnur abgab für di: Beur teilung dieser Leistungsfähigkeit auf der Pariser Kon ferenz und damit auch einen entscheidenden Einfluß aus- ubte auf die dort erfolgte Festlegung unserer Jahresver pflichtungen durch den Uoung-Plan. In seinem neuesten Bericht nun, der sich über die Zeit vom 1. September 1928 bis zum 1. Juni 1929, also auf die ersten neun Monate des fünften Dawes-Jahres — des ersten „Normaljahres' — erstreckt, hat Parker Gilbert aber einen ganz anderen Ton angeschlagen, der außerordentlich von dem Optimis mus seines früheren Berichtes abweicht. Zwar sind auch die jetzigen Leistungen, die ja in diesem Jahr auf 2500 Millionen angewachsen sind, von Deutschland prompt er füllt worden. Aber der Bericht ist durchsetzt von zahl reichen Zweifeln und Bedenken, ob die deutschen Finanzen und die deutsche Wirtschaft diesen gewaltigen Aderlaß noch lange werden ertragen können. Wenn Parker Gilbert natürlich auch mit verständlicher Absicht für die Zukunft einen Teil seines alten Optimismus' ent wickelt, muß er doch feststellen, daß auf allen Gebieten der Finanzen, der Kreditpolitik, des Außenhandels und der deutschen Binnenwirtschaft Schwierigkeiten be denklichster Art bestehen. Er berechnet die deutsche öffentliche Gesamtschuld, also die Schuldsumme des Reiches, der Länder und der Gemeinden, aus weit Uber l6 000 Millionen, beziffert sie damit noch höher, als dies selbst von deutschen amtlichen Stellen mehrfach angedeutet wurde. Diese Riesenverschuldung der öffentlichen Hand äußert sich nun natürlich in schwerster Form besonders gegenüber den Kreditansprüchen der deutschen Privat wirtschaft. Parker Gilbert muß daher weiter feststellen, daß die ausländische Kredithergabe ganz außerordentlich zurückgegangen ist und außerdem nur zu sehr hohen Zins sätzen erfolgt. Allerhand Vorkommnisse wie die Unsicher heit über den Ausgang der Pariser Konferenz, ferner zahlreiche „Imponderabilien" während dieser Konferenz haben die Entwicklung des deutschen Wirt schaftslebens schwer beeinträchtigt; der Bericht geht auch nicht daran vorüber, daß die Zinssätze für deutsche Emissionen im Inland selbst, also beispiels weise für Pfandbriefe, fehl erheblich anstiegen. Parker Gilbert kommt dann zurück auf die wäh rungspolitischen Schwierigkeiten, die be kanntlich die Reichsbank zu überaus einschneidenden Maß nahmen veranlaßten und ihn übrigens selbst noch von der im vorigen Bericht propagierten Idee abbrachten, der Deutschen Rcichsbank die wirkliche Einlösungspflicht der Reichsbanknotcn gegen Gold zu empfehlen Mühsam genug ist cs ja der Reichsbank gelungen, die notwendige Golddeckung nach dem schweren Rückgang des Mai wieder zu erzwingen. Schwierigkeiten über Schwierigkeiten beim deutschen Außenhandel. Mit einer aus gesprochenen Herabsetzung des Gesamtumfanges der deut schen Einfuhr könne man kaum rechnen und dem Opti mismus, mit dem Parker Gilbert die weitere Entwicklung der deutschen Ausfuhr betrachtet, steht seine eigene Fest stellung entgegen, daß „viele der die Zukunst des deut schen Exports bestimmenden Faktoren aber, darunter die Zollpolitik der anderen Länder, Deutschland nicht in der Hand habe". Das veranlaßt den Reparationsagenten zu der nachdenklichen, deutscherseits aber schon längst in ver neinendem Sinne beantworteten Frage, ob denn die wirt schaftlichen und finanziellen Ergebnisse des mit Hilfe von Auslandskapital rationalisierten und modernisierten deut schen Produktionsapparates den Erwartungen auch wirk lich dauernd entsprechen werden. Diese Fragestellung steht übrigens in einem geradezu grotesken Gegensatz zur Be hauptung des Reparationsagenten im Dezemberbericht, daß „die in Deutschland mit Hilfe des ausländischen Kapitals geschaffenen neuen Werte ein Mehrfaches des Gesamtbetrages der eingeganqenen Verschuldung aus machen"! In größerer Wahrhaftigkeit als damals spricht Parker Gilbert diesmal endlich auch über die Lage der deutschen Binnenwirtschaft. Er verweist darauf, daß das Ab sinken der Preise für landwirtschaft liche Erzeugnisse „von ernster Bedeutung für den Produzenten gewesen" seien, äußert sehr erhebliche Zweifel darüber, ob nach der schweren Winterkrise wirklich alle Produktions- und Gewerbezweige eine entsprechende Neu belebung erfahren haben, verweist im Hinblick auf den Umfang der Arbeitslosigkeit auch darauf, daß der teure Kredit, die Höhe der Zinssätze zu dem Ergebnis führten, häufig die Gründung von neuen Unternehmungen oder die Erweiterung schon bestehender hinauszüschieben. Auch die Schwierigkeiten auf dem Baumarkt werden dies mal nicht vergessen, vergessen auch nicht, vor welche Pro bleme die deutsche Wirtschaft durch den starken jährlichen Bevölkerungszuwachs, also das Hineindringen Hundert- tanse^der von neuen Arbeitskräften gestellt wird.. ROM lehnt die BemittlW ab Die Frage des Schiedsrichters im OstasienlooM. Deutschland oder Japan? In dem Konflikt zwischen Rußland und China spielt zurzeit die Frage, wer das Schiedsrichteraml zwischen den beiden streitenden Parteien übernehmen soll, eine Hauptrolle. Auf der einen Seite scheint sichIapan als der natürliche Vermittler zwischen China und Sowjet- rutzland zu betrachten, indem es glaubt, daß der Völker bund, wenn er die Vermittlung übernehmen sollte, ohne Japans Beistand nichts Wirksames tun könne. Anderer seits ist man in amtlichen amerikanischen Kreisen der Ansicht, daß Deutschland der Schiedsrichter sein müsse, da es zu beiden Mächten freundschaftliche Be ziehungen unterhalte. Amerika könne die Schiedsrichter rolle nur dann übernehmen, wenn es von allen Mächten dazu aufgefordert werde. Japan käme wegen seiner Interessen in der Mandschurei nicht in Frage. Die Nanking-Regierung hat an die Mächte eine gleichlautende Note gesandt, in der die Verantwortung für die Ereignisse in der Mandschurei Rußland zugeschoben wird. Die chinesische Regierung werde sich ganz der Erhaltung des Weltfriedens widmen. China werde nur alle legalen Mittel für feine Selbstverteidigung anwenden, da es ganz von dem Geiste des Kellogg-Vertrages erfüllt sei. Andererseits haben Nanking sowohl wie Mos- k a u Ausrufe an ihre Völker erlassen, ihre Länder zu verteidigen. Zuverlässige Nachrichten über irgendwelche offene Feind seligkeiten liegen noch nicht vor. Die Truppenzusammen ziehungen an der Grenze schreiten weiter fort, aber die Meldungen über größere militärische Zusammenstöße scheinen sehr übertrieben zu sein. Außer einigen Vor postenplänkeleien scheint es noch nirgends zu Zusammen stößen gekommen zu sein. Infolge der Perkehrsunterbrechung bei der ost chinesischen Bahn, die von China jetzt restlos durchgeführt worden zu sein scheint, lagern in Charbin bereits 8000 Tonnen Fracht. Weiter wird mitgeteilt, daß 500 Personenwagen und 1800 Güterwagen zurückgehalten worden sind. Der für Rußland außer ordentlich wichtige Ausfuhrhandel von Wladiwostok soll völlig zum Stillstand gekommen sein. Schon aus Grund dieser Andeutungen aus dem wie üblich sehr langen Bericht des Reparationsagenten kann man entnehmen, von welch einschneidender Wirkung für die gesamte Reparationspolitik es gewesen wäre, wenn Parker Gilbert in seinem Dezemberbericht nicht mit dem damals bewiesenen verhängnisvollen Optimismus ge arbeitet hätte. Hat sich doch die Entwicklung in der Art, wie er sie jetzt schildert, nicht erst in den letzten Monaten vollzogen, sondern schon damals, als er den Bericht ver faßte, waren die kreditpolitischen Spannungen außer ordentlich groß gewesen, hatte die Arbeitslosenziffer die erste Million schon weit hinter sich gelassen. Und angesichts dieses neuen Berichtes wirkt es mehr als grotesk, wenn Parker Gilbert darauf erklärt, daß dem Dawes-Plan ge mäß nun auch noch die Bestimmungen über den Wohl standsindex Platz greifen müssen, wenn der Young-Plan am 1. September 1929 nicht in Kraft tritt. Der Bericht selbst gibt auf ein derartiges Vorhaben schon die nötige Antwort. Das „Blaue Band des Ozeans" von der „Bremen" gewonnen. Oie „Mauretania" um acht Stunden geschlagen. Die „Bremen" ist Montag nachmittag um 3 Uhr 2 Mi- inrtcn amerikanischer Zeit s8 Uhr 02 mitteleuropäischer Zeit) am Ziele in Ncwyork cingctrosfen. Sic hat für ihre Fahrt von Cherbourg nach Newyvrk vier Tage und 18 Stunden gebraucht, den Schnelligkeitsrekord der „Mau retania" also um acht Stunden 17 Minuten geschlagen. Die Newyorker Montagszeitungen stellen Vergleiche mit früheren Rekordfahrten an, von dem Raddampfer „Savannah" an, der im Jahre 1819 26 Tage für die überfahrt brauchte, bis zum letzten Rekord der „Maure- ania" im Jahre 1928 mit fünf Tagen drei Stunden vier zehn Minuten. Das Postflugzeug, das sich an Bord der „Bremen" be fand, ist mit Hilfe der Katapultvorrichtung Montag mittag etwa 400 Kilometer von Newyork entfernt gestartet und um 1 Uhr M amerikanischer Zeit in Newyork gelandet. ROM besteht ms ErWmg des Mimms m China Kowno, 23. Juli. Wie aus Kvwno gemeldet wird, teilte am heutigen Montag das Außenkommissariat der Sowjetunion folgendes mit: Da sich die politische Lage im fernen Osten stark verschlechtert hat, hat der französische Außenminister Briand in Paris den sowjetrussischen Botschafter empfangen und ihm erklärt, daß Frankreich sich für eine Vermittlung in dem russisch-chinesi schen Streit zur Verfügung stelle. Gleichzeitig hat der französische Botschafter in Moskau, Herbette, dem stellvertretenden Außen kommissar die Vermittlung angeboten. Am 22. Juli teilte der Außenkommisfar der Sowjetunion Karachan mit, daß die Sowjet regierung der französischen Regierung sür ihre Mühe, den Streit beizulegen, danke, leider aber die Vermittlung ablehnen müsse. Jede Vermittlung in dieser Frage sei vollkommen zwecklos, solange die chinesischen Behörden die Beschlagnahme der chinesischen Ost bahn nicht aufgeben. Der Streit könne nur dann beigelegt werden, wenn die chinesische Regierung das russische Ultimatum vom 13. Juli erfüllte. Die Sowjetregierung werde jedoch im Interesse des Friedens keine kriegerischen Maßnahmen gegen China ergrei fen, da sie den Interessen des Weltfriedens dienen wolle. Kowno, 23. Juli. Wie aus Moskau gemeldet wird, teilt das Außenkommissariat der Sowjetunion mit, daß es weder mittel bar noch unmittelbar amerikanische Vorschläge zur Beilegung des russisch-chinesischen Streites erhalten habe. Der französische Schritt zur Beilegung des Streites sei nicht im Auftrage der amerikani schen Regierung erfolgt, sondern auf Initiative der französischen Regierung. EhimsAntMtanWashiWu London, 22. Juli. Die chinesische Regierung hat nach Washingtoner Meldungen auf die Anregung von Staatssekretär Stimson, daß der chinesisch-russische Streit schiedsgerichtlich ge regelt werden solle, günstig geantwortet. Der chinesische Gesandte in Washington stattete am Montag mittag dem Staatssekretär Stimson einen Besuch ab und übergab ihm die Antwort der Nan kingregierung. Ncwyorrs Bürgermeister Walker wird das Katapultslug zeug auf den Namen „Newyork" taufen. Wie groß das Interesse für die „Bremen" in Ncwyork ist, beweist die Tatsache, das; zur Besichtigung des deutschen Ozeanriesen mehr als 40 000 Karten ausgcgcben worden sind. Die Operation des Reichskanzlers. Politische Folgen. Die Anfänge der schweren Erkrankung des Reichs kanzlers Müller, die zu einer durchgreifenden Opera tion in Heidelberg durck Geheimrat Professor Dr. Enderle geführt haben, liegen schon einige Zeit zurück. Bekanntlich litt der Reichskanzler bereits seit einiger Zeit an einem schmerzhaften Gallen- und Leber leiden, das ihn zwang, das Bett zu hüten. Um eine Kur gegen die Erkrankung zu gebrauchen, hatte er sich nach Bad Mergentheim begeben, und die ersten Tage der Kur schienen einen durchaus günstigen Erfolg zu haben. Als der Reichskanzler aber einen akute» Anfall mit verstärkten Schmerzen bekam, hielt der behandelnde Arzt Dr. Haug in Mergent heim es für notwendig, auswärtige Fachleute hinzuzu ziehen. Er erkannte, daß eine sofortige Operation er folgen müsse, und wie es sich nachher herausstellte, war diese unbedingt erforderlich, um den Reichskanzler am Leben zu erhalten. In einem Eisenbahnkraftwagen, den die Reichsbahn direktion Stuttgart mit großer Beschleunigung zur Ver fügung gestellt hatte, wurde der Erkrankte nach Heidel berg geschafft. Die Operation dauerte 26 Minuten. Zu ihr wurde außer Professor Enderle, Dr. Klug und Geheimrat von Krehl auch Professor Hermann Zondck aus Berlin, der bekanntlich auch den Ncichs- außenminister behandelt, hinzugezogen. Der Befund er gab, daß eine eitrige Gallenblasenentzündung vorlag und daß bereits der Abzest in die Bauchhöhle durchgebrochen war. Nach der Operation sank die sehr hohe Fieber temperatur des Patienten und er fühlte sich stark er leichtert. Die darauffolgende Nacht verbrachte er in einem apathischen Schlummer. Die Gattin des Reichskanzlers ist nach der Operation in Heidelberg eingetroffen und weilt am Krankenlager ihres Mannes.