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MMufferTageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. AnzrivenPrri«: di« 8-efPattn»« N«»«)«i!e 2S«p^g., die 4gespLlr«»« Zeile der amtlichen Brka»Nt«och«»G«« 40N«tch«. Pfennig, di« Sgespaltene Neklamezeilr im textlichen Teile I Neichsmark. NachevrisnnLSsedichr 20 Aeich,Pfennige. VO«- geschriebeneLrscheinungL- tage und Plntznorfcheifte» werden nach MSglrchkeit Fernsprecher: Ami Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Myeigen- anvahmr bis oor».10Uhr. - --- ——— Für die SitchtiUkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehme« «tt keine Garantie. Jeder Nsdattanspr». ch erlischt, men« derBetrag durch „ , d » r Klage eingezoge» werden mutz oder der Auftraggeber in Konknr» gerüt. Anzeig«n nehmen alle DermitUnngssteken rntgeaen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- -nichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr 161 — 88 Jahrgang Telegr^idr „Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 13 Juli 1929 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, T°0eblatt» an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Anstellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postbestellung 2 AM. zuzüglich Abtrag- » » . gebühr. Einzelnummern 1««psg.AllePostanftalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Amaeaend Postboten und unsereAus- ttLger and Geschäftsstellen ' — — nehmen zu jeder Zeit Be- steLuugen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Bettredsstörun gen besteht kein Anspruch auf Lieferung Gehemmter Fortschritt. Immer langsam voran. — Etikettenfragen. — Frische Fische, gute Fische. Der geförderteRückschrttt, der gehemmte Fortschritt, mit diesen beiden Schlagworten kenn zeichnete der immer treffende Berliner Volkswitz zur Zeit des ewig schwankenden Friedrich Wilhelm IV. die beiden wundervollen Bronzefiguren, mit denen die Frontseite des königlichen Schlosses Unter den finden einst von Künstlerhand geschmückt wurde: zwei edle, sich wild aufbäumende, aber von kräftiger Männerhand fest am Zügel gehaltene Rosse, als ein Sinnbild jener Tage, da der Volkswille nach vorwärts drängte, die mißtrauische Obrigkeit aber ihn nicht recht gewähren lassen wollte. An dieses Witzwort wird man heute nur zu sehr erinnert, wenn man die Meldungen verfolgt, die den jeweiligen Stand der Bemühungen um eine möglichst rasche Liquidierung der Kriegsfolgen nach und ans Grund der von den Sachverständigen vorgeschlagenen Lösung der Reparationsfrage kennzeichnen. Zuerst schien es die französische Regierung im höchsten Grade eilig zu haben mit der notwendigen parlamentarischen und diploma tischen Erledigung der Aufgaben, die durch die Aufstel lung des Young-Planes entstanden waren; was wiederum die deutsche Regierung zu der Annahme veranlaßte, daß sie im Interesse der dringend erwünschten internationalen Verständigung die möglichste Beschleunigung aller Vor arbeiten für die in Aussicht genommene Zusammenkunft der beteiligten Regierungen betreiben müsse. Kaum aber hatte sie die ersten einleitenden Schritte nach dieser Richtung getan, da ergaben sich in Paris Bedenklichkeiten über Bedenklichkeiten, teils sachlicher, teils formaler Natur; und kaum waren die ersten Anzeichen davon nach London gedrungen, als auch die neue Regierung Macdonald ihre Stirn in Falten zog und nachdenklich zu werden begann: Müssen wir nicht erst die Dominions befragen, was wir tun oder lasten sollen? Müssen wir unsere Entschließun gen nicht abhängig machen von den Meinungen und Wünschen in Paris und in Brüssel? Wird es Deutsch land gefallen, wenn wir uns zu einseitiger Räumung der besetzten Gebiete bereit erklären, oder muß nicht gerade Berlin sehr viel daran gelegen sein, daß mit uns zugleich die Franzosen und die Belgier ihre Truppen von Rhein und Saar zurückziehen? * Dazu gesellten sich sehr bald gewichtige Etiketten fragen: Soll die Konferenz in London unter dem Vorsitz von Macdonald oder in Luzern oder Lausanne unter dem Vorsitz von Poincarö vor sich gehen? Soll man das Pro gramm für sie eng oder weit fasten, so daß nach seiner Erledigung gar keine westeuropäischen Fragen mehr übrigbleiben. Oder so, daß man nachher immer noch ineinander verstrickt bleibt und immer wieder zu neuen Besprechungen und Konferenzen bald hier, bald da, bald im Frühjahr, bald im Winter, wieder zusammen kommen muß? Die deutsche Regierung hatte vorgeschla gen, schon am 15. Juli in Berlin mit den technischen Kommissionssitzungen zu beginnen: Frische Fische, gute Fische. Aber da macht die Reparationskommission un seligen Angedenkens wieder einen Strich durch die Rech- nung: sie kann doch die Mitglieder für diese Kommissionen nicht ernennen, wenn nicht diese oder jene Vorfragen von den Regierungen zuvor geregelt sind. Also wird der Juli wohl noch mit ähnlichen welterschütternden Auseinander setzungen über mehr oder weniger formale Dinge vergehen und der Fortschritt, den Herr Stresemann nun gern endlich in Gang gebracht sehen wollte, wird sich nicht entwickeln können. Nein, die Diplomaten auf der Gegenseite haben es nicht so eilig, wie wir es glauben wollten; und wenn Herr Briand neuerdings etwas von den „Vereinig ten Staaten von Europa" zu lispeln anfängt, so will dieses Jonglieren mit verführerischen Zukunfts idealen praktisch wirklich nicht viel bedeuten. Abermals eine Ablenkung von wichtigeren Aufgaben, die im gegenwärtigen Augenblick ihrer Lösung harren, denen der französische Außenminister sich aber Wohl nicht sehr gewachsen fühlt. Vermutlich weiß er noch keinen Ausweg aus den Schwierigkeiten, die ihm durch den Kabinettswechsel in England plötzlich erwachsen sind, und will deshalb irgendwie Zeit gewinnen. * Gehemmter Fortschritt im Westen — geförderter Rückschritt im Osten. In Belgrad und Sofia mußten dieser Tage die diplomatischen Vertreter Englands und Frankreichs wieder einmal vorstellig werden wegen der unausgesetzt sich häufenden blutigen bulgarisch-serbischen Grenzzwischenfälle. Schon sind wir dort wieder so weit wie zur Zeit der letzten Balkankriege. Opfer fallen auf Opfer, als wenn sich im Bereich der mazedo nischen Kampfhähne nicht das mindeste geändert hätte seit der bulgarischen Niederlage von 1918. Und wenn das Unglück es will, kann schon heute oder morgen wieder ein regelrechter Waffengang losbrechen zwlschen diesen Nach barn, die zwar beide zur slawischen Volkerfannlre ge zählt werden, die aber trotzdem kern friedliches Aus kommen miteinander finden können. Zum Überfluß wird es auch an der Grenze zwischen Ungarn und der Tschechoslowakei immer kunck um cken Voung-PIan OerStreit um die Konferenzen Verzögerung durch französische Dickköpfigkeit. Zur Inkraftsetzung des Young-Planes bzw. zur Vorbereitung der übergangsmaßnahmen, die für die Überleitung vom Dawes-Plan zum Young-Plan erforder lich sind, ist bekanntlich eine Reihe von Konferenzen ge plant, über die zum Teil bereits Verhandlungen geführt werden. Den Stand der Verhandlungen kann man zur zeit wie folgt zusammenfassen. Geplant sind theoretisch drei Konferenzen: 1. eine Konferenz der Negierungen, die sich mit der Inkraftsetzung des Young-Plans und den politischen Folgen dieser Inkraftsetzung (Rheinlandräumung) be schäftigen soll; 2. eine Konferenz der Leiter der Noten banken, die sich mit der Frage des Statuts der Bank für internationale Zahlungen beschäftigen soll und die theoretisch gleichzeitig mit der Konferenz der Regierungen zur Inkraftsetzung des Young-Plans stattfinden sollte; 3. eine „Organisationskonferenz" zur Regelung der überleitungsfragen, die sich mit den Gesetz entwürfen für Anpassung der deutschen Gesetzgebung an den Young-Plan a) bei der Reichsbank, b) bei der Reichsbahn und o) bei den verpfändeten deutschen Ein kommen befassen soll. Die deutsche Regierung hatte vorgeschlagen, daß diese Konferenz am 15. Juli stattfinden sollte, und hat hierfür ihre Vertreter bereits ernannt. Das Reparations komitee in Paris hat jedoch bekanntlich die Ernennung der alliierten Vertreter nicht vollzogen, weil die englische Regierung den Young-Plan noch nicht angenommen hat. Die Verhandlungen über die Regierungskonferenz werden zurzeit ausschließlich zwischen London und Paris geführt, die sich jedoch weder in der Frage des Konferenzortes noch in der Frage des Programms für die Regierungskonferenz haben einigen können. Deutschland hat sich hingegen an der Frage des Konferenzortes als „nicht interessiert" erklärt. Die Verhandlungen, wann die Präsidenten der Notenbanken zusammentreten sollen, scheinen bisher überhaupt noch nicht ausgenommen worden zu sein, offen bar weil man diese Frage erst entscheiden soll, nachdem es feststeht, wann und wo die Konferenz der Regierungen stattfinden wird. Die Frage einer Einberufung des sogenannten Organisationskomitees ist zurzeit ins Stocken geraten, und zwar infolge der Erklärung der Reparations konferenz. Nachdem hat Herr von Hoesch noch einmal in Paris den Standpunkt der deutschen Regierung über mittelt, die der Ansicht ist, daß diese Konferenz unab hängig von der Konferenz der Regierungen bereits vorher zusammentreten müßte. Zurzeit dürften in dieser Angelegenheit Verhandlungen zwischen London und Paris schweben, die jedoch vor ver Entscheidung über die Regierungskonferenz kaum zu einem Ergebnis führen dürften. Es muß daher damit gerechnet werden, daß der Zusammentritt des Orga nisationskomitees sich bis in die ersten Augusttage ver zögern wird. Zusammcnsassend kann man somit seststellen, daß die Inkraftsetzung des Yo u n g - P l a n e s in der Hauptsache durch die englisch-französischen Differenzen verzögert wird, während die deutsche Regierung abwartet, bis diese Meinungsverschiedenheiten ausgetragen worden sind. Besatzung oder „Versöhnungskommission"? Zwischen dem Vorsitzenden der Deutschen Zentrums partei, Dr. Kaas, und dem Reichsminister sür die be setzten Gebiete, Dr. Wirth, hat in der Frage der so genannten „Feststellungs- und Versöhnungskommission" ein Briefwechsel stattaefunden. ungemütlicher; Verhaftungen hüben und drüben, Spio nagebeschuldigungen wechseln mit der Behauptung von Grenz- oder Hoheitsverletzungen, Noten werden aus- getauscht und allerhand Forderungen gestellt, und der Ton der beiderseitigen Prestefehden streift schon fast die Grenze, die in Friedenszeiten nicht überschritten werden darf, wenn nicht abermals unabsehbares Unheil entstehen soll. Die europäische Feuerwehr ist zwar im Augenblick ander wärts hinreichend beschäftigt, sie wird aber hoffentlich auf den Balkan doch mehr acht geben, als sie es früher, da das Donaureich noch dort auf der Wacht stand, für nötig hielt. Jedenfalls kann man aus diesen Vorgängen aufs neue die Lehre entnehmen, daß die Welt sich trotz der vielen Friedensverträge und Friedensgarantien, die eine übergeschäftige Diplomatie in den letzten zehn Jahren geschaffen hat, sich doch in ihrem eigentlichen Wesen recht wenig verändern will. Erst wenn es gelingt, den Fortschritt zu fördern und den Rück schrittzuhemmen, den vorhin angeführten Berliner Witz also in sein Gegenteil zu verkehren, wird die Mensch heit wirklich bessere Tage zu sehen bekommen. Dr. Sy. , Wie verlautet, stellt Kaas in seinem Briefwechsel ausdrücklich fest, daß die Annahme einer Feststellungs- und Versöhnungskommission für die Rheinlands durch Deutschland seiner Ansicht nach keinesfalls in Frage kommen kann. Er dürfte hierin mit dem Reichsminister für die be setzten Gebiete, Dr. Wirth, völlig einig gehen, der ebenso wie Dr. Kaas der Ansicht ist, daß man lieber die Besatzung bis zum Jahre 1935 im Rhcinlande belasten soll, als die Feststellungs- und Versöhnungskommission anzunehmcn. die nur eine Verschleierung der Verewigung der inter alliierten Militärkontrolle im Rhcinlande bedeuten würde. Rumänien ist unzufrieden. Die rumänische Regierung hat ihre Vertreter in Paris, London und Rom beauftragt, den dortigen Regie rungen eine Mitteilung zu überreichen, in der auf den rumänischen Standpunkt in der Reparationsfrage und auf die Unzufriedenheit hingewiesen wird, die durch die diesem Lande durch den Young-Plan zugewie senen Annuitäten hervorgerufen sei. Die rumänische Regierung bringt ferner den Alliierten zur Kenntnis, daß nach ihrer Ansicht nur eineeinzigepolitische Konferenz zu wünschen wäre, an der alle Staaten, die Gläubiger Deutschlands sind, teilnehmen würden. » Der Gläubiger als Schuldner. Der Young-Plan ein Erfolg für Frankreich? Vor der Französischen Kammer setzte Ministerpräsident Poincarö das Exposö über die Schuldenfrage fort. Er erwähnte die vergeblichen Bemühungen um Er langung einer Schutzklausel gegenüber Amerika und er klärte, Frankreich hätte seine Schuld loyal bezahlt, solange es Zahlungen Deutschlands erhallen hätte. Aber diese Lösung habe sich als unmöglich erwiesen. Ver geblich habe man in Washington Verhandlungen aufzu nehmen versucht. Die Regierung habe sich dann mit den anderen Staaten dahin verständigt, daß das Sach- verständigenkomitee einen Plan ausarbeiten solle, der eine tatsächliche Verbindung zwischen den Zahlungen der Schuldner und der Gläubiger herstellt. Frankreich habe kein Interesse daran, ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einzuleiten. Auf einen Zwischenruf über die Entwertung des Frank erwiderte Poincarö: Sie haben bei der Aufstellung der Bilanz der politischen Verantwortlichkeiten das lange Versagen Deutschlands vergessen. Der Young-Plan, so fuhr Poincarö fort, wird in Amerika als Erfolg für Frankreich betrachtet. Die Amerikaner sagen, daß wir ohne ihr Eingreifen in die Verhandlungen niemals von unserem Schuldner die festen und durchaus geschäftlichen Verpflichtungen erlangt hätten, die der Young-Plan auferlegt. Im weiteren Verlauf verweilte Poincarö besonders bei dem Bonar-Law-Plan und der Ruhrbesetzung, die, wie er unter lauten Zwischenrufen auf der Linken nochmals erklärte, dem Staate eineinhalb Mil liarden eingebracht habe. * Heute Unterzeichnung des Markabkommens? Brüssel, 12. Juli. Der Ministerrat nahm am Freitag mittag den Bericht des Außenministers über den Verlauf der Markverhandlungen entgegen. Lin amtlicher Bericht besagt, daß die Besprechungen sich dem Ende näherten. Man habe Grund zu der Annahme, daß die Vereinbarung am Sonnabend in Brüssel unterzeichnet werde. Ueber den Inhalt des Abkommens wird in dem Bericht nichts gesagt. Wie der Vertreter der Telegraphen-llnion aus gutunterrich teter Stelle erfährt, sind die Arbeiten der Sachverständigen am Freitag abend beendet worden. Man erwartet, daß das Abkom men nach der am Sonnabend erfolgenden Unterzeichnung gleich zeitig in Brüssel und Berlin veröffentlicht werden wird. Der bel gische Ministerral wird sich voraussichtlich am 14. Juli mit dem Abkommen befassen und nach dessen Prüfung die Ratifizierung vornehmen. Moskau dementiert Kowno, 12. Juli. Nach einer Meldung aus Moskau wer den die Nachrichten über die Besetzung der chinesischen Ostbahn durch rote Truppen und über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und China von amtlicher russischer Seite als nicht den Tatsachen entsprechend bezeichnet. Die Svw- jetregierung habe nicht die Absicht, Streitkräfte nach China zu ent senden. Sie stehe China freundlich gegenüber. Was die chinesische Ostbahn angehe, so sei die Svwjetregierung gegen jede Aenderung des Vertrages vom Jahre 1924. Die Sowjetregierung habe China das Recht eingeräumt, Polizei und Truppen zum Schutze der Bahnlinie heranzuziehen, bestehe jedoch aus Einhaltung der ur sprünglichen Vereinbarungen.