Volltext Seite (XML)
MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Freitag, den 12 Juli 1929 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Nr. 160 — 88 Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. An,ki,enprei«: dir » ,rspalt«n« Nallm-kU- 2V Rpsg.. die « grspalt-n- Zeile der amtlichen Bek°nntmac^m,e»« «eich», pf-nni,, die Zgeipallene ReklamezeUe im textlichen Teil« 1 Rcichamard. MachM-ijungso-büdr 2V KelchLpfennt,«. »«. gefldricbeneErlcheinnn,»« , . . er ew s und Plat.orsiVMoi werden nach Möslichdei, Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 d<^siÄ„s.. «>^-i,«. annabmebis norm.I»Ube. — — Für d,e R,chti,LeiI der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabatransprl.cb erlischt, wenn derBetrng durch ^lage eingezogen werden mutz oderderAuftraggeberinKoukurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellenentgeaeu. Das „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in drr BcschLflsftrlle und den Ausgabestellen 2 RM. im Manat, bei Zustellung durch die Boten 2,3V AW., bei Postbcstellung 2 «M. zuzüglich Abtrag. ... „ gebühr. Einzelnummern rs«pfg. All-Po,lanstoUen Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Poftd°tcnundun,-rcAus. «rtgernndEeschäfisstcilen ! - nehmen zu ,eder Zeil Be ¬ stellungen entgegen. JmFallr höherer Gewalt, Krieg od« sonstiger Betriebsstörungen besteh! dein Anspruch auf Lieferung d« Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Siücksendnng eingesandter Schriststücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Bomben. Es hat wieder einmal an einem fchleswigschen Landratsamt „gekracht". Zum siebentenmal ist ein An» schlag auf eine Amtsperson erfolgt und wieder sucht man nicht bloß nach den Attentätern — bisher hat man bei den anderen Anschlägen diese Attentäter niemals fest stellen können, sondern auch diesmal kommt irgendwelche Persönliche, gegen den Betroffenen als Privatperson ge richtete Veranlassung in Frage — vermutet man vielmehr wieder politische Gründe. Vermutet man — aber man hat doch keinen Beweis dafür. Und ehe man einen solchen nicht wirklich erbringen kann, sollte man mit den schnell fertigen Beschuldigungen gegen bestimmte Parteien als „Urheber" dieser Attentate zurückhalten. Befindet sich doch unter diesen Anschlägen auch ein solcher auf eine ganz unpolitische Persönlichkeit, nämlich einen Schulrat. Andererseits hat sich die politische Situation in Schleswig-Holstein aus wirtschaftspolitischen Gründen in übelster Weise zugespitzt; man braucht ja nur — als Illustration dafür — an die Vorgänge zu erinnern, die nachher zu zahlreichen „Bauernprozessen" geführt haben, freilich auch, wie in Husum, zu „politischen" Prozessen, weil es bei Demonstrationen der Parteien nicht bloß zu Zusammenstößen auf der Straße und in Versammlungs lokalen kam, sondern auch zu schweren Angriffen auf die Behörden, denen Verständnislosigkeit, ja feindliches Ver halten gegenüber der sich in schwerer Notlage befindenden Landwirtschaft vorgeworfen wurde. Parteipolitische Gegensätze spielten hierbei auch mit, parteipolitische Agitation verschärfte noch manches, sollte auch verschärfend wirken, und wenn durch nicht minder scharfe behördliche oder gerichtliche Maßnahmen das Feuer äußerlich ge dämpft wurde, so glomm es unter der Asche fort, schlug manchmal wieder hoch, war nicht — und konnte es auch nicht — völlig zum Erlöschen zu bringen, weil die wirt - schaftliche Not der Bauern ein das gesamte Deutschland tief überschattendes Problem ist, dem eben nicht schnell und leicht beizukommen ist. Und wenn die Anschläge wirklich politischen oder vielmehr parteipolitischen Ursprungs sein sollten, so sind sie nicht bloß verbrecherisch, weil dadurch sogar des Leben gänzlich Unbeteiligter und Unschuldiger gefährdet wird, sondern sie sind auch — was, politisch gesehen, schlimmer ist — große Dummheiten; denn dann würden sie der Sache der Landwirtschaft in den Augen der nichttandwirt- fchaftlichen Bevölkerung, die derartige politische Kampf methoden ablehnt, ganz ungeheur schaden. Aber auf die Zustimmung und das Verständnis dieses, des zahlen mäßig größeren Teiles der Bevölkerung sind die. Jnter- essenvertreter der Landwirtschaft politisch unbedingt an gewiesen. Das weiß man dort auch und mißbilligt es aufs schärfste, wenn solche Anschläge erfolgen, die dem Kampf der Landwirtschaft schaden müssen, da diese — leider — nun einmal vielfach mit dafür verantwortlich gemacht wird. Mißbilligt es um so stärker, als derartiges die poli tischen Auswirkungen der immer einheitlicher und fester werdenden wirtschaftlichen „B a u e rn fr o n 1" hemmen muß. Übrigens ist diese „Bauernfront" durchaus nicht nur wirtschaftlich, sondern viel mehr noch wirtschafts politisch zu verstehen, wie eine Erklärung des Reichsland bundes als des Hauptträgers dieser organisatorischen Zu sammenschlußbewegung in der deutschen Landwirtschaft des längeren ausführt. Man will „angesichts der poli tischen und wirtschaftlichen Gegensätze eine planmäßige und einheitliche berufs ständische Willensbildung des Landvolkes" herbeiführen, um ihm im heutigen Wirt- fchafts- und Verfassungssystem „Pie gebührende Geltung zu verschaffen". Hierfür verspricht man sich in und durch Parlamentsparteien aber nichts oder nur dann, wenn die außerparlamentarische „Bauernfront" durch ihre Ge- schlosseuheit einen entsprechenden Druck auf die Parteien und die öffentliche Meinung ausübt. Schon dadurch sei, wenn auch nicht alles, was das Landvolk fordere, aber doch so manches erreicht worden, aber eben auch nur durch diesen Druck. „.Man will aber auch hier keinen einseitig wirtschasts- polrttschen Machtkampf eines Berufsstandes, sondern in der Erklärung des Reichslandbundes über die Aufgaben der »„^""ernfront" wird die Notwendigkeit stark betont, »die öffentliche Meinung mit allen sich bietenden Mitteln aufzuklaren und die anderen Berufsstände und Wirt schaftsgruppen nachdrücklich von der Verbundenheit ihres eigenen Wohlergehens mit dem Gedeihen der heimischen Landwirtschaft zu überzeugen." Also ein wirtschaftspolitischer Kampf um die eigene Existenz unter Benutzung von durchaus friedlichen, aber modernen Kampfmitteln. Hiergegen kann niemand etwas einwenden. So etwas verlangt das heutige Wirtschafts leben, das ja immer ein Kampf bleiben wird, in dem nui sich durchsetzen kann, wer die Ellenbogen rührt. Abnahme der Arbeitslosigkeit. Berlin. Nach den endgültigen Berichten der Landes arbeitsämter betrug die Zahl der Hauptunterstützungs- empfänger in der Arbeitslosenversicherung am 30. Juni rund 723 000, also etwa 23 000 oder 3 Prozent weniger als Mitte Juni. Die Hauptunterstützungsempsänger in der Krisen unterstützung haben ihren Stand vom 15. ^uni ungefähr ge halten. poincare vor Ser Kammer Der Young-Plan und die Zahlungen Deutschlands. Bei vollbesetztem Hause wiederholte in der französi schen Kammer Poincarö nochmals alle die Aus führungen, die er im Laufe der letzten Zeit vor dem Auswärtigen Ausschuß und dem Finanzausschuß des Parlaments gemacht hatte. Sofort nach Eröffnung der Sitzung erteilte der Präsident dem Ministerpräsidenten das Wort. PoincarS wies zunächst auf den engen Zusammen hang zwischen den interalliierten Schulden und dem Young-Plan hin. Er warnte vor der Nichtratifizierung, die die ehemaligen Verbündeten Frankreichs auf schärfste verurteilen würden. Falls die Kammer nicht das Vertrauen habe, daß die gegenwärtige Regierung die kommenden Verhandlungen gut führen werde, sollte sie der Regierung ihr Vertrauen entziehen. Seine Aufgabe sei klar. Obgleich es ihm schwer falle, müsse er, den ehemaligen Frontkämpfern gegenüber, die die Fragen nicht klar erkennen, die Stimme der Ver nunft walten lassen. Die Schulden an Amerika seien anerkannt und seien im voraus ratifiziert. Heute gelte es nur noch, die Abmachungen zu ratifizieren. Man könne es bedauern, daß eine Vorbehaltsklausel fehle, doch könne man dies nicht mehr ändern. Frankreich be finde sich dabei in der gleichen Lage wie die übrigen Verbündeten. Die Negierung habe durchaus nicht die Absicht, die Vorbehalte völlig preiszugeben. Wenn sie sie aber in das Gesetz selbst ausgenommen hätte, würde die Ratifizierung von Amerika abgelehnt werden. Wenn der Young-Plan in Kraft trete, würden die Zahlungen Deutschlands durch Vermittlung der inter nationalen Bank direkt an Amerika erfolgen. Außer ordentliche Erregung bemächtigte sich des ganzen Hauses, als Poincare die Kammer fragte, „ob sie sich die Folgen einer eventuellen Ablehnung überlegt hätte Werde Deutsch land nicht sofort etwa folgendes erwidern: Er hat von uns Deutschen eine Verpflichtung über 62 Fahre im Young-Plan verlangt und sie mit der französischen Ver pflichtung, an die Vereinigten Staaten gleichfalls 62 Jahre zahlen zu müssen, begründet. Wenn er das Ab kommen mit Amerika nicht ratifiziert, dann liegt für uns Deutsche keinerlei Veranlassung vor, uns allein euch gegen über für 62 Jahre zu binden." Das würde für Deutsch land eine völlig neue Lage ergeben, und der Young-Plan wäre gefährdet. Poincarö führt sodann des weiteren aus, daß die Vereinigten Staaten und England bereits seit längerer Zeit der französischen Regierung mitgeteilt hätten, daß sie niemals einer bedingten Ratifizierung mit Vorbe halten zustimmen würden. Wenn die Kammer die jetzige Jie deM-belMen Verhandlungen in der MMage abgeschlossen? Brüssel, 11. Juli. Wie „Vingtieme Siecle" berichtet, haben die deutsch-belgischen Verhandlungen in der Markfrage am Donnerstag abend praktisch zu einem Abschluß geführt. Die for melle Unterzeichnung des Abkommens werde am Freitag erfolgen. Es seien nur noch einige Fragen zu regeln übrig geblieben, die sich auf die Liquidation des beschlagnahmten deutschen Eigentums bezögen. Die belgischen Unterhändler in diesen Fragen würden am Frestag aus Berlin zurückerwartet. * Paris, 11. Juli. Wie der Brüsseler Korrespondent des „Temps" berichtet, hat die belgische Regierung in den deutsch belgischen Verhandlungen 15 Iahreszahlungen zu 35 Millionen gefordert, d. h. eine Summe, die 25 Iahreszahlungen zu 25 Milli onen Mark entsprechen würde. Eine Bestätigung dieser Nachricht kann der Brüsseler Korrespondent des „Temps" allerdings nicht beibringen. RlluMensMdttuugenWcnMlitt zum WuMm. Bukarest, 12. Juli. Die rumänische Regierung hat in Paris, London und Rom eine Denkschrift überreichen lassen, die die Forderungen Rumäniens sür den Beitritt zum Houngplan enthält. Rumänien verlangt, daß die Iahreszahlungen, die ihm aus dem Youngplan zukommen, die Summen decken, die es für seine Kriegsschulden zu zahlen hat. Die Rumänien zukommen den Wiedergutmachungen müßten gesichert werden, weil Rumä nien sonst gezwungen sei, die in Deutschland gemachten Tributbe stellungen einzustellen. Die österreichischen, ungarischen und bul- Ncgierüng stürzen sollte, so wäre nichts gewonnen. Man dürfe niemals die Erfüllung internationaler Verträge von innerpolitischen Verhältnissen abhängig machen. Poincarö erinnert dann daran, daß sich die finanziellen Beziehungen zu Amerika im Juni 1918 so schwierig gestaltet hätten, daß es einer persönlichen Bitte Elemeneeaus bedurft hätte, eine weitere Anleihe in Höhe von 200 Millionen Dollar zu erhalten. Stück für Stück habe man dem amerikanischen Schatzamt die Mittel entreißen müssen, um den Krieg fortzusctzen. Auf einen Einwurf Marins erklärt Poincarö, daß Amerika stets den Standpunkt vertreten höbe, daß es nicht einen Pfennig seiner Forderung preisgebe, und daß es nur in der Frage der Zinsen nachzugcben bereit wäre. Im übrigen sei der Versailler Friedens vertrag, obgleich Marin und der Sozialist Auriol gegen ihn gestimmt hätten, heute eine Tatsache, mit der man rechnen müsse. Auriol unterbricht Poincarö und erinnert an die Umstände, unter denen die Sozialistische Partei den Versailler Friedensvertrag bekämpfe. Die Interessen Frankreichs wären besser gewahrt worden, wenn man nicht das linke Rheinufer für Frankreich verlangt hätte. Poincarö erwidert, daß keine französische Regierung das linke Rheinufer gefordert hätte. Er wird hierin von F r a n kl i n - B v u i l l o n unterstützt, der feststellt, daß der Kammerausschuß für Auswärtige Angelegenheiten während der Versailler Friedensver handlungen einstimmig erklärt habe, daß Frankreich jede Idee einer Annexion ablehne. Der Ministerpräsident trat nach allen diesen Aus führungen für die glatte Ratifizierung ein und ging dann noch auf die Schuldcnverhandlungen mit den Vereinigten Staaten ein. — Die Sitzung wurde darauf unterbrochen. * Krankreichs Konferenzvertreier. Paris. Die französische Regierung hat die Mitglieder ihrer Delegation für die bevorstehende internationale Kon ferenz offiziell ernannt. Es find Ministerpräsident Poincars, Außenminister Briand und Finanzminister Chäron. Außer- dem gehören der Delegation noch an der Gouverneur der Bank von Frankreich, Moreau, und der Generalsekretär des Auswärtigen Amtes, Berthelot. Beschleunigung der Aussprache über die Ratisizierungsfragc. Paris. Der Ältestenrat der Kammer hat beschlossen, den Vorschlag zu machen, die Aussprache über die Ratifizierung der Schuldenabkommen von Dienstag kommender Woche ab in einer Vormittag,s-, Nachmittags- und Abendsitzung sortzu- setzen, nm den Abschluß der Debatte zu beschleunigen.. garischcn Tributzahlungen müßten die Summen decken, die den Anteil Rumäniens an den österreichischen und ungarischen Vor kriegsschulden ausmachten. Die Eisenbahner beim Reichsverkehrsminister. Besprechung über den Young-Plan. Auf Grund der Forderungen der im Deutschen Beamtenbund vereinigten Eisenbahnerorganisationen empfing der Reichsverkehrsminister Dr. Stegerwald die Vertreter sämtlicher Eisenbahnerorganisationen zu einer Aussprache über die mit dem Young-Plan zusammenhängenden Fragen. Der Minister wies darauf hin, daß verschiedenartige Wünsche an ihn herangetragen worden seien, und daß er Ge legenheit nehmen werde, in mündlicher Aussprache die Dinge zu klären. Die Vertreter des Freigewerkschaftlichen Einheitsverbandes und der Gewerkschaft Deut scher Lokomotivführer gingen davon aus, daß am Young-Plan kaum etwas geändert werden könne, und be schränkten sich daraus, ihre schriftlich überreichten Abände rungsvorschläge zu den einzelnen Paragraphen des bestehen den Reichsbahngesetzes ihrem Inhalt nach zu begründen. Sie fordern insbesondere die Regelung von Rechts- und Dienst verhältnissen der Reichsbahnbeamtenschaft durch eine von der Verwaltung mit dem Personal zu vereinbarende Personal- ordn.una (Tarifvertrag). Im Gegensatz zu dieser Haltung blieben die Eisen bahnerorganisation des Deutschen Beamten- bundes und der Allgemeine Eisenbahnerver- band (Hirsch-Duncker) bei ihrer grundsätzlichen Forderung auf Rücküberführung oer Reichsbahn und des Reichsbahn- versonals an das Reich und ans selbständige Unterstellung der Rcichsbahnbeamtenfchasl unter die Reichsbcamtcngesetze. Die Regelung von Beamtenrecytsvcrhällnissen etwa durch tarifver tragliche Vereinbarung wurde entschieden abgelehnt. Ge fordert wurde von ihnen die Beseitigung der zurzeit geltenden Reichsbahngesetze, und eine vollständige Neuregelung durm eine dem Deutschen Hoheitsrccht über die Reichsbahn voll Rechnung tragende innerdeutsche Gesetzgebung. Der Minister erklärte sich bereit, mit den Oraamsattoner auch in Zukunft eine enge Fühlungnahme aufrechtzucrhalten