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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Anstellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung 2 AM. zuzüglich Abtrag. gebühr. Einzelnummern IbBpfg. Alle Postanstalten 2Bl)cheNvlür1 für u. Postboten und unscreAus. träger und Geschäftsstellen ' -—- nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. ImFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betrredsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Stücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. für Bürgertum/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anzci,-»preis: die 8 oespaltexe «aumjtil- 20 «psg., die «gespalleue Zeile der awtlichcn Dedannlmachun,en 40 «eich», pfeuni», die 3gespalle»e Reklamezelle im lextlichen TeUc I Reichsmark. NachweijungsgedLhi 20 Reich»pse»aige. B»r- geschri-de-eErichci-Nn,», — ", " Ia,e und Platzporlchristea --erden nach Mö,lichkeil Kernsvrecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 derücksichti,!. annadme bi» lwrm.ldUdr. - — Mr die Richtigkeit der durch Fernrus üdermitlelteuAn,eigen adernehmen wir keine Garantie. AederRabatiansprpch erliicht. wenn derRetr.« durch Klage e.n,-zogen werden muß °derder«nItrag,eberin«onkur»,erLt. Rn,«i,«unehmen all-Dcrmit»u-,»ft»N-n«nt,earn. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nosien behördlicherseits bestimmte Blatt. Freitag, den 21 Juni 192S Rr. 142 — 88 Jahrgang Telegr.-AdL: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Or. Stresemann in Berlin. Vortrag im Reichskabinett. Neichsaußenminister Dr. Stresemann ist am Donners- U abend in Berlin eingetroffen. Für Freitag war ein Yvmettsrat geplant, in dem Dr. Stresemann den Mit- federn des Reichskabinetts über die Tagung in Madrid Hauber seine Besprechung mit Briand und Poincaro ^Ncht erstatten sollte. Steuern! Steuern! „Laßt alle Hoffnung fahren, ihr, die ihr hier eintretet/ setzt Dante in seiner „Göttlichen Komödie" als Aufschrift über die Tür zur Hölle. Laßt alle Hoffnung fahren, ihr, die ihr geglaubt habt, daß es im kommenden Herbst oder Winter zu einer Steuersenkung komnkn würde, weil ja durch die Annahme des Young-Planes eine Herabsetzung der diesjährigen deutschen Zahlungsverpflichtungen um etwa 450 bis 500 Millionen erfolgen soll. Wie ein Rauh reif in der Frühlingsnacht legte sich auf diese schüchtern keimende Hoffnung die Rede des Reichsfinanzministers, der sich zwar „grundsätzlich" für eine Steuersenkung aus sprach, aber eben nur „grundsätzlich" und auch frühestens für das nächste Jahr. Deutsche Finanzminister pflegen aber derartige „Grundsätze" sehr bald zu vergessen und das dauert keineswegs ein Jahr. Und so bleibt es ein frommer Wunsch, wenn im Reichstag der Volksparteiler Dr. Cremer fordert, daß die Herabsetzung der deutschen Zahlungsverpflichtungen durch die Pariser Verhandlungen sich auch in einer Steuer senkung ausdrücken müßte. Gerade im Gegenteil spricht man nicht bloß von einer Steuerreform — entsprechende Gesetzentwürfe liegen übrigens schon seit vielen Monaten vor, — sondern ganz ungeniert auch von Steuerhöhungen. Wobei man gleich einschalten muß, daß ja der Deutsche aus langer Erfahrung die Gewißheit hat: Steuer reform bedeutet ja auch immer Steuer e r h ö h u n g. Denn ein deutscher Reichssinanzminister von heute ist viel leicht mit einer Andersgruppierung der Steuern, aber nie mals mit einer Herabsetzung der Gesamteinkünfte aus ihnen einverstanden. Das ist der erste und oberste Grundsatz, den jeder Reichsfinanzminister hat. Und an dem hält er mit einer ebenso eisernen wie für den Steuer zahler unerfreulichen Zähigkeit fest. * Merkwürdigerweise macht man im Reichstag immer noch den von der Wissenschaft und von der Praris längst als irreführend erkannten Unterschied zwischen Besitz- und Massensteuern. Eine hohe Gewerbesteuer z. B., also eine unzweideutige Besitzsteuer, wirkt sich einfach als Massen steuer aus, weil sie auf den Preis des gewerblichen Erzeug nisses draufgeschlagen, d. h. vom Konsumenten getragen wird. Ob abwälzbar oder nicht — darauf kommt es an. Und darum führt auch eine allzu hohe Belastung z. B. auch des Kapitalbesitzes einfach zur Auswanderung des Kapitals in osfener oder versteckter Form. Natürlich übrigens auch zur weitestmöglichen Steuerhinterziehung. Man hat als Heil- und Hilfsmittel dagegen die Aus legung von Steuerlisten gefordert, damit jeder sozusagen vom lieben Nachbar daraufhin kontrolliert werden kann, ob nicht etwa ein großer Lebensaufwand in allzu merkwürdigem Gegensatz zu außerordentlich „zurück haltenden" Steuererklärungen über die Höhe des Ein kommens steht. Ein derartiger'Vorschlag — er wurde jetzt auch im Reichstag wieder gemacht und verdichtete sich zu dem Antrag an die Reichsregierung, sie solle einmal eine Denk schrift darüber vorlegen, welche Erfahrungen andere Länder mit dieser Auflegung der Steuerlisten gemacht haben — hat natürlich manches für sich, aber auch insofern manches Bedenkliche, als das bisherige „Steuergeheimnis" zu verletzen oder verletzen zu lassen nach Ansicht Weiter- Kreise mitunter eine schwere geschäftliche Schädigung be deuten kann. * Als Gegenmaßnahme fordern wirtschaftliche Kreise für die breitere Öffentlichkeit auch mehr Einsicht in das Finanzgebaren, vor allem in das der Kom munen, also in die städtischen Etats. Ein besonderer Teil vor allem der städtischen Einnahmen, darüber hinaus aber auch im Reich und in den Ländern, soll ja jetzt, wie der Reichstag es wünscht, einmal gründlich in bezug auf seine Wirtschaftlichkeit überprüft werden, nämlich sämtliche Be triebe der „öffentlichen Hand". Die Absicht, bei ihnen die steuerliche Bevorzugung zu beseitigen und sie dieselbe Steuerlast tragen zu lassen wie die Privatbetriebe, hat entschieden parlamentarisch an Boden gewonnen und man rechnet hierbei auf neue Steuereinkünfte von mindestens LOO Millionen. Aber diese Sache hat nicht bloß ihre zwei, sondern noch bedeutend mehr Seiten, und nicht die letzte dabei ist die, daß sich diese steuerliche Vollbelastung der Betriebe auswirken würde zu einer Abwälzung auf den Massenkonsum für Gas. Wasser, Verkehrs mittel usw. Die steuerlichen Lasten, die heute auf den Schultern des deutschen Volkes ruhen, sind dreimal so groß wie vor dem Kriege; weit größere Teile des Volkseinkommens wandern den Weg in die Steuerkassen als damals. Daher kann es zu einer Steuersenkung auch nur kommen, wenn die Ausgaben von Reich, Ländern und Gemeinden Her- Untergedrückt werden, „Vater Staat" sich also zu einer Möglichst weitgehenden Ersparnispolftik entschließt. Müll Streit m RegieiMgslM Getreidemonopol und Arbeitslosenversicherung. Innerhalb der Regierungskoalition im Reiche ist eine neue starke Meinungsverschiedenheit aufgetaucht, die, wenn man den Meinungsäußerungen verschiedener führender Koalitionsblätter Glauben schenken darf, den Bestand der Großen Koalition aufs neue bedrohen soll. Es handelt sich hierbei um Pläne zur Einführung eines Ge treidemonopols für Roggen und für Weizen, das eine Neuregelung der Getreidewirtschaft vorsieht. über dieses Monopolgesetz finden seit einiger Zeit Beratungen in einem eigens hierfür gebildeten Sachverständigenans schuß statt, der unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagt. Den Beratungen des Ausschusses liegt ein Entwurf des sozial demokratischen Agrartheoretikers Dr. Baade zugrunde und nach in die Öffentlichkeit gedrungenen Nachrichten sollen sich besonders die sozialdemokratischen wie die deutsch nationalen Vertreter des Ausschusses über ein Monopol gesetz geeinigt haben. Allerdings ist der Ausschuß nich! entsprechend der Fraktionsstärke der Reichstagsparteien zu sammengesetzt, so daß es im Plenum noch Überraschungen geben könnte. Ein Teil der Regicrungspresse weist daraus hin, daß der um das Monopolgesetz entbrannte Wirtschafts politische Streit noch bedenkliche Folgen nach sich ziehen könnte, nnd man spricht auch davon, daß der Beschluß auf Einführung des Getreidemonopols innerhalb der Regie rungskoalition wie eine Sprengbombe wirken könne. Der Neichsernährungsminister Dr. Dietrich soll unter keinen Umständen bereit sein, im Kabinett einen Regie rungsentwurf auf Einführung des Getreidemonopols zu empfehlen. Daneben scheint noch immer die Frage der Reform der Arbeitslosenversicherung nicht geklärt, die das Reichs kabinett gern erst im Spätherbst geregelt hätte. Der dies bezügliche Beschluß des Reichskabinetts hat bei den ver schiedenen Koalitionsparteien wenig Gegenliebe gefunden. So halten es die Demokraten für unbedingt erforderlich, daß die Abstellung der Mißstände bei dem Arbeitslosen gesetz und die Regelung der Saisonarbeiterfürsorge noch vor dem Auseinandergehen des Reichstages vorgenommen werden. Die Neichstagsfraktion der Deutschen Polkspartei hat einen längeren Antrag zur Reform der Arbeitslosen versicherung eingebracht, dessen Grundideen dahin gehen, daß alle die aus der Versicherungspflicht ausscheiden sollen, bei denen von einem regelmäßigen ständigen Arbeitsverhältnis nicht gesprochen werden kann oder bei denen die Kontrolle des Äeschäftigungsverhältnisses un möglich ist. Eine volle Unterstützung soll nur der Ver sicherte erhalten, der mindestens 52 Beitragswochen nach weist, für weniger Beitragswochen sollen die Unter- stützungsbeträge entsprechend gekürzt werden. Dieser Vorschlag der Deutschen Volkspartei hat das Zentrum und die Bayerische Volkspartei veranlaßt, gemeinsam einen Brief an den Reichskanzler zu richten, in dem an die Vereinbarungen erinnert wird, die bei der Bildung des neuen Kabinetts getroffen worden sind und die dahin lauten, daß wichtigere Anträge nicht ohne Zustimmung der anderen Parteien eingebracht werden sollen. Das Zentrum sieht in dem volksparteilichen Antrag einen Vor stoß gegen diese Abmachung. Zum Schluß beantragt das Zentrum im Einverneh men mit der Bayerischen Volkspartei, „unverzüglich eine Besprechung der Fraktionsführer unter Zuziehung der sozialpolitischen Sachverständigen der Fraktionen einzu berufen, mit dem Ziel, den Weg zu einem gemeinsamen Vorgehen der Regierungsparteien in der Arbeitslosen versicherungsfrage noch vor der Sommerpause des Reichstages zu finden". Man steht, daß die Reichsregierung noch manche harte Nuß zu knacken hat, bevor ihr die sommerliche Er holung vergönnt sein wird. Ser neue Reichstredit abgeschloffen. 50 Millionen Dollar für ein halbes Jahr. Der Abschluß der 50-Millionen-Dollar-Anleihe für das Reich wird nunmehr von interessierter Bankseite bestätigt. Der Vertragspartner der drei deutschen Banken — das Reich tritt bekanntlich nicht direkt als Anleihenehmer aus — ist eines der größten amerikanischen Bankhäuser. Die Laufzeit des Kredits, die ursprünglich sechs Monate betragen sollte, dürfte etwas darüber hin ausgehen mit Rücksicht daraus, daß sonst der Rückzahlungs termin mit dem Jahresultimo zusammengefallen wäre, wodurch sich für den Geldmarkt eine erhebliche Belastung ergeben hätte. Nähere Mitteilungen sind in Kürze zu er warten. Ueber die Unterredung zwischen dem deutschen Außen- I Minister und Poincare und Briand teilt das französische i Nachrichtenburean Havas offiziell folgendes mit: Die Unterredung bezog sich im wesentlichen auf den Bericht der Sachverständigen. Die französischen Minister haben dem Vertreter Deutschlands erklärt, das? die fran zösische Regierung, nachdem sie bereits als erste vor Hehaltlos die Empfehlungen der Sachverständigen gc billigt hat, deren Inkraftsetzung zu beschleunigen gedenke, um möglichst früh die vollständige und endgültige Re gelung des Neparationsproblems sicherzustellen. Es scheint eine grundsätzliche Verständigung über das zm Erreichung dieses Zieles einzuschlagende Verfahren her beigeführt worden zu sein. Eine Konferenz, auf der die Regierungen Englands, Dcutschlans, Belgiens, Frank reichS, Italiens und Japans vertreten sein würden, dürfte zufammentreten, und zwar in einem neutralen Lande, etwa in der Schweiz, und. wenn möglich, in der zweiten Hälfte des Monats Juli. Sobald Dr. Stresemann mit seinen Ministerkollegen Fühlung genommen hat, dürften die Minister für auswärtige Angelegenheiten Frankreichs und Deutschlands gleichzeitig den übrigen interessierten Mächten einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. ES ist wahrscheinlich, daß Frankreich auf dieser Konferenz durch Poincare nnd Briand vertreten sein wird. Im BayerischenLandtag nahm der bayerische Finanzminister Dr. Schmelzte das Wort zur Reparations frage. Er erklärte hierbei, daß das Pariser Ergebnis weit hinter dem zurückbleibe, was das deutsche Volk, der deutsche Staat, die Wirtschaft und die Kultur an Er leichterungen von einer dauernden Lösung der Re parationsfrage erwarten mußten. Das Ergebnis dürfte nur als eine Etappe auf dem Leidensweg des deutschen Volkes zu werten sein. Diese Etappe bedeute immerhin eine Erleichterung von zunächst einmal 900 Millionen Mark für den Reichshaushalt. Oie Industrie zum landwirischasilichen Noiprogramm. Die Stellungnahme zum Young-Plan vertagt. In der Vorstandssitzung des R e i ch s v e r b a n d e s derdeutschenJndustrie wurde eine Entschließung über den Young-Plan angenommen. In Übereinstim mung mit den deutschen Sachverständigen ist der Reichs verband der Ansicht, daß der Young-Plan dem deutschen Volke für eine lange Reihe von Jahren Lasten aufbürdet, die über die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hinausaeüen. Wie aus dem Pariser Gutachten hervorgeht, hat das Sachverständigenkomitee sich wesentlich von poli tischen Gesichtspunkten leiten lassen. Aus diesem Grunde behält sich der Reichsverband seine endgültige Stellungnahme bis zur Entscheidung der berufenen poli tischen Instanzen über Annahme öder Ablehnung des Planes vor. Ferner hat der Reichsverband zu dem Notpro gramm der Landwirtschaft Stellung genommen. Er hält zur Abwehr von Krisenzufällen in der Land wirtschaft eine baldige ausreichende Zollerhöhung für Getreide für unentbehrlich. Auch der Anglei chung der Viehzölle an die Fleischzölle ist zuzu stimmen. Höhere Übergangszölle für Molkereier zeugnisse könnten nach industrieller Auffassung nur insoweit in Betracht kommen, daß sie unsere Handels beziehungen zu den bisherigen Einfuhrländern nicht ernst lich gefährden. Sollte durch die Zollerhöhung eine Ver te u e r u n g der Lebenshaltung eintreten, so müßte dieses Opfer bei der Größe des Ziels von allen Bevölkerungs- "reisen hingenommen werden. Hindenburg in alter Arische. Haltlose Gerüchte über seinen Gesundheitszustand. über den Gesundheitszustand des Reichspräsi denten, der sich zurzeit auf Gut Neu deck in Ost preußen aufhält, waren in den letzten Tagen beunruhigende Nachrichten verbreitet. Man wollte von einem Schwäche- ansall des greisen Präsidenten wissen, ja sogar von einem Unsall, der ihm zugestoßen sein sollte, wurde ge fabelt. An zuständiger Stelle eingezogene Informationen haben ergeben, daß an all diesem Gerede kein wahres W o r t i st. In Neudeck selbst war man über die Anfrage sehr er staunt, da sich der Reichspräsident, wie nachdrücklichst beton! wurde, in bestem Gesundheitszustand befindet und seiner Lieblingspassion, der Jagd, huldigt. Natürlich ist der Grippeanfall, den der Präsident vor einiger Zeit überstanden hat, nicht ganz ohne Einwirkung auf den Kräftezustand des bald Zweiundachtzigjährigen geblieben, zumal die Reprüsentationspflichten, besonders in den letzten anstrengenden Tagen des Königsbesuches in Berlin, keine Zeit zu einer Ausspannung übrigließen. Aber die kurze Zeit des Landaufenthalts hat bereits eine günstige Wirkung ausgeübt und der Reichspräsident klag! jetzt nicht über das geringste Unwohlsein. Jagd und Spaziergänge vollenden das Werk völliger Er holung und die Wieder Herstellung der alten Frische.