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Wilsdruffer Tageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Wilsdruff-Dresden Nr. 115 — 88. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da« Tageblatt» erschein, an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in l'«M A^°°bestellen r AM. ,m Monat, bei Zustellung durch die Voten 2,3» AW., bei Postbcstellung LkRpfg.Ai^P^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umqeaend PÄbvtenund^ trSgerund^eschnfrsflelien —— - - ! : nehmen zu jeder Zeit Be- Pellungen entgegen. Fa„: höherer Dcwall, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieserung Ler Z-»u„g oder Kürzung de- Bezugspreises. — Rücksendung eingcsandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto beiliegt. Anzeigenpreis: die »gespaltene Raumzeile LV Rxsg., die 4 gespaltene Zeil- der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs. Pfennig, die »gespaltene Rcklamezeile im teztlichen Teile I Reichsmark. Nachweisungsgcbühr 2V Reichspsennige. Bor. gcschriedeneLrscheinungs. tage und Plakporschriften -oerden nach Möglichkeit s?krnsp kk ch LV : Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen. annatn»edisi>orm — Für Li- Richtigkeit der Lurch ^crnrus übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Gaiantie. J-derRabatlanspruch erlischt, wenn derBetragdnrch Klage-lngezog-ii werden muh oderderAustraggeberinKonkursgerät. Anzeigen nehmen alle Lcrmittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerrchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Postscheck: Dresden 2640 DieNStag, dLN 21. Mai 1S29 Friedrichshafen. Schicksalstücke. Seltsam waltet das Schicksal. Ehe der „Gras Zeppelin" seine zweite Ozeanfahrt antrat, fielen harte der Entrüstung über die Bedingungen, die Franko rclch dem deutschen Luftriesen bei seiner Fahri über das französische Gebiet gestellt hatte, Bedingungen, die selbst verständlich strikt innegehalten wurden — und die nun gebrochen werden mußten, als das Luftschiff wegen seiner ersten Motorhavarie wieder kehrtzumachen, wieder französisches Gebiet zu überfliegen, ja schließlich dort zu landen genötigt war. Zu landen sogar auf einem fran zösischen Militärflugplatz, den auch nur zu überfliegen streng verboten war. Der Zwang Menschenleben zu retten, sprach stärker und die französische Negierung be eilte sich sogar, dem Zeppelin den günstigsten Landeplatz anzugeben und ausreichende Kräfte zur Verfügung zu stellen, so daß das havarierte Luftschiff jetzt sicher in der Hatte liegt. Nicht bloß Dr. Eckener selbst, sondern auch die deutsche Negierung hat nach Paris den Dank für diese rasche Hilfeleistung ausgesprochen. Und das mit Recht. Hier fällt alles, was durch sonstige Antipathien au Schranken besteht oder aufgerichtet ist. Hier spricht nur M enschlichc s. Aus beiden Seiten. Auch auf hoher See ist es selbstverständliche Menschenpflicht, dem anderen in Not befindlichen Schiss zu helfen, selbst unter Einsetzung des Lebens — gleichgültig, welcher Nation die anderen angehören. Die dort drüben sind eben nichts als Menschen in Gefahr. Ebenso wie dort oben im Zeppelin. Ein deutsches Schiff war es, das vor einiger Zeit pol nische, ins Meer abgestürzte Ozeanflieger gerettet hat. Seltsam waltet das Schicksal. Dasselbe Luftschiff, das die Fahrt über den Ozean zweimal gemacht hat, das vor kurzem erst eine mehrtägige Fahrt rings um das Mittelmeer ohne jede Havarie zurücklegte, namentlich die Motoren tadellos durchhielten, — dieser „Graf Zeppelin" verlor seine Motorcukräfte bis aus einen geringen Rest. Motor um Motor fiel aus, was bisher noch nie oder nur ganz vorübergehend geschehen war: nicht leichte Defekte waren es, sondern Schäden schwerster Art. Kein Wunder daß das Gerücht auftauchte, hier lägen Sabotageakte irgendwelcher Art, geglückte Versuche beabsichtigter Zer- ttörunq der Maschinen vor. Man konnte sich diese Hava rien nicht erklären, denn allgemein bekannt ist es ja, mit welch unendlicher Sorgfalt alle Maschinen und Einrich- tunacn des Luftschiffes vor jeder größeren Fahrt, natürlich aan; besonders vor dem Nie,enunternehmen der Ozean- fabrt noch einmal kontrolliert werden. Man weiß aber auck daß noch heutzutage - so manches Flugzeugunglück bewies das - der Motor eben doch „ein Gebild' aus Menschenhand" ist. Und jetzt haben wir erfahren daß Dr Eckener sofort kehrt machte, als der Ausfall auch nur eines einzigen Motors ihm die Ozeanfahrl nicht mehr als so absolut sicher erscheinen ließ wie bei der Abfahrt aus Und nun liegt der deutsche Zeppelin in einer franzö sischen Luftschiffhalle, die freilich auch - deutsches Wert ist, weil sie zusammen mit einem im Kriege gebauten Zeppelin 1920 an Frankreich ausgeliefcrt werden mußte Doch weiter zurück wandern die Erinnerungen. Zurück zu jener Notlandung eines Zeppelins bei Lunoville 1913. Auch ihn hatte Motorendefekt zum „Freiballon" gemacht und hinübertreibcn lassen auf französisches Gebiet. Da mals war er den Franzosen nur ein gefährliches deutsches Krieqswerkzeug, das ein günstiger Zufall ihnen in die Hand gespielt hatte. Und kalt genug war der Dank, den die deutsche Negierung aussprechen mußte. Aus der Halle, die jetzt den deutschen Zeppelin birgt, stieg ja auch ein älterer Bruder, die „Dixmuide" auf zu ihrer letzten Fahri, die 50 Menschen das Leben kostete. Lange Jahre sind seitdem vergangen und verwaist stand die Halle. Wir Deutsche aber hoffen, daß der „Graf Zeppelin" recht bald aus ihr heraus wieder in sein Element emporsteigen kann. Und daß auch diese Unglücksfahrt nur einen kurzen Aufenthalt auf dem Wege zu immer weiterer Vervoll kommnung bedeutet. Amerikaflug in zwei bis drei Wochen. Kapitän Flemming über den Sturmflug. Kapitän Flemming, der erste Navigationsoffizier des „Gras Zeppelin", machte einem Journalisten interessante Mitteilungen über die weiteren Pläne des Zeppelins. Kapitän Flemming zeigte sich austcrordcntlich zuversichtlich und ruhig. Er betonte, daß die Amerikarcisc sclbstver stündlich stattfindcn werde, sobald die Motorschäden in Ordnung gebracht seien. Der Zeitpunkt für die Amerika- reise könne noch nicht bestimmt werden, jedoch bestünde me Möglichkeit, die Reise in zwei bis drei Wochen auzu- , Die Maybach-Motoren, die jetzt ausgcwcchfclt ^ sollen, werden im Flugzeug «ach Friedrichshafen ""d dort sofort einer eingehenden Prüfung untcr- z gen werden. Erst nach Lffnung der ausgcwcchselten ?""dc man endlich feststcllcn können, was ge- Aussctzc» der Motoren sei ein unglürk- lins m icdoch für die Gesamtleistung des Zcppe- ^in^»c-.^""ung sei. Ähnliches könne sich jederzeit »der mit einem Automobilmotor cr- eigncn. Tic schaden an den Motoren werden von Dr. Amerika oeWtet aas 10 M Oer VeWWostm Enigegsttksmmen AMLnkas? Ler Stand der Pariser Verhandlungen. Wie Associated Prctz ans Washington meldet, hielt Präsident Hoover eine Besprechung mit Parteiführern aus beiden Häusern ab. Staatssekretär Stimson, der au der Besprechung teilnahm, erklärte nachher, die Besprechung habe den Zweck verfolgt, den Präsidenten über die Haltung der Führer zu unterrichten, da angesichts des heran- nah enden Endes der Sachvcrständigcn- konfercnz möglicherweise Entschließungen des Präsi denten notwendig würden, für die ihm die Kenntnis der Ansichten der Führer erwünscht sei. Politische Kreise er fahren hierzu, die Sachverständigen würden den Vereinig ten Staaten finanzielle Konzessionen emp fehlen. Die Rewyorker Blätter widmen der Konferenz im Weißen Hause großen Raum. „Herald and Tribune" überschreibt ihren Washingtoner Bericht, der Präsident erwäge u. a. die Herabsetzung der Rheinland- besetzung. Wie „Herald and Tribune" weiter hören, handle es sich um eine« VerzichtderVereinigten Staaten aus 10 Prozent oder rund 30 Mil lionen Dollar der Besatzungskosten. Es besteht jedoch vorläufig keine Absicht, den Anteil von zwei Prozent an den Reparationszahlungen herabzusetzcn. „Newyork Times" erfährt, die Senatoren und Kongreß mitglieder hätten den vom Unterstaatsselrctär Mills vor gelegten neuen Reparationszahlungsplan ziemlich ver wickelt gefunden, nach der Konferenz im Weißen Haufe hätten Stimson, Mellon und die Untcrsekretäre Mills und Castle längere Jnstruktionenfür dieamerika- nischen Sachverständigen ausgearbeitet, die nach Paris gekabelt worden seien. Die Beratungen der Gläubigerdelcgationen sind nach englischen Berichten soweit gediehen, daß sämtliche Vor behalte Dr. Schachts durchberaten sind nnd es sich nun mehr als notwendig herausstellt, die Ansicht der Gläubigerdelegierten schriftlich fcstzulegen. Die Abfassung wird wiederum Josiah Stamp zufallen. * Roch Me Einigung über die deutschen Vorbehalte Paris, 21. Mai. Am Montag vormittag sand keine amt liche Sitzung der Vertreter der Gläubigermächte statt. Jedoch hatte Poung eine Reihe von privaten Unterredungen mit Stamp und dem Franzosen Quesnay. Sie galten wieder der Frage des Ver teilungsschlüssels. Die Sitzung der Vertreter der Gläubigermächte dauerte Montag nachmittag von 15 bis 19 Uhr. Uebdr ihren Ver lauf sind von alliierter Seite keine Einzelheiten bekanntgegeben worden. Bisher ist eine Einigung weder über die Stellungnahme zu den deutschen Vorbehalten noch über den Verteilungsschlüssel erzielt worden. Die Besprechungen dürften am Dienstag fortge setzt werden. Wie von amerikanischer Seite verlautet, ist die Ant wort des Präsidenten Hoover über die Möglichkeit einer Herab setzung der amerikanischen Forderungen in Paris eingelausen, doch war in den Abendstunden nichts in Erfahrung zu bringen, wie diese Stellungnahme Hoovers ausgefallen ist. Von den deutschen Sachverständigen haben nur Dr. Schacht und Melchior die Feiertage in Paris verbracht. Dr. Melchior Hal seine ursprünglich nach Homburg geplante Reise aufgeschoben. Deuischtand und Oesterreich. Bundcstagung des Österreichisch- Deutschen Volksbundes. Über die Pfingstfeicrtage hielt der Österreichisch- Deutsche Volksbund in der badischen Landeshauptstadt seine aus allen Teilen des Reiches und aus Österreich gut besuchte Bundestagung ab. Es gelangte einstimmig eine Entschließung zur Annahme, in der die erfolgreiche Durchführung der Wirt sch aftsangleich- ilng in den letzten Jahren mit Genugtuung verzeichnet und die Verwirklichung der deutsch-österreichischen Zoll union gefordert wird. Zu diesem Zwecke solle eine amt liche Zentralstelle für Wirtschaftsanglcichung in Deutsch land beim Reichswirtschaftsministerium und in Österreich beim Bundesministerium für Handel und Verkehr ge schaffen werden. Im Bürgersaale des Rathauses fand eine aus allen Kreisen und Ständen überaus zahlreich besuchte An schluß k u n d g e b u u g statt, die einen imposanten Ver laus nahm. Oberbürgermeister Dr. Finter unterstrich m seiner Begrüßungsansprache, daß die Anschlußbcwegung Herzenssache aller Deutschen sei. Man appeliere an die Vernunft der Welt, daß das naturlrch Zusammengehörende nicht künstlich getrennt werden könne. , . . Reichstagspräsidcnt Löbe verbreitete sich über das Wesen der Anschlußbeweannq, die geboren sei aus freiem Willenseutschluß und gründe auf das Selbstbestimmungs recht der Völker; ihre friedliche Tendenz sei über allen Zweifel erhaben. Der Boden sei rechtlich, geistig und kulturell so vorzubereiten, daß, wenn der politische An schluß auf dem Wege über den Völkerbund erfolgen könne, oies nur deu Schlußstein zu dem erstrebten Ziele bilde: wi r s i n d e i n V o l k und werden eines Tages in einem Reiche wohnen. Major a. D. Abel aus Wien berichtete über den Auf schwung der Anschlußbcwegung in Österreich. Man fordere Vie Wiederherstellung des zerstörten Selbstbestimmungs rechts. Die Vereinigung mit Deutschland sei Österreichs Lebensfrage und zwei Drittel der Bundesversammlung ständen hinter dem Anschlußgedanken. Diese Bewegung sei ein Faktor, mit dem jede österreichische Regierung und die Welt zu rechne« hätten. Reichsjustizministcr a. D. Koch-Weser gab der Hoff- aung Ausdruck, daß der Völkerbund der deutsch-öster reichischen Frage gerecht werden würde. Koch-Weser schloß mit dem Wunsche, daß es gelingen möge, den Widerstand gegen die Vereinigung Deutschlands und Österreichs zu brechen. Wenn die Vereinigung komme, so werde kein Machtrausch des Imperialismus das deutsche Volk er füllen, sondern einzig und allein das starke heilige Gefühl befriedigten Rechts. Eckener ans gewisse Abänderungen zurüügeführt, die nach der MitteLmeerfahrt vorgcnommen worden waren. Auch Dr. Eckener betonte ausdrücklich, daß die Ameritarcise nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschobeu sei. Auch habe« sich die meisten Passagiere bereit erklärt, an dem neue« Flug teilzunchmcn. Dr. Eckener ist im übrigen nach Friedrichshafen gereist, um dort wegen der Lieferung der neuen Motoren Rücksprache zu nehmen. Zeppclinbesichtigung in Toulon. Der Flughafen von Toulon ist der Mittelpunkt des Verkehrs. Das Publikum strömt von allen Seiten heran, um das Luftschiff zu besichtigen. Die französischen Be hörden haben strenge überwachungsmaßnahmen getroffen. Man steht unter den Besuchern auch viele hohe Offiziere und höhere Beamte. Die deutschen Offiziere und Mann schaften sind von den Franzosen aufgefordert worden, ihre Gäste in den Kasinos des Flughafens zu sein. Sämtliche Offiziere und Mannschaften bleiben während des Aufent haltes des „Graf Zeppelin" in Toulon. Dr. Eckener wird aus Friedrichshafen in fünf bis sechs Tagen zurück erwartet. Der Gorilla hat übrigens die Fahrt ausgezeichnet überstanden und wird nun nach Friedrichshafen zurück gebracht werden. Er konnte nur mit Mühe aus dem Luftschiff herausgebracht werden. „Ein Blitz aus heiterem Himmel." Ein Zeppelinpassagier veröffentlicht weitere Einzel heiten über die letzten Fahrtstunden des „Graf Zeppelin". Dr. Eckener erschien Donnerstag nachmittag im Salon, wo die Passagiere bei der Musik eines Grammophons fröhlich tanzten, und sagte mit ernster Miene: Ich habe eine schlechte Nachricht; wir müssen nach Friedrichs hafen zuruarcyren. Wir haben Moiorschwierigkeiten, aber es liegt keine Gefahr vor. Dr. Eckener bat die Passa giere, ruhig zu bleiben, man werde wohlbehalten zurück kehren. Die Ankündigung kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und das Tanzen hörte sofort auf. Sie MedllhertztwgMbttten sm „Graf Zeppelin" Toulon, 21. Mai. Sonntag früh sind die zwei Ersatz motoren für den „Graf Zeppelin" mit einem Stuttgarter Güter wagen in Cuers-Pierrefeu eingetroffen. Ein dritter Motor wird heute abend von Friedrichshafen abgeschiät. Dieser soll nur dann eingebaut werden, wenn die für Mittwoch abend vorgesehene Fahrtbereitschast dadurch keine Verzögerung erleidet. Die Mecha niker der Besatzung sind gegenwärtig damit beschäftigt, die beiden Steuerbordmotoren auszuwcchseln. Trotz dieser Arbeiten hat man dem Publikum die Besichtigung des Schiffes gestattet. Eine starke Postenkette französischer Marinefoldaten sorgt für die Absperrung. Der Start soll, wenn irgendmöglich, bereits am Donnerstag gegen 5 Uhr morgens ersolgen. Ausschlaggebend für die endgültige Wahl der Tagesstunde sind natürlich die Wettervrrhältnisse. Der Rück flug nach Friedrichshafen dürft« bei einigermaßen günstigen Wind und Wetterbedingungen etwa 10 bis 11 Stunden in An spruch nehmen. Mit vier voll arbeitenden Motoren, d. h. wenn die drei Ersatzmotoren eingebaut sind, wird „Graf Zeppelin" wohl ohne Rücksicht auf die Wetterlage starten. Dr. Eckener, der gegen wärtig in Friedrichshafen weilt, wird voraussichtlich am Mittwoch vormittag wieder in Cuers-Pierrefeu eintreffen. In amtlicher Eigenschaft ist auch ein Vertreter der deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt im Auftrage des Verlehrsministeriums hier einge- troffen. Am Spätabend des Montags ist in Cuers die Nachricht ein-