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MOmfferTageblalt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da« Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werklären nachmittags 5 Uhr. Bczug«pre>,: Bei Abholung in der Deschiiftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch di-Botet 2,3a NM., bei Postdeftellung 2 AM. luziigUch Abtrag- , s. t-o ,« gebühr. Lin,etnumwern ISApsg.AlleBosiauftalten TVvckfenblttll füv LBllSdpUff U. k^MPLlsktth Postboten undunsrreAus» trägerund KetchLiisstellen - nehmen zu jeder Zeil Be> ftellunaen entgegen. Im Fall- höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betrt-bsstörungen besteht dein Anspruch aus Lieserun, der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreijes. — Aücksendung eingesandter Schriststücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Lürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeisenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 2VRpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennig, die 3 gespaltene Reklame,zetle im textlichen Teile 1 Reichsmark. 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Tote, zahlreiche Verletzte, Hunderte von Verhaftun gen, Barrikadenbau und Panzerautos mit Maschinen gewehren, Karabinersalven gegen Häuser, „Straße frei!" — das ist in paar Worte zusammengefaßt der Polizcibericht über die Zusammenstöße in den Straßen Berlins. Nur — Berlins; denn sonst im Reich sind die Maifeiern trotz der scharfen parteipolitischen Zuspitzung des Gegensatzes zwischen Sozialdemokraten und Kommu nisten im allgemeinen ruhig verlaufen. Das unterstreicht noch die Frage nach dem: War das in Berlin nötig? Mußte das geschehen? Seit Monaten schon besteht — nur für Berlin — das Verbot der „Versammlungen unter freiem Himmel", also der Straßendemonstrationen jeder Art. Das war bis aufs Letzte durchgeführt worden. Daß auch für die Demon strationen am 1. Mai gegebenenfalls unter Einsetzung aller staatlichen Machtmittel die Durchführung dieses Ver botes erzwungen werden würde, hatte nicht bloß der Berliner Polizeipräsident immer wieder betont, sondern auch der preußische Ministerpräsident und der Innen minister vor kurzem im Landtage oen Kommunisten gegen über in deutlicher Betonung erklärt. Da das Verbot also bestand, andererseits die Kommunisten ausdrücklich und seit Wochen den Nus in die Massen, namentlich der Ber liner Bevölkerung hineinwarfen, am 1. Mai doch auf die Straße zu gehen, mußte der Staat seine Machtmittel ein- setzem um seine Autorität zu wahren >KNes Verbot war erfolgt, als sich die blutigen Aus schreitungen radikaler Elemente bei Straßendemon- strationen häuften. Wiederholte Mahnungen und War nungen der Polizei und des Innenministers hatten wenig, allzuwenig genützt. Doch nun kam der 1. Mai, der seit Jahrzehnten der Tag der Straßendemonstrationen gerade für die Sozial demokraten immer gewesen ist. Das Verbot für diesen Tag aufzuhcben, hätte den Anschein erweckt, als lege man dieses Verbot parteiisch ans. Und die Kommunistische Parte, nutzte diese „massenpsychologische" Plattform um so never, »veil ,a das Verbot gerade von Männern ansging, den angehören und einst selbst unter marschiert sind Erne bessere Ge- ^otialdemokröt'^ ausgetragenen Kampf gegen die und er bat dies? Kommunismus kaum finden. Angriffs auf den Staat selbstverständlich'un^^ Mitteln durchgefuhrt. Das wußte man auch auf der Gegenseite. Eine Kritik an de°r" Na/menw keil für die Staatsmacht, unbedingt ihre Autors Verhaftete aus einem Berliner Polizeiauto. Wahren, kann es nicht geben, — wohl aber setzt, auch tm sozialdemokratischen Lager, dem ja die Verantwortlichen entstammen, die Kritik an einem andern Punkte ein: Ließ sich die Austragung dieses Konflikts nicht ver meiden, wenn etwa eine rechtzeitige, vollständige Auf hebung des Demonstrationsverbots erfolgt wäre und man damit dem Gegensatz die Spitze nahm? Eine Ant wort ist schwer zu geben, weil man nicht weiß, wie dann die Demonstrationen verlaufen wären. Der Berliner Polizeipräsident selbst und zahlreiche sozialdemokratische und Gewerkschaftsführer stehen auf dem Standpunkt, daß es auch dann zu Kämpfen mit den Kommunisten ge kommen wäre. Und daß gerade die unbedingte Durch führung des Verbots nur noch Schlimmeres verhütet hätte. Wie es denn überhaupt bei der Beurteilung dieser Ereignisse, ihrer Vorgeschichte und ihrer weiteren Ent wicklung hauptsächlich darauf ankommt, auf welchem Parteipolitischen Standpunkt man steht.. Und das wird sich auch bei den zweifellos kommen den parlamentarischen Auseinandersetzungen zeigen. Neue MrMMWfe in Berlin In Neukölln zittert die Unruhe, die der 1. Mai her- vorgcrufcn hat, am 2. Mai noch nach. Die Fenster grosser Häuserblocks mußten auf Anordnung der Polizei ge schloffen bleiben In dieser Gegend sind weiterhin starke Polizeimannfchaften versammelt, da es nicht aus geschlossen ist, daß es wieder zu neuen Unruhen kommt. Von Augenzeugen, die die Krawalle mitgemacht haben, wird darauf hingewiesen, daß diese blutigen Maidemon strationen lebhaft an die Tumulte erinnern, die sich während der Revolutionstage in Berlin ab spielten. Nic seit diesen Tagen sei cs wieder zu solchen Tumulten gekommen wie in der Nacht zum 2. Mai. übrigens sind bei den Zusammenstößen auch Per sonen zu Schaden gekommen, die sich an oen Demonstra tionen nicht beteiligt haben. So wird bekannt, daß der Inhaber einer im dritten Stock belegenen Wohnung eines Hauses am Aleranderplatz von einer verirrten Kugel ge tötet wurde. Ein anderer Straßenpassant geriet unter ein Polizeiauto und wurde von ihm zu Tode gefahren. Im Reich ist die Maifeier im großen und ganzen ruhig verlaufen. Neue kommunistische Pläne? Tie Kommunisten beabsichtigen im übrigen, die blutigen Vorgänge in Berlin für sich politisch auszu werten. Wie es heißt, spielen sie mit dem Gedanken, in den nächsten Tagen den Generalstreik als Protest gegen das Verhalten der Berliner Polizei am 1. Mai zu prokla mieren. In Essen haben ihre politischen Anhänger es zuwege gebracht, daß aus einer Zeche etwa die Hälfte der Beleg schaft nicht eingefabren ist. Aus anderen Zechen versuchten kommunistische Agitatoren, die Belegschaft von der Ein fahrt fernzuhalten, doch haben sie bisher keinen Erfolg damit gehabt. Drei Rädelsführer wurden verhaftet und aus der Arbeit entlassen. In Hamburg hat ein Teil der Werftarbeiter, eben falls als Protest gegen die blutigen Vorgänge in Berlin die Arbeitsstätte verlassen. Von kommunistischer Seite wird versucht, einen Sympathiestreik der Werftarbeiter zu entfesseln. Hoffentlich gelingt es, dre Erregung, die die dies jährigen Berliner Maifeiern vielfach entfesselt haben, bald Wieder zu dämpfen, denn in dieser schon so schwierigen Zeit können etwaige Wirtschaftskämpfe für Deutschland schwere Folgen haben. ernste Lage in Neukölln Berlin, 2. Mai. In den späten Abendstunden wurde die Lage in Neukölln äußerst bedrohlich. Die Schießereien zwischen Demonstranten der KPD. und der Schutzpolizei verschärsten sich zusehends. Unaushörlich rollten Krankenautos mit Verletzten da von. Ob auch Tote zu verzeichnen sind, ließ sich nicht feststellen, zumal in den hauptsächlichsten Kampfstraßen der Steinmetz- und Prinz Handjerystraße wiederum alles Licht ausgelöscht war. In diesen Straßen hatten die Kommunisten wiederum Barrieren er richtet, hinter denen verschanzt sie unaufhörlich aus die Polizei schossen. Gegen 22.30 Uhr rückten von allen Seiten Schupoverstärlun- gen heran, dazu Panzerautos mit Maschinengewehrbesatzung. Die neuanrückende Schupo war mit Karabinern ausgerüstet, zum Teil trugen die Beamten Handgranaten. Die Ladenbesitzer in der Her mannstraße wurden ausgefordert, die Rolläden herunterzulassen, sämtliche Hausbewohner hatten die Fenster zu schließen. Die Po lizei greift mit den schärfsten Mitteln durch. Wer sich am Fenster blicken läßt, hat damit zu rechnen, daß er erschossen wird. Schein werfer und Leuchtpistolen erhellen das nächtliche Kampfgebiet. Die ganze Gegend um den Hermannplatz ist polizeilich abgeriegelt. Die Demonstranten sind cjngekesselt. Der Verkehr ist lahmgelegt. Auch die Presse wird von der Polizei vom Kampfgebiet gewiesen. Um Mitternacht 3 Tote 20 Verletzte Be rlin, 3. Mai. Der Einsatz des Panzerwagens sicherte der Polizei sehr bald erhebliche Ueberlegenheit. Der Panzerwagen fuhr durch alle Straßen des unruhigen Stadtteils und griff ge legentlich mit seinem wirksamen Feuer ein. Der Straßenbahn- und Kntergrundbahnverkehr wurde gesperrt. Nach 23 Uhr auch der gesamte Privatverlehr. Das Gesindel versuchte immer mehr Straßen durch Ausdrehen der Beleuchtung zu verdunkeln. Teil weise wurden auch wieder Barrikaden errichtet. Die Zahl der Toten des Donnerstag abend hat sich um Mitternacht auf drei er höht. Verletzt sein dürften etwa zwanzig. Um Mitternacht fielen nur noch vereinzelte Schöffe. Die Häuserfronten wiesen bis zu den Dächern hinauf zahlreiche Spuren von Einschüssen auf, na mentlich in der Iägerstraße. Immer noch britische Loge Berlin, 3. Mai. Augenblicklich ist ein kleiner Waffen stillstand eingetreten, der jedoch nicht den Schluß des Kugelwechsels bedeuten dürfte. Vielmehr darf man erwarten, daß die Schutzpoli zei neue Angriffspläne sucht, da die Prinz Handjerrystraße als ziemlich uneinnehmbar gilt. Von der Steinmetzstraße versucht man, jetzt auch über die Hermannstraße hinaus Eisenträger zu ziehen, um so ein Anfahren von neuen Schutzpatrouillen unmöglich zu machen. Die kommunistischen Elemente und jugendliche Burschen beherrschen mit großer Kampfesfreudigkeit das Feld. Wo noch Laternen brennen, werden sie mit Steinen oder mit langen Stan gen zertrümmert. Aus einem Gebiet von etwa einem Ouadrat- kiometer sieht man keinen einzigen Schutzpolizisten. Selbst die Revierwache ist zurückgezogen worden. Die Demonstranten zeigen sich sehr siegesgewiß und pochen darauf, daß bald der Generalstreik beginnen wird, worauf sie anscheinend große Hoffnung setzen. Die Schutzpolizei geht vor Berlin, 3. Mai. Nachdem in der zweiten Morgenstunde die Straßen Neuköllns nicht geräumt waren, rückten zwei Pan zerwagen und vier Lastautomobile der Schutzpolizei heran, um die Straßen endgültig zu räumen. Scharse Kommandorufe: „Straße frei" ertönten, die mit mehreren Pistolenschüssen der Demonstran ten beantwortet wurden. Mit aller Schärfe geht die Polizei jetzt vor. Schöffe fallen auf beiden Seiten. Flugblätter zum Massen streik werden häufig heimlich verteilt. Die Polizei mil dem Wasserschlauch als Röwchrmiüel gegen kommunistische Ansammlungen. ttommunittenlärm im HeiHslag Turbulente Szenen im Aeichsparlament. Berlin, 2. Mai. Die Kommunisten verlassen die Sitzung. An den ersten Mai schließt sich der zweite — an die Mitl- wochsgefechte der Polizei mit den Berliner Kommunisten selbst verständlich eine turbulente Wiedereröffnung des Reichstages am Donnerstag. Das mußte bekanntge worden sein, denn die Abgeordneten hatten sich erwartungs voll zahlreicher auf ihren Plätzen eingesunden, als man es bei den vorgesehenen, in der Regel keinen besonderen Anreiz bie lenden Spezialdebatten über den Etat des Reichsarbeits Ministers hätte vermuten können. Und es ging denn auch gleich vielversprechend los, wobei das bei derartigen Ge legenheiten selten mangelnde Auditorium aus den Zuhörer tribünen nur sehr sporadisch milwirkte. Zebu Minuten Ver ¬ spätung des sonst so pünktlichen Präsidenten Löbe steigerte die Spannung; aber auch bann erschien er nicht, sondern der Vizepräsident Gräs nahm kühn die Glocke in die Hand. Als bald war der Abg. Pieck lKomm.) zur Stelle und begann in großer Erregung von dem „Verbrechen", wie er es nannte, zu donnern, das die Polizei gestern nach den Befehlen der So zialdemokraten und angeblich mit Hilse der Reichswehr be gangen habe. Piecks Fraktionssreunde unterstützten ihn stürmisch, auf den anderen Bänken schwoll der Widerspruch und mitunter wurde die Ekstase so außerordentlich, daß manche Kras stelle rettungslos unterging. Im Gang zwischen den benachbarten Sitzen der sozialistischen Halbbrüder gab cs beinahe einen Feuerübersall, als dem Sozialdemokraten Künstler ein Paket Zeitungen ins Gesicht geworfen wurde, weil darin seine als Lügen bezeichne ten Enthüllungen über das geplante 200-Tolen-Opser der Kom munisten abgedrucki war. Die Natur sollte ihn mit einem Kainszeichen gezeichnet haben, meinte einer von den Kom munisten. .Verbrecherhauvtleute" und .Blutsäufer" waren