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MlsdnifferTageblatt Mittwoch, den 27 März 1929 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des ForstrenLamts Tharandt und des Finanzamts Nassen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 73 — 88. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Nss »Wilsdruffer Tageblatt" erschetttt an allen Werktagen nachmittag» 5 Uhr. Bezuasprei»: Bei Abholung in dar »eschüfisstelle und den AusgadefteSen 2«M. im Monat, bei Zusteünng dnrch die Boten 2,30 AM., bei Poftdestellung r NM. zuzüglich Abtrag* .. . gebühr. Einzelnummern LSNPfg.AüePostanstalten W0cyeNvlLtt Mr Wilsdruff u Umaeaend Postboten und unsereAus. tollgernnd Geschäftsstelle» - l nehmen zu jeder Zeil Be- Dell»»gen entgegen. 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Da er aber seinen An kündigungen niemals die Tat, niemals auch nur Vor bereitungen für eine solche Umstellung folgen ließ, hat man nicht mehr so recht daran geglaubt, daß es ihm mit seinen Worten Ernst wäre. Jetzt aber scheint es, als ob er diesen Rücktritt in absehbarer Zeit doch vollziehen würde, da er eine offizielle Note heraus gegeben hat, in der er von seiner erschütterten Gesundheit spricht und daher die notwendigen Vorbereitungen treffen will, um den bisherigen Zustand durch neue Männer in ein neues System überleiten zu lassen. Er sucht also einen Nachfolger, er will seine Nachfolge sogar beschleunigen, wohl in der Art, daß eine Neubesetzung des Ministerpräsi- dcntenpostens, den Primo bekleidet, so bald wie möglich erfolgen soll. Man nimmt an, daß der neue Mann doch eine Art Zwischendiktator sein wird, vermutlich also wieder ein General; aber man wird bei der Aus wahl nicht bloß Gewicht darauf legen, einen Freund des bisherigen Machthabers an den Posten zu setzen, sondern auch darauf, jemand zu wählen, der über stärkere Macht mittel verfügt als Primo, der also vor allem im Heere beliebter und angesehener ist als er. Denn gerade die Konflikte, die der bisherige Diktator schon seit langem mit einzelnen Teilen des spanischen Heeres gehabt hat, Konflikte, die bekanntlich erst noch in jüngster Zeit zu einem offenen Aufstand der Artillerieoffiziere, aber auch von großen Teilen der Jn- fanterieregimenter geführt hat, sind überaus bedenklich gewesen und trugen dazu bei, den Unterbau der Macht des Diktators schwer zu erschüttern. Eine Ergänzung dazu bildet die stille Revolution der Universitätsprofessoren und Studenten, die dem Regime des Diktators schon immer offen oder geheim opponierten und deren führende Köpfe aus dem Lande flüchten mußten. Wenn also Primos Macht gewiß nicht etwa nur auf dem Heere allein aufgebaut war, sondern seine zweifellosen Verdienste um die Wiederherstellung der Ordnung und Ruhe durch Spaniens Polk anerkannt wurden, so fehlt ihm das eine, was dem italienischen Diktator Mussolini die Unerschütterlichkeit der Macht verleiht: die tiefe Verwurzelung in einem Teil des Volkes, der ihm politisch nahesteht und für ihn kämpft und wirbt. Die jüngste Wahl zur „Volksvertretung* in Italien muß sich als eine Wahlgroteske bezeichnen lassen, bei der von irgendeiner Freiheit der Abstim mung auch nicht im geringsten die Rede war. Sein „Sieg* in Südtirol, wo die Abstimmung für Musso lini unter schwersten Drohungen skrupellosester Art erzwungen wurde, bleibt ein rein äußerlicher: dort würden wirklich freie Wahlen oder Abstimmungen gerade das gegenteilige Resultat herbeiführen — aber im eigentlichen Italien ist er jetzt Herrscher. Auch die schüchternen Versuche, die Herrschaft des Dikta tors und seines Systems zu erschüttern, sind bisher ohne den geringsten Erfolg geblieben und haben immer weniger Aussicht, zu einem Erfolge zu gelangen, je breiter Musso lini dieses System ausbaut. Da der Kern des Faschismus' heißt: der Staat ist alles, der einzelne nichts —, so scheut er sich nicht vor Maßnahmen, die man anderswo als schwerste Verstöße gegen die primitivsten Menschen- und Staatsbürgerrechte betrachtet. Die Unterdrückung der Deutschen in Südtirol wird in dem faschistischen Italien durchweg gebilligt, und man be trachtet es fast als eine Beleidigung, wenn sich Deutsch land oder Österreich um das Schicksal seiner Volksgenossen in Südtirol kümmert. Gewiß hat viel mehr als Spaniens Diktator Mussolini die gewonnene Macht benutzt, um Italien eine Macht stellung im Kreise der Großstaaten wieder zu erringen. Seine Anhänger sagen von ihm, daß er Diktator sei nicht um der Diktatur, um der reinen Macht willen, sondern nur als Führer seines Volkes. Ganz richtig freilich dürfte das auch nicht sein. Es fehlt ihm, daß er im Menschen auch den Menschen steht und nicht bloß das mehr oder weniger nützliche, aber der Idee des Faschismus' völlig unterjochte Glied des Staates. Ser Arand des Riesendampfers „Europa". 50 Millionen Schaden. Auf dem bei der Werft Blohm und Voß in Hamburg liegenden, neuerbauten Riesendampser „Europa" <46 000 Tonnen), der im August vorigen Jahres vom Stapel lief, brach ein verheerendes Großseuer aus. Von der Werftfeuerwehr wurde die Hamburger Feuerwehr alarmiert. Ein Zug rückte sofort aus. Bereits nach 20 Minuten mußte der Alarm Großseuer ausgegeben werden. Sämtliche im Augenblick zur Ver fügung stehenden Züge rückten nun unter Branddirektor Dr. Sander aus. Die dienstfreien Mannschaften wurden auf ihre Wachen beordert. Die Wehren griffen vom Lande Graf Welt« aas der MM Gute Fahrt des „Zeppelin". Die störenden Schwarzsender. Ler erste Nachtflug des „G r a f Z e p p e l i n" führte von Neapel aus nach Kapri. Von dort nahm das Luftschiff südlichen Kurs, überflog Kalabrien bei plötzlich auftretendem südöstlichen Gegenwind und er reichte um 21.30 Uhr das Ionische Meer. Von dort wurde Kurs auf Kreta genommen. Um 6 Uhr morgens wurde das Luftschiff östlich von Kreta gemeldet. Die Funkverbindungen waren darauf stark ge stört, da sich Versuche fremder Stationen, besonders nor wegischer, den Zeppelin zu erreichen, sehr hinderlich be merkbar machten. Nach einer in Friedrichshafen aufgefangenen Funk meldung befand sich das Luftschiff um 1 Uhr mittags an der Westküste der Insel Cypern. Poststempel des „Gras Zeppelin". Wer dem heilige» Laude. Athen, 26. März. Nach den letzten Funkmeldungen vom „Graf Zeppelin" überflog das Luftschiff am Dienstag nachmittag um 17 Uhr Jaffa. Die Bevölkerung bekundete ihre Freude durch lebhaftes Schwenken von Tüchern und Fahnen. Sie füllten die Straßen und drängten sich auf den flachen Hausdächern zusam men. Vom Hasen heulten zur Begrüßung die Sirenen. Das Hoch rufen der Menschenmengen war sogar an Bord hörbar. Um 18.20 wurde Jerusalem überflogen. Es war schon dun kel. In einem Lichtmeer erschien als dunkler Schatten der Oel- berg. Das Luftschiff warf seine Postsäcke ab und tauschte mit den englischen Fliegern Funkgrüße aus. Um 18.30 Uhr überflog das Luftschiff das Tote Meer. AuderSGekeMAeWe« Funkgrütze an König Fuad - Die „Politischen Windr" Kairo, 26. März. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" hat vom Toten Meer kommend die ägyptisch-palästinische Grenze er reicht und ist hier zum Rückfluge umgekehrt. Dr. Eckener sandte dem Ministerpräsidenten von Aegypten folgenden Funkspruch: „Die Bemannung und die Paffagiere des „Graf Zeppelin" am Rand des Landes der Tausend Wunder angelangt, bitten Euer Exellenz, seiner Majestät dem König Fuad ihre achtungs vollen Grüße und ihre Glückwünsche zu seiner Majestät heuti gem Geburtstag zu übermitteln. Sie freuen sich, bald das Ver gnügen zu haben, seine Majestät als hochwillkommenen und ge ehrten Gast in Deutschland begrüßen zu können." Von Bord des Luftschiffes wird bekannt, daß Dr. Eckener. gebeten wurde, er möge auf der Höhe von Port Said, bevor das Luftschiff wieder Kurs nach Hause nähme, eine Botschaft an das ägyptische Volk richten. Eckener habe darauf gesagt: „Von un günstigen Winden behindert, Aegypten zu überfliegen, grüßen die Passagiere des Grafen Zeppelin von der Schwelle dieses märchenhaften Landes aus, das Land und seine uralte Kultur. Sie hoffen, daß das nächste Luftschiff, das hierherkommen wird, günstigere Wetterbedingungen vorfinden möge und dem ägyp tischen Volk das moderne Luftschiff als ein Symbol des friedlichen Verbindungsmittels zwischen den Völkern zeigen wird." (Dr. Eckener meinte, wie dazu berichtet wird: Die ungünstigen poli tischen Winde. Eine Anspielung auf das englische Verbot der Ucberfliegung Aegyptens. Auf dem Rückflug Friedrichshafen, 26. März. „Graf Zeppelin" mel det am Dienstag um 20 Uhr: Das Schiff hat den Heimweg an getreten und befand sich zu dieser Zeit etwa 75 Kilometer östlich von Gasa und 50 Kilometer nördlich von El Arisch (an der Gren ze zwischen Palästina und Aegypten). * Der spanische Transozeanflug. Das spanische Flugzeug „Jesus del Gran Pador", das in Sevilla gestartet war, um einen Transozeanflug nach Südamerika (Landungsziel wahrscheinlich Rio de Janeiro) zu versuchen, überflog bei günstigem Wind das Kap Juby in Spanisch-Westafrika und Dakar (Sene gal). Nach einer Meldung aus Buenos Aires bestätigt sich das Eintreffen des Flugzeuges über Brasilien. Nach dieser Meldung wurde das Flugzeug über dem Flugplatz in Natal gesichtet. Es setzte seinen Flug in südlichen Richtung fort. Das Flugzeug ist dann in Bahia wohlbehalten gelandet. Ein schwarzer Fliegertag für Amerika. Ein aus der Richtung Newyork kommender Eindecker stürzte über dem Feldlager der Staatsmiliz in Mount Gretna (Pennsylvanien) ab. Die drei Insassen wurden getötet. Der Fluglehrer der Marine-Luftschiffahrtstation in Pensacola (Florida), Leutnant Roberts, und ein Flugschüler wurden getötet, als ihr Flugzeug, das sich startbereit auf dem Boden befand, von einem zweiten Flugzeug, das gerade landete, gerammt und schwer be schädigt wurde. Beide Flugzeuge gerieten in Brand. Ein Flugschüler, der sich in dem zweiten Flugzeug befand, wurde von brennendem Benzin übergossen und trug schwere Brandwunden davon. Ein großes Land- und Wasserflugzeug vom Sikorsky-Typ, das im Flugdienst der Curtiß-Luft- fahrtgesellschaft eingestellt ist und von Norfolk im Staate Virginia mit einem Piloten, zwei Mechanikern und dem bekannten Geschäfts- und Sportsmann Raymond aus Rochester-Finucane nach Newyork aufgestiegen War, Wird seither vermißt. Dutzende von Flugzeugen vom Curtiß-Flugfeld und anderen Flugfeldern haben bisher vergeblich die waldreichen Küstengegenden zwischen Nor folk und Newyork abgesucht. Zahlreiche Küstenwachschiffe sind meilenweit ins Meer hinaus gefahren, ohne eine Spur von dem vermißten Flugzeug zu entdecken. und vom Wasser aus an. Mehrere Fahrzeuge, die in der Nähe des Dampfers lagen, wurden wegen des starken Funkenfluges von ihren Plätzen entfernt. Ungeheure Wassermassen wurden in das brennende Schiff ge schleudert, so daß die Gefahr des Kenterns bestand. Diese Gefahr wurde erst behoben, als sich das Schiff so Die Gesellschaftshalle der abgebrannten „Europa". Weit geneigt hatte, daß die Steuerbordsette auf festem Grund ruhte. Um die Mittagsstunde herum waren bereits drei Viertel des Schiffes durch die Flammen vernichtet. Die Eisenwände des Schiffes glühten und die Werft bildete ein einziges, weithin sichtbares Flammenmeer. Von der Wasserseite her waren 20 Löschboote in Tätigkeit, während vom Lande her aus 20 Schlauchleitungen riesige Wassermassen in das Schiff geschleudert wurden. Aus den Bullaugen, besonders denjenigen des Vorderschiffes, schlugen die Hellen Flammen heraus. Die Hitze im Schiff war so gewaltig, daß die Deck- und Rostfarben abblätter ten. Im Mittelschiff scheint der größte Schaden entstanden zu sein. Speisesäle und Gesellschaftsräume sind in sich zusammengestürzt, eiserne Streben und Davits haben sich in der Glut vollständig verbogen. Man erkannte immer mehr, daß von dem Schiff nichts mehr zu retten sein würde. Die letzten überbleibenden Eisenteile werden verbogen, angeschmolzen und unbrauchbar ge worden sein. Die im Oval 17 Meter breiten Schorn steine sind auf der Wasserseite durchgebrannt. Der entstandene Schaden wird auf 50 Millionen Mark geschätzt, da es sich bei dem Dampfer um eines der neuen Ozeanluxusschiffe handelt. Da der Auftraggeber, der Norddeutsche Lloyd, das Schiff noch nicht übernommen hat, wird voraussichtlich die Werst den Schaden zu tragen haben. Was den Materialschaden betrifft, so ist er im wesentlichen durch Versicherung gedeckt.