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- Erscheinungsdatum
- 1927-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192706223
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19270622
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19270622
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-22
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
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""""""""in"»»»""""""»"""« ! Alm heimUchrn fierä! ! llnlei kaltungsbeilsgr xum „ANsaruNer Tageblatt" — Amtsblatt. ! »»»»«»»»«»»»»«»»««»»»»»«»»««»» Kasr el Djem. Lie Burg -er Geister. Eine Geschichte aus Tunesien Don vr. Herbert V. Patera-Wien. Die Zweigbahn von Sfax nach Sousa keucht mühselig durch das unwirtliche Gebiet der Salzsümpfe. Soweit das Auge übei die Dünen sieht, kein Zeichen von Vegetation; öde und tot lieg! die Erde, und nur die Alaun- und Salzablagerungen gleiße« weiß in der unbarmherzig niederbrennenden Sonne. Wir waren frühzeitig von Sfax, der kleinen Umladestation, von der die Hauptbahn nach Tunis abzweigt, aufgebrochen, im unter Führung des bekannten Berliner Archäologen Prosessm vr. Mertens, das sagenuniwobene Theater des spätrömischer Kaisers Gordianus in Augenschein zu nehmen, das vollkommen verlassen und versteckt fernab jeglicher Zivilisation am Rand« der Sahara liegt. Unsere kleine Reisegesellschaft, die sich schon aus dem Eildampser „Portsmouth" zusammen gefunden hatte, bestand aus einem englischen Großkaufmann, Mister A. Phi, lipps, und seiner Tochter Ruth, einer schlanken sommersprossigen Dame, dem italienischen Attache Marchese Lasoni, der aus sei, nen Posten nach Massaua fuhr, einem portugiesischen Lebejüng, ling, welcher nach dem Tode seines Vaters dessen Geld schnei! unter die Leute bringen wollte und der uns allen unsympathisch war, und schließlich meiner Person. Ein kleiner Chasseurleut nant, der in Tunis seinen Urlaub verbrachte, hatte sich uns in Sousa angeschlossen. Es war das erste Mal nach dem Kriege, daß sich eine sc internationale Reisegesellschaft in guter Kameradschaft zusam, mengesunden hatte, gefördert durch die Enge des Bordlebens, Professor Mertens reiste im Auftrage der sranzöfifchen Regie rung nach Tunesien zurück, wo er den Spuren spätrömischet Kultur aus dem dritten und vierten nachchristlichen Jahrhundert nachforschte, und hatte bei seinem früheren Aufenthalt den jun gen Raoul Rignolles kennen gelernt, der sich unter uns befand, Mit Freuden hatten wir die Einladung des bekannten Ge lehrten angenommen, unter seiner Leitung das berühmte Ko losseum des Kaisers Gordian am Rande der ewigen Wüste zu besichtigen. Die „Portsmouth" kohlte in Tunis und sollte erst Ende der Woche weiterfahren, bis dahin waren wir längst zurück, Auf einer kleinen, namenlosen Wcllblechstation verließen wir die Bahn. Nach langem Feilschen und Handeln gelang es uns, in einem kleinen Beduinendorfe die nötigen Reitpferde aufzutreiben, denn als die Eingeborenen von unserem Vorhaben erfuhren, zum Kasr el Djem, der Burg der Geister, zu reiten, weigerten sie sich hartnäckig, uns einen Führer zu stellen oder Pferde zu borgen. Erst mit Hilfe blinkender Silberstücke und des energischen Auftretens der kleinen Spahiwache, die dort stationiert war, konnten wir uns mit allem Nötigen versorgen. In scharfem Trab ging es nun südwärts. Unterwegs bei einer kleinen Rast erklärte uns Professor Mertens die Bedeutung des altrömischen Bauwerks, das später den Namen „Burg der Geister" erhielt, und warum eine abergläubische Scheu jeden Eingeborenen abhielt, dahin zu reiten. Seit jahr hundertelangen Zeiten hatte sich nämlich der Glaube erhalten, diese Ruine sei von mächtigen Dämonen bevölkert, die es ver mochten, auch den hartnäckigsten Verbrecher zu einem Geständ. nis zu bringen, dank der grauenhaften Qualen, die diesen Djinnis — Kleinen Teufeln — zur Verfügung standen. „Drum ist auch kein Berber oder Tunese zu bewegen, sich eine Nacht in dem alten Bauwerk aufzuhalten; nur ein uralter Marabu, Mekkapilger und schon jetzt als Heiliger verehrt, hat in der Nähe seine einfache Hütte. Er fürchtet die Geister nicht, denn ei ist hochgebildet und seit langen Jahren, als ich zum erstenma. diese grandiöse Trümmerstätte besuchte, ein Freund von mir." Der Portugiese, Don Alvarez, zuckte die Schultern: „Und glauben Sie, Sennor Professore, an diese Ammenmärchen?" Ein ernster Schein huschte über die Züge des Archäologen: „Don Alonso, wer länger im Orient gelebt hat, weiß, daß es Dinge gibt, die einem Westeuropäer immer ein Buch mit sieben Sie geln bleiben werden. Scheik Hassan Ali, der erwähnte Mullah, zeigte mir Dinge, die mir niemals erklärlich werden können und die ich doch mit meinen eigenen Augen gesehen habe!" Don Alvarez lachte spöttsch auf: „Zauberkunststücke, Gauckeleien, sonst nichts! Die habe ich in Lisboa oft genug gesehen." Doch das Gespräch konnte nicht fortgesetzt werden, denn Leutnant Rignolles drängte zum Ausbruch, und die bald sich einstellende mittägliche Hitze ließ jede Rede verstummen. Sengend brannte die Sonne herab. Wir waren an den Rand der Salzsteppe gelangt. Endlos dehnte sich vor uns das gelbe Sandmeer mit seinen Hügeln und Furchen, nur hie und da erblickte man die gebleichten Knochen gefallener Tiere. Stumm ritten wir dahin. Gegen Abend erkannten wir am Horizont die Umrisse eines großen Bauwerkes „Kasr el Djem!" Mit der Hand wies der Professor auf das Ruinengelände. „Der letzte Ueberrest der großen Stadt Kaiser Gordians. Niles übrige hat der Sand verschlungen." Rasch kamen wir dem Massiv näher. Es bot sich ein überwältigender Anblick. In blutrotem Abendsonnenschein gleißten die Rundbauten wie in Purpur ge taucht. Die Arena schien fast vollkommen erhalten und der Bau für die Ewigkeit errichtet. Die Säulen und Kapitäle der Rund bögen, die Stufen und Stiegen glänzten so frisch und neu, als hätte sie erst gestern der Architekt hier aufgebaut. Wir ritten in das Innere der» Rotunde und schlugen zwischen umgestürzten Säulentrümmern ein kleines Lager auf. Nasch kam die Dunkelheit, und bald prasselte ein kleines, lustiges Feuer. Wir hüllten uns fester in unsere Decken, denn der Abend wurde bitter kalt. Professor Mertens war noch in das etwas abseits stehende, weißgetünchte Häuschen seines alten Freundes, des Imam Scheik Hassan Ali gegangen, um den Heiligen zu begrüßen; wir anderen lagerten nach der Mahlzeit rauchend um das Feuer. Riesenhaft wuchtete der Rundbau in die dunkle Nacht, schattenhaft und unwirklich glitten lange Schlagschatten über die alabasterweißen Säulen und Mauervor sprünge. Die Unterhaltung verstummte. Plötzlich wurde eine klangvolle Stimme hinter uns laut „SsIIsm ^lsiekum! Der Friede sei mit Euch!" Wir sprangen verstört auf. Professor Mertens trat in den Schein der Flammen und an seiner Seite eine mächtige Gestalt, trotz des Alters noch ungebeugt. Ein weißer Bart wallte bis zum Gürtel, scharf funkelten hinter den buschigen Brauen die großen Augen, ein brauner Baschlik um hüllte die Schultern, so daß man den farbig gestreiften Seiden burnus sehen konnte. Scheik Hassan Ali, der heilige Marabu. Mit würdevollem Neigen des Kopfes begrüßte er uns, dann ließ er sich an unserem Feuer nieder. Die angebotenen Speisen schlug er dankend aus, nur von dem goldhellen Syrertabak nahm er. Er war ein guter Kenner unserer westlichen Kultur, sprach fließend französisch, und so war bald ein anregendes Ge spräch im Gange. Er erzählte Einzelheiten von der ehemaligen Wüstenstadt der Römer und gab ein anschauliches Bild der versunkenen Gröhe antiker Kultur. Wie staunte ich, einen mo- hamedanischen Priester so sprechen zu hören! Unmerklich glitt eas Gespräch aus den jetzigen Namen als Sitz der Geister über und Leutnant Rignolles fragte, wie dieser Name entstanden. Ehe noch der Imam antworten konnte, siel Don Alonso ein: „Wer glaubt denn solche verrückte Sachen; doch nur der, welcher so beschränkt ist, sich von Gauklern narren zu lassen." Wir waren alle von diesem unerwarteten Angriss überrascht; doch ruhig lächelnd faß der alte Priester Allahs. Nur sein Auge schien aus einen unsichtbaren Gegenstand aericktet. Mit feiner wohllautenden Stimme sprach er: „Niemand soll urteilen über Dinge, die sind, auch wenn er sie nicht versteht!" Bevor noch Don Alvarez eine Antwort geben konnte, hörten wir ein leises Zischen. Knapp vor unseren Füßen fuhr eine rrmlange Schlange hoch, blähte den Hals, stand aufrecht auf vem Schwanz. Wir sahen ihre Zähne blinken und die gespaltene Zunge hin- und herspielen. Mit einem Wutschrei fuhr der Por- iugiese hoch und ritz eine Pistole aus dem Gürtel. Da erklang >in leises Lachen von den Lippen des Imani Scheik Hassan Ali. Lr wischte leicht mit der Hand über die Schlange, sie verging vfe ein Nebel vor unseren Augen. Es muhte nur Suggestion gewesen sein, oder hatte uns ein Spukbild genarrt? Don Alvarez schwollen die Adern aus der Stirn: „Ver lammter Nigger!", wutschnaubend kam es heraus. Wir fuhren ,ei dieser schwersten Beleidigung des muhamedanischen Prie- ters erschrocken zusammen. Doch ruhig stand der so mit Schimpj Bedachte aus, nur seine Hand streckte er besehlend aus dem Dunkel der Nacht entgegen: „Sieh hin!" Von einem unwider - tehlichen Zwange getrieben, folgte Don Alvarez der Richtung. Weit ritz er seine Augen auf. Ein Keuchen kam aus seiner Kehle; dann wollte er die Hände abwehrend vor das Gesicht, das asch fahl wurde, strecken, doch wie von unsichtbaren Mächten wurden fie herabgezogen. Immer erschreckter wurde sein Blick, lallend kam es aus seinem Munde: „Wa—was willst Du, padre? Du bist doch tot!" Eine ferne Stimme kam aus der Nacht her- zeweht: „Nein, nicht das Eiswasser, ich will nicht, der Arzt hat -s doch verboten —" Ein gellendes Lachen des Portugiesen: „So bist Du noch nicht tot, Alter? Hat mein Gist nicht gewirkt? Wer ich habe Dich doch begraben lassen!" Aechzend brach der Portugiese zusammen, wirr starrte er vor sich hin, leise, stockend kamen die Worte: „Ich habe meinen Vater ermordet!" — Wir alle standen wie gebannt, jeder hatte das Geständnis gehört! Der Mullah saß ruhig auf seinem Platze. Langsam schien Don Alvarez zu sich zu kommen. Er blickte verstört im Kreise, dann zitterte er wieder vor Angst: „Ich habe meinen von mir er mordeten Vater gesehen!" ' Stöhnend brach er zusammen ... In dieser Nacht tat keiner von uns ein Auge zu. In aller Frühe brach Leutnant Rignolles nach dem Spahiposten auf, um die Gendarmen zu holen. Teilnahmslos ließ der Portugiese alles geschehen. Das Ereignis dieser Nacht hatte ihn gebrochen. Vier Stunden später waren die Goums, einheimische Gendar men, zur Stelle und sührten Don Alvarez hinweg Schweigend ritt unsere kleine Karawane zur Bahn. Professor Mertens war in El Djem verblieben, um seine Forschungen sortzusetzen. Bei einer Wegbiegung, von der man die Arena Kaiser Gordians zum letztenmal sah, verhielten wir unsere Pferde. Wie ein weißes Verhängnis lag das Amphitheater in der Ferne. Ruth Philipps brach als erste das lastende Schweigen: „Kasr el Djem. die Burg der Geister!" Eintönig und grell leuchtete die Wüste, glitzerten die Salzpfannen der Sümpfe. Schweigend ritten wir weiter zur Bahn. Much- und Kasjeegesetze in früheren Zeiten. Von E. T r o st - Bad Reichenhall. Die heftige Abneigung gegen alles Neue und der oft blinde und kritiklose Widerstand gegen alles, was störend in die bis herigen, alterprobten Lcbensgewohnheiten eingreift, sind offen bar dem gesamten Menschengeschlecht angeborene und unüber windbare Eigenschaften. In jedem Zeitalter und bei den meisten Völkern lassen sich die verschiedensten Beispiele für diesen im Grunde seltsamen Hang nachweisen, und auch unsere sich so stolz als „Jahrhundert des Fortschritts" bezeichnende Gegenwart ist hiervon durchaus nicht frei wie — um nur einiges anzuführen — die Feldzüge gegen moderne Kunstbestrebungen, das anfängliche Kopfschütteln über Zeppelins Erfindung und neuerdings der Streit für und wider den Bubikopf beweisen. Man könnte dies vielleicht mit einer Art von Trägheitsgesühl, das sich gegen das Erproben einer Neuerung sträubt, erklären, wenn der Kraftaufwand, den die Bekämpfung eben dieser Neuerung erfordert, den der Er probung nicht zumeist um ein Vielfaches überstiege. Aber darüber scheinen sich viele Menschen niemals klar ge- worden zu sein. Prozesse und Verfolgungen, Hinrichtungen und blutige Menschenopfer bezeichnen oft genug die Wege auch der kleinsten Fortschritte so lange, bis sie sich wieder zur Alltäglich keit durchgerungen haben; was übrigens keineswegs ausschlieht, daß selbst später noch gelegentlich die absonderlichsten Rückfälle vorkommen. So gelangte vor ungefähr vierzig Jahren der Sultan von Marokko plötzlich zu der Erkenntnis, daß das Tabakrauchen „unrein" sei; er verfügte die Schließung sämtlicher Läden, die Rauchwaren feilhielten, und die Verbren nung aller Tabakvorräte. Diejenigen seiner Landeskinder jedoch, die trotz des Verbotes keim Rauchen betroffen wurden, sollten Stockprügel erhalten oder auf Esel gebunden und durch die Straßen von Tanger gepeitscht werden. Im Wiederholungsfälle aber hatten sie das Abschneiden der Lippen durch den Henker zu gewärtigen. Diese Verordnungen erinnern stark an ähnliche, welche — etwa 280 Jahre früher — Iakob I. von England erließ. Bekanntlich soll das Rauchen durch den Seefahrer Sir Wal ter Raleigh unter Königin Elisabeth in England eingesührt wor den sein. Der Ueberlieserung nach ist die hohe Frau anfänglich diesem Genüsse nicht sonderlich geneigt gewesen, da man „den Rauch weder messen noch wägen könne". Als aber Raleigh aus sehr einfache Art — er rauchte genau ein Pfund Tabak, sam melte die Asche, wog sie ab und erklärte, daß der Unterschied notwendig das Gewicht des Rauches ausmachen müsse — ihre Bedenken zerstreute, hatte sie nichts mehr dagegen einzuwenden. Desto mehr aber Iakob l„ der sogar höchst eigenhändig eine „Misoeapnus", („Der Rauchseind") betitelte Abhandlung schrieb, in der er seine Untertanen vor dem unsittlichen Tabakgenutz ein dringlich warnte. Als er damit keinen Erfolg erzielte, unter sagte er 1604 das Rauchen vollständig und verordnete bei Zu widerhandlung für Bürgerliche Gefängnis oder Prügel, für Edel leute Ausweisung aus London und Abschneidung des Bartes. Noch bedeutend schwerer — nämlich mit dem Nasenauf- schlitzen — bestrafte man ungefähr um die gleiche Zeit in Ruß land Verstöße gegen das Tabakverbot, und unter Zar Alexis, dem Vater Peters des Großen, wurde sogar jeder Raucher zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe bestand übrigens um 1650 auch in der da mals freien Reichsstadt Lüneburg, während man in Ulm die sogen. „Gassenknechte" anstellte, deren Amt es war, alle heim lichen Raucher aufzuspüren und dem hohen Rat der Stadt vor zuführen, der ihnen alsdann in feierlicher Gerichtssitzung Pran ger oder die auf die „böse Sucht der trunkenen Trunkenheit" gesetzte Anzahl Stockstreiche auserlegte. Die Berliner erhielten gleichfalls Pranger, oder sie wurden ins Gefängnis gesteckt, die sächsischen.Missetäter hatten hingegen lediglich 5 Taler Buße zu entrichten. Den gleichen Betrag mußten die Wirte, welche die damals überall heitnlich veranstalteten „Tabagien" — Zusam menkünfte zum Zwecke gemeinschaftlichen Rauchens — in ihren Räumen duldeten, bezahlen. Im Jahre 1723 erließ auch die Kirche ein Rauchverbot für die Angehörigen des geistlichen Standes, und im ganzen 18. Jahrhundert wurden alle, die sich dagegen vergingen, ihres AVUL!- Lniyoveu. rsrv gan !N Bertin oas ollentiicye Rau chen für „unanständig" und dem Charakter geordneter und ge bildeter Städte zuwider. Es wurden dort Geld- und Gefängnis strafen verhängt, und in den meisten großen europäischen Städ ten gab es ähnliche Gesetze. Ihre Ausläufer haben sich in der noch in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Oester reich streng beobachteten Vorschrift, nach der man vor jedem Wachtposten und überhaupt vor jeder Militärperson die Zigarre oder Pfeife aus dem Munde nehmen mußte, und in den über all bestehenden Rauchverboten für Jugendliche bis in unsere Tage erhalten. Dagegen sind die zahlreichen Bestimmungen, die den Ver brauch eines anderen unserer Genußmittel, des Kaffees, zu unterbinden suchten, heule längst in Vergessenheit geraten. Auch um diesen entspann sich seit er — ungefähr um 1600 — in Europa bekannt geworden war, ein fast zwei Jahrhunderte dau ernder Kampf. In Marseille, wo man 1671 das erste Kaffeehaus eröffnete, fanden im Rathaus unzählige sogen. „Kaffeedispu tationen" statt, in deren Verlauf die Kaffeefeinde und -anhänger ihre Meinungen in endlosen Redeschlachten zu verteidigen suchten. Meist errangen die ersteren den Sieg und setzten mehrmals die Schließung des Marseiller Kafseehauses durch; dennoch eroberte sich der „afrikanische Trank ' langsam auch die anderen Länder. 1680 wurden in Paris, 1681 in Wien und 1684 in Nürnberg die ersten Kaffeehäuser eingerichtet — nicht ohne überall lebhafte Entrüstung Hecvorzurusen. Zu den heftigsten Gegnern des Kaf fees gehörten anfangs jene, die ihm später am meisten huldigen sollten — nämlich sie Frauen; aber es fanden sich auch zahlreiche Vertreter der Wissenschaft, die den Kafseetrinkern die schauer lichsten Krankheiten, Unglücksfälle und endlich ein jämmerliches Ende prophezeiten. — Die besorgten Landesväter und die hohe Obrigkeit der Städte waren hierdurch natürlich sehr ängstlich ge worden; sie gingen mit Verboten vor und setzten Strafen aut den Verkauf und das Trinken des Kaffees, doch waren diese niemals so streng wie die Raucherstrafen. Nur in Kairo ließ im 16. Jahrhundert der Sultan ertappten Kafseetrinkern die Zunge abschneiden oder sie in Kaffeesäcke einnähen und im Flusse er tränken. In Europa wurden den Verächtern der Kaffeegesetze nur Geldbußen oder schlimmstenfalls Stockhiebe zuerkannt. lleberlieserung. Skizze von Gustav F in k e-B ü l t e r. Dor dem Dorfe liegt die Wiese. Ein schöner, breiter Weg durchschneidet sie. Ihn benützen Karrenzieher, kleine Fuhrwerke und in der Hauptsache Fußgänger. Es würden ihn auch Rad- und Benzinfahrer benützen, um ein beträchtlich Stück von der Landstraße abzuschneiden, aber die kannte man damals noch nicht. Der Weg also war eine schnurgerade, offenherzige und gefahrlose Zielverkürzung. An einem Tag im Sonnenschein jedoch kamen Kinder, ganz Kleine unbedeutende Kinderchen aus dem Dorf, und gruben ein Loch, mitten hinein in den Weg ein ziemliches Loch. Denn sie wollten mit ihren Tonkügelchen spielen, die man Klinker und anderswo Marmel nennt. Ein uraltes, artiges Spiel. Wer gut zielte und von einer gewissen Entfernung aus die Kugel in die Falle trudelte, hatte gewonnen und bekam, da sie keine höheren Werte ihr eigen nannten, von jedem Partner eine Kastanie. Und, um ja recht viele der braunen blanken Früchte zu ge winnen, machte man die Grube noch ein bißchen größer. Fein ließ sich nun spielen. Dann wurden die Kinderchen müde und gingen heim. Das Loch blieb da. Weil aber bald danach Regen fiel und Wasser sich darin sammelte, konnte keinem Menschen zugemutet werden, sich naß zu plantschen oder gar ein Bein zu brechen. Ein jeder beschrieb deshalb einen Bogen um den Trichter, die Karren- sührer, die Fuhrwerke und die Fußgänger. Als leichter Schnee rieselte, wurden die Schwingungen schon deutlicher. Die Gras- narbe verschwand, die nackte Erde kam zum Vorschein und härtete sich. Man wußte nun, wo fortan zu wandeln war. Im Frühling ergrünte inmitten des Weges eine Oase. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein, denn es ließe sich zur Not eine kleine Nutzanwendung zustande bringen; den- noch geschah noch mehr der Seltsamkeit. Nämlich, ein Kasta nienbaum drängte zum Licht. Aus der inzwischen fast zuge schwemmten und zugewehten Grube erwuchs ein dreiblättriges Bäumchen. Man glaubt, dies sei die erklärlichste Sache der Welt, die spielenden Kinder damals — — nicht wahr? Ge mach, es ist wirklich eine äußerst fesselnde Naturerscheinung, nur erkennen wir sic nicht mehr, weil wir uns das Wundern abge wöhnt haben. Eine verkehrte Welt. „Es geht nirgends verrückter zu als in der Welt", heißt es, und man ist versucht, dem beizupflichten, wenn man das Leben zweier Zeitgenossen getrachtet, die wir, um nicht persönlich zu werden, L und D nennen wollen. X kam niemals zu spät zur Schule und fehlte nie. Er machte immer tadellos seine Schularbeiten und pflegte sich sogar ganz von selbst zu waschen. Schon mit fünf Jahren putzte er sich selbst die Schuhe. Gab es in der Schule einen Preis zu ge winnen, so war es sicher, daß er ihn bekam. I dagegen kam immer zu spät und schwänzte oft die Schule. Er begriff nicht, wozu man sich wusch, da er doch stets gleich wieder schmutzig war. Seine Schularbeiten machte er nur der Not gehorchend, wenn er nicht anders konnte. Und der Erfolg? Dank seinen früh erworbenen Tugenden der Pünktlichkeit, Ordnungsliebe und Fleiß hat X es zum ersten Prokuristen eines Welthauses gebracht, dessen Generaldirektor A ist. Las Frauenmahlrecht. Während in England bekanntlich den Frauen 1018 das Wahlrecht zugestanden worden ist, besitzen die Französinnen es noch nicht und sie scheinen auch gar keine übermäßige Sehnsucht danach zu haben. Vielleicht genügt ihnen das Bewußtsein, daß ihre Herrschaft im Hause und in der Gesellschaft uneingeschränkt ist und daß sie so ihren politischen Einfluß ausüben können, ohne an langweiligen Wahlversammlungen teilnehmen zu müssen. Im merhin gibt es auch in Frankreich noch eine Bewegung für das Frauenwahlrecht, und ihre Anhängerinnen weisen darauf hin, daß es sich hierbei nicht um die Einführung eines neuen Frauen- cechts handelt, sondern nur um die Wiederherstellung eines alten, abgeschafften. Im 14. Jahrhundert waren die Frauen zanz Südfrankreichs wahlberechtigt und im 16. Jahrhundert waren sie sogar wählbar, denn 1576 saßen dreißig grundgesessene Witwen in der gesetzgebenden Versammlung der Freigrafschaft Burgund, als diese der spanischen Linie der Habsburger gehörte. Dieses Frauenrecht bestand noch bis zur französischen Revolution und seine Aufhebung ist keinem gekrönten „Tyrannen" zu ver- danken, sondern den Umsturzmännern Mirabeau und Robe, ipierre, deren Werk allerdings später Napoleon I. mit der Be- zründung vollendete, es sei der große politische Fehler der West- oölker gewesen, daß sie die Frauen zu gut behandelt hätten!
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