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. E' Wr EM ! pstttilcve irunüWsu l «R»»Lv-«LL0»» ür»»,«»««,»,a»»»»»» »»»«»»»» Deutsches Jisich Reichskanzler und Präsidium des Reichslandbundes. In der Reichskanzlei fand eine Besprechung des Reichskanzlers mit dem Präsidium des Reichslandbundes in Gegenwart des Reichswirtschaftsministers, des Reichs ernährungsministers, des Reichsjustizministers sowie von Vertretern des Auswärtigen Amtes und des Reichs finanzministeriums über handelspolitische, Steuer- und Kreditfragen statt. - Bauernbund nno Landüuud. Der Gesamtvorstand des Deutschen Bauernbundes erläßt eine Erklärung, in der betont wird, daß der Bauernbund nicht daran denke, die Linie seiner bisherigen Politik zu verlassen und sich dem Landbunde unterzu ordnen. Das bisherige Vorstandsmitglied Hackbarth, das nach einer Mitteilung des Bauernbundes mit Hilfe von Landbundgeldern den Übertritt des Bauernbundes vor bereiten wollte, ist sofort aus der Organisation ausge schlossen worden. Das Schankstättengesctz vor dem Reichsrat. Die Verhandlungen des Reichsrats über das Schank stättengesetz, die nach mehrmaliger Vertagung am Mon tag beginnen sollten, sind abermals vertagt worden. Die Ausschüsse des Reichsrats wollen in 14 Tagen die Be ratung des Gegenstandes beginnen. Ans Zm und Ausland. Berlin. Der zum Tode verurteilte deutsche Fremden legionär Klems hat durch Vermittlung des Auswärtigen Amtes ein Gnadengesuch eingereicht. Darmstadt. Der Reichsminister der Finanzen, Dr. Köhler, der in Darmstadt weilte, besuchte zunächst das dortige Landes- finanzamt und stattete dann dem hessischen FinanMinister Henrich einen Besuch ab. London. Nach einer Reutermeldung aus Santiago de Guayaquil in Ekuador ist ein Ende voriger Woche in Quito unternommener Staatsstreich mißglückt. Der Prä sident Ayora, der ins Gefängnis gebracht worden war, wurde später wieder frcigelassen. Washington. Der amerikanische Gesandte in Managua, Eberhardt, ist ermächtigt worden, mit dem Führer der libe ralen Armee, Moncada, über Friedensvorschläge zu ver handeln. Washington. Wie in politischen Kreisen verlautet, wer den England nnd Japan demnächst ihre Zustimmung zu dem Gedanken einer D r e i m ä ch t e k o n f c r e n z Mitteilen. r Nsues Zus alle«' Veli f » Unfall des pv Zuges Hoek van Holland—Basel. Wahrscheinlich infolge Schienenbruchs entgleiste zwischen Troisdorf nnd Friedrich-Wilhelmshütte der Fernschnell zug Hoek van Holland—Basel. Lokomotive und Pack wagen sprangen aus dem Gleis und konnten erst hundert Meter weiter zum Halten gebracht werden. Personen kamen nicht zu Schaden. Mit einer Reservemaschine konnte der Zug mit etwa zweistündiger Verspätung seine Fahrt fortsetzen. Schwere Bluttat eines Greises. In Chemnitz hat ein 76 Jahre alter Gutsauszügler seinen 38 Jahre alten Sohn, der das Gut bewirtschaftete, und dessen Ehe frau mit einem Jagdgewehr erschossen. Der Mörder hat sich dann selbst einen tödlichen Schuß ins Herz beigebracht. Die Tat ist auf Zwistigkeiten innerhalb der Familie zu rückzuführen. Der alte Mann wurde angeblich von der Schwiegertochter anherordentlich knapp gehalten. "" Ein blinder Abiturient. In Erfurt befindet sich unter den Abiturienten eines Gymnasiums ein blinder Oberprimaner. Trotz seines Leidens hat er mit die besten Leistungen in der Prüsnng aufzuweisen. Die Alpenrose. Hoch auf dem Berg im braunen Moose, Von Eis umglänzt und halb verschneit, Blüht still empor die Alpenrose. Ein süß Gedicht der Einsamkeit. Der lauen Frühlingslüfte Fächeln Küßt ihre jungen Blätter nicht; Sie steht wie ein verloren Lächeln 6m starren Felsenangesicht. Die kalten Gletscherwände steigen, Antürmend mächtig Stück für Stück Und unbemerkt im ew'gen Schweigen Wächst e wie ein verschwiegen Glück. O selig der, dem wohl geborgen Im oft durchfrvsteten 'Gemüt, Hoch über allen Lebenssorgen So eine süße Blume blüht! Feodor Löwe. Lindenhos. Eine vorbildliche Fürsorgeerziehungsanstatt. Berlin, im März. Vor den Toren Berlins, inmitten großer Garten« anlagen, liegt der „Lindenhof", ein Institut, das als Muster guter Fürsorgeerziehung viele schlimmen — und nicht immer unberechtigten — Vorstellungen von Zwangs- rrziehung mit fortgesetzten Strafverfügungen, Prügel und Arrest über den Haufen wirft. Hier ist es gelungen, eine Lebensgemeinschaft der Zöglinge zu schaffen, in der der einzelne für alle verantwortlich ist. Die jungen Leute selbst werden zu Trägern der Idee des Hauses, dem Gedanken der Besserung und der Vorbereitung auf ein neues Leben, herangezogen. Sie selbst sind die Mitarbeiter an ihrer Erziehung. Der an der Spitze des Instituts stehende Leiter hat in 30jähriger pädagogischer Erfahrung gelernt, die jungen Menschen zu erkennen und mit ihnen gütig und unbureaukratisch umzugehen. Er fühlt sich richtig als „Vater" seiner 225 Zöglinge. Dem Besucher fällt zunächst die Stimmung auf, dre die lichten, hohen Räume erfüllt. Die Bewohner haben fröhliche Gesichter, schauen den Fremden offen und ehr lich an. Man kann es kaum glauben, daß diese Jungen, im Alter von 14 bis 21 Jahren, einmal — sei es aus Not oder Anlage — Böses getan haben. Immer wieder fühlt man sich veranlaßt, den Direktor nach der Vor geschichte dieses oder jenes unter ihnen zu fragen. Der eine hat gespielt, ein anderer unterschlagen, dieser war ein Trinker und jener hat sich auf anderem Gebiet ver gangen. Opfer der Großstadt mit ihrer Versuchung und Not, Opfer der unzureichenden Wohnungen, in denen zehn und mehr Menschen beiderlei Geschlechts und ver schiedenen Alters in einem Zimmer Hausen müssen, oder des Hungers. Wenn sie jetzt wieder ins Leben kom men in Berufe, die sie in der Anstalt erlernt haben, sind n- besser vorbereitet und gewappnet, gefestigt und gereift. " überall im „Lindenhof" ist Licht, Sauberkeit, sind bunte Räume in starken, frychen Farben. In allen Tages räumen singen Vögel, in den Zimmern und Gangen stehen Blumen. Die Jüngünge, die m große Gruppen — Familien" — eingeteilt sind, schlafen in Zimmern mit"6 bis 8 Betten. Jede Familie hat ihren eigenen ^agesraum und ihre eigene — Tierfamilie. Mit der Fürsorge" für die Tiere beginnt die Fürsorge für dis Menschen. Rauhes und Wildes, jede Rohheit schwächt sich ab und in der Beslb^ktionnq mit den Tieren werden die Heranwachsenden weicher und seiner. Jeder hat fernen Beruf meist erst in der Anstalt erlernt. So gibt es im Lindenhof je eine Buchdruckerei, Tischlerei, Stellmacherei, Schmiede, Schuhmacherei, Möbelwerkstatt, Korbflechterei, Schneiderei usw. Solide Arbeit wird hier geleistet. Mancher von den Besuchern nimmt sich vor, der Anstalt Aufträge zukommen zu lassen. Neben der Arbeit gibt es geistige Erziehung durch Unterricht in dem Lehr raum — der wie ein froher Festsaal wirkt — und vor allem durch die Musik. Gemeinsames Musizieren, Singen und Spielen gehört zu den wichtigsten Dingen der Anstalt. Auch literarische Arbeitsgemeinschaften mit Aufführungen wertvoller Stücke auf der kleinen Bühne sind da. Besonderer Beliebtheit erfreut sich die Bibliothek und ihr schöner Lesesaal. 900 Bände und mehrere Tages zeitungen stillen den Wissensdrang. Eine große Kirche dient dem Gottesdienst. Am frühen Morgen, um 6 Uhr, beginnt das Tage Werk: Fertigmachen und Aufräumen und besonders rhythmisch-gymnastische Übungen; Körperkultur und Sport — auf dem Sportplatz — gehören zum Leben. Dann kommt die wichtigste Stunde des Tages: die Ver einigung aller Zöglinge und Beamten (einschließlich der Scheuerfrau) im Turnsaal. Hier werden allgemeine Fragen besprochen, Klagen vorgebracht, hier muß man vor allem Rechenschaft ablegen, wenn man sich nicht gut geführt hat. Diese Verantwortung ersetzt alle Strafen; sie ist wirksamer als Strafe. Körperliche Züchtigung oder Arrest ist in der Anstalt abgeschafft. Diese tägliche Morgengemeinschaft bringt das Zusammengehörigkeits gefühl aller zueinander. Schließlich folgen acht Stunden Arbeit, unterbrochen von den Mahlzeiten. Die Verwal tung liegt in den Händen der Zöglinge: sie helfen in der Küche — um jedes Mißtrauen auszufchalten, daß der Direktor „was Besseres" bekommt — und im Haus. Eine Einrichtung zeichnet den „Lindenhof" besonders aus: die Insassen bekommen Urlaub. Alle 14 Tage dürfen sie Sonnabend und Sonntag nach Hause. So verlieren sie nicht den Zusammenhang mit Len Eltern und dem Leben draußen. Der Beweis für die Richtigkeit der Erziehungsweise des Instituts ist, daß jedesmal alle pünktlich wieder zurückkehren. Die „Emden^-Mannschast in Sansibar. Die Schiffsbesatzung der „Emden" bei ihrer kürzlichen Unterhaltung mit Polizeiaskaris des Sultans von Sansi ¬ bar. Viele sprechen etwas deutsch, welches sie als Lettow- Vorbeck-Askaris gelernt haben. Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt. — Nr. 57 — Mittwoch, den9 Marz 1927 Nach dem Roman .Die Elenden" von Victor Hugo. 33j (Nachdruck verboten.) Der Nachlwuid hatte sich erhoben, eine Andeutung, daß es zwischen ein und zwei Uhr früh war. Die arme Cosette sagte nichts. Sie zitterte noch immer. „Willst du schlafen?" fragte Valjean. „Ich friere sehr," sagte sie und nach einiger Zeit setzte sie hinzu: „Ist sie noch immer da?" „Wer?" fragte Valjean. „Madame Thenardier." Er hatte vergessen, durch welches Mittel er Cosette ganz zum Schweigen gebracht hatte. „Ah," antwortete er, „d i e ist fort. Fürchte dich nicht mehr." Das Kind seufzte, als ob eine schwere Last ihm von der Brust genommen werde. Der Boden war feucht, der Schuppen nach allen Seiten offen und der Wind wurde jeden Augenblick kälter. Val- jcan zog seinen Rock aus und wickelte Cosette in den selben. „Frierst du nun nicht mehr so sehr?" fragte er. „Nein, Vater!" „So warte einen Augenblick; ich komme bald wieder." Er ging aus dem Schuppen heraus und an dem großen Gebäude entlang, um womöglich besseren Schutz zu finden. Er traf auf Türen, aber sie waren geschlossen. An allen Fenstern des Erdgeschosses befanden sich eiserne Gitter. Wo war er? Was war dies seltsame Haus? Die Kälte, die Angst, die Aufregungen dieser Nacht hatten ihm eine Art Fieber gegeben und alle seine Ge danken gingen ihm im Kopfe wirr durcheinander. Er trat zu Coseite; sie war eingeschlafen. Valjean setzte sich neben Cosette und betrachtete sie. Allmählich, je länger er sie betrachtete, beruhigte er sich und kam zum vollen Selbstbewußtsein. Trotz seinem Sinnen, in das er wieder verfallen war, hörte er indes seit einiger Zeit ein wunderliches Geräusch, wie eine Schelle, die bewegt wurde. Es war im Garten. Man hörte es deutlich, wenn auch schwach. Es glich dem leisen Klange, den die Glöckchen der Kühe in der Nacht aus der Weide geben. Valjean drehte sich um und sah hinaus. Da bemerkte er, daß jemand in dem Garten war, ein Mann wahrschein lich. Er ging zwischen den Glocken des Melonenbeetes umher, bückte sich, richtete sich wieder aus, blieb stehen, alles mit regelmäßigen Bewegungen, als wenn er etwas am Boden hinziehe oder ausbreite. Der Mann schien zu hinken. Den armen Valjean übersiel das immerwährende Zittern der Unglücklichen. Aus eingebildeter Angst verfiel er in wirkliche. Er meinte. Javert sei mit den Polizeidienern vielleicht gar „Sollte sie wi fewr" fragte er sich, und an allen Gliedern zitternd, richtete er sich aus nicht fortgegangen; er habe ohne Zweifel Leute als Wache zurückgelassen. Wenn der Mann im Garten ihn bemerkte, rief er wahrscheinlich: Diebe! und lieferte ihn aus. Er nahm Cosette vorsichtig auf die Arme und trug sie hinter einen Hausen daliegender alter Geräte, in den fernsten Winket des Schuppens. Cosette rührte sich nicht. „Mein Gott!" dachte er und er ries leise: „Cosette!" Sie schlug die Augen nicht aus. Er schüttelte sie. Sie erwachte nicht. „Sollte sie rot sein?" fragte er sich, und an allen Gliedern heftig zitternd, richtete er sich auf. Cosette war bleich zu seinen Fußen an den Boden gesunken und rührte sich nicht. Er hörte zwar ihren Atem, sie lebte also noch; aber der Atem war ganz schwach und schien verlöschen zu wollen. Wie sollte, wie konnte er sie erwärmen, erwecken? Cosette mußte um jeden Preis vor einem Feuer und in einem Belt sein, ehe eine Viertelstunde verging. Er ging gerade aus den Mann zu, den er in dem Garten bemerkte. In die Hand hatte er die Geldrolle ge nommen, die er in der Westentasche getragen hatte. Der Mann bückte sich und sah ihn nicht kommen. Mit einigen Schritten war Valjean bei ihm und laut rief er ihn an: „Hundert Frank!" Der Mann fuhr empor und blickte aus. „Hundert Frank!" sagte Valjean, „wenn Sie mir ein Obdach für diese Nacht geben!" Der Mond schien auf das ängstliche Gesicht Valjeans, „I, Sie sind's, Herr Madeleine?" antwortete der Mann. Bei diesem Namen, der in solcher Weise, in dieser Nachtstunde, an diesem unbekannten Orte, von dem un bekannten Manne ausgesprochen wurde, wich Valjean zurück. Er war aus alles gefaßt gewesen, nur nicht auf das. Der, welcher ihn so angeredet hatte, war ein hinkender, gebeugter alter Mann in der Kleidung eines Bauern, und er hatte am linken Knie ein Lederband mit einem ziemlich großen Glöckchen daran. Sein Gesicht, das sich im Schatten befand, war nicht zu erkennen. „Wer sind Sie? Was ist dieses Haus?" fragte Valjean. „Nun, das nehmen Sie mir nicht übel, das ist ein starkes Stück," antwortete der Alte. „Ich bin ja der, den Sie hierhergebracht haben, und es ist das Haus, in das Sie mich gebracht haben. Kennen Sie mich denn nicht?" Er vrehle sich um, ein Mondstrahl beschien sein Ge- sicht und Valjean erkannte den alten Fauchelevent. Da Valjean sah, daß ihn der Mann kannte, wenig stens unter dem Namen Madeleine, so glaubte er um fo vorsichtiger sein zu müssen. Er stellte also eine Menge Fragen und kehrte so die Nollen um: er, der Eingedrun gene, fragte. „Was bedeutet die Schelle, die Sie da am Knie haben?" „Daß man mir aus dem Wege gehe." (Fortsetzung folgt.)