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- Erscheinungsdatum
- 1927-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192702236
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19270223
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19270223
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-02
- Tag 1927-02-23
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Monat
1927-02
-
Jahr
1927
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Wenn man heute von einer zunehmenden Neigung der Weiblichkeit zum Tabakgenutz spricht, so ist diese Neigung eigentlich keine neue Erscheinung. Die Frauen haben schon lange vor der Gegenwart geraucht. Nicht gerade Zigaretten, die sind erst Mitte des 19. Jahrhunderts nach Europa gekommen, sondern Pfeife. In alten Schriften aus dem 17. und 18. Jahrhundert steht zu lesen, daß Tabak sehr viel geraucht werde, auch von den Frauen. Eine Klubordnung aus jener Zeit bestimmt, daß jeder Be sucher seine Pfeife aus dem eigenen Tabaksbeutel stopfen solle, und wer seine Frau mitbringe, müsse auch bezahlen, was sie trinkt und raucht. Es ist ja möglich, daß auf diese Bestimmung hin die Männer lieber allein in den Klub gegangen sind, aber daß sie prinzipiell nichts gegen das Rauchen der Frauen hatten, geht aus jenen originellen Briefen hervor, die ein englischer Schriftsteller im Jahre 1700 schrieb und „an eine alte Dame mit der Te-aks- pseife" richtete. Es heißt darin: Ich rate Ihnen drin gend, Pfeife zu rauchen, denn erstens ist es ein Vergnügen und dann auch ein vorzügliches Mittel gegen Zahn schmerzen, mit denen Damen in Ihrem Alter ja so oft geplagt sind. Weiterhin tut eine Tabakspfeife vorzügliche Dienste bei religiösen Betrachtungen, weshalb es ja auch keinen Geistlichen gibt, der feine Predigten ausarbeiten kann, ohne dabei zu schmauchen. Zum Schluß wird dann der launige Vergleich gezogen, daß eine Pfeife für eine alte Dame dasselbe ist wie der Verehrer für eine junge, beiden liefe nämlich dabei das Wasser im Munde zu sammen. W. D. Thronverzlcht des Teckönigs. Lipton-Tee, das ist eine auch bei uns bekannte und sehr gut angeschriebene Teemarke. Der diesen Tee vertreibt, ist Sir Thomas Lipton, den seine englischen Landsleute den „Teekönig" nennen. Lipton ist ein Herr von fast 77 Jahren, Ire von Geburt, Sohn eines armen Bauern und, wie das eigent lich nur bei Märchenkönigen vorkommt, durch härteste Schulen des Lebens gegangen. Selbstverständlich be gann er, wie alles, was in England und Amerika später durch Handel Millionär geworden ist, als Laufjunge. Da Die Entwicklung der Wetterkunde in Deutschland. Im Jahre 1508 wurde die erste „Bauernpraktik" gedruckt, die den Landwirten viele Winke aus klimatischer Grundlage gab. Vor 450 Jahren erschienen im Druck die ersten Wetterprog nosen auf astrologischer Grundlage, die viel gekauft wurden. Da die meisten Landwirte nicht lesen konnten, wurden die Voraus sagen in den Kalendern des 17. Jahrhunderts in Symbolen und Hieroglyphen zum Ausdruck gebracht. Einblattdrucke mit bild nerischen Darstellungen ins Auge fallender Himmelserscheinun gen, die mit Krieg und Pestilenz in Verbindung gebracht wur den, waren damals viel verbreitet. Eine der interessantesten astrologischen Voraussagen war die des Tübinger Professors Stöffler. Seine Ausführungen in Kalender-Anordnung fußten auf den Ephemeriden des Regiomontanus und sagten den Cha rakter der Witterung schon um 1500 in lateinischer Sprache voraus. Sein Almanach wurde als Hauskalender mit Eintra gungen viel benutzt. Im Februar 1524 sollte eine große Anzahl von Konjunktionen der Planeten ungewöhnliche Witterungs zustände Hervorrufen. Davon hatte Stöffler bereits 1489 viele berechnet, so daß die darauf begründete Voraussage in allen Ländern Aussehen erregte. Eine Sintflut sollte kommen, und auf dem Reichstage zu Worms wurde diese Prognose eingehend besprochen. Nicht weniger als 51 Druckschriften erschienen 1523 darüber, die von Astronomen, Aerzten und Geistlichen abgefaßt waren. MU Angst und Schrecken erwartete man den Monat, und Tarnende von Wohlhabenden flohen in hochgelegene Orte oder Schiffe. An der französischen Küste wurde sogar Ad"? Der Bürgermeister von Wittenberg, wo Philipp Melanchton wohnte, der sich auch für Wetterkunde interessierte, quartierte sich mit einem Faß Bier auf dem Boden seines Hauses ein. Es trat aber keine „Mehrung des Wassers" ein, und nun suchten die astrologischen Anhänger die Richtigkeit durch den ausgebrochenen Bauernkrieg zu erweisen, der ja auch eine Art Sintflut sei. Andere meinten, die astrologischen Lehren der Araber müßten verbessert werden. Man hätte eben nicht gewußt, daß Gott Noah versprochen habe, es solle keine Sintflut wiederkommen. Der Hofastrolog des Brandenburger Kurfürsten, meinte Stöffler, habe sich im Datum verrechnet, und das Un glück werde erst am 15. Juli 1525 eintreten. Der Kurfürst Joa chim fuhr daher an diesem Tage zum Tempelhofer Berg, der in der Nähe des jetzigen Berliner Flughafens lag. Es passierte aber nichts, und er fuhr daher mit seinem Vierspänner wieder zum Schlosse zurück. Bei der Einfahrt wurden der Kutscher und die vier Pferde vom Blitz erschlagen. Die ersten gedruckten Wetter-Beobachtungen erschienen in Deutschland um diese Zeit. Der Landgraf von Hessen gab 1637 anonym ein Buch heraus: „Newe Deutsche Attrologle sampt einem Methodo. das tägliche Wetter zu erklären." Heute noch gibt es in den Archiven und Bibliotheken viele ähnliche Bucher. In Dresden trug Kurfürst August Beobachtungen in einen Schreibkalender ein. Aurich hat das Tagebuch des Pastor Fa bricius von 1588 bis 1613 und Sagan das von Joh. Kepler von 1598 bis 1629 mit Wetterbeobachtungen, aber natürlich ohne Instrumente. Im 17. Jahrhundert wurden viele Wetter-Journale geführt. In Kassel schrieb von 1623 bis 1646 der bereits ge nannte Landgraf von Hessen in Kassel: „Ob und wie das täg liche Gewitter mit den Gestirnen überein getroffen und warum solches geschehen sei oder nicht." Auch die „Beleuchtung der ge ¬ meinen Bauern-Negsin" schrieb er. 1716 gab ein Hallenser Pro fessor der Medizin ein Buch über Witterungsdeutung heraus. Um diese Zeit hatten bereits die Instrument-Beobachtungen be gonnen. In der Königlichen Bibliothek zu Hannover befindet sich ein Manuskript mit Barometer-Ablesungen von 1678, wozu Leibniz die Anregungen gab, um zu prüfen, ob das Barometer sich zur Vorhersage des Wetters eigne. Viel vollständiger ist eine leider verloren gegangene Beobachtungsreihe für die Disser tation eines Bremensers vom Jahre 1681 l-Absrti ziehen krs- msnsis äisssrtstio klküksmatiLa äs odssrvationibus Leromsiri- ois). Diese Dissertation ist in der Bremer Stadtbibliothek. Meyer hatte in Kiel zuerst Iura studiert und dann Mathematik und Meteorologie. Leibniz war am Ende des 17 Jahrhunderts von dem Franzosen Mariotte zu seinen Beobachtungen angeregt worden. Der Großherzog von Toskana schenkte dem Iesuiten- kollegium in Osnabrück ein Thermometer, mit dem tägliche Beobachtungen gemacht wurden, die in Deutschland die ersten gewesen sein werden. Der Lehrer des Alb. Meyer in Kiel war Professor Reyher, der schon 1661 ein Buch „detere" geschrieben hatte, und Barometer, Thermometer und Hygroskop täglich ab las. Camerarius in Tübingen beobachtete sogar von 1691 bis 1717 zweimal am Tage, und später gab die Frau eines Astro nomen ein Buch heraus mit der Einführung: „In Gottes Namen wieder angesangen die Tägliche Beschreibung des Wetters." Diese Beobachtungen wurden von der Familie bis 1774 fort gesetzt, und Pastor Gronau beschrieb im Anschluß die Witterung der Mark Brandenburg. In diesem Jahrhundert wurde von Professoren in Halle und Königsberg sogar bereits dreimal am Tage Wind. Luftdruck und Temperatur abgelesen In jener Zeit drang die Anschauung durch, daß nicht Einzel- beobachtungen, sondern korresspondierende an verschiedenen Orten gemacht werden müßten. Mil der „Abmessung des Jähr lichen Regens und Schnees" wurde bereits 1715 begonnen, und von 1717 an erschien sogar eine Zeitschrift, die von zahlreichen Orten Beobachtungen brachte. Ein späterer Bergarzt gab 1779 eine klimatologische Beschreibung des Höhenortes Clausthal am Harz heraus. Das Interesse an der Wetterkunde nahm um diese Zeit so zu, daß sogar Kaufleute und Pfarrer tägliche Beobach tungen machten und die Mittelwerte der Monate und des Jahres berechneten. 1778 gab Böckmann, ein Karlsruher, ein Buch her aus: „Wünsche und Aussichten zur Erweiterung und Vervoll kommnung der Witterungslehre, einsichtsvollen Naturforschern zur Prüfung und Teilnehmung dargelegt." Von Fürsten wurden Zentral-Stationen geschaffen und mit Instrumenten beliefert. Die Mannheimer „Societas Palatina" setzte feste Tages-Ter mine ein und die Bayerische Oekonomie der Wissenschaft schuf ein dichtes Beobachtungsnetz in Bayern. Leider kam am Ende des Jahrhunderts noch einmal wieder ein Rückschlag, an dem wohl die französische Revolution Schuld hatte. Im Anschluß an die von Goethe 1822 geschaffenen Stationen in Thüringen erreichte auch Sachsen und Württemberg Fortschritte. Während es 1700 in Deutschland nur sechs Wetterstationen gab, vermehr, ten sich diese vor hundert Jahren stark, so daß es 1859 bereits 170 gab Heute haben wir eine größere Anzahl von Zentral. Observatorien und Instituten, die jährlich meteorologische Jahr bücher herausgeben. Professor Dr. Grosse. er schon mit neun Jahren aus der Schule gelausen war, hat er nie eine ordentliche Schulbildung genossen, aber er mutz das dann wohl gründlich nachgeholt haben, sonst wäre er wahrscheinlich nicht Sir geworden. Mit 17 Jahren brannte er nach Amerika durch — natürlich als blinder Passagier —, trieb sich ein paar Jahre aus Plan tagen herum und kehrte schließlich mit 2000 Mark in der Tasche nach England zurück. Das war der Grundstock seines großen Vermögens. Mit 40 Jahren schon war er Millionär und Inhaber des größten Teegeschäftes der Welt. Solche Leute waren ganz nach dem Geschmack des klugen Königs Eduard, und so entspann sich zwischen den beiden eine dicke Freundschaft. Das weckte den Ehrgeiz des Teekönigs: er bekam Lust, aus sportlichem Gebiete eine Größe zu werden, und wollte durchaus im Segelsport den Amerikapokal gewinnen. Obwohl er sich das viele Millionen kosten ließ, gewann er ihn nie. Jetzt zieht sich Sir Thomas Lipton für immer vom Teegeschäst zurück, und es wird sich auf den vakanten Teekönigsthron ein anderer setzen. _ Preisausschreiben für eine Krawatte. Es mutz auch für die Männerwelt endlich etwas getan werden. Hundert tausende mühen sich ab, um für die Frauen stündlich neue Moden zu erfinden und sie von oben bis unten „tipp topp" herzustellen. Ist aber je einer auf den Gedanken gekommen, datz auch der Mann sozusagen ein Mensch ist und datz er als solcher ein Recht hat, anständig gekleidet zu werden? In Italien scheinen sie das endlich ersaht zu haben, und einer Seidenmanufaktur in Como gebührt das Verdienst, den ersten Versuch zur besseren Auf machung des Mannsvolkes gemacht zu haben. Sie hat an die Künstlerschaft der ganzen Welt die Aufforderung ergehen lassen, drei- oder vierfarbige Zeichnungen für eine Prachtkrawatte herzustellen. Es soll die schönste Kra watte der Welt zustande gebracht werden und es sind Preise von 100 000 Lire ausgesetzt. Der Wettbewerb wird am 15. Mai dieses Jahres geschlossen. Es ist also zu er warten, datz wir Männer schon im Sommer 1927 unsere fabelhafte neue Krawatte haben und auf das andere Ge schlecht einen überwältigenden Eindruck machen werden. Kampi gegen Lie Neugierde. Die Dankees stehen von jeher im Rus einer unbezähmbaren Neugierde, über die die Reisenden stets zu Klagen hatten Be sonders schlimm war es im 18. und 19. Jahrhundert. Benjamin Franklin, dem dieses neugierige Fragen höchst unangenehm war. wandte folgendes Mittel an, um sich vor den Zudringlichkeiten seiner Landsleute zu schützen. Trat er bei seinen Reisen durch die Staaten in ein Wirtshaus, so stellte er sich in die Mitte des Zimmers und sprach mit lauter, energischer Stimme: „Ich heiße Benjamin Franklin, bin von Boston gebürtig, in Phila delphia angesessen, bin Buchdrucker, komme von X. und will nach D. Ich wünsche zweierlei: Erstens recht bald ein Mittag essen, zweitens, mit allen Fragen verschont zu bleiben!" — Die ses Verfahren hat stets gewirkt. Ile NarrenpriM und ihr Ursprung. Kaum einer von den Tausenden, die alljährlich zur Karne valszeit sich der Narrenpritschs bedienen, wissen daß dieser in den Fastnachtstagen sich so großer Beliebtheit erfreuende Gegen stand seinen Ursprung in einem altgermanifchen Brauche hat, der in ländlichen Gegenden noch heute da und dort anzutresfen ist, der Ledensrute, durch deren Schlag Gesundheit und Gedeihen des Geschlagenen gefördert werden soll. Während man in Süd deutschland den Brauch, seine Umgebung mit der Lebensrute zu schlagen in die Weihnachtszeit verlegt halte und ihn im Osten in der Osterzeit kannte, war er in vielen Teilen Nord deutschlands in der Fastenzeit üblich. In Gmünd ist es der „Butzenmann", der die vorüberkommenden Buben und Mädchen mit einer Haselgerte schlägt: in manchen Gegenden Hannovers glaubt man, daß der mit der Rute Getroffene von allerlei Krank heiten befreit bleibt, auch soll die Sitte den Geschlagenen größer machen, und da das Wachstum des Flachses vom Wachstum de- Menschen abhängig gemacht wird, zieht man aus dem Brauch auch günstige Schlüsse auf die kommende Ernte. Besonders glückbringend soll es sein, wenn man den mit Schlägen Bedach ten noch im Bette antrisft. Die Rutenbesitzer werden übrigens mit mancherlei Leckereien und besonders angefertigten Back waren für ihre Mühewaltung belohnt. In manchen Harzgcgen- den wurden am Aschermittwoch vor allem die jungen Burschen mit Ruten geschlagen; man nannte dies „Bengeln" und glaubte die Geschlagenen erst nach erfolgter Prozedur als vollwertig und erwachsen ansehen zu können. G. Rach dem Roman „Die Elenden" von Victor Hugo. lOj (Nachdruck verboten.) Drittes Kapitel. F a n t i n e. Fantine war eines der Wesen, die aus der Tiefe des Volkes emporkommen. Sie arbeitete, um zu leben, dann liebte sie, ebenfalls um zu leben, denn das Herz hungert auch. Sie liebte den Studenten Tholomyes. Fantine war ein Bild der Freude selbst. Ihre prächtigen Zähne hatten offenbar von Gott das Amt er halten - zu lachen. Ihren kleinen Strohhut mit den lau gen flatternden weißen Bindebändern trug sie lieber tu der Hand als auf dem Kopf. Ihr dichtes blondes Haar das gern und leicht sich auflöste und unaushörlich von neuem gesteckt werden mutzte, schien zur Flucht der Galathee unter den Weiden geschossen zu sein. Ihre rosigen Lippen schwatzten bezaubernd. Ihre Mundwinkel schicnen zu Kühnheit herauszusordern und aufzumuntern, aber die langen schattigen Wimpern senkten sich wie verhüllend über die Keckheit des unteren Teiles des Gesichtes. In ihrem ganzen Anzuge lag etwas gleichsam Singendes und Versengendes. Fantine war schön, ohne es recht zu wissen. Eines Tages bekam sie nach zweijähriger Liebschaft den Ab schiedsbrief. Sie schloß sich in ihrem Stübchen ein und weinte. Es war, wie gesagt, ihre erste Liebe; sie hatte sich diesem Tholomyes hingegeben und hatte ihm ein Kind geboren. In Montfermeil bei Paris gab es eine Wirtschaft der Eheleute Thenardier. über der Tür war platt auf die Wand ein Brett genagelt und aus dieses Brett ein Mann gemalt, der auf dem Rücken einen anderen mit dicken Generalsepauletten trug. Rote Flecke stellten Blut vor. Das übrige des Bildes war Rauch und sollte wahrschein lich eine Schlacht sein. Darunter las man: „Zum Ser geanten von Waterloo." Nachdem Fantine kleine Schulden bezahlt hatte, blieben ihr nur noch achtzig Frank. Zweiuudzwonzig Jahre alt verließ Fantine an einem schönen Fnihlmgsmorgen Paris und nahm ihr Kind ans dem Arme mit. Als sie vor dem Wirtsbaus der Eheleute Tbeuardiei ankam, sielen ihr zwei Mädchen auf der schaukel ans und sie blieb vor dem reizenden Bild unwillkürlich stehen. Sie betrachtete die Kleinen mit Rührung. Wo Engel erscheinen, verkünden sie ein Paradies. Fantine glaubt» über diesem WirtShause das geheimnisvolle Hier! der Vorsehung zu sehen. „Ich bin Frau Thernardier," sagte die Mutter der beiden Kleinen. „Das Wirtshaus gehört uns." Die Fremde erzählte ihre Geschichte, wenn auch nicht ganz der Wahrheit gemäß; sie sei eine Arbeiterin und ihr Mann gestorben; sie finde in Paris keine Arbeit und wolle sie anderswo suchen, in ihrer Heimat. Fantine war schön, ohne es zu wissen. „Wie heißt denn Ihr Püppchen?" „Cosette." „Wie alt ist sie?" „Sie geht ins dritte Jahr. Wollen Sie mein Kind behalten? Sehen Sie, ich kann mein Kind in meine Hei mat nicht milnehmen. Die Arbeit erlaubt es nicht. Wenn man ein Kind hat, findet man keine Stelle. Der liebe Gott selber hat mich in Ihr Haus geführt. Als ich Ihre Kleinen sah, die so hübsch, so reinlich und so glücklich sind, gab es mir einen Stich ins Herz. Das ist eine gute Mutter! dachte ich. Hier ist der rechte Ort; das gibt drei Schwestern. Und ich komme bald wieder. Wollen Sie mein Kind unterdessen behalten? Ich gebe sechs Frank den Monat." Eine männliche Stimme rief aus dem Hause heraus: „Unter sieben Frank nicht. Und sechs Monate vor« ausbezabtt!" „Ich gebe sie," sagte Fantine. „Und überdies fünfzehn Frank zu den ersten Kosten," ries die männliche Stimme. „Im ganzen also siebenundfünfzig Frank," sagte Frau Thenardier. „Ich gebe sie," sagte die junge Mutter. „Ich habe achtzig Frank. Es bleibt immer noch so viel, datz ich in sie Heimat komme. Zu Fuh. Dort verdiene ich Geld und sobald ich das habe, komme ich und hole meinen Engel." „Hat die Kleine Wäsche?" fragte der Mann. „Es ist mein Mann," erläuterte Frau Thenardier. „Gewitz hat die Kleine Wäsche, Wäsche und Kleider." Der Wirt erschien jetzt und sagte: „Dann ist's gut." Der Handel war abgeschlossen. Fantine blieb die Nacht im Wirtshause, zahlte das Geld und ließ ihr Kind zurück mit dem Vorsatze, bald wiederzukommen. Man geht leicht über solche Trennungen auf kurze Zeit hin, aber aus ihnen wächst — Verzweiflung. Als die Mutter Cosettes fort warj sagte der Mann zu seiner Frau: „Damit bezahl' ich meinen Wechsel von hundertund zehn Frank, der morgen fällig wird. Es fehlen mir noch fünfzig Frank. Weißt du, daß mir der Gerichtsdiener über den Hals gekommen wäre? Du hast eine gute Falle mit der Kleinen gemacht." Durch die siebenundfünfzig Frank Fantines war es Thenardier möglich geworden, seine Unterschrift einzu lösen. Im nächsten Monat brauchte man wieder Geld. Da trug die Frau die Wüsche und Kleiderchen Cosettes nach Paris und versetzte sie im Leihhaus für sechzig Frank. Als mich diese Summe ausgegeben war, sahen die Thenardiers in dem kleinen Mädchen nur ein Kind, das sie aus Barmherzigkeit behielten, und behandelten es da» nach. Zu essen bekam sie, was die anderen übrigließen. Nach Ablauf der ersten sechs Monate schickte die Mutter sür den siebenten Monat sieben Frank; so fuhr sie von Monat zu Monat regelmäßig fort. Das Jahr war aber noch nicht um, als Thenardier sagte: „Was sollen wir mit sieben Frank anfangen?" Und er verlangte in einem Bries zwölf. Die Mutter, der man einredete, ihr Kind sei glücklich und „gedeihe zusehends", fügte sich und schickte die zwölf Frank. (Fortsetzung folgt.)
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