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- Erscheinungsdatum
- 1927-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192702163
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19270216
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19270216
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-02
- Tag 1927-02-16
-
Monat
1927-02
-
Jahr
1927
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poMMe Runiycdau i veotsches ReiLd. Kontinuität der Gesetzgebung. - - Der ehemalige Neichsinnenmiuister Dr. Külz ver breitete sich in einer Dresdener Rede über die Notwendig keit einer größeren Kontinuität der Außenpolitik und der Gesetzgebung. Es gehe nicht an, daß die gesetzgeberischen Arbeiten einer Regierung jeden Augenblick durch eine Regierungskrisis unterbrochen und wertlos gemacht werden könnten. Es empfehle sich die Annahme einer Bestimmung, wonach eine neue Regierung einmal bei ihrem Amtsantritt und dann in jedem Jahr einmal bei der Beratung des Haushaltsplanes das Vertrauen des Parlaments zu fordern habe und durch einfachen Mehr heitsbeschluß gestürzt werden könne. Für alle übrigen Miß trauensanträge müsse eine Zweidrittelmehrheit verlangt werden. Untersuchungsausschuß gegen Minister Keudell. Bei den Oppositionsparteien scheint die Absicht zu bestehen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der nochmals die von politisch linksstehender Seite gegen den Reichsinnenminister von Keudell er hobenen Vorwürfe nachprüfen soll. Nach den geltenden Bestimmungen genügen 50 Stimmen, um einen dahin gehenden Antrag zum Beschluß zu erheben. Freiflugbsrechtigung für Reichstagsabgeordnete? Zwischen dem Reich und der Deutschen Lufthansa schweben, entsprechend einem Wunsche des Ältestenrates des Reichstages, zurzeit Verhandlungen über die Gewäh rung von Freiflugscheinen nach dem Vorbild der Eisen bahnfreikarte an die Reichstagsabgeordneten. Im Reichs tag hat sich seit einiger Zeit das Bestreben bemerkbar ge macht, auch das modernste Verkehrsmittel, das Flugzeug, für die Reisen der Abgeordneten dienstbar zu machen und das Reich zu veranlassen, für diese Freiflüge ein be stimmtes Pauschale an die Deutsche Lufthansa zu zahlen, wie das bei der Eisenbahn und in gewissem Umfange auch bei den Schiffahrtsgesellschaften der Fall ist. Tschecho-Slowaket. X Militärische Reformen. Wie die „Resorma" erfährt, wird bei der tschechoslowakischen Armee eine Ersatz reserve eingeführt werden, die wahrscheinlich die Be zeichnung „Landwehr" erhalten und von dem Heer vollständig getrennt sein wird. In die Landwehr werden Angehörige des Gewerbes und des Landwirtstandes ein gestellt werden. Bei der Einstellung in die Landwehr wird der Schutz der selbständigen Existenz maßgebend sein. Aus Zn» und Ausland. Berlin. Zwischen dem preußischen Kultusministerium und der preußischen Studemenschast soll in der Streitfrage um die Auslegung der Studentenverfassung eine Einigung erzielt worden sein. Die Studentenschaften der preußischen Universi täten sollen den Standpunkt des Ministeriums anerkannt haben. Berlin. Das französische Armee-Oberkommando hat das seit Beginn der Besetzung beschlagnahmte ehemalige Hotel „Oranienhof" in Bad Kreuznach freigegeben. Die feit langem von zuständiger deutscher Stelle angestrebte Frei gabe weiterer Hotels und ähnlicher Einrichtungen im Kreuz- nacher Bäderviertel hat sich leider noch nicht erreichen lassen. Freiburg. Die Ortsgruppe Freiburg des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold hat dem Reichstagsabgeordneten Dr. Wirth in einem Telegramm für die Ablehnung des Ver trauensvotums für die Regierung Marx Dank und An erkennung ausgesprochen. Nizza. „L'Eclaireur de Nice" meldet, daß ein französischer Angestellter, der auf dem französischen Grenzbahnhof Venti miglia Dienst tat, von faschistischer Miliz festge- nommen wurde, weil er ein kommunistisches Abzeichen trug. Auf Eingreifen des französischen Konsuls wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Warschau. Der Staatspräsident hat sich nach der Stadt Posen begeben. Es ist das erstemal, daß der Präsident in amtlicher Eigenschaft das ehemalige russische Teilgebiet verlaffen wird. Sofia. Nach einem Bericht des Roten Kreuzes ist infolge der schlechten Ernährung und der ungenügenden Pflege unter den Kindern in Bulgarien die Sterblichkeit erschreckend hoch. In manchen Familien sind innerhalb eines Jahres sechs bis acht Kinder gestorben. Ncwyort. Nach einer hier veröffentlichten Statistik zählt die Kommunistische Partei von Amerika 6000 Mit glieder gegenüber 35 000 im Jahre 1910. Melbourne. Infolge günstiger südlicher Winde haben die Buschbrände anfgchört und die Gefahr scheint so gut wie beseitigt zu sein. Viele Feuerwehrleute arbeiten noch an der Grenze der niedergebrannten Gebiete, um neue Brände zu verhindern. Aus dem tiefsten Rußland. Lernende sibirische Jugend in Zarskoje Selo. —-- Arbeiterfakultäten heißen in Rußland solche Schulan stalten, die die Aufgabe haben, den Leuten, welche keine höhere Schule besucht haben, eine entsprechende Vorbereitung zu geben, um ihnen auf diesem Wege das Studium an den Hoch schulen zu ermöglichen. Das ehemalige Palais der Groß fürstin Maria Pawlowna in Zarskoje Selo bei Petersburg ist gegenwärtig zu einer Fakultät für solche sibirischen Studen ten verwandelt worden. „Mir schien es," schreibt ein Besucher, „als ob ich in ein lebendes Museum für Völkerkunde geraten wäre. Es waren dort im ganzen 72 Studenten, sie vertraten aber nicht weniger als 22 sibirische Volksstämme. Man sah Kalmücken, Tungusen, Jukagiren, Golden, Samojeden, Tschuktschen, Meuten, Kam tschadalen, Ostjaken, Burjaten, Ujguren und Abkömmlinge noch weiterer elf Völkerschaften. Da ist z. B. ein Student namens Nesterow gebürtig aus dem Hasen Ajan (am Ochotskischen Meere). In seiner Heimat existiert keine einzige Schule, nicht einmal ein Alphabet. Seine Stammesgenossen beschäftigen sich mit Jagd und Fischerei. Dort wird kein Ge treide gesät; ein Pud (16,1 Kilogramm) Mehl kostet 15 Rubel (30 Mark). Als man in Ajan von der Fakultät hörte, be schloß der Vater, den jungen Nesterow dorthin zu schicken. Er tauschte zusammen mit seinen Landsleuten Felle in Mehl um, backte seinem Sohne für die Reise schwarzes Brot und schickte ihn nach Leningrad. 23 Tage lang fuhr Nesterow mit einem Renntiergespann über Berge und Schnee, bis er die Nelkan (einen Nebenfluk der IMdikirka in OMbirient erreiöbte. Von dort fuhr er bis Aldan (Dorf und Nebenfluß der Lena) mehr als einen Monat auf einer Kutsche. Hier sand er einen weg geworfenen Kahn und schiffte damit 20 Tage und 20 Nächte lang bis nach Jakutsk (an der Lena). Von Jakutsk bis Jflut — immer die Lena auswärts — reiste Nesterow auf einem Dampfer. Wie lange aber diese seine letzte Fahrt gedauert hat, darauf kann er sich nicht besinnen: er hatte jede Zeit rechnung verloren. Sodann legte er seinen Weg wieder auf einem Kahn, und zwar bis Shigalow und von dort bis Katjug wieder auf einer Kutsche zurück. Hier setzte sich Nesterow zum ersten Male in seinem Leben auf einen Auto bus, der ihn in zwei Tagen bis Irkutsk (an der sibirischen Bahn) unweit vom Baikalsee brachte. Während dieser monate langen und mühsamen Fahrt war Nesterows Nahrung sein schwarzes Brot. Als er nun in Irkutsk die Eisenbahn be steigen sollte, nahm er dort als Vorrat ein Säckchen Kringel mit sich, die abgezählt und für die ganze Reise streng einge teilt wurden: fünf Kringel für einen Tag. Er hatte ja noch eine sehr lange Fahrt vor sich, bis er nach Petersburg kam. Dort angelangt, hatte er nur noch fünf Kringel in seinem Säckchen. Eine ähnliche Reise mußten auch alle anderen Hörer der Fakultät machen. Des Tungusen Gerotschin Heimat z. B. ist 1000 Werst weit von Irkutsk, an der Nepa. Bis zur Kreis stadt Kirensk ist er fünf Tage zu Fuß gegangen. In seiner Heimat beschäftigte er sich mit Jagd und ernährte damit seine alte Mutter. Diese hat zusammen mit ihrem Sohne die ganze Fußreise bis Kirensk zurückgelegt. Ein dritter Student, Onenka, ist ein sclbstgelerntcr Künstler; seine Kameraden haben vor seinem schöpferischen Talent einen großen Respekt. Als ich, erzählt .der Besucher, unvorbereitet die Studieren- Aintertage Welcher Reisende, der aus dem Albulaloch ins Engadin hin- adrollt, kann den überwältigenden Anblick vergessen, wenn man von Bevers her sich Samaden nähert und plötzlich über dem Saftgrün der Wiesen, dem Lichtgrün der Arvenwälder und dem reichen Grau der Felswände sich die Berninagipfel aufrecken, das weiße Riesenvolk des Piz Palü, Morteratsch, Tschierva und Rosegg und daneben, weiß gefleckt, der zackige Rücken des Margna-Ungeheuers. Warum besteht das Vorurteil, daß das Engadin im Winter schöner sei? Wenn man in den Schneemonaten aus dem Felsen tal Bever in die Engadiner Talsohle hinabsährt und über der Innebene dieser selbe Blick sich öffnet, ist er fast ohne Ueber- raschung. Im Sommer kann man ihn nicht sehen, ohne daß man aufschreit. Als kultivierter Mensch, der seine seelischen Regungen beherrscht, schreit man gewiß nur innerlich; aber wessen Herz hier nicht hoch aufspringt und jauchzt, der ist seelen los, ist Banause. Im Winter unterscheiden sich die herrlichen Berninagipfel von anderen nicht; alle sind weiß, alle Felsengrate sind Schneefirnen, alle nackten Spitzen tragen das weiße Kleid. Ein Tausendmetertal vermittelt im Winter dieselben Eindrücke wie das Hochtal des Engadin. Hügellandschaften wachsen im Schnee ins Erhabene, eingeschneite Alpen sind nicht anders wie schneebedeckte Gletscher. Ein einheitlicher weißer Gipfelkranz, dem der Zauber des Gegensatzes von Schnee und Grün genom men ist, schließt die Engadiner Täler ein, das kurze Tal von Pontresina und das lange, so sanft sich hebende, an Seen vor- übergleitenöe einzig schöne Tal von Sankt Moritz nach Maloja. Der Himmel, im Sommer so blau, daß man an seiner Augen Ehrlichkeit zweifelt, ist im Winter blasser, zarter und luftiger. Die Wälder, wenn nicht der seltene Rauhreif sie versilbert, stehen in unharmonischem Braun im Weiß. Alle Sommerwunder sind vom Schnee verschlungen. Im Juli blüht Männertreu neben Gletschern, Alpenrose im nackten Stein, Edelweiß am Fuß des Firns. Im Januar macht Schnee einander alles gleich. Kein Gletscher glüht grün und blau. Ewiges Weiß umzieht die Ge birgsarena, und der Berninagipfel ist nicht mächtiger als der beschneite Rigi. Der einsame weiße Pilatus ist vielleicht er habener und eindrucksvoller als der doppelt so hohe Piz Palü. Die grünen Engadiner Seen sind trostlos graue Flächen, tote Stellen, sie, die im Sommer der Quell der Belebung dieser Land schaft sind. Nur die Lust gewinnt. Sie ist rein, kristallklar, von keinem Hauch getrübt. Die Winde, die durch das Tal streichen, sind lauter und frisch, kein Staubkorn schwimmt im Aether. Wie durch Kristall wandelt man, und durch den ganzen Leib dringt diese Klarheit. Was wird aus unseren keuschen Gedanken, unserem kalten Blut, was alles uns tagsüber so stolz macht! Mit dem elektri schen Licht, dem Diner, der Zigeunermusik erwachen wieder Flirt, Koketterie alle die kühnen Regungen der Stadt und der Salons. Wo bleibt der Nutzen des Tages? Es scheint, er hat nur Kraft gegeben, eindringlicher sich zu verlieben, und den Mut, ein paar Abendstunden recht heiß zu flirten. Am silbernen Morgen ist alles vergessen. Diese reine Luft duldet keinen unreinen Gedanken. Verläßt man mit Bob, Ski, Stahlschuh oder Schlitten das Hotel, so ist alles ausgelöscht. Und die Liebenden des Abends sind harmlose Sportkameraden. Denn in St. Moritz ist der Sport eine Lebensfrage. Er ist Ernst, An dacht, fast Selbstzweck, die ganze Persönlichkeit setzt sich für ihn ein. Wie anders ist das in dem Schwesterort Pontresina, der mit seiner noch jungen Wintersaison dem berühmten Nachbarn ein paar Kniffe und Reklamen abguckt und nachmacht. Aber vorläufig wird Pontresina noch nicht ganz ernst genommen, und dahin gehen nur die Dilettanten des Winters und die Anfänger im Sport. In Pontresina also ist der Sport noch Spiel, Lust im kngaciin. uno Vergnügen. Wayreno ln Ist. Moritz Kinder, wenn sie rodeln oder auf dem Bob sich plazieren, gleichsam zu Erwach senen werden und in tödlichem Ernst die Fahrt beginnen, wer den in Pontresina Erwachsene zu Kindern. Sie purzeln auf den Skifeldern lachend übereinander, es gilt keine Siege und Rekorde. Die Abfahrt eines Bobs in Pontresina ist ein Jux, eine Hetz, ein feiner Spaß; in St. Moritz ist das gleiche Unter nehmen wichtiger als eine Reichstagsdebatte, und im schwarzen verglasten Kasten werden in feierlicher Proklamation die Namen der Führer und ihre Schnelligkeiten verkündet. Und wahrend in den Runs sich solche Jagden abspielen, fliegen oben die Straße nach Maloja hinauf die vierspännigen Schlitten, mit silbernem Schellengeläut, mit weißen Pelzen, mit lachenden Köpfen in all dem Fell, und ziehen hinter sich ein Dutzend Schlitten, darauf Englands ewige Jugend in weichen und breiten Lauten schwatzt. Und im Skijörning jagen andere vorbei, fromme alte und im Finstern sichere Rosse ziehen die Skiläufer, und vielleicht sitzt auf dem großartig gleichmütigen Pferd ein schönes Mädchen in Männerart und lächelt ins Blau hinauf. Der Weg führt vorüber an der Iulierschanze. Da trainieren die Skispringer. Sie fliegen durch die Luft mit aus gebreiteten Armen, die Mütze saust vom Kopf, die Stöcke schwir ren beiseite, und die Schlanken, Jungen, Schönen hängen in der Luft, schweben, sinken, gleiten, stürzen, eine Schneewolke wirbelt auf, als verschlänge sie der weiße Grund, aber aus dem Gewölk gleiten sie schon wieder hervor, die blauen Gestalten, die Mu tigen, und der nächste Springer saust in den strahlenden Raum hinein. Der Weg führt weiter an die Seen von Campför und Silva- plona, und dann liegt Sils Maria im Schnee, und hinten über dem Silser See steigt das himmlische Maloja auf, Maloja, wo der Absturz nach Italien beginnt, Maloja, das in ein ewiges Blau hinabsieht, in einen duftenden Süden, wo die Straße von Stufe zu Stufe nach Chiavcnna springt, Chiavenna, so nahe am Comersee, wo zur selben Stunde blasse Rosen an den Gittern der Villa Serbelloni hängen. Ob aber alle, so hier mandeln, fahren, schütteln, die Schön- heil fühlen, diese weiße Apotheose, mit der das Gebirge sein Drama krönt? Denn das Gebirge -st Drama, ist in seiner Er starrung höchste Bewegung, hat Höhepunkte und Peripetien, Ritordandt und Monologe, Massenszenen und Pausen. Die Ver herrlichung seiner Form und Gestalt ist der Winter, der Schnee und der Frost. In den blauen Himmel sind unsagbar klar die Konturen gezogen, kein schöpferischer Gedanke geht verloren, der kleinste Emfall der Natur ist belichtet und sichtbar gemacht. Das Gefüge, die Komposition, erscheint in kristallener Durch sichtigkeit, -nd NN einzig großartiges Werk läßt sein inneres Ä-ch-amais durchleuchten. Man darf nicht in das Mittelgebirge gehen, wenn man Größe sucht. Mittelgebirge bleibt immer, selbst im Schnee, bür gerlich, bleibt philiströs in der Erfindung und Ausgestaltung. Im Hochgebirge entfaltet sich das Genie. Was hier erhaben ist, ist dort niedlich. Großartigkeit hier wird fade Romantik dort, Grauen wird schändliche Angst, Einsamkeit Idylle. Das Mittel gebirge ist Genie, das zum Schulgebrauch gereinigt, gekürzt und ausgewählt wird, ist die Inhaltsangabe eines großen Dramas, das Programm zu einer unfaßlichen Symphonie. Aber erst im Hochgebirge liegen die ewigen Geheimnisse, die unerforschlichen Wunder und die schönsten Gedanken Gottes. Die Unendlichkeit und Ewigkeit, unbegreifliche Begriffe, haben hier Gestalt und Form. Der weiße Tod erscheint in einer überwältigenden Apo theose, der Abend flammt von reinen Firnen, und nachts ver sammeln sich alle Gestirne des Raumes, um die Träume einer keusch gewordenen Welt zu erhellen. ynü locker -k Familienroman von Otfrisci von Ransisin * In Lores Seele war eine Angst erwacht, und doch schalt sie sich selbst. Hatte nicht Hollenkamp sie gerufen? Hatte nicht Gerda ihn zu ihr zurückgeführt und nun konnte sie denken? Sie bat den beiden in Gedanken ab und doch konnte sie es nicht unterlassen, sie zu beobachten. Aber weiß Gott, sie gaben ihr keinen Grund. Im Gegenteil, saft schien es, als wichen sie einander aus. Und doch quälte sich Lore selbst damit, Vergleiche anzustellen, und wenn sie einmal zufällig nebeneinander standen, kam ihr der Gedanke: Wie gut die beiden zusammen passen! Dann führte Hollenkamp sie zur Tafel und sie schritten an einem Spiegel vorüber. Wieder blickte sie prüfend hinein. Sah er nicht jugendlicher und frischer aus als sie selbst? An den folgenden Tagen wußte es Gerda geschickt so einzurichten, daß sie nie zu Hause war, wenn Hollenkamp kam. Sie entwickelte plötzlich große Lust am Tennisspiel, das ihr früher fremd gewesen, und Wilhelmintje war gut mütig genug, ihr zu willfahren. Nur zu den Mahlzeiten erschien sie, aber ihre Begrüßung war stets kalt und förm lich. Lore konnte sich nicht beherrschen und beobachtete sie anch aus der Ferne, aber nie sprachen die beiden zu sammen. Und doch war etwas in Gerdas Wesen, was ihr zu denken gab. Zur Mutter war sie stets freundlich, aber wenn sie sich unbeoachtet glaubte, war oft so «tn trauriger Ausdruck auf ihren Zügen, in ihren Augen stand solch' ein verhaltenes Weh. Wenn sie aber fragte, wich Gerda aus und war sichtbar gequält. So war es seltsam, daß Lore trotz Adalberts stets gleichbleibender, zarter Aufmerksamkeit sich ihrer Braut zeit nicht freuen konnte und es war ihr, als sei alles nur ein Traum und in jedem Augenblick müsse ein schreckliches Erwachen folgen. Inzwischen betrieb Adalbert Hollenkamp die Vor bereitungen zur Hochzeit. Lore saß in der Laube und stichelte an einem Kleide. Es war ihr Hochzeitsgewand. Ein zarter, schwarzer Seidenstoff. Auch dies war eigentlich eine Enttäuschung. Wie sie abgereist war, gl, "strahlend, all den Jubel im Herzen, da hatte sie sich in. riste in einem weißen Braut kleids mit Kranz und Schleier gesehen. So hatte sie einst neben Hans Martin gestanden, so wollte sie auch neben Adalbert Hollenkamp vor den Altar treten. War sie doch wieder jung in ihrer Liebe und in ihrem Herzen. Es war das letzte, was sie in Bremen getan, daß sie sich ein weißes Seidenkleid, Brautschleier und Kranz kaufte. Wer weiß, ob sie es im fernen Lande bekam?! Und nun lag es im Koffer und war nicht einmal ausgepackt. Nun schämte sie sich seiner. Noch nie war sie sich so als Mutter erschienen wie jetzt. Ziemte ihr solch' bräutlicher Mädchenschmuck? Als sie Frau v. Fallersheim wurde, war das schwarze Kleid selbstverständlich, jetzt schien es ihr unpassend und lächerlich, an der Seite der Tochter wie eine Jungfrau geputzt einher zu schreiten. Und doch tat es ihr Weh. An d«n Weißen Brautkleid hing soviel stille Poesie. Sir fragte Adalbert und hoffte im stillen, er würde darauf bestehen. Mußte er nicht ihre Gedanken erraten? War sie auch schon zweimal Gattin geworden, ihre Liebe war ja jetzt erst dabei. Aber Hollenkamp sagte in dem gütigen Ton, den er angenommen und der fast so klang, als wenn ein Vater zu seinem kranken Kinde sprach: „Wie du willst, Lore. Mir bist du in jedem Kleide gleich lieb. Wenn du schwarz für besser hältst, so wähle es ruhig." Er wußte ja nichts von ihren heimlichen Wünschen, sonst hätte er ihr gern den Gefallen getan. Sie aber ver stand ihn anders. Was lag ihm daran, ob die alternde Frau so ging oder so! Jedenfalls blieb das weihe Kleid im Koffer und st« sann nach, wie sie sich seiner und des Kranzes entledigen konnte, ohne daß sie noch bemerkt wurden und ihr viel leicht gar Spott eintrugen. Nein! Diesen Gedanken verwarf sie sofort wieder. Spott kannte Adalbert nicht und am wenigsten ihr gegen über. Sie hatte ihr schwarzes Seidenkleid hervorgenommen sie hatte es ja kaum getragen seit jenem Hochzeits tage und eine hiesige Schneiderin hatte es nach der Zeit geändert. Nun lag es vor ihr, aber es war ihr wie eine trübe Vorbedeutung. Es war ja ohnehin so viel von all dem Glanz verblichen und sie stützte den Kopf in die Hand und seufzte. (Fortsetzung folgt.)
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