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- Erscheinungsdatum
- 1927-02-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192702128
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19270212
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19270212
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-02
- Tag 1927-02-12
-
Monat
1927-02
-
Jahr
1927
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kedanken. Von Hilde Suhr. Das Unglück ist eine Konzenlraiionsmacht und birgt so in sich das Glück. Wer sich dem Unglücksgesuhi nichi ängstlich und künstlich entzieht, dem zeigt es die Bahnen zum künftig ge steigerten Glück. Mit der Materie ist es wie mit unseren Feinden Wir hassen sie, solange wir uns nicht über sie erhoben haben und noch ihre Maehl spüren, müssen. Die Liebe allein ist die Krast. die Materialismus in seelische Kräfte verwandeln kann. Es ist immer unsere Schuld, wenn wir den anderen Men sehen nichts zu danken haben. Im rechten Sinne lebend, können um» selbst unsere Feinde fördern. Von -er Mißgunst Ev. Matth. 20, 15: Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin? .Einer gönnt dem andern nichts* — das ist eine widerwärtige Wahrheit, aber leider, sie trifft oft zu. Jesus geißelt düste schäbige Gesinnung im Gleichnis von den Arbeltern im Wemberg. Wer braucht sich nicht getroffen ' We? hat dieses Mißgönnen gegen andere nicht auch schon empfunden und sich zum Richler darüber auf- was andere haben oder nicht haben dürften? Neid, dieses kleinlichste aller Laster, und es fleckt darin die Selbstüberhebung, als ob man selbst es befler verdient habe als andere und als ob man selbst alles Gute, was man empfängt und erlebt, redlich verdient habe — fli, un Vergleich mit anderen Wohl noch was mehr. Verdient! Ja, da liegt cs. Wie überheblich pochen wir immer wieder auf unser Verdienst und zeigen doch damit, welche Narren wir sind. Shakespeare, der gewaltigste Mcnschendarsteller der Weltliteratur, sagt: „Behandelt jeden Menschen nach Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher?* Wenn wir das bedenken — sollten wir nicht auch lernen, anderen zu gönnen, was sie über Verdienst Gutes empfangen, ivie wir selbst es doch auch oft genug empfan gen haben? Schließlich ist doch alles Gottes Güte, bei uns und bei den anderen auch: wollen wir wirkl-ch darum scheel sehen, weil er so gütig ist? U. H. P. Oer -euisch-polnische Konflikt. Scharfe Sprache der polnischen Presse. Das Reichskabinett hat sich in einer sogenannten Chefbesprechung mit der durch die Zuspitzung der deutsch- Polnischen Verhandlungen eingetretenen Lage beschäftigt. In politischen Kreisen rechnet man damit, daß die Reichs regierung sich mit einer Erklärung über die Haltung Deutschlands zu Polen au die öffentliche Meinung wen den und die Stellungnahme Deutschlands eingehend be gründen wird. Der Deutsche Ostbund und die VereinigtenVerbändeheimattreuerOber- schlesier haben an das Reichskabinett eine Kundge bung gerichtet, in der mit größter Empörung schärfster Einspruch gegen die jetzt wieder einsetzende Verfolgung und Answeisung Deutscher aus Polen erhoben wird. Cie erbitten dringend sofortige Gegenmaßnahmen zum Schutze der Deutschen und betonen, daß ohne Nieder lassungsrecht und ohne Verzicht auf Liquidation kein Han delsvertrag mit Polen geschlossen werden dürfe. Die Warschauer Presse schlägt bei Besprechung der deutsch-Polnischen Krise ernen ziemlich scharfen Ton an. meint, daß Polen den von Deutschland hmgeworfenen Handschuh furchtlos und ohne Zögern aufnehmen solle. Die „Rzeczpospolita" nennt es befriedigend, daß die polnische Regierung auf kerne Zu geständnisse eingegangen sei und sich nicht terrorisieren lasse. In ähnlicher Weise drückt sich auch die übrige Preise aus, nur das sozialdemokratische Blatt „Robotnik" tadelt die Ausweisung deutscher Staatsbürger aus Ostober- schlesien. Aie das SaubaeMal enManü. Ein Wintermärchen. Großmütterlem saß mit uns Kindern im woligwarmen Stübchen. Leise sanken draußen die weißen Himmelskinder, die Schneeflocken, zur Erde. Der große Kachelofen hatte große, kuglige Löcher m den Kacheln und dadrinn lagen die schönen, roten Weihnachtsäpsel und mußten braten. Es wurde ihnen manchmal so ungemütlich, daß sie laut pufften und ganz gefährlich zischten. Uns lief dann immer das Master im Munde zusammen und manch sehnsüchtiger Blick wanderte zu dem Grünen hinüber. Groß mutter wußte, daß wir gern erzählt haben wollten. Sie fetzte sich in ihren großmächtigen Lehnstuhl. Wir kamen hurtig herzu und saßen ihr zu Füßen mit vor Erwartung geröteten Wangen. ,Mun hört gut zu, ihr Kleinen!" begann sie, „damit ihr es Mutter wieder erzählen könnt!" „Als mein Großvater, also euer Ur-Urgroßvater, noch so klein war wie ihr, hatte er auch ein kleines Schwesterchen, Hilda, geheißen. Ihre Eltern waren sehr, sehr arme Leute. Vater und Mutter mußten tags über bei fremden Leuten arbeiten, die beiden Kinder aber im Sommer Beeren und Pilze sammeln. Bis in den Winter hinein mußten sie im Walde Holz Zusammenleben. Damals war unsere Stadt noch sehr klein. Hinter der Stadtmauer lagen noch einige Felder und dann begann gleich der große, dunkle Wald. Niemand wußte, wie weit dieser ging und wo er aufhörte. Und im Walde sollte es nicht ganz geheuer sein. Das war aber damals, heute braucht ihr euch im Wald nicht mehr zu fürchten! An einem kalten Spätherbsttage waren sie wieder im Walde. Sie hatten kaum angefangen, hier und da ein Aestlein zu lesen, da fing es an zu schneien immerzu, immerzu . . . Dann kam der Sturm durch die Bäume gegangen und rüttelte und schüttelte sie, daß es überall krachte. Dazu wurde der graue Himmel immer dunkler. Sie wollten schnell den Heimweg antreten, da aber merkte Karl, so hieß euer Ur-Urgroßvater, daß er die Richtung in diesem Schneegestöber verloren hatte. Klein-Hilde tat, was so kleine Mädchen immer tun, wenn etwas sehr schlimm ist: sie setzte sich aus einen umgestürzten Baumstamm und weinte und schluchzte herz zerbrechend. Da es in,wischen ganz dunkel geworden war, wußte auch Karl keinen Rat mehr und so tat er denn seinem Schwesterlein nach, hockte sich neben sie hin und ließ seine Tränlein rollen, wohin sie mochten. Das dauerte ein Weilchen. Ls hätte können sehr schlimm werden, wenn die zwei eingeschlasen wären. Ihre Körper wären immer steifer geworden und ihre Seelchen wären dann zum Christkind hinaufgeflogen, wo es immer Weihnachten ist. — Soweit kam es nicht. Karl merkte plötzlich, wie ihm etwas am Arme zupfte. Erstaunt nahm er die Hände vom Gesicht, und nun er blickte er ein kleines Männlein mit einer Zipfelmütze und einer Laterne im Gürtel. Wißt ihr, was das war?" „Ein Heinzelmännchen!" riesen wir alle durcheinander. „Richtig. Das sprach nun zu ihnen: Hab! keine Furcht, ich tue euch nichts zu Leide. Ich kenne euch, ihr seid brave Kinder, tut nie einem Tierlein weh und folgt euren Eltern immer. Ich will euch den Weg zurückfuhren. Wenn ihr wollt, will ich euch aber erst etwas schö nes zeigen." Karl war noch ein wenig furchtsam; Klein-Hilde gab ihm aber die Hand und fragte: „Du bist wohl ein kleines Erdmännlein?" Der Zweg lachte: „Ja, du hast recht. Nun kommt aber." Hurtig lief er vor aus. Sein Lämpchen brannte ganz hell, so daß sie jeden Baumstumpf sahen. Vor einem dichten Gebüsch blieb er stehen. Dürre Brombeer ranken versperrten den Weg. Das Männlein nahm eine Gerte und schlug dreimal darauf. Da taten sie sich auseinander. Sie gingen hinein. „Vor sicht!" rief das Männlein, da standen sie vor einem tiefen Loch, das war rabenschwarz, nicht einmal das Lämpchen konnte bis hinunter leuchten. Der Zwerg stampfte auf den Boden. Lautlos kam eine rissige Fledermaus heraus. „Steigt nur aus, das ist unser Fahrstuhl!" Alle drei setzten sich auf den breiten Rücken und fuhren in den tiefen Schacht hinab. Mit lautem „Huhuh" ließ die Fledermaus die drei absteigen und kroch dann in eine Höhle. ,sieht will ich euch unser unterirdisches Reich zeigen!" sprach der kleine Mann und klinkte eins Tür auf. Lin langer, langer Gang wurde sichtbar mit vielen Türen rechts und links. Jede trug ein weißes Schild chen. „Das sind die Märchenhöhlen. In jeder Höhle befindet sich ein Märchen. Wir müßen nun alle die vielen warten und pflegen, daß keines abhanden kommt!" erklärte der Zwerg und öffnete die Tür, wo „Rot käppchen" daranstand. Da machten sie nun große Augen, unsere beiden Kinder. Sie sahen Rotkäppchen und das Grvßmütterchen, den Jäger mit seinem Hund und endlich auch den großen Wolf, der in einer Ecke lag und mit bösen Augen herüberblinzelte. Klein-Hilde wollte sogleich mit Rot käppchen spielen, aber der Zwerg machte schnell die Tür zu und sagte: „Die Märchen sind nur zum erzählen geschaffen und dürfen von Menschen kindern nicht mit den Händen angefaßt werden." So ging es denn von Tür zu Tür. Da kam der gestiefelte Kater, der einen artigen Diener vor den Kindern machte. In einem anderen Hänsel und Gretel mit der garstigen Knuspsrhexe und ihrem Pfefferkuchenhäusel. Sie sahen Dornröschen und den Königssohn in prächtigen Kleidern. In einem anderen die arme Genoveva mit dem kleinen Schmerzensreich. Das Reh stand daneben. Im Hintergrund stand der böse Golo mit dem König im leisen Gespräch. Dann kamen Brüderchen und Schwesterchen, Schnee weißchen und Rosenrot. Viele kannten sie noch garnicht, es waren unend lich viele. Da hörten sie einen Glockenton. „Jetzt kommt schnell zum Eßen," sprach das Männlein und führte sie weiter in einen hellerleuchteten Saal. Die Kinder mußten die Augen schließen, so geblendet waren sie. Das war eine Pracht! Die Wände bestanden aus lauter glitzernden und flimmern den Kristall. Diefer warf das Licht eines großen Kronleuchters in vielen tausend bunten Lichtstrahlen zurück. In der Mitte stand eine lange Tafel mit Tcllerchen und Schüfselchen gedeckt. Eine Reihe niedlicher, weißer Zwergköche trugen immerfort Speifen aus. Wieder hörten sie den Glocken- ton. Da kamen von der anderen Seite Männlein hinter Männlein. Ein langer Zug. Alle in schmucken Lederwämslein. Sie stellten sich rechts und links an den Wänden auf. Da ertönte leise, wunderschön: Musik. Durch eine mit Edelsteinen verzierte Tür kam der Zwergenkönig. Km seine Schul tern lag ein purpurrotes Mäntelein, mit weißen Hcrmclinfellen besetzt. Die Krone aber war das Schönste, was die Kinder in ihrem Leben gesehen hatten. Die Erdmännlein verbeugten sich tief. Der König neigte den Kopf und setzte sich. Nun konnten sich auch die anderen niedersetzten. Karl und Klein-Hilde gingen zu ihm hin und gaben ihm artig die Hand. Ihr kleiner Führer erzählte dem König, wie er dis Kinder gesunden und mitgebracht hätte. „Laßt es euch gut gefallen bei uns," sprach der König. Sie mußten sich mit an die Tafel setzen. Nun merkten sie erst, daß sie ebenso klein waren wie die Zwerge. „Wenn wir wieder oben sind, werde ich euch schon wieder groß machen," sagte der Führer. Die hungrigen Kinder langten tüchtig zu. So eine Mahlzeit hatten sie ihr Lebtag nicht gegessen. Als sie fertig waren, nahm ihr Führer sie bei den Händen und zeigte ihnen viele wunderschöne Grotten. Line war in ganz blauem Licht, fo daß man glaubte, mitten im Himmel zu schweben. Die andere leuchtete Grün wie das Meer, eine dritte rot wie das Feuer, eine vierte gelb wie flüssiges Gold. Oh, was haben da die Kinder gestaunt! Sie gingen hindurch und schauten mit unermüd lichen Augen. Plötzlich hörten sie ein Geschrei. Sie gingen dem nach und trafen im Gange auf eine Schar mit Spießen bewaffneter Männlein. In der Mitte trottete ein Gefangener, der hatte ein schwarzes Fellchen um und lief auf vier Füßen. „Lin Maulwurf" rief Karl. „Lin Spion!" sagte das Zwerglein zu ihnen. Sie gingen dem Zuge nach. Der Gefangene wurde vor den König gebracht. Der saß auf goldenem Throne und hatte ein großes Schwert umgebunden. Er wollte den Maulwurf ausfragen, doch der gab ihm keine Antworten. Da gebot der König: „Hängt ihn auf und verbrennt ihn gleichzeitig!" Schon sprangen die Wächter herzu, ihn abzu führen, da bat der schwarze Gesell um Gnade und crählte: „Mich schickt der großmächtige Eisriese Rugmir, euer größter Feind, als Kundschafter. Er hat fchon lange geschworen, euren Märchenschatz zu vernichten. Mein Bruder Blaufellchen hat ihm schon berichtet, wo die Märchenhöhlen liegen. Morgen wird der Eisriese stählerne Schuhe anziehen und wird mit wuch tigen Tritten all eure Märchenhöhlen zertreten!" War da ein Durchein ander bei den Männlein. Keiner wußte Rat. Doch des Königs Machtwort schaffte gleich wieder Ordnung. Mit lauter Stimme rief er: „Wir müßen unsere Märchen in unsere tiefsten Felsenhöhlen schaffen. Dort haben die Tritte des Riesen keinen Schaden. Der Fledcrmauswärter mag olle Fledermäuse helfen laßen. Macht euch sogleich an die Arbeit!" Nun ging ein Hasten und Treiben los. Hunderte von Fledermäusen mußten immer auf- und absteigen. Melhundert kleine Männlein brachten die Märchen geführt: Hexen, Drachen, Ritter, Riesen, Könige, Prinzen und Prin- zessinen, alle Tiere und was weiß ich alles noch, der ganze Märchenschatz mußte in die tiefsten Tiefen, um der großen Gefahr zu entgehen. Was sollte auch werden, wenn wir keine Märchen mehr hätten? Die Kinder halfen wacker mit. Da hörten sie einen fernen Donner. Die Wachen kamen von oben gestürzt mit dem Ruf: „Der Riese kommt!" Die letzten Märchen wurden nun Hals über Kops hinuntergebracht. Als allerletzte kamen die Wachen heruntergepurzelt. Oben ging ein wahrer Höllenlärm los, das donnerte, polterte, krachte und splitterte, daß man meinen konnte, die Welt ginge unter. Die Gewölbe, in denen sie saßen, erzitterten, aber sie hielten. „Wie kommen wir aber wieder hinaus?" jammerte Klein-Hilde, die mit Karl in der Tcke einer Höhle kauerte. Sie hatte nun nach der Aufregung Heimweh bekommen. „Habt nur keine Angst, wir graben uns in ein paar Stunden wieder durch!" antwortete der kleine Wichtelmann. Und richtig, nach kurzer Zeit durften sic aus die Fledermaus steigen. Sie winkten den freundlichen Zwergen noch einmal zu und dann gings mit „Huhuh!" hinauf. Wie staunten aber die Kinder, als sie oben ankamen und alles im schönsten Sommcrschmuck fanden. Als sie sich näher umschauten, gewahr ten sie ein Tal. das sie früher nie gesehen hatten. Das Zwerglein erklärte ihnen: „Das sind die Tritte des Eisriesen Rugmir mit den stählernen Schuhen. Das Bächlein ist seit der Schneeschmelze hier hinuntergefloßen und wird nun immer hier fließen. Ihr wundert euch, daß Sommer ist. Die sieben Stunden, die ihr als Menschen bei uns wäret, sind über der Erde sieben Monate. Nun geht immer das Tal entlang, dann kommt ihr auf bekannten Weg. Lebt wohl!" Sie gingen nun das schöne Tal auf wärts und waren bald im Städtchen. Wie staunten die Leute, ms die Kinder kamen. Wo ihr altes, verfallenes Hüttchen gestanden hatte, war ein hübsches Häuschen. Im Garten waren Ziegen und die Mutter kam gelaufen und schloß ihre Lieblinge weinend in die Arme. Sie erzählte, daß unä "locker * ^omilisnromcin von Otfried von lUonsiein 4 98 Frau ten Höven trat ihnen entgegen. „Herzlich willkommen in meinem Hause. Als wir in Hannover Abschied nahmen, dachten wir wohl beide nicht daß wir uns hier so bald Wiedersehen würden. Aber eS ist ja ein freudiger Anlaß. Und ihr Töchterchen ist uns schon wie ein liebes Glied unserer Familie. Natürlich sind Sie unser Gast bis zu Ihrer Vermählung!" Lore konnte nur mit abgerissenen Worten danken. „Sie sind sehr elend. Am besten ist es, Ihr Töchterchen bringt Sie gleich zu Bett. Hier ist auch meine Wilhelmintje. Meinen Mann lernen Sie besser erst morgen kennen — ach, Sie kennen ihn ja auch schon, aber heute wollte er nicht stören." Lore war, als sähe sie alles wie im Nebel. Gerda ge leitete sie in das Zimmer neben dem ihren, in dem sie wohnen sollte, und Frau ten Höven zog sich mit ihrer Tochter zurück. Nun nahm Lore den Schleier ab und Gerda erschrak, «ar das ihre junge, schöne Mutter? Wie elend, wie blaß! Die Züge so welk und so schlaff, als sei sie um Ranzig Jahre gealtert. "«2? d" so gelitten unter dem Taifun?" es war schrecklich. Ich dachte nicht mehr, »u dir z« kommen." „Mein Muttchen, mein liebes, gutes Muttchen! Nun ist'.s ja vorbei! Nun bist du ja bei allen, die dich lieben." Sorgsam wie ein Kind kleidete sie die Mutter aus und half ihr in das Bett. Wie mager sie war und wie schlaff die Muskeln! War das nur die Fahrt? Sie ahnte etwas von all dem Leid, das Lore getragen in ihrer Einsamkeit. Jetzt kniete sie am Lager und ruhte nicht, bis sie den kühlen Sekt getrunken und ein paar Happen von den! gegessen, was Frau ten Höven zur Stärkung herübergesandt. „Und jetzt schlafe, mein Muttchen, damit du morgen recht frisch bist. Jetzt kommt ja das Glück und entschädigt dich für alles. Du siehst ja, wie sehr er dich liebt." Gerda wunderte sich selbst, wie ihr die Worte ohne Bitterkeit von den Lippen flossen. Lore lag matt, aber ein seliges Lächeln auf dem bleichen Gesicht, da. „Wie er mich liebt! Wie ist es nur möglich! Und doch ist es wahr! Und dir habe ich's zu danken! Mein Kind, mein geliebtes, gutes Kind!" Leise streichelte ihre Hand des Mädchens Wangen, und Gerda war es, als verdiene sie diese Liebkosung nicht. Da sah sie, wie der Mutter Augen sich schlossen. Der Schlummer nach all den Leiden überwältigte sie. Gerda hauchte noch einen Kuß auf der Mutter Wange, dann huschte sie leise hinaus. Jetzt mußte sie schlafen, und sie würde es tun. Wie gut schläft es sich doch, wenn das Herz voll Glück ist! Sie schloß die Tür. Nebenan stand Wilhelmintje. „Der Taifun hat deine arme Mutter sehr mitgenommen. Aber Kind, du bist ja selbst ganz blaß. Nun ist sie je in Sicherheit. Warte nur, morgen wird sie aus anderen Augen sehen. Lege dich nur auch schlafen. Was du doch für ein braves Kind bist! Siehst aus, als seist du selbst im Taifun gewesen.* Sie küßte die Freundin und ging in ihr Zimmer hin über. Gerda atmete auf. Nun war sie allein. Sie preßte beide Hände aus ihr pochendes Herz. Am liebsten hätte sie laut ausgeschrien. Sie haßte sich fast selbst. Dort lag ihre Mutter, ihre gute Mutter, die so viel um ihretwegen gelitten. Gönnte sie es ihr nicht, das Glück? Die Liebesworte, die Hollenkamp Lore ins Ohr ge flüstert, sie hatte sie vernommen, und sie waren ihr wie flammende Schwerter gewesen, die in ihr eigenes Herz gesenkt wurden. Immer rief sie sich zu: „Ich habe es ja selbst gewollt! Was will ich denn? Er liebt ja nur sie! Alles, was er mir gesagt in diese« Wochen, es galt ja nur ihr und es soll ihr gelten. Mein Muttchen! Mein armes Muttchen!" Und doch war es ihr, als seien das hohle, tote Worte. Als lehne ihr ganzes Selbst sich al!f. Wie sollte sie nun neben den beiden leben? Wie konnte sie das unselige Ge heimnis ihrer Seele vor ihnen bewahren? War sie nicht eine Verbrecherin, daß sie begehrte nach dem, was mit heiligen Rechten ihrer Mutter gehörte? War sie nicht wortbrüchig und verächtlich? Sie begann sich zu entkleiden und löste ihre Flechten. Reich und voll wallte ihr seidenweiches, braunes Haar hernieder. Sie streifte ihre Bluse ab. Wie rund und weiß waren ihre Arme, wie zart und voll ihr Hals. Un willkürlich schaute sie in den Spiegel und erblickte die Pracht ihrer blühenden Jugend. Sie dachte an ihre arme, elende Mutter. Warum war es so bitter in ihrem Herzen? Sie sah ihn vor sich, so schön, so jung, so stark, und all ihre Jugend war ihm nichts, er liebte die bleiche, elende Frau, die da nebenan auf dem Lager schlummerte. Nun kam sie sich nicht mehr verächtlich vor, sondern verachtet. (Fortsetzung folgt.)
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