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MMusserTageblatt Da» Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Goldpfennig, die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold pfennig, die 3 gespaltene Aeklamezeile im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Acchweisungsgedühr 20 Goldpfennig. Dor- geschriebene Erscheinung-- tage und Platzoorschriften werden nach Möglichkeit ÄUll 26llsdkUfs b berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm. 10 Uhr ------ - --------- Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch rrlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für dte Landwirtschaft, W°q-»blattstrW>I-druff- Umg-,-»d Nr 213. — 85 Jahrgang. rei.gr.ru«.: .«mubl-m- Wilsdruff-Dresden Posts».« Dresden L«io Sonnabend, 11.September 192« Freunde und Feinde. In diesen Tagen sind es zwölf Jahre her, daß sich, kaum daß das gewaltige Völkerringen in Mitteleuropa begonnen hatte, in der ersten SchlachtanderMarnc nach Ansicht militärischer Sachverständiger eigentlich schon Sieg und Niederlage des ganzen Weltkrieges ent schieden hatte. Die deutschen Heere waren gezwungen worden oder hatten sich verleiten lassen, haltzumachen und ihren Vormarsch aus das Hörz der französischen Re publik zu unterbrechen, damit aber schon — wenigstens war das die Überzeugung zum Beispiel des ehemaligen deutschen Kronprinzen — auf einen wirklichen Endsieg Verzicht geleistet. Nicht gerade zum Gedächtnis an diese schicksalsschwere Wendung, aber doch eben in zeitlichem Zusammenhang mit diesen herzbedrückenden Erinnerungen ist das Deutsche Reich durch seine Vertreter in Genf am 10. September in den Völkerbund eingetreten. Sicherlich nicht unbeschwert durch das Bewußtsein, dadurch Mit glied einer Friedensorganisation geworden zu sein, deren Entstehung mit dem schlimmsten Vertrag der ganzen Weltgeschichte zusammenfällt; auf der anderen Seite aber idoch Wohl auch mit dem stolzen Gefühl, nach jahrelangen schweren Kämpfen nun wenigstens unter annehmbaren - Bedingungen ein Ziel erreicht zu haben, von dem aus sich jetzt wirksamer als bisher an der Wiederbefreiung des ^deutschen Volkes werde weiterarbeiten lassen. Der deutsche Einzug in den Völkerbund hat sich, fast könnte man sagen, Seite an Seite mit Herrn Briand voll zogen, dem Hauptvertreter desjenigen Landes, gegen das wir vor zwölf Jahren, von mehreren Seiten auf Tod und Leben angegriffen, das ganze Ungestüm unseres kriegerischen Vorgehens richten mußten. Die völkerver söhnende Bedeutung dieser Tatsache kann auch von den hartnäckigsten Gegnern des Genfer Friedenspalastes nicht geleugnet werden. Streiten kann man nur noch über die Möglichkeit, aus den nun eingeschlagenen Wegen auch wirklich zu dauernden und zu allseitig befriedigenden Friedenszuständen zu gelangen. Aber, nachdem nun auch wir diese Schwelle überschritten baden, kann der Streit über die Vergangenheit und damit ein gut Teil des Zwistes, der bisher den inneren Frieden nicht zustande kommen ließ, endlich als abgeschlossen gelten; jetzt muß unsere ganze Sorge der Zukunft gehören; wir haben die Aufgabe, sie im Völkerbund und mit dem Völkerbund den deutschen Lebensnotwendigkeiten anzupassen. Lorbeeren, auf denen wir in Genf etwa schon ausruhen könnten, sind noch nicht in unserem Besitz. Sie winken erst in weiter Ferne. Die Aufnahmefeierlichkeiten, unter denen sich unser Eintritt in den Bund der Nationen vollzogen hat, werden schwerlich lange nachhallen in dieser raschlebigen Zeit. Aber wir werden doch vielleicht bald wieder mehr Freunde in unserer Nähe sehen als in den letzten Jahren. Denn je mehr sich die unseligen Wirkungen des -^crsailler Vertrages auch jenseits unserer Grenzen aus- d^utsck-. das Deutsche Reich und die schütwrun^en dou den verhängnisvollen Er- schutterungen der Kriegs- und Nachkrieqsjahre wieder erholen, desto begehrenswerter wird unsere Unterstützung rm Kranze der zahlreichen Körperschaften Genfer Ur sprungs diesen oder jenen Nationen erscheinen. Derselbe Herr Briand, der bei Behandlung deutscher Fragen jedes seiner Worte schon seit geraumer Zeit aus das sorg fältigste abwägt, hat kürzlich ganz ungescheut davon ge sprochen, daß Frankreich Feinde habe, Feinde, die in Angriffen auf seine Währung nicht nachließen, an den Börsenplätzen der Welt ihre Drähte zögen und an- schemend auch dem gewaltigen und unerbittlichen Drachen töter Polncaröm seinen Bemühungen gegen die Ge fahr einer neuen Inflation keine Ruhe ließen. Sogar der Gedanke einer mit Deutschland gemeinsamen Stützungsaktion gegen die Treibereien dieser Feinde, die man nicht unmittelbar fassen könne, scheint Herrn Briand bereits gekommen zu sein. Und wenn er jetzt liest, wie kühl bis ins Herz hinein der deutsche Reichs finanzminister der Frage einer Ausländsanleihe gegen übersteht, wenn er sehen muß, wie felsenfest die neue deutsche Reichswährung aus all den Finanzwirren der Gegenwart emporragt und wie zielbewußt die deutsche Wirtschaft an der neuen Fundamentierung unseres Staatswesens fortarbeitet, so wird er es gewiß auch im Interesse seines Landes liegend finden, sich die deut schen Feinde von ein st je eher, desto lieber z u wahren Freunden zu machen. * Denn so einfach, wie der famose belgische Fiuanz- mann L ö w e n st e i n sich die Sanierung von StaatS- flnanzen gedacht hat, ist diese schwierige Aufgabe denn doch nicht zu lösen. Er machte sich anheischig, der bel gischen Regierung 10 und der französischen Regierung 50 Millionen Dollar vorzuschießen, einfach vorzuschießen zu billigen Bedingungen, wie sie sonst auf dem Geld markt nirgends zu haben wären, und alles Leid sollte von den beiden Ländern genommen sein. Merkwürdig dw belgische Regierung dieses Llngebot ihres, scheint, einigermaßen vermögenden Lands- mannes dankend abgelehnt hat. wonach wohl auch Herr MWMs EiiW ix de» Wlmbmb. Oie historische Sitzung in Genf Begeisterter Empfang der deutschen Delegation. Das Bild eines großen Tages beginnt schon auf den Straßen Genfs und in der Umgebung des Resormations- saales sichtbar zu werden, wo sich die Bevölkerung in dichten Mengen staut, um die Auffahrt der Delegationen zu beobachten. Von 10 Uhr ab füllt sich der Saal, an dessen Eingang eine besonders scharfe Zulassungskontrolle ausgeführt wixd. Die Pressetribünen aller Nationen sind überfüllt. Nachdem die Mandatsprüfungskommission die Ordnungsmäßigkeit der Vollmachten der deutschen Dele gation festgestellt hat, fordert Präsident Nintschitsch die deutschen Delegierten auf, ihre Plätze einzunehmen. Unter donnerndem, minutenlangem Applaus betreten Dr. Stresemann, von Schubert und Gaus den Saal, um die erste Bank links von der Estrade des Präsiidiums ein zunehmen. Nintschitsch bezeichnet diesen Vorgang in seiner Be grüßungsansprache als in doppeltem Sinne bedeutungs voll und geschichtlich, da er erstens die Universali tät des Völkerbundes um einen großen Schritt weiterbringt und zweitens die Aufnahme einer weiteren europäischen Großmacht in den Völkerbund eine sichere Gewähr für den Frieden und die Wohlfahrt der Welt be deutet. In kurzen Worten begrüßt er herzlichst die Ver treter des Deutschen Reiches als Mitglieder der Versamm lung und bezeichnet deren Anwesenheit als eine Gewähr für den Erfolg der Bestrebungen des Völkerbundes. Nach der Aufforderung durch den Präsidenten besteigt hierauf Reichsminister Dr. Stresemann unter neuem langen Beifall, zu dem Chamberlain und Briand das Zeichen geben, die Tribüne. Er erwidert auf die Begrüßungsansprache des Präsidenten der Völker bundversammlung, Nintschitsch, in deutscher Sprache. Dr. Stresemann dankte für die herzliche Begrüßung, die der deutschen Delegation in Genf zuteil wurde, streifte sodann die großen Schwierigkeiten, die in der Vergangen heit bis zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund zu überwinden waren, und fuhr dann fort: Deutschland tritt mit dem heutigen Tage in die Mitte von Staaten, mit denen es zum Teil seit langen Jahr zehnten in ungetrübter Freundschaft verbunden ist, die zum anderen Teil im letzten Weltkrieg gegen Deutschland verbündet waren. Es ist von geschichtlicher Be deutung, daß Deutschland und diese letzteren Staaten sich jetzt im Völkerbund zu d a u e r n d e r, f r l e dl i ch e r Zusammenarbeit zusammenfinden. Diese Tatsache zeigt deutlicher, als Worte und Programme es können, daß der Völkerbund berufen sein kann, dem politischen Entwicklungsgang der Menschheit eine neueRichtung zu geben. Gerade in der gegenwärtigen Epoche würde die Kultur der Menschheit auf das schwerste bedroht sein, wenn es nicht gelänge, den einzelnen Völkern die Ge währ zu verschaffen, in ungestörtem friedlichen Wettbe- w^.^bie ihnen vom Schicksal zugewiesenen Aufgaben zu i erfüllen. Die grundstürzenden Ereignisse eines furcht- varen Krieges haben die Menschen zur Besinnung über die den ölkern zugewiesenen Aufgaben gebracht. Wir sehen in vielen Staaten den Niederbruch wertvollster, für den Staat unentbehrlicher geistiger und wirtschaft licher Schichten. Wir erleben die Bildung von neuen und das Hinsinken von alten Formen der Wirtschaft. Die alte Weltwirtschaft hatte für ihre Zusammenarbeit keine Satzungen und Programme, aber fie beruhte auf dem ungeschriebenen Gesetz dös traditionellen Güteraus tausches zwischen den Erdteilen. Ihn wiederherzustcllen ist unsere Aufgabe. Wollen wir eine ungestörte welt wirtschaftliche Entwicklung, dann wird das nicht ge schehen durch Abschließung der Gebiete voneinander, son dern durch Überbrückung dessen, was bisher die Wirt schaft der Völker trennte. Wichtiger aber als alles materielle Geschehen ist d a s seelischeLebenderNationen. Eine starke Gärunk der Gedanken kämpft unter den Völkern der Erde. Dii einen vertreten das Prinzip der nationalen Geschlossen heit und verwerfen tue interimtionale Verständianna. weil Potncarö dem biederen Millionär einen höflichen Ab sagebrief schreiben dürste. Immerhin hat man sich in Brüssel wie in Paris doch einige Tage lang ziemlich ernst haft mit dem auffälligen Rettungsplan des edelmütigen Darlehnsgebers beschäftigt. Ganz aus der Luft gegriffen können also diese wohlmeinenden Absichten doch nicht ge wesen sein. Geht es aber so nicht, dann wird man sich für den französischen wie für den belgischen Frank über kurz oder lang doch anderwärts nach Hilfe umsehen müssen. Herr Briand hat also alle Veranlassung, die Feinde, von denen er sprach, in Freunde zu verwandeln — oder sie wenigstens, mit jeder annehmbaren Unter stützung von anderer Seite, schachmatt zu setzen. Dr. Sy. sie das national Gewordene nicht durch den allgemeinen Begriff der Menschheit ersehen wollen. Ich bin der Mei nung, daß keine Nation, die dem Völkerbund angehörh dadurch ihr nationales Eigenleben irgendwie aufgibt. Der göttliche Baumeister der Erde hat die ^Menschheit nicht geschaffen als ein gleichförmiges Ganzes. Er gab den Völkern verschiedene Blutströme, er gab ihnen als Heiligtum ihrer Seele ihre Muttersprache, er gab ihnen als Heimat Länder verschiedener Natur. Aber es kann nicht der Sinn einer göttlichen Wettordnung sein, daß die Menschen ihre nationalen Höchstleistungen gegeneinander kehren und damit die allgemeine Kultur entwicklung immer wieder zurückwerfen. Der wird der Menschheit am meisten dienen, der, wurzelnd im eigenen Volke, das ihm seelisch und geistig Gegebene zur höchsten Bedeutung entwickelt und damit, über die Grenze des eigenen Volkes hinauswachsend, der gesamten Menschheit etwas zu geben vermag, wie es die Großen aller Natio nen getan haben, deren Namen in der Menschheitsge schichte niedergeschrieben sind. So verbindet sich Nation und Menschheit auf geistigem Gebiet, so kann sie sich auch verbinden in politischem Streben, wenn der Wille da ist, in diesem Sinne der Gesamtentwicklung zu dienen. Die politische Auswirkung dieser Gedanken liegt in einer inneren Verpflichtung der Staaten zu gemeinsamem, friedlichem Zusammenwirken. Diese innere Verpflich tung zu friedlichem Zusammenwirken besteht auch für die großen moralischen Menschheitsfragen. Kein anderes Gesetz darf für sie gelten als das Gesetz der Gerechtigkeit. Das Zusammenarbeiten der Nationen im Völkerkunde muß und wird dazu führen, auch auf diese moralischen Fragen im Völkerleben die gleiche Antwort zu geben. Denn -as sicherste Fundament für den Frieden ist eine Politik, die getragen wird von gegenseitigem Ver- stehen und gegenseitiger Achtung der Völker. Deutsch, land hat sich schon vor seinem Eintritt in den Völkerbund bemüht, im Sinne friedlichen Zusammenwirkens zu ar beiten, davon zeugt die deutsche Initiative, die zu dem Pakt von Locarno führte. Davon zeugen die jetzt nahezu mit allen Nachbarstaaten abgeschlossenen deutschen Schiedsverträge. Die deutsche Regierung ist entschlossen, diese Politik mit aller Entschiedenheit weiter zu verfolgen. Sie kann mit Genugtuung feststellen, daß diese Ge- danken — anfangs in Deutschland heftig umkämpft — sich allmählich immer mehr das deutsche Volksbewußtsein erobert haben, so daß die deutsche Regierung auch für die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes spricht, wenn sie erklärt, daß sie sich an den Aufgaben des Völker bundes mit voller Hingebung beteiligen wird. (Lebhafter Beifall.) Dr. Stresemann kam sodann auf die wichtigsten Ar beiten zu sprechen, die der Völkerbund erledigen müsse, und nannte hierbei das Streben nach einer internatio nalen Rechtsordnung und die Abrüstungsfrage. Er gab hierbei dem Wunsche Ausdruck, daß es gelingen möge, einer allgemeinen Abrüstung in praktischer Ar beit näherzukommen. Deutschland wünscht, so sagte Dr. Stresemann Weiler, mit allen Nationen, die im Völker bunde und in seinem Rate vertreten sind, auf der Grund lage gegenseitigen Vertrauens zusammenzuarbeiten. Dr. Stresemann bedauerte weiter die Haltung Bra siliens und Spaniens in G...s und schloß seine Ausfüh rungen: Erst durch die Universalität wird der Bund vor jeder Gefahr geschützt, seine politische Kraft zu anderen Diensten als zu reinen Friedcnsdiensten cinzusctzen. Nur aus der Grundlage einer Gemeinschaft, die alle Staaten ohne Unterschied in voller Gleichberechtigung umspannt, können Hilfsbereitschaft und Gerechtigkeit die wahren Leitsterne des Menschcnschiüsals werden. Nur auf dieser Grundlage läßt sich der Grundsatz der Freiheit aufbaueu, um den jedes Volk ringt wie jedes Menschcnwcsen. Deutschland ist entschlossen, sich in seiner Politik auf den Boden dieser erhabenen Ziele zu stellen. Für alle hier versammelten Völker gilt das Wort eines großen Den kers, daß wir Menschen uns zu dem Geschlecht bekennen, das aus dem Dunkel ins Helle strebt. Möge die Arbeit des Völkerbundes sich auf der Grundlage der großen Be griffe Friede, Freiheit und Einigkeit voll ziehen, dann werden wir dem von uns allen erstrebten Ziele näherkommen. Daran freudig mitzuarbeiten, ist Deutschlands fester Wille. Die Rede des Reichsministers des Äußern Dr. Strese mann wurde mit warmer, stellenweise klingender Stimme vorgctragen. Sie wirkte, obwohl manche Zuhörer mit der deutschen Sprache nicht vertraut waren, unmittelbar auf die Empfindungen der Versammlung, die an einer ganzen Reihe von Stellen in spontanen Beifall ausbrach. Dieser Beifall steigerte sich zum Schluß zu lauten uns nachhaltigen Kundgebungen.