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- Erscheinungsdatum
- 1925-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192511251
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19251125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19251125
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-11
- Tag 1925-11-25
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Monat
1925-11
-
Jahr
1925
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Letzte Weisungen Störung einer Versammlung durch Kommunisten. Bertin. Zahlreiche Kommunisten versuchten eine Ver sammlung der S. P. D., in der Minister Severing sprechen sollte, zu stören, so daß der Minister seine Rede nicht hatten konnte. Tas Versammlungslokal wurde geräumt. Sechs Per sonen wurden festgenommen. Kommunisten und Locarno. Berlin. Die kommunistische Fraktion des Neichsrags hat beschlossen, außer dem schon im Plenum eingebrachten Miß- trauensantrag gegen das Kabinett Luther, bei der Abstim- nung über den Locarnovertrag auf der Zweidrittelmehrheit ju bestehen, die für ein verfassungsänderndcs Gesetz erforder lich ist, und ferner auf Grund des Art. 72 der Ncichsvcrfas- fung die Aussetzung der Verkündigung des Gesetzes um zwei vionate zu beantragen. Der Prozeß gegen den falschen Kriminalbeamten. Berlin. Die vor einiger Zeit erfolgte dreiste Be raubung von zwei Kassenboten durch zwei falsche Krimi nalbeamte im Polizeipräsidium Berlin gelangte nunmehr zur Aburteilung. Der Verdacht war bald aus den früheren An- zehörigen der Schutzpolizei Wilhelm Berger gefallen, der schließlich auch ermittelt wurde und ein umfassendes Geständ nis ablegte. Den Namen des Mittäters verweigerte er zu nennen. Nach kurzer Beratung wurde Berger zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt', 6 Wochen wu-de» aus die Unter suchungshaft in Anrechnung gebracht. Berger nahm das Ur- leil sofort an, das auch sogleich rechtskräftig wurde. Bodcnrcformcrtagung. Berlin. Der Bund Deutscher Bodenreformer hielt heute in der Technischen Hochschule zu Charlottenburg unter dem Vorsitz des greisen Führers Adolf Damaschke seine 30. Hauptversammlung ab. Nach Entgegennahme der verschiede nen Glückwünsche durch die Reichsregierung, die preußische Staalsregicrung und die Stadt Berlin erstattete Dr. Damaschke den Geschäftsbericht. Stürmischen Beifall unter der Versamm lung löste die Mitteilung der Ernennung Dr Damaschkes zum Ehrendoktor der Theologie der Universität Gießen aus. Ter neue Fcmcmordprozeß. Schwerin. Hier begann vor dem Schwurgericht unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Buschmann der Prozeß wegen ocr Ermordung des Ehrhardt-Mannes Beyer durch deu Feld webel Boldt. Dummejnngcnstrrich. Tilsit. In der Nacht wurde in ein erleuchtetes Fenster der Wohnung des hiesigen litauischen Konsuls ein faustgroßer Stein geworfen, der in der Gardine des Zimmers hängen blieb. Es ist sestgestellt worden, daß zwei männlin: Personen sich vor dem Fenster zu schaffen machte», von denen die eine ven Stein geworfen hat, woraus beide sich schnellstens ent- iernten. Die polizeilichen Ermittlungen nach den Tätern sind im Gange. Es handelt sich offenbar um einen Dummejungen- jtreich politisch unreifer Burschen. Ein Naturdenkmal. A. Kühne, Wilsdruff. Ich stehe vor der alten Wilsdruffer Hofe- oder Reformations- linbe. Herdstfonne goldet ihre letzten Blätter. Lichte Wolken ziehen ihr zu Häupten. Sie selber atmet Ruhe und Kraft. Mag der Winter kommen! Vor kurzem noch schaute sie anders drein. Aus der Höhle ihres Stammes drohte die Nacht, lugten Moder und Untergang, und ruch lose Kinderhände zündeten gar ein lustig Feuerchen in ihr an, so daß — zum Schützenfest 1922 — die Sturmglocke gezogen und die Feuerwehr gerufen werden mußte. Eines Tages entsandte aber der „Heimatschutz" seinen lieben alten Obergartendirektor Hofrat Bouche. Auf fein Geheiß rückten die Buttenträger der Baufirma Fr. E. Bertholdt an. Bald waren die verderblichen Höhlen geschlossen und ein gewaltiger eiserner Reif bindet heute den Riefenleib des Zwillingsstammes, der gern und gut feine sechs Meter im Umfange mißt. Ist ein Großer, ein ganz Großer — und steht doch so bescheiden und still in seiner Ecke, guckt in den Lärm der Straße, wundert sich hie und da ein wenig und — schweigt. Was hat er doch schon erlebt und gesehen! Kleinstadt und Alltag — und hie und da ein Zipfelchen Weltgeschehen. Der Linde Nachbar ist der Kirchturm, ragt ein wenig höher, aber die Leute mögen sich seiner nicht recht freuen, tritt recht kalt und scharf daher mit feinen vielen Spitzen und Türmchen. Da ist ihr Blätterhaus gar viel gewaltiger und wunderlich belebt. Ihre Aeste und Zweige neigen sich vergnüglich in den Hof des Nachbars Fuhrwerker, wie in den stillen Park des alten, vertrauten Schlosses. Sehen auch, wir im Stadtgraben flinke Buben über die bröcklige Stadtmauer steigen, um die großen Birnen des Herrn Stadtrat zu probieren. Sehen, wie der Herr Apotheker in feinem Hausgarten vergnüglich in die Sonne blinkert und wie der Stadt Entomologe an feinen Birken und Sträuchern rätfelvolle Staupenärmel feßdindet. Der Linde luftiger Nachbar ist auch des Rathauses stilvoll nettes Türmel, allwo in weiser Red und Gegenrede der Stadt Geschicke sestgeieget werden. Dünkt sich mit seinen 180 Jahren wer weiß wie alt, dies Türmel. Ja, unsere Linde weiß noch um die Lotterie, die Stadt und Land damals ausfplelten, um Mittel zum Bau des Turmes herzuzuorlngen, wars doch der Bürgerschaft fo ganz und gar unmöglich, den Turm auf eigne Kosten aufzurichten, da sie 11 Jahre zuvor — am 5. Juni 1744 — rein abgebrant. Damals im Stadlbrand stand unser Baum, umloht von Feurrbränben, furchtlos aufrecht, und dorrte auch sein Klein, sein Leben blieb. Ein neuer Frühling ließ ihn grüner er stehen als er zuvor gewesen. Sie <war damals kein Kind mehr, gefährdet ihr starkes Wurzel werk doch bereits 1715 den Kellerhau des Rittergutes, so daß die Bauleute ihr gewaltig zu Leibe gehen mußten. Der Welt Kriege spülen ihre Wellen dis an ihren Stamm her an. Hier kehrt ein fröhlicher König zur Nachtruhe ein, will Tags darauf seines Feldherren Schlachtfeld scharf besichtigen. Fried rich der Große am 15. Dezember 1745, dem Tage, da Leopold von Dessau die Sachfen bei Kesselsdorf entscheidend schlug. And 14 Jahre später fährt sein Reifewagen wiederum unter den herbfi- gefchüttelten Zweigen an dem Schlosse vor. Aus den Kissen blickt ein fchmerzgequälter Körper. In feinen Augen aber lebt der Wille, Dresden — des Feindes Hauptstadt — zu nehmen. Tage rinnen in erbarmungsloser Kälte. Posten frieren. Der große Friedrich ver lebt den schwärzesten Tag seines Lebens. Eins seiner Korps streckt die Waffen bei Maxen, und Friedrich weiß sich nicht ganz frei von Schuld daran! Schlaflose Nächte, peinvolle Selbstkritik. Dann strafft sich der welke Körper wieder: Der Feind soll ihn auf dem Posten finden. Ein Wunder wärs, hätten Freund und Feind zur Zeit der Freiheitskriege diese stille Insel im Schatten der hohen Linde nicht entdeckt. Hier erläßt 1809 der Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels feinen Aufruf zum Kleinkrieg gegen den Korsen, verspricht Lohn und Avancement denen, die zu ihm stoßen wollen, Ordnung und Manneszucht den Quartiergebern. Zur selben Zeit jedoch räumen seine Schwarzen dem Rittergutspachter Hermsdorf nicht nur Scheune und Stall aus, sondern stehlen ihm sogar das leinene Tischtuch, daraus ihr General gegessen. 1813 blickt unsere Linde in noch viel wirreres Kriegsgetümmel. Den Franzosen sind die Russen -gefolgt. Am 27. März wird dem Pächter Hermsdorf aufgegeben, Holz für die Wachtfeuer heranzu- fchaffen, „vorzüglich unter die sogenannte Hoselinde" wo ein be sonderes Piquet stand. — An jenem 9. Mai mißt des Korjen sieg gewohntes Auge unsere deutsche Linde. Doch hat sie die Genug tuung, am 7. Oktober selben Jahres seine eilige Flucht zu sehen, nicht aus -der Heerstraße, sondern seitab durch wenig genannte Dörfer. Im Schlosse aber hebt das große Typhussterbcn des stark- belegten Lazaretts an. Kein Tag, an dem man nicht zehn und zwanzig still gewordene Kämpfer unter der Linde daoontrug. Beinahe wie in den Pestjahren des dreißigjährigen Krieges. Doch — sollte etwa unsere Linde auch Liefe miterlebt haben? Etwa auch die schwere Plünderung der Kroaten am 25. September 1632, da dem Herrn des Gutshoses alles Groß- und Kleinvieh wegge trieben, etliche feiner Untertanen schwer verwundet, erstochen und <erhauen wurden. Wir wissens nicht mit Bestimmtheit, ob sie es erlebt. Doch liegts — nach dem Urteil des Herrn Hofrat Bouche — durchaus im Bereich der Möglichkeit, -der gewaltige Stamm tut es Kunde. Zeigt man doch anderwärts 800- und 1000jährige Linden, deren Alter verbürgt ist und die nicht stärker sind. Und vermag nicht auch der Linde überlieferter Namen etwas zu sagen: Reform-ations- linde! An 1517 ist natürlich nicht zu denken. Wer konnte damals er messen, welches Ausmaß Luthers Tat vom 31. Oktober gewinnen würde. Ahnte und wollte er es ja nicht einmal selbst. Dazu der strengkatholische Herzog Georg, der jeder kirchlichen Neuerung größter Widersacher war. 1539 aber tat er die Augen zu. Nun konnte das große Wert der Reformation beginnen. Und der es am eifrigsten mit durch führen half durch Visitationen im ganzen Kreise, berufen durch seinen Landersherrn, das war der Wilsdruffer Lehnsherr Hanns von Schönberg. Ihm war in der Erbteilung nach des Vaters Tode die Besitzung Wilsdruffs zugefallen. In Reinsberg konnte er nicht mehr wohnen, da das Schloß für die große Familie zu klein war. Und so spricht er denn 1537 von dem Bau einer „behausunge, die ihm zu seyner notdurst mangelet". Er macht sich in Wilsdruff feßhaft. 1543 ist ihm ein getürmtes Schloß erstanden. Am 12. April 1552 schließen sich erstmalig der Stadt erbaute Tore an der Ringmauer. 1566 wird er auf feinen Wunsch hin als der erste Lehnsherr, der sich in Wilsdruff begraben läßt, in St. Iakobikirchen beigefetzt. Gehen wir fehl, wenn wir die Linde von seiner Hand ge fetzt glauben? Oder ist es nicht durchaus wahrscheinlich, daß er das große Werk der Reformation, dem er dienen durfte und durch das er sich das Heil seiner Seele verdient zu haben glaubte, da durch im Gedächtnis festgehalten wissen wollte, daß er ihr einen Daum, eine Linde, weihte vor der Einfahrt feines Gutshoses, nicht fern der Kirche! Und wie treu wahrt der Voiksmund ihre Bedeutung in dem Namen Reformationslinde! Danken wir Harum dem -Landesverein Sächsischer Heimatschutz wie der Stadtverwaltung, daß sie Mittel gab, dieses Naturdenkmal auf fpälrre Tage hinü-berzuretten. Die Linde aber möge dauern, ein ehrend Zeugnis für den, der sie gepflanzt! E KW MlerM Krirnst j Wilsdruff, am 24. November 1925. Merkblatt für den 25. November. Sonnenaufgang 7" ij Monvausgang 2-' N. Sonnenunlergang 3" ff Mouvuntcrgang 1'? V 1914 Deutscher Sieg über die Russen bei Lodz. »e Dämmerstüudchen. Dämmevstü-ndchen! Welch poetisches Wörtchen! Und wie poetisch ist die Sache selber! Unsere hastende, treibende Zeit hat freilich vielerorts die Dämmelst-ünüchen aus dem häuslichen Kreise verscheucht; in vielen Familien leimt man -sie überhaupt nicht. Es gibt zuviel zu tun, sagt inan. Sinds nicht häusliche Be schäftigungen im Köbermaß, dann sind RepräsentationspflichtLN, Vorbereitungen zum Theater- oder Konzerlbesuch, Besorgungen in der Gemeinde oder sonst etwas, kurz, man hat angeblich keine Zeit, um ein Vierte! oder HalbstünLchen die Arbeit ruhen zu -lassen, sich in eine mollige Ecke zu fetzen und den Tag scheiden zu sehen, zu empfinden, wie es dunkler und dunkler wird, weil die Sonne von dannen zieht. Wie viele beseligende und andererseits auch sorgenvolle Te- baNlen könnte man in so einem Dämmerstündchen verarbeite!,! Und ist man nicht einsam in feinem Daheim, sind frohe Kinder um die Mutter herum, was könnte sie nicht alles in die jugendlichen Herzen Pflanzen! Darum, ihr Mütter, laßt den Zauder eines Dämmerstündchens -eurem Familienkreise nicht verloren gehen! Un-eMicher tiefer Segen liegt in der Bildung des Gemüts. Und -wahrlich: An Gemüt fehlts uns modernen Menschen recht sehr! Sorgen wir also, daß unsere Kinder Herz und -Gemüt be halten und auch auf diese Grundsteine das Mück ihres Ledens auf bauen. Katharincntag. Der Katharinentag war jahrhun dertelang ein sehr wichtiger Abschnitt im Kalender: von diesen« Tage ab trieb man das Vieh nicht mehr auf die Weide und der Vertrag der Hirten lief auch mit diesem Tage ab. Am Kathannentag finden noch vielfach die Kathreinmärkte statt, und er ist auch der Tag, au dem die besonders unter dem Namen „Thorner Katharinchen" be kannten Lebkuchen gebacken werden. Ein interessanter deutscher Brauch knüpft sich an den Glauben, daß der Katharinentag für das Gedeihen besonders guten Kohls von Bedeutung ist. Will man seine Kohtsorten verbessern und eine reiche Ernte erzielen, so muß man am Katha rinenlage welke Kohlblätier mit einem alten Strumpf umwickeln und in die Erde vergraben. Am 6. März nimmt man sie wieder heraus, dann sitzt in allen Adern der neue Same. Die heilige Katharina wurde vom römischen Kaiser Maximin zum Tode verurteilt, weil sie sich seinen bösen Gelüsten nicht fügsam zeigen wollte. Maximin ließ das tugendhafte Mädchen aus ein Rad aus Lanzenspitzen flechten. Wie die Legende berichtet, sollen die Lanzenspitzen abgebrochen und Katharina nachher ent hauptet worden sein. Nach frommem Brauch soll man in Erinnerung an das Rad am Katharinentag nicht spinnen, und mancherorts bleiben auch die Mühlen an diesem Lage still. Persvnalveränderungen bei der Amtshauptmannschaft. Re gierungsrat Rößler und Regierungsamtmann Goldhan sind zur Amtshauptmannfchast Meißen -und der Regierungsrat Dr. Merz dorf zur Amtshauptm-amnfchaft Kamenz versetzt worden. Der Reglerungss-ekretär Blochwitz ist -zum Oberregierungssekretär be fördert worden. Bom Glück vergessen. Roman von Fr. Lehne. s 3. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Draußen lockte die Frühlingsfonne. Obgleich es erst Mitte März war, schien sie so warm, daß Gwendoline das Fenster öffnete und durstig die herbe, frische Luft trank, die ratter Verheißungen war. Die Kastanienbäume in dem kleinen Gärtchen, auf das die Fenster ihrer Wohnung gingen, hatten dicke Knospen angefetzt und an den Sträu chern zeigten sich schon vorwitzige, zarte, grüne Vlattfpitzen. Ein Buchfink wiegte sich auf einem Zweige und schmetternd klang fein Liebeslied, als wollte es ihm die Brust zer sprengen. Dann flog er lustig davon. Sehnsüchtig folgten ihm ihre Blicke. „Du hast's gut, du —!" flüsterte sie, „dir gehört die ganze schöne Welt! Du kannst singen! Und ich — ich bin hier .'mgesperrt — ml: vergeht die Lust zum Singen." Mit einer heftigen Bewegung wandte sie sich ab. Es hatte keinen Zweck zu grübeln. Sie erschwerte sich ja nur noch mehr das Leben! Nicht rückwärts und nicht seitwärts sehen — nur geradeaus, ihr Ziel fest im Auge, das allein taugte für sie! La schlug die Vorsaalglocke au. Jetzt um diese Zeit? Halb zwei! Las tonnte nur ein Bettler oder Hausierer sein! Plötzlich lauschte sie — die Mutter hatte geöffnet; man sprach lebhaft, und da erkannte sie die laute, gezierte Stimme Likowski. Sie und Malte sagten „Taute" zu der Dame, auf Grund einer jahrelangen Freundschaft der Fa milien Reinhardt und Likowski; in einem verwandtschaft lichen Verhältnis stand man nicht. Das junge Mädchen wunderte sich, daß heute am Tage ihrer großen Gesellschaft Tante Likowski sich die Zeit nahm, noch zu ihnen zu kom men. Es mußte Wichtiges sein, das die Dame hsrführte. „Gwendoline, Tante ist da und möchte dich sprechen," irief dis Baronin. „Ich komme!" f Jin Eßzimmer, das noch einige der wertvollen Möbel aus der früheren guten Zeit enthielt, kam die umfang reiche, eng von schwarzer Seide umspannte Frau Kommer zienrat Likowski auf Gwendoline zugeraufcht, sie mit lie benswürdigen Worten begrüßend. „Sie will etwas von dir!" dachte das junge Mädchen kühl. „Der Besuch gilt dir " „Meins Beste, ich habe eine große Bitte: ich komme im Auftrage unserer Jeannette. Das liebe Kind hat heute wieder einen ihrer Herzanfätte gehabt, glücklicherweise nur ganz leichter Art — kann aber infolgedessen heute abend nicht am Feste teilnehmen, well sie unbedingt im Bett bleiben muß! Sie hat nun Sehnsucht nach dir und schickt mich her, um dich ihr gleich nutz»bringen! Ich lasse dich abends, wenn Jeaunettchen schläft, im Auto wieder heim fahren." Sie hüstelte ein wenig. „Ihr wißt wohl schon von Malte, daß heute abend — — ich hätte euch selbst verständlich gern unter meinen Gästen gesehen, doch Malte meinte, eine Einladung fei euch nur unbequem, daher wollte ich euch die Abtage ersparen — bei unseren guten freundschaftlichen Beziehungen — Ihr seid sicher nicht böse." Eine leichte Verlegenheit klang aus ihrer Stimme. „Im Gegenteil, Tante! Malte hat Recht, Mama und ich haben keine Toiletten, dis in den Nahmen Ihrer Festlich keit passen würden. Darum wollen wir es auch für die Zukunft so halten! Nun möchte ich mich schnell fertig machen, damit Hannchen nicht unnütz lange wartet!" sagte Gwendoline. „Bitte, entschuldigen Sie mich einen Augen blick, Tante." Und während sie eilig in eine andere Blufe schlüpfte, dachte sie: das arme Hannchen! Wer weiß, wie man sie a.fgersgt hat! Vielleicht gar absichtlich — man präsentiert das arme, verwachsene Ding nicht gerne in Gesellschaft, und wahr'heinlich ist es doch nicht etwa nur ein leichter Anfall — sonst hätte Tante sich nullt selbst zu mir bemüht! Aber ehe man das Fest um der Kranken willen abfagt, tut man alles mögliche —" Im Hut und Jackett stand sie dann vor den beiden Damen. „Ich bin fertig, Tante!" Der elegante lila Kraftwagen der Kommerzienrat!» sauste mit den beiden Damen davon und bald waren sie am Ziel. Eilfertig riß ein Diener den Wagenfchlag auf, sie stiegen aus und betraten die reich mit Blattpflanzen geschmückte Diele der Villa. Ein geschäftigtes Treiben herrschte in dem Haufe. Durch die weit geöffneten Flügeltüren konnte Gwendoline in den Speisesaal bocken, die Tafeln waren bereits gedeckt. Kristall und Silber blinkten auf dem weißen Damasttuchj nur der Blumenschmuck fehlte noch. Ein lautes klingendes Lachen ertönte, das gar nicht enden wollte. „Sie sind gelungen, Malte! Mein Tifchherr werden Sie aber dennoch nicht — bitte, nicht zu dreist zu werden,"! hörte Gwendolins rufsn. Eine hellgekleidete Akädchengestalt lief um die Tafel herum, neckend von einem jungen Manne verfolgt, der sie eingehoU und um die Taille gefaßt hatte. Gwendoline verzog die Lippen. Schnell schritt sie auf die Trepve zu, der beiden nicht achtend. „Blanche", rief die Kommsrzienrätin in den Speisesaal hinein. „Gwendoline ist da." „Ach bitte, stören wir Blanka nicht; sie hat zu tun)" Tante! Ich werde sie nachher begrüßen; vor allem möchte ich jetzt zu Hannerl." „Wie du willst, meine Beste!" nickte die Oommerzien- rätin entgegenkommend. Etwas schwerfällig stieg sie die Treppe hinan und bog dann in einen Gang ein, der, vom Treppenhaus durch eine , Glastüre abgeschlossen, sich weit nach rückwärts, nach dem Garten zog. Behutsam öffnete sie dann dis letzte Tür. Ein Ivichter Geruch nach Kampfer und Baldrian schlug den Ein- tietende» entgegen. „Bringst du mir Gwendoline, Mama?" fragte eine schwache Stimme. „Ja, »'.ein Herzchen, Line ist gleich mit mir gekommen!" Die Rätin beugte sich nieder zu der Leidenden, streichelte in oberflächlicher Herzlichkeit deren Wangen und trat dann zurück, um Gwendoline Platz zu mache». „Grüß Gott, mein Hannerl." Mit lieber chlem Druck- hielt das kluge Mädchen die schmale, kinderhafte Hand der! Kranken fest. „Da bin ich und bleibe da so lange du mich brauchst." (Fortsetzung folgt.).
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