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Tschitscherin bei Hindenburg. Vollmacht zur Unterzeichnung des Handelsvertrages erteilt. Der russische Volkskommissar für auswärtige Ange legenheiten, Tschitscherin, hat dem Reichspräsidenten einen Besuch abgestattet. Aus russischer Seite begleitete Bot schafter Krestinski den Volkskommissar, auf deutscher Seite waren Staatssekretär Meissner, ferner der Stellvertreter des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Ministerial direktor Köpke, und der Leiter der Ostabteilung, Ministerial direktor Wallroth, anwesend. Ein besonderes Zeremoniell wurde bei dem Empfang nicht beobachtet. Der russische Botschafter stellte den Volkskommissar dem Reichspräsiden ten vor; beide reichten einander die Hand, und es folgte eine zwanglose Unterhaltung, die damit begann, das; der Reichspräsident dem Volkskommissar die Mitteilung machte, das? er soeben, unmittelbar vor dem Besuch Tschitscherins, an den deutschen Botschafter in Moskau, den Grafen Brockdorff-Rantzau, Vollmacht zur Unterzeichnung des Handelsvertrages erteilt habe. Dem Zustandekommen der wirtschaftlichen Abkommen, das er freudig begrüße, stehe von deutscher Seite nun nichts mehr im Wege. * Volkskommissar Tschitscherin äußerte sich über das Er gebnis seiner Unterredung mit dem Reichspräsidenten sehr befriedigt und erinnerte daran, daß er anläßlich sei nes Aufenthaltes bei der Konferenz in Genua schon ein mal eine persönliche Unterredung mit einem repräsenta tiven Staatsoberhaupt, mit dem König von Italien, ge habt habe. Den Besuch beim Deutschen Reichspräsidenten betrachtet der Volkskommissar als einen Selbstverständ lichkeitsakt, den er dem obersten Vertreter des Deutschen Reiches schuldete. Volkskommissar Tschitscherin wird sich nach Befragung seiner Ärzte wahrscheinlich noch wenige Tage in Berlin aufhalten, jedoch auf Anraten der Ärzte weder Besuche noch Einladungen annehmen, um sich vor seiner Reise in einen Badeort zu schonen. Von dem Er gebnis der ärztlichen Untersuchungen wird es abhängen, ob sich der Volkskommissar nach Wiesbaden, Baden- Baden oder Meran begibt. Bund deutscher Krauenvereine. Dresden, 7. Oktober. Hier wurde die 14. Hauptversammlung des Bundes deut scher Frauenvereine abgehalten. Nach einer Begrüßungsan sprache durch die Vorsitzende, Frau Emma Ender, sprachen für das Reichsministerium des Innern Ministerialrätin Dr. Gertrud Bäumer, für die sächsische Regierung Mi nisterialrat Dr. Mater, für den Sächsischen Landtag Frau Dr. Hertwig-Bünger, für die Stadt Dresden Bürger meister Dr. Külz, für den österreichischen Frauenbund Frau von Podi Ischek, für den siebenbürgener Frauenbund Fräulein Bacon, für den sächsischen Frauenbund Fräulein Ella Lau und für den Stadtbund Dresdener Frauenvereine Maria Stritt. Dann begannen die Verhandlungen mit dem Vortrage von Dr. Elsa Matz, Berlin, über „Der Frauen Wille in der gegenwärtigen Gesetzgebung aus dem Gebiete der Volkskultur". Nach längerer Aussprache wurde eine Ent schließung angenommen, in der u. a. Heraufsetzung des Schutz alters für die Jugend in allen Gesetzen gleichmäßig aus 18 Jahre gefordert wurde, ferner ein Verbot von Filmen, die lediglich der Befriedigung niedriger Instinkte dienen, ein Verbot von Bildwerken usw., die als Schundschriften anzu sehen sind, eine Heranziehung der Jugendämter bei Durch führung der Gesetze, die dem Schutz der Jugend dienen, und eine Mitwirkung der Frauen bei allen Verwaltungsstellen, Prüfstellen und Gerichten, soweit sie mit der Beurteilung von Schmutz und Schund zu tun haben. Ferner billigte die Versammlung eine Entschließung der Facharbeitcrgemeinschaft für die Alkoholsrage, in der gefordert wird, das vom Reichs tag als notwendig erklärte Schntzgesetz gegen die Alkohol- gesahr ohne weitere Verzögerung zur Beratung zu stellen. ( Neue» su« aller Well Bestrafte Diebe. Straubing, 7. Oktober. Seit Juli vorigen Jahres ereig neten sich in der näheren und weiteren Umgebung von Mitter fels zahlreiche nächtliche schwere Einbruchsdiebstähle, wobei den Dieben eine außerordentlich große Beute in die Hände fiel. Nach zweitägiger Verhandlung wurden die Täter nun mehr vom Straubinger Schwurgericht wegen 14 vollendeter Verbrechen des schweren Diebstahls und drei weibliche An geklagte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei zu Zuchthaus strafen von 6^ bis 1)4 Jahren verurteilt. > Neue Verhaftungen in der Fememordassäre. Dis Er mittlungen des Dezernats für Fememorde beim Berliner Polizeipräsidium haben zu neuen Verhaftungen geführt. Ter Hauptmann Gutknecht, der sich in Mecklenburg aushielt und früher zum Regiment des Freiherrn v. Sen den gehörte, und ein Oberleutnant Ebersbach, der unter dem Namen Graffunder eine Rolle gespielt hatte, wurden von der Polizei verhaftet. ", Von einem Postauto totgefahren. Ein schwerer Un glücksfall ereignete sich auf der Geltow-Potsdamer Chaussee. Der Elektromonteur Karl Schuschenk aus Geltow fuhr auf dem Rade neben dem Postauto, in dem seine Frau und seine Kinder saßen. Plötzlich kam ein Personen auto aus entgegengesetzter Richtung, das mit unabgeblen- veten Scheinwerfern fuhr. Der Elektromonteur wurde ge blendet, verlor das Gleichgewicht und wurde vom Auto totgefahren. Ein Stadtverordneter als Dieb. In einer Stettiner Gastwirtschaft konnte der Gastwirt seit längerer Zeit beob achten, daß täglich unberufene Hände einen Teil der Laden- kafse ausraubten, und zwar fehlten täglich aus einem an der Kasse stehenden Tresor, in den das Geld gelegt worden war. mehrere Mark. Der Wirt legte sich aus die Lauer, und es gelang ihm, einen Stammgast, der täglich seinen Platz in der Nähe des Schanktisches hatte, auf frischer Tat zu ertappen. Der Dieb war ein Stettiner Stadtverordneter. Eine neue deutsche Silberfuchsfarm. Die städtischen Körperschaften in Benneckenstein überließen einem Unter nehmer pachtweise zehn Morgen Wald zur Errichtung einer Silberfuchsfarm, der dritten Fuchsfarm in Deutschland. Sie soll mit zwölf Paar Silberfüchsen eröffnet werden. -. GroMuer in Labiau. Infolge von Unvorsichtigkeit entstand in einem Stall in der ostpreußischen Stadt Labiau ein Feuer, das bei dem Sturm so schnell um sich griff, daß der Landrat die Feuerwehr aus dem 50 Kilometer entfernten Königsberg zu Hilfe rief. Das Feuer hat 20 Gebäude, darunter neun Wohnhäuser, vernichtet, so daß 45 Familien mit 160 Personen obdachlos geworden sind. Die Kreuzfahrt des „R. 33". Das englische Luft schiff „R. 33", das vor längerer Zeit bekanntlich dadurch schwer beschädigt wurde, daß es von seinem Ankermast durch starken Sturm losgerissen wurde, machte jetzt seine erste Probefahrt. Der Flug wurde nach neunzehnstündiger Dauer abgebrochen, weil verschiedene Maschinen be schädigt waren. Im übrigen bezeichnen die zuständigen Stellen den Verlauf des Probeflugs als durchaus be friedigend. Schlafkrankheit in London. Die Ärzte haben vier neue Fälle von Schlafkrankheit festgestellt. Die Zahl der Opfer steigt rasch. Von den 7000 bisher bekanntgeworde nen Fällen der letzten vier Monate sind 3000 tödlich ver laufen. Da die Schlafkrankheit besonders im Winter herrscht, ist mit einer weiteren Ausdehnung der Krankheit zu rechnen. ) Vor einem Vesuvausbruch? Der Vesuv zeigt seit einigen Tagen eine regere Tätigkeit, die vom Direktor der Vesuvwarte als Vorbote eines inneren Ausbruchs des Kraters betrachtet wird. Trotz der Rekordernte Teuerung in Rußland. Trotz der diesjährigen Rekordernte scheinen sich besonders in der Bewirtschaftung erhebliche Schwierigkeiten zu ergeben, denn alle russischen Zeitungen sind voll verhaltener und versteckter Unruhe. Die Kornpreise steigen, wie es heißt, von Tag zu Tag, und alle Versuche, sie wieder herabzu drücken, sind bisher für die Regierung erfolglos geblieben. , Bon einem wütenden Hirsch angenommen. Einen nicht gerade alltäglichen Unfall erlitt der Förster Seyffart in Stolzenberg im Kreise Landsberg a. d. W. Dort war gelegentlich einer Hirschjagd ein starker Zwölfender krankge schossen worden. Bei der Nachsuche stürzte das Tier plötz lich aus einer Dickung und nahm mit gesenktem Geweih den Förster an. Da der Angriff ganz plötzlich erfolgte, konnte S. nur noch schnell zum Schutze seines Gesichtes die rechte Hand vorstrecken. Diese wurde von dem wütenden Hirsch so übel zugerichtet, daß er sich sofort in ärztliche Be handlung begeben mußte. - Große Goldfunde in Südafrika. Eine neue, außer ordentlich aussichtsreiche Goldader soll, „Daily Expreß" zu folge, in Südafrika gefunden worden sein. Es handelt sich hierbei um die Fortsetzung der berühmten Goldader von Randfontain, die plötzlich bei der sogenannten Wit- poortje-fault abbrach. Hur unserer keimst Wilsdruff, am 8. Oktober 1925. Merkblatt für den 9. Oktober. Sonnenaufgang L" !! Mondausgang 10- N. Sonnenuntergang 5'? f! Monduntergang 1" N. 1841 Der Architekt Schinkel in Berlin gest. — 1874 Grün dung des Weltpostvereins. — 1914 Antwerpen genommen. * Silbernes Ehejubiläum — ein pflichttreuer Arbeiter. Herr Zuschneider Gustav Giebler feierte am heutigen Tage mit seiner Gemahlin die silberne Hochzeit. Der Iubeltag wurde ihm besonders verschönt durch die Mitteilung, daß ihm die Gewerbe- 'kammer das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit ver liehen hat. Mehr als dreißig Jahre ist der Jubilar ununter brochen in der Leder- und Treibriemensäbrik von Brunz Bret schneider beschäftigt, wo er sich durch Pflichttreue und gute Leistungen auszeichnete. Den vielen herzlichen Wünschen für die Zukunft fügen wir die unseren bei, wie auch der „Sänger kranz" sein ihm über dreißig Jahre angchörendes Mitglied mit einem Ständchen ehrt. Der Bezirks-Obstbauverein Wilsdruff Md Umgegend hatte am Sonntag den 5. Ostober eine Exkursion nach Tharandt, die trotz des zuerst ungünstigen Wetters leidlich besucht war. Die Erschienenen wurden doppelt belohnt, als sie gegen Wend im Forstgarten Tharandt bei herrlichem Herbstsonnenschein eine präch tige Aussicht genossen. Der Besuch der mehr als zwanzig Mor gen umfassenden Obstanlage des Herrn Grams (Tharandt) hat allseits befriedigt. In einer Zeit, wo eigentlich geringes Inter esse am Obstbau infolge der schlechten Obstpreise vorhanden ist, schafft der Besitzer dort eine Neuanlage, die dem Erwerbsobst bau dienen soll. Der Fehler, welcher meistens von Landwirten gemacht wird, daß sie alte Obstgärten jahrhundertelang wieder mit Bäumen neu bepflanzen, wird dort vermieden. Nur Neu land kommt zur Verwendung und der Wuchs und der bereits be ginnende Ertrag zeigt guten Erfolg. Forstgarteninspektor a. D. Büttner zeigte dann seine ältere Obstanlage, in welcher er neben Erwerbsvbstbau auch seit einem Menschenleben Anpflanzungen zur Beobachtung gemacht hat. Es war interessant, den erfahrenen Fachmann über seine Erfolge zu Horen und die Beweise zu sehen. Auch hatten die Besucher dort Gelegenheit, Romperitsprengungen zu beobachten bei Verjüngung anstehender Bäume und bei Bo denlockerung. Auch das Herausheben von Baumgruben durch Romperitsprengung wurde gezeigt. Nach prächtiger Wanderung unter Führung des GorstgarteninfpeUors Voigtländer durch den Forstgarten und nach Lottas Grab führte der Weg zum Stadt bad, wo eine längere Zusammenkunft die Teilnehmer noch be schäftigte. Auch der Bezirks-Obstbauverein Tharandt hatte seine treuesten Anhänger dort gesammelt. Neben dem Vorsitzenden Herrn Forstgarteninspestor a. D. Büttner begrüßte auch der Bürgermeister die Wilsdruffer Gäste und betonte das Wohl wollen der Stadtverwaltung für Hebung des Obstbaues. Leb hafte Aussprache erfolgte über die neuen Maßnahmen des Kreis verbandes Dresden. Besonders wurden die Bestrebungen an erkannt, welche zur Verminderung der Sortenzahl und Einfüh rung weniger bester Ertragssorten führen sollen. Auch wurden Maßnahmen besprochen, um den Absatz zwischen Züchter und Verbraucher zu regeln. Mit Bedauern wurde festgestellt, daß nur wenig Landwirte anwesend waren, obwohl eigentlich die Be strebungen des Vereins weniger dem Liebhaber als dem Erwerbs obstbautreibenden von Nutzen sind. Allseits wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß allmählich durch festeren Zusammenschluß wirtschaftliche Ziele erreicht werden, welche den Obstzüchtern so wie der Allgemeinheit von Nutzen sein können. Der Erfolg dieses Ausfluges kann als günstig bezeichnet werden und es steht zu erwarten, daß die demnächst kommenden interessanten Vorträge des Vereins in Wilsdruff den erwünschten Besuch aufzuweisen haben. Nähere Bekanntmachung über die geplanten Veranstal tungen der nächsten Zeit ersolgt in Kürze. Steuerhebetage in Wilsdruff. Das Finanzamt Nossen hält Mittwoch den 14. Oktober von 10 bis 12 und von 2 bis 5 Uhr und Donnerstag den 15. Oktober von 148 bis 12 Uhr Steuer hebetage im Sitzungssaal des Rathauses für Umsatz- und Ein kommensteuer ab. Näheres besagt die Bekanntmachung in vor liegender Nummer. Kühlanlage mit Eisfabrikation. Ein großer Interessenten kreis hiesiger Geschäftsleute hat besonders in der heißen Jahres zeit große Schwierigkeiten mit der Beschaffung von Eis. Dem soll nun durch gemeinsame Schaffung einer modernen Kühlanlage mit Eisfabrikation abgeholfen werden. Alles Nähere erfahren Vas Glücksarmbanä. Roman von Ren ttoh. ^70) (Nachdruck verboten.) Als er Herta Herton gewahrte, prallte er im ersten Augenblick fast zurück, dann rückte er seine Brillengläser zurecht und blickte fassungslos auf die regungslose dunkle Gestalt. Die junge Frau aber hielt auch jetzt noch die Augen wie in tiefster Ermattung geschlossen und achtete kaum auf ihn. „Herr Rat" — sagte Wild endlich halblaut —, „wo ums Himmels willen haben Sie die Frau her? Der Mantel, das Spitzentuch, all dies stimmt aufs genaueste > mit der Gestalt, die vor mir her über das Feld lief. Es war ganz in der Nähe des Friedhofs, Herr Rat, und dann war sie plötzlich weg — einfach verschwunden. „Na, und jetzt ist sie halt da l Und zwar wohlgeborgen bei mir im Auto. Ja, mein lieber Doktor, es geschehen eben doch noch Zeichen und Wunder!" Herta Herton war aufgefahren, als hätte Wilds Stimme sie wieder zum Leben erweckt. Mit großen, ent setzten Augen starrte sie ihn an, dann aber kam ein Ausdruck seltsamer Entschlossenheit in ihr Antlitz, und ihre Augen nahmen einen stählernen Glanz an. „Warum wundern Sie sich denn so sehr, Herr Doktor?" — fragte sie fast herausfordernd, was gegen ihre sonstige scheue Art sonderbar abstach. — „Schließlich habe ich doch nichts verbrochen und bin keine Gefangene, kann also gehen, wohin ich will, und das tat ich. Ich nahm meinen alten, weiten Mantel um und band das Spitzentuch ums "Haar, gewiß, aber ist denn das etwas so Auffallendes? Und ich ging spazieren, weil ich mir ein wenig Bewe gung machen wollte nach diesen Tagen, die so viel Auf- . regungen brachten. Ist das nicht begreiflich ? Ich wanderte also planlos umher —" .„Ueber die Felder?" fragte Wild wie zweifelnd. Sie blickte ihn kampfbereit an. „Ja, über die Felder. Was ist denn da weiter da bei? Ich bin doch hier aufgewachsen, kenne jeden Baum und jeden Graben! Immer bin ich gern einsame Wege gegangen ; sie sind viel schöner als die belebten Straßen." „Auch bei diesem Schmutz?" — warf Hübinger mit einem feinen Lächeln ein. Sie zuckte die Achseln. „Was liegt daran, wenn man so altes Zeug an hat? Also icy ging spazieren und wollte — ich sag's Ihnen ganz offen — zum Friedhof; das ist ja wohl auch noch keine Untat, besonders wo ich mit der Tochter des Friedhofsgärtners, mit Hanne Melzer, der Blumen binderin, einst in dieselbe Schule ging l Ich besuche sie noch immer gern einmal, und heute zog mich noch etwas hin: eine aite sonderbare Vorliebe, die ich habe, die Vorliebe, gern die Toten anzuschauen. Lächeln Sie nicht Herr Doktor! Es ist doch auch das gar nichts so Außer gewöhnliches; viele finden einen eigenen, merkwürdigen Reiz darin, Verstorbene zu sehen, besonders Menschen, die man kannte. Mich zog's heut förmlich hin, denn die schöne Frau von Salten ist dort aufgebahrt. Aber kaum war ich in die Nähe des Friedhofs gekommen, da war auch schon ein Herr hinter mir — ich weih nicht, was er wollte, aber es wird sicher einer Ihrer Leute ge wesen sein. Und wie ich um die Ecke bog, stand da schon wieder einer, und am Ende des Wegs ein dritter. Weiß Gott, nur war's ganz unheimlich! Als ich dann sah, daß bei meiner Freundin, die den Schlüssel zur Ka pelle hat, kein Licht war, wollte ich wieder heim, aber da lief mir schon einer nach; ich bekam Angst, eine ganz wilde, sinnlose Angst, und lief, so schnell ich nur konnte, quer über die Felder, Steige, die ich seit Jahren kenne, bog beim Ziegelofen um die Ecks, lief quer durch das alte Haus, dann den kleinen Abhang hinunter, wo die dichten Büsche stehen, und da verloren Ihre Leute mich aus den Augen. Ich wollte nun in weitem Bogen zu rück, war aber furchtbar abgehetzt und müde und be kam endlich — was mir leider schon öfter passierte — einen Herzkrampf, so daß ich auf der Straße zusammen stürzte; dort würde ick wobl noch lieaen. wenn mich der Herr Rat nicht gefunden hätte. So — nun wissen Sie alles, Herr Doktor Wild, und ich meine, es ist nichts Schlechtes dabei. Ich vertrage eben nur das Nachspionisren nicht; da verliere ich sofort den Kopf. Jetzt ist mir schon wieder wohler, und ich brauche die Herren weiter nicht zu bemühen." Sie batte rasch und fast überstürzt gesprochen, was seltsam gegen ihre sonstige feine, stille Akt abstach. Das Auto machte eine Wendung und'hielt mit scharfem Ruck, worauf Hübinger sich erhob und die Wagentür öffnete. „Kommen Sie nur, Frau Hertonl" — sagte er. — „Ich habe hier noch im Hause zu tun und bitte Sie, so lange hier zu bleiben, dann fahren Sie mit mir nach der Stadt und zu Ihrem Mäderl. Bitte, steigen Sie nur aus! So! — Aber weshalb zittern Sie denn plötzlich so? Lieber Wild, nehmen Sie ein paar Leute mit und rekognoszieren Sie nochmals genau die Fried hofsgegend. Bis zu Ihrem Eintreffen werde ich hier noch bleiben!" Während er dann noch einige andere Anordnungen traf, stand Herta Herton wie betäubt, unfähig, sich zu rühren. Erst als nach Doktor Wilds Entfernung Hü binger leicht ihren Arm berührte, fuhr sie auf wie aus einem schweren Traum, worauf er, sie stützend, mit ihr gegen das inmitten des Gartens still daliegende Haus ibrer Eltern zuging, wo nur in einem der Fenster der Helle Schein einer Lampe zu sehen war. „Haben Sie das Licht brennen lassen?" — fragte Hübinger. Sie nickte nur, wie außerstande, zu reden, ihm aber schien es, als hätte beim Wahrnehmen des Lichtscheins in ihren Augen eine starke Verwunderung gelegen. (Fortsetzung folgte