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- Erscheinungsdatum
- 1925-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192506261
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19250626
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19250626
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-06
- Tag 1925-06-26
-
Monat
1925-06
-
Jahr
1925
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LMsaruNer Tageblatt 2. MsttNr. lLb — ^rritsg, arn 2b. Junkers Heimkrhr. Leiter schwanken die Aeste, Der Kahn fliegt uferwärts. Heim lehrt die Lande zum Neste, Zn dir kehrt heim mein Herz. Genug am schimmernden Tage, Wenn rings das Leben lärmt, Mit irrem Migelschiage Ist es ins Weite geschwärmt. Doch nnn die Senne geschieden md Stille sich senkt auf den Hain, Fühlt es: Bei dir ist der Frieden, Die Ruhe bei dir allein. F. Graf v. Schack. Geldsucher und Geldgeber. Zu dieser heut so stark interessierenden Frage erhalten wir folgende Ausführungen von einem bekannten Börsen- und Finanzmann: Im gesamten deutschen Geschäftsleben begegnet man heute den Klagen über die Geldnot und über die unge heuren Schwierigkeiten einer Krediterlangung. Sowohl der kleine Gewerbetreibende als die Landwirt schaft, aber auch die Industrie haben unter dieser un erfreulichen Erscheinung zu leiden, die allmählich geradezu den Charakter einer Kreditnot angenommen und bereits eine An zahl von Opfern gefordert hat. Was die Ursache dieser Zustände betrifft, so muh man sich erinnern, daß im Laufe der verflossenen Monate die deutsche Großindustrie unablässig bemüht war, im Auslande Kredite zu erhalten, weil bei ihr ein starker Kapitalmangel herrschte, und weil in Deutschland selbst nicht genug Geld zur Verfügung stand. Die deutschen Banke» waren nicht entfernt dein Ansturm der Geldsuchenden gewachsen, und fo war man glücklich, im Auslande, vor allem in Amerika, das immer mehr die Rolle des Weltbankiers spielt, Geld zu erhalten. Freilich warnten damals schon einsichtige Leute dringend da- ^or, kurzfristige Kredite aufzunebmen, weil dabei die Gefahr Bestand, daß sie eines Tages gekündigt werten würden, und oaß man sie unter Umständen zu sehr ungelegener Zeit zurück- Sahlen müsse. Wer also irgendwie konnte, suchte sich die ge- Uehsnen Gelder auf längere Zeit, das heißt auf mindestens Jahresfrist zu sichern; aber hierzu waren die Amerikaner nur i» Ausnahmcfällen bereit, und nur einigen wenigen Groß konzernen gelang es, sich derartige Kredite zu beschaffen, also z. B. dem Krupp-Konzern, dem Thyssen-Konzern und derSiemensLHalske-Gesellschaft. Insgesamt kann man sagen, daß die deutsche Industrie nicht viel wenigeralseineMilliardeGoldmarkin Amerika geliehen hat, und wenn ein Teil dieser Riesensumme auch bereits wieder zurückgezahlt worden ist, so ist der weitaus größte Teil doch noch als eine drückende Schuld vorhanden. Auch die deutschen Städte haben in verschiedenen Fällen in Amerika Anleihen ausgenommen. Hier hat sich allerdings die Aufsichtsbehörde alsbald ins Mittel gelegt, und es darf heute keine Anleihe mehr im Auslände ausgenommen werden, Msin njM der Neichsfinanzministcr vorher seine ausdrückliche gegeben hat, was nur in den seltensten Mllcn geiMleyt. Es soll eben nnt Recht einer wachsenden Verschul dung Deutschlands an das Ausland vorgebeugt werden, weil wir andernfalls, nicht zuletzt auch durch die hohen Zinslasten, in eine unangenehme Lage bei Rückzahlung der Schuld geraten könnten. Was die Schulden der deutschen Industrie an amerika- mich?. Geldgeber betrifft, io fürchtet man seit kurzem, daß Rheinlandstöchter. 28) Roman von Tiara Biebig. Das Ende vom Lied war nun, daß ich den Ab schied nehmen mußte; sie dachten, ich wäre gut -katholisch, drum kriegte ich die Bürgermeisterstelle hier. Ich habe auch jetzt noch meine Religion, o ja, nur etwas anders, als die Kirche sie serviert! Wenn dir die Wahrheit wissen willst, so sag ich dir: ich bin kein Katholik, ich bin kein Protestant — f ich bin ein Mensch, der Gott sucht. Was einem die Wun den im Herzen zuheilt, ist nicht die Religion, schlechtweg aufgefaßt, denn damit ist nur Lie Kirche gemeint. Wun den heilen kann nur die Natur. „'s ist jcr bei dir eine andre Sache, du bist jung. Wenn man jung ist, klammert man sich an das, was die Sinne umnebelt. Aber wart, wenn das Blut kühler wird, läßt das Rumoren von den Sinn ennach; das Herz ist Labels nicht weniger warm, es schlägt nur anders!"-« „Oh, ich möchte nicht alt werden — und allein sein?' Nelda fröstelte, als striche ihr eine eiskalte Hand über der Rücken; sie hatte tiefdunkle Ränder um die Augen, ihrs Lider waren fchwer. „Onkel, wie deine Frau starb", fragte sie plötzlich un vermittelt, „warst du da sehr traurig?" Er nickte etwas verwundert. „Ich meine nicht nur traurig, nein, unglücklich, ver zweifelt! Warst du verzweifelt, Onkel Konrad?" „Nein, das war ich nicht." Ein trüber Schatten glitt über fein Gesicht, aber dann lächelte er; Nelda kannte dieses Lächeln, es hatte was von der Sonne an sich. „Sie war sehr einfach, ihr Vater war nichts weiter als ein größerer Bauer; aber was sie übör ihren Stand hob» das war die Herzensbildung. Sie haben sich alle gewun dert, als ich sie heiratete; Lorchen war mir lange bös daruni, sie sagte, ich wär nun ganz verbauert. Sie kannte sie ja nicht. Ich habe sie nur zehn Jahr gehabt! Ich war nicht verzweifelt, als sie „fortging" — er schüttelte den Kopf und sah fast heitern Gesichts ins Weits — „ich sage nie „starb". Was man einmal geliebt hat, stirbt nicht. Und dann die Erinnerungen! Die zehn Jahre waren ein großes, voll ausgenossenes Glück. Da verzweifelt man nachher nicht!" „Aber wenn man kein Glück ausgenossen hat, was dann?" Sie fragte mit kurzem Atem, die Stimme klang heiser. „Ja, dann ist's schlimmer und —" „Dann verzweifelt man doch, sprich's nur aus!" „Nein, man braucht nicht zu verzweifeln, man sucht sich ein anderes Glück." „Man sucht sich ein anderes Glück", wiederholte sie mit seltsamem Tonfall, trat ans Fenster und starrte auf die ein same Gasse, die Arme über der Brust gekreuzt; um ihre Mundwinkel lag ein eigentümlicher Zug. »Ein-anderes Glück, aber mißversteh mich nickt-Kind." mogucyerwefte vte Vorgänge veim S t i » » c s K o :i - zern die Amerikaner ängstlich gemacht haben könnten. Den» wenn selbst bei diesem Konzern, den man bisher allgemein als den weitaus reichsten und stärksten in Deutschland anzu sehen gewohnt war, Geldschwierigkeiten eintreten konnten, so liegt die Besorgnis nahe, daß auch die übrige deutsche In dustrie nicht so kapitalstark sei, wie man vorher angenommen hatte. Es liegt zwar in Wirklichkeit keine Veranlassung vor, in dieser Beziehung allzusehr zu verallgemeinern; denn die Verhältnisse beim Stinnes-Konzern liegen ganz besonders, und es stellt sich allmählich immer deutlicher heraus, daß ver fehlte Experimente der verschiedensten Art, welche mit dem eigentlichen Geschäft gar nichts zu tun hatten, dem Konzern großen Schaden zugefügt haben. Aber das Ausland kann dies natürlich nicht so genau beurteilen, und es besteht die Gefahr, daß im Lause der kommenden Wochen stärkere Kündi gungen von ausländischen Krediten an die deutsche Industrie erfolgen werden. Was kann in diesem Falle geschehen? Man wird ver suchen müssen, im Inlande die dringend benötigten Mittel aufzutreiben, aber das ist heute außerordentlich erschwert. Die deutschen Großbanken sind ihrerseits ebenfalls stark in Anspruch genommen, und zwar nicht zuletzt durch die Hilfe leistung für den Stinnes-Konzern, dem sie gegen Überlassung wertvoller Pfänder erhebliche Gelder geliehen haben, damit er seinerseits imstande ist, seinen Verpflichtungen prompt iiachzukommen. Dadurch sind die Mittel der Banken bis zu einem gewissen Grade erschöpft, und es kommt hinzu, daß die Banken natürlich am Halsiahrswechsel nach Möglichkeit flüssig sein müssen, weil dieser Termin immer starke Anforderungen an sie stellt. Die ausländischen Geldgeber können natürlich die von ihnen hergegebcnen Gelder nicht zu jedem beliebigen Zeit punkt zurücksordern, aber am 1. Juli können sie die Kredite zum 1. Oktober, zum Teil auch schon früher, kündigen, und in diesem Falle wäre die Lage für die deutsche Industrie sehr schwierig. Am schlimmsten sieht es in dieser Beziehung gegenwärtig im Kohlenbergbau aus. Denn die Absatz- Verhältnisse sind seit geraumer Zeit schon sehr schlecht, und im Ruhrrevier lagern zurzeit Kohlen im Werte von 150 Millionen Mark. Wenn es gelänge, diese in absehbarer Zeit zu ver kaufen, so würde sich die geldliche Lage der Bergwerke natürlich ; entsprechend verbessern, aber vorerst hat es nicht den Anschein, ; als werde dies der Fall sein, und man wird daher verstehen ' können, daß die Bergwerke sich in großer Sorge befinden und j eine Kündigung der Auslandskredite als ein Unglück be- f trachten müßten. Die allgemein herrschende Geldnot aber wird durch diese » Verhältnisse ebenfalls verständlich. Denn die Banken haben f ihre eigenen Mittel zunächst einmal für die Großindustrie nötig, um ihr nach Möglichkeit aus der schwierigen Lage zu helfen. Erst in zweiter Reihe kann aller übrige Geldbedarf be friedigt werden, und so kommt es, daß die für andere Kreise noch vorhandenen Mittel äußerst beschränkt sind. Eine gewisse Erleichterung könnte allenfalls dadurch kommen, daß das Ausland seine Gelder nicht in dem befürchteten Maße zurückzieht, oder daß es sogar geneigt wäre, neue Kredite zu gewähren. Darüber wird in den nächsten Wochen die Ent scheidung fallen, und es hängt davon für das fernere Schicksal der deutschen Wirtschaft außerordentlich viel ab. Den 1. Iuli kann man daher als einen Schicksalstag für die deut sche Wirtschaft bezeichnen, dem man in weiten Kreise» mit ernster Sorge cntgegensieht. E. R. Deutscher Mustnetag in Köln. Stellungnahme zu den Zollfragen. Köln, 21. Juni. Der heutigen Eröffnung ging eine Sitzung des Präsidiums und des Vorstandes voraus, bei der zur Zollsrage Stellung genommen wurde. Der Vorsitzende faßte das Ergebnis der Äussmache dahin zusammen: Das Präsidium und der Vor stand ves Reichsverbandes der deutschen Industrie vertreten den Standpunkt, daßMinimalzöllenichttn das Ge setz h i n e i n g e h ö r e n wohl aber unseren Unterhändlern bei den Verhandlungen als Ausgangspunkt zu dienen haben. Die Einführung gleitender Zölle würde nicht nützen, sondern schaden, sie wird daher einmütig vom Präsidium und Vorstand abaelebm. Heute wurde die Tagung des Reichsverbandes der deut schen Industrie durch den Vorsitzenden, Geheimen Negierungs rat Dr. C. Duisberg, in der Großen Messehalle eröffnet. Reichskanzler Dr. Luther hat telegraphisch dem Reichsverband zu den Beratungen, an denen die Mitglieder der Rcichs- rcgierung infolge wichtiger und unaufschiebbarer Besprechun gen in Berlin nicht teilnehme» konnten, vollen Erfolg zum Wohle deutscher Wirtschaft und damit unseres ganzen Volkes gewünscht. Der preußische Handelsministcr Dr. Schreiber, der als Vertreter der preußischen Regierung cingetroffen ist, überbringt noch besonders die Grüße der Reichsregierung. Protest gegen die Besetzung. In der Begrüßungsrede wies der Vorsitzende darauf hin, daß erwartet worden sei, daß Köln während der Tagung frei, und von der Besetzung entsprechend den klaren Bestim mungen des Versailler Vertrages, am 10. Januar die erste Zone des rheinischen Gebietes geräumt sei. Zu unserer aller größtem Schmerz sei das aber Wider Recht und Gerechtigkeit nicht geschehen. Die Versammlung nahm in einer besonderen Entschließung sofort Stellung und erhob Protest gegen die Aufrechterhaltung der Besetzung. Der Vorsitzende gedachte dann in herzlichen Worten des neuen Reichspräsiocn- t cn. Nach Bcgrüßungsworten des Oberbürgermeisters Dr. K. o. Adenauer- Köln führte im Namen der Reichs- und der preußischen Staatsregierung der preußische Handelsministcr Dr. Schreiber u. a. aus: Zur Überwindung der aus der gegenwärtigen Lage sich ergebenden Schwierigkeiten wird die deutsche Wirtschaft in erster Linie auf sich selbst angewiesen sein. Die entscheidende Hilfe kann nicht vom Staate kommen, aber es ist die Aufgabe des Staates, der Wirtschaft den Gesundungsprozcß, in dem sie steht, nach Möglichkeit zu erleichtern. Das kann in erster Linie geschehen durch Erleichterung der unerträglichen Steu er l a st e n, durch eine Sie uerreform, die es dem deut schen Volk ermöglicht, wieder Ersparnisse zu machen, durch eine Zoll- und Handelsvertragspolitik, die den veränderten Welt wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung trägt und durch eine Beseitigung aller notwirtschastlichen Maßnahmen, die unter den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerechtfertigt erscheinen. Barmüis politische Beziehungen. . Berlin, 24. Juni. Julius Barmat wurde gestern in der Wohnung Henry Barmats durch den Vorsitzenden des parlamentarischen Unter suchungsausschusses des Preußischen Landtages weiter ver nommen. Anwesend Ware» u. a. der Hausarzt Barmats, Prof. Lewin, Rechtsanwalt Schwerfenz, der frühere Polizeipräsident Richter, Reichskanzler a. D. Bauer und Geh. Oberfinanzrat Hellwig. Barmat sollte Auskunft geben über seine Beziehungen zu politischen Persönlichkeiten, zu Scheidemann, Bauer usw. Er gibt an, daß nach seiner Kenntnis der Dinge vertragsmäßig Zahlungen an politische Persönlichkeiten nicht erfolgt seien. Reichskanzler a.D. Bauer habe in zwei Fällen Provisionen bekommen und Barmat cm Empfehlungsschreiben an die Preußische Staatsbank gegeben. Bauer sagte aus, daß er keinen Vorteil von Varmat gehabt habe. Die Frage des Vorsitzenden, ob Bauer seine ösfentliche Stellung dazu benutzt habe, um Barmat Kredite zu beschaffen, verneint Varmat. Er gab dann Auskunft über seine Beziehungen zum srüheren Berliner Polizeipräsi denten Richter. Er habe diesen als Parieimann kennen- gelernt und sei später fast täglich mit ihm und Heilmann zu sammengewesen. über Geschäftliches habe er fast nie mit ihm gesprochen. Den Abg. Heilmann hat Barmat, wie er angibt, durch den Sekretär der holländischen sozialistischen Partei kennengelernt. Heilmann bekam als Korrespondent des „Vor- weerts" 15 Gulden für jeden Artikel. Das sei von der Zeitung aus mit ihm verrechnet worden. Heilmann habe nie etwas bekommen, außer dem, was er vom „Vorwecrts" für seine Artikel erhielt. Daß er ihn als seinen Gast nichts für Essen und so weiter zahlen ließ, war selbstverständlich, und daß er ihm die Speisen vergütete, habe er schon gesagt. Damit war die Vernehmung beendet. „Da kommt Hcmrtcy Hommes", umervrach sie rauh, „er kommt zu uns!" Sie schritt zur Tür und ging dem jungen Mann entgegen. Frühlingsanfang! Der Schnee auf den Höhen taute; nur oben auf dem steilsten Gipfel des Mosenkopfs klebte er noch an den Lavabrocken, aber schmutzig und halb zer ronnen. Gewaltige Negenmassen kamen nieder; alle Tage der Himmel wie ein Sack, alle Tage der gleiche plätschernde Morgengruß, dasselbe Trommeln nachts an den Fenster scheiben. Manderscheid steckte in Wolkenfetzsu. Und Meerfeld lag ganz im Dunst verkrochen. Das Maar schwoll und schwoll. Als wolle es sich rächen für die Einschränkung, kam es über die Ufer gelaufen, der ganze Talkessel glich einer unbeweglich trüben Lache; die Felder verschwanden. Es war Zeit zur Bestellung — wie sollte man? Wasser, Regen — Regen, Wasser. Alle Tage hockten ein paar von den Meerfeldern oben in Manderscheid herum — dünnbeinige Gestalten, hohl äugige Gesichter — sie saßen im Wirtshaus, soffen und ließen es ankreiden. Das war ein Lamentieren und Fäuste- schlagen. Den ganzen Tag ging die Türklingel an der Bürgermeisterei; lauter Bettler, Weiber und Kinder aus Meerfeld. Aber sie baten nicht bescheiden, sie forderten ihr gutes Recht. Die Manderscheider guckten zu; sie gingen setzt fleißig zur Kirche in der österlichen Zeit, beichteten und kommunizierten. Am Palmsonntag war große Prügelei in den verschiedenen Wirtsstuben; Heinrich Hommes hatte aus seinem Gasthaus die Schreier herausgeworfen. Die übri gen Tage der Woche war es still, aber ungemütlich. Die Leute guckten nach dem Himmel mit scheelen Blicken, mit noch scheeleren nach der Bürgermeisterei. Keine Spur von Frische war in der Luft; immer gleich lau, mit einer verfrühten Schwüle wehte der Westwind. Die Nässe verdichtete sich in wunderlichen Dünsten, die krochen durch die Dorfgasse und quetschten sich durch jede Ritze und Luke in die,Hütten. Den Manderscheidern tat's nicht viel, die wohnten freier und waren nicht so arm, aber unten im engen Talkessel, die Meerfelder, die saßen drin wie in einem Broden. Schlechtgenährt, fchlechtgekleidet. Sie gossen ihre Zichorienbrühe herunter und stopften die Kartoffeln samt Leit Schalen; glücklich, wer überhaupt Welche hatte. Am ersten Osterfeiertag wurde der erste Typhusfall in der Bürgermeisterei gemeldet. Dallmer saß gerade an seinem Schreibtisch und las die Zeitung. Er zuckte zusam men und fuhr vom Stuhl auf, als der Gendarm die Mel dung brachte. Draußen läuteten festlich die Glocken der Kirche, in das Läuten hinein klang die erregte Stimme des Bürger meisters: „Typhus?! Wo — wer ist krank?" „No, in Meerfeld, Hähr Borgemaster, der Leisagersch Ganni! Er wohnt nächst beim Moor. Se saaen. er war - - schon ooo, ais der Hähr Doktor kommen es. Und annere sein auch als krank!" „Wer Pflegt sie?" Der Gendarm zuckte die Achseln. „Ech weiß net, Hähr Borgeinaster! Wer soll et bezahlen?!" Eine Stunde später schritt Bürgermeister Dallmer aus der Höhe der Chaussee. Der weite graue Mantel flatterte um ihn. Ein Wind hatte sich aufgemacht, die schweren Wolkenballen am Himmel auseinandergerissen und ein paar Fetzen Blau vorgedrängt. Zum ersten Mal seit Wochen. Eine trügerische Sonne huschte mit bleichen Strahlen über den Boden; Las Erdreich war wie Schwamm„ das Schiefergeröll am Abhang glänzte tief- schwarz. Ernst und düster schaute der Mosenkopf drein; noch keine Spur von Grün war an der Berglehne, grau und nackt die Kuppe. Dallmer stand still: weit hinten lag Manderscheid. Ein sich schlängelnder schlüpfriger Pfad führte seitab der Chaussee hinab ins Tal. Sonst war das ein schöner An blick, hier oben zu stehen und das Auge dem windenden Lauf der kleinen Kyll folgen zu lassen, wie sie zwischen i Hügeln und Wiesenland durchschlüpft und, je näher Meer- - feld, sich immer mehr einklemmt. Jetzt wogten Nebel unten; - der friedliche Vach war geschwollen, trüb und reißend ; schleppte er ganze Erdstücke mit sich fort, kleine Bäume und ' Äste. Sein Murmeln war Brausen geworden. Hui, der Wind pfiff und riß dem Abwärtssteigeuden den Hut vom Kopf. Er haschte danach und hörte nicht Len Ruf: „Onkel, Onkel Konrad!" Ein Ausdruck tiefster Be kümmernis war aus seinem Gesicht, mühsam stampfte er weiter; es war ein schweres Gehen, wie Klumpen hingen sich ErÄklöße an die Sohlen. Der Bach hatte den Weg überflutet; hier mußte man springen, dort ausweichen, von Stein zu Stein steigen. Er eilte, der Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Das Mittagsglöckchen bimmelte, als er vor Meerfeld stand. In grauem Dunst lagen die Hütten. Die Fahrstraße zum Dorf ein zäher Brei; rechts das Maar und die Felder ein Wasserspiegel. Traurig standen die nackten Höhen im Kranz, die Ginstersträucher darauf reckten sich wie struppige Haarbüschel. Ängstlich duckten sich die Hütten im äußersten Talkessel, immer nah und näher kam ihnen die trübe Flut. Von Nässe angedunkelt ragte Ler Turm Les Kirchleins, sein Dach in Zwiebelform schien an Ler Bergwand zu kleben; wummernd rief die Mittagsglocke zum zerfetzten Himmel. Die Dorfgasse war einsam, nur ein Hund mit einge- knifsenem Schwanz schlich zwischen den Misthaufen herum; er bellte heiser Len Fremden an. Jetzt öffneten sich die Türen, an den papieroerklebtcn Fenstern tauchten neugierig Gesichter auf: „Dän Borgemaster, dän Borgemaster!" Mam grüßte nicht freundlich; stumpfsinnig faßten die Männer nach ihren Mützen. Dallmer trat auf sie zu; keiner scharrte einen Kratzfuß. »„Tag, Meerfelder, wer ist krank? Wo?" „Dod", sagte der eine lakonisch und spuckte aus. Dann
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