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Ailsttrutter Tageblatt 2. SIstt Nr. 144 — MittwoÄ), arn 24. Juni IY2S Johannistag. Wenn über blumenbunten Hängen aus erstem Sonnengolde zart in Glanz und Duft und Lcrchensängen aufdämmert der Johannistag, dann laßt uns eine stille Stunde hinaus auf Gottes Acker gehen und bei den Schläfern in der Runde mit Rosen in den Händen stehn. Kein Trauern soll die Brust erfüllen, kein Schmerz, der bang durch Nächte irrt, der tiefste Sinn soll sich enthüllen, daß Totgeglaubtes Leben wird. Wir sterben nicht! Die von uns gingen, find nur zu höhrem Sein geweiht; ihr Ich und ihre Seele schwingen um uns und in uns alle Zeit! Ob sie nach weiter Pilgerreise Wegmüd im stillen Grabe ruhn, ob sie wie scheue Faller leise von uns geflohn in Kinderschuhn, ob sie der Tod von unsrer Seite jäh riß im Kampf ums Vaterland — es windet sich aus Sternenweite um uns und sie des Lebens Band! Das Band des großen Heilgen Lebens, das Gottes ewgcs All erfüllt und sich am Ende alles Strebens dem leiderlösten Blick enthüllt, das ohne Anfang, ohne Ende ein Schreiten ist in ewgen Höhn — kein Sterben ist der Tod, ist Wende zu wahrem Sein und Auferstehn! Drum laßt uns eine Feierstunde heut still an ihren Grüften stehn; es weht um sie die selge Kunde vom Leben und vom Wiedersehn' Das letzte Wissen ist erstanden in uns heut am Johannistag, daß unsres Lebens tiefste Banden auch nicht der Tod zu trennen mag! Felix Leo Göckeritz. Stei Millionen Schachteln Puder. Von Walter Sporn. Zwei charakteristische Erinnerungen: Vor mir liegt "ine Nummer der „Lustigen Blätter" aus dem Jahre 1914. kin Bild schildert eine Dame, die eine belebte Straße Passiert. Hinter ihr zieht die ganze Jugend der Gegend einher. Die Ursache dieser Anziehungskraft ist darin zu suchen, daß sie sich am hcllichten Tage das Gesicht in der Art und Weise bemalt hat, wie es Schauspielerinnen zu »un pflegen. Und noch eine Erinnerung. Aber sie stammt erst von gestern. In einem der elegantesten und besuchtesten Ä erlins sitzt eine gröbere Gesellschaft beim Speisen. Wahrend des Servierens tritt eine Pause ein und diese Gelegenheit benützt eine Dame, um ihre Hand tasche zu öffnen, einen Spiegel vor sich auf dem Tisch auf- znstellen und mit großer Gewandtheit und Geschicklichkeit an der Auffrischung ihrer Fassade zu arbeiten. Andere Dame» folgen rasch ihrem Beispiel. Da sitzen sie nun. sarven ficy vie Lippen, pudern sich sie rvangen, schwarzen sich die Augenbrauen usw. Und von den zahllosen Gästen, Einheimischen und Fremden, die das Lokal bevölkern, wundert sich niemand über den Vorgang .... Vor dem Kriege, so erzählt mir ein Fachmann, der Inhaber der größten Fabrik Deutschlands für kosmetische Artikel, liebte es die deutsche Frau nicht, an ihrem Gesicht durch kosmetische Produkte Veränderungen vorzunehmen. Vielleicht hätten damals schon viele — besonders solche, die viel im Ausland und speziell in Frankreich geweilt hatten — Lust und Liebe zum Schminken gehabt, aber die Furcht, sich lächerlich zu machen, und die Kritik der Männer hinderten si» daran. Seit dem Kriege und besonders seit der Revolution ist in dieser Beziehung ein gründlicher Wandel in Deutsch land eingetreten. Ein paar Zahlen, mögen das veran schaulichen. Der Gesamtverbrauch an Puder wurde noch im Jahre 1914 von Kennern auf höchstens 500 000 Schachteln pro Jahr eingeschätzt. Wir greifen jetzt eher zu gering, wenn wir ihn auf 3 Millionen Schachteln beziffern. Welches sind die Ursachen, so frage ich, die den Wandel der Anschauungen in Deutschland hervorgerufen haben? Just während des Krieges waren wir doch alle vom Aus land, und zwar speziell von Frankreich völlig abgesperrt. „Tatsächlich," so meint der Fachmann, „hat die Ab sperrung vom Ausland dazu geführt, daß der Konsum an Puder- und Schminkmaterial in Deutschland während des Krieges noch stärker herabgesunken war. Hinzu kommt, daß die allgemeine Not, die ernste Stimmung, der Mangel an Fettmaterial und andere Gründe ihren Einfluß geltend machten. Während der folgenden Zeit der Inflation hatte aber Deutschland einen Massenzustrom von Fremden wie noch niemals zuvor. Selbstverständlich waren es just nicht die besten Elemente, die hierherkamen, um sich am Aus verkauf Deutschlands zu beteiligen. Unter den Ausländern aber waren es wiederum Spezialkategorien, die bahn brechend wirkten, nämlich die Russinnen und die Polinnen. Es gab eine Zeit, in der man sich in BerlinW geradezu in eine russische oder polnische Stadt z versetzt glaubte. Man hörte mehr Russisch und Polnisch auf den Straßen als Deutsch; es entstanden russische Lokale, russische Spezialgeschäfte, russische Theater usw. Anfangs stachen die Russinnen und Polinnen von den Berlinerinnen so stark ab, daß sie meilenweit zu unter scheiden waren. Bald aber paßten sie sich an. Die An passung erfolgte aber nicht etwa so, daß die Russinnen oder Polinnen nun etwa deutsche Sitten annahmen, sondern die Berlinerinnen begannen sich dem fremden Bilde zu nähern. Polinnen und Russinnen verschwanden zum größten Teil wieder aus der Reichshauptstadt, als man hier nicht mehr für einen Dollar die halbe Welt kaufen konnte; aber die von ihnen eingeführten Sitten blieben, und nicht nur das, sie griffen immer weiter um sich, fanden in den Groß städten des Reiches Nachahmung. JstdasSchminkenfürdieHautschädlich? Diese Frage muß bejaht werden. Gewisse Nachteile für die Haut haben die Schminken imme r. Selbstverständlich muß man zwischen jenen Mitteln unterscheiden, die dazu dienen, die Haut sauber und rein zu erhalten, und jenen, die lediglich eine Farbwirkung bezwecken. Ebensowenig wie es jemand einfallen wird, Eau de Cologne als Par füm anzusprechen, sondern jeder es als das betrachten wird, was es ist, ein wohlriechendes und sehr hygienisches Hautreiniaiulgs- und Hautbelcbungsmittcl, so darf man natürlich Pnder und Hautcreme einerseits und Schmink- stangen andererseits nicht ganz in einen Topf werfen. Puder war schon lange vor dem Kriege bei vielen Damen und in Sportkreisen sehr beliebt, weil er die Transpiration herabmindert und die unschöne Feuchtigkeit, die die Haut mancher Menschen hat, beseitigt. Dem Gespräch mir dem obererwähnten Fachmann schließe ich einen Nundgang durch Spezialgeschäfte für kosmetische Artikel an und stelle dabei fest, daß sich die Käufer wicht etwa durchweg aus den bemittelten Schichten rekrutieren — es handelt sich um Berlin. Aus den Listen einer Firma, die sich speziell von Berlin aus mit dem Ver sand nach außerhalb befaßt, ersieht man, daß selbst in den klein st enOrtendesReiches die Nachfrage bereits eine so starke ist, daß es erklärlich wird, wenn man hört, daß ein neugegründetes Unternehmen plant, etwa hundert Filialen in ebensoviel Städten des Reiches zu errichten. Und eine dritte Erinnerung taucht in mir auf: sie stammt aus Lyon, jener Stadt, die die Franzosen mit Stolz „das Herz Frankreichs" zu nennen pflegen. Damals — es ist etwa zwanzig Jahre her — war ich Zeuge, wie ein junges Fabrikmädchen in selbstmörderischer Absicht ins Wasser sprang. Nur sehr schwer war es gelungen, die Un glückliche zn retten, und es bedurfte langer Anstrengungen, ehe man sie wieder zum Bewußtsein brachte. Die Belebungs versuche wurden auf der Straße durchgeführt, und so um standen Hunderte von Menschen das arme Mädchen, das nur langsam in diese Welt zurückfand. Nachdem sie sich Halbwegs erholt hatte, fragten sie einige Mitleidige, wie man ihr zu helfen vermöge. Sie lächelte wehmütig und sprach: „Schenken Sie mir erst etwas Geld, damit ich mich in Ordnung bringen kann, denn mein Lippenstift und mein Augenbrauenstist sind im Wasser liegcngeblieben." Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so sind wir nicht mehr weit von dem Augenblick entfernt, wo wir solche Szenen auch in Deutschland -n -rieben vermögen. Technisches Allerlei. Anlage einer Zimmelmttcnnc. Man erhält eine ZimmeraMennc, indem man mehrere Drähte, meist parallel verlausend, unterhalb der Zimmerdecke ausspanni und entweder die Enden oder die Mitten mit dem Empfänger verbindet. Welchen Einfluß hat nun die Anzahl der Drähte aus die Güte des Empfangs? Der Neuling kann sich viel Arbeit ersparen, wenn er die Erfahrungen, die in dieser Beziehung ermittelt worden sind, verwertet. Von ent scheidendem Einfluß aus die Empfangslantstärke ist der Raum, den die Antenne cinnimmt; denn die Antenne sammelt die Energie des von dem Sender herrührenden elektrischen Feldes, soweit ihr Drahtnetz es umspannt. Je größer die Fläche der Antenne, um so stärker also die Einfaüscncrgie. Daraus ergeben sich die Forderungen für die Gestalt und Aus dehnung der Zinimerantenne von selber. Man wählt die Drähte möglichst lang und gibt ihnen einen großen Abstand voneinander. Entfernungen unter 20 Zentimeter sind wir kungslos. Eine sehr günstige Form erhält man, wenn man unterhalb der Decke ein bis drei Windungen Draht rings nm das Zimmer zieht. Der Abstand untereinander sowie von Decke und Wänden betrage auch hier nicht unter 20 Zentimeter. Zemcntrcparaiuren. Es ist eine feststehende und in ihren Ursachen wissenschaft lich erforschte Tatsache, daß Eisen, das in Zement gebeitet ist, nicht nur nicht rostet, sondern auch teilweise vom Rost befreit wird. Um hieraus für den Haushalt Nutzen zu ziehen, können wir bei rostigen Stellen an Eimern und dcrgl. das Weiter rosten verhüten, indem wir sie mit Zementbrei bestreichen. Auch für die Reparatur von löcherigen Eisen-, Blech- und Emailletöpfe ist Zement zu verwenden. Da Lötwerkzeug im Haushalt nicht vorhanden ist, um das Loch im Topf zu ver- löten, greisen wir zu einem anderen Mittel, dem Zement. Selbstverständlich muß es guter, langsam bindender Portland- zcmcnt sein, den wir uns für wenige Pfennige kaufen. Tas zn verstopfende Loch machen wir rauh und zackig, und das Gefäß wird gut gereinigt und feucht gemacht. Nun bereiten wir einen recht steifen Brei aus Zement und reinem Wasser und drücken denselben fest in das Loch. Danach glätten wir den Zementbrei so, daß aus beiden Seiten eine kleine Wulst entsteht, die über das Loch hinausrcicht. Jetzt lassen wir das Gefäß 24 Stunden stehen, bis der Zement abgebunden hat, und halten dann das Gesäß noch einige Tage lang feucht, da der Zement zu seiner Rheinlandstöchter. Roman von Tlara Biebig - IS Sonntag, Fraulein, ich komme schon aus der heiligen Meß!" Die Vefa sah hübsch aus; das Sonntagskleid saß ihr prall, der silberne Pfeil im dunklen Ha.D blitzte. Die herb« und doch blendende Wintersonne warf einen ge brochenen Strahl durch das beeiste Fenster, er lag gerade aus ihrer Stirn, die heiter war wie die eines Kindes. Nelda streckte die Hand nach dem Mädchen aus. „Ich danke Ihnen, Vefa, Sie haben mir gestern geholfen!" .Sie, Sie? Och ne, Fräulein, Se können ruhig „du" zu mir sagen, den Herr Bürgermeister sagt eso un alle «nnern auch. Jeß, bin ich vergnügt, nu simmer zwei Mädercher im Haus! Nu Han de Burschen zu Mander- siheid de schwere Wahl!" Sie wiegle sich lachend in den Hüften und nickte Nelda Vertraulich zu. „Gelt Se? Passen Se auf, Fräulein, hier werden Se ganz gesund! Geschlafen haben Se als wie en Ratz, zweimal waren ich hier drinn und Han mer Mein Sachen eraus geholt!" „Ach ja, es ist Ihre — deine Kammer! Wo hast du denn die Nacht geschlafen?" „No da drin, auf em Stuhl!" Sie wies nach der Wohnstube. „So gut wie im Bett!" Sie hatte recht, so sah nur jemand aus, der nicht eine Minute gesunden, traumlosen Schlafes entbehrt hatte. Plötzlich fiel es Nelda ein: „Mir war heut nacht, als hätt's ans Fenster geklopft, es rief auch jemand. Du hast Wohl nichts gehört?" „Ich?" Vefa drehte sich schnell auf dem Absatz um und schlug sich mit der Hand auf den Mund, um nicht laut zu lachen. „Ne, Fräulein. Aber nu stehn Se auf!" Sie ging aus der Kammer und kicherte in sich hinein: „Dat war an de falsche Adreß geraten. Eweil möchten ich wissen, wen et war? Sicher den Heinrich!^ * ch * . In dem kleinen Tempclchen, dem Aussichtspunkt auf schroff vorspringendem Felsen, stand Nelda. Es schwin delte ihr, als sie hinunterblickte in die tiefe Schlucht zu ihren Füßen. Schnee, Schnee überall. Jenseits die rund rückigen Waldhöhen, auf deren Kuppen der Himmel lastet. Unten in der Schlucht der beiden Burgruinen auf trotzigen Felskegeln. Kaum eine Stelle des grauen Mauerwerks zu sehen, alles war weiß angeweht, jeder Vorsprung, jede Zinne besetzt mit einer fleckenlosen Schneehaube. Die bei den Bäche unten, deren wasserfallähnliches Geplätscher im Sommer weithin hörbar rauscht, waren jetzt ganz still; vereist hingen die lustigen Wellen zwischen beschneitem Ge stein. Und auf jedem Tannenzweig eine Schneelast, an feder Nadel «in diamantenes Eisperlchen. Ein unbe« kreurteL Weiß, «ine unbeschreibliche Reinbeil. vrelvas Augen flimmerten, mit einem Atemzug sah sie sich um und dann hinab in die tiefe Schlucht. Huh, wie peil, wie fähs Menn man da hinMtersprang, war man Sie drückte die Augen zu; ihr war fast ängstlich zu- mut, die hehre Stille war so groß. Ein Hauch der Gott heit schien über Berge und Schründe zu streichen, ein Hauch, der da flüstert: „Rühre mich nicht an, ich bin zu rein!" Ihr schauerte und sie schlug fröstelnd den Mantel kragen höher, die kristallene Luft ging ihr durch Mark und Bei». Es war ihr, als starre sie ein großes Auge an, ernst, mit alles durchdringender Klarheit. Ihr eigenes Innere war dagegen so wirr und dumpf wie die unauf geräumte Kammer armer Leute, in die ein hoher Herr tritt. Mit einem heißen Angstgefühl preßte sie die Hände ineinander, die Natur tat ihr jetzt weh. Diese Ruhe, diese Klarheit — herrlich! Und doch schmerzlich unerreichbar! Ein bitteres Gefühl stieg in Nelda aus; sie klammerte sich an die Brüstung des Tempelchens und spähte, sich Lberbengend. hinab in den Talschlund und nach rechts und nach links. Was, wen suchte sie? Sie wußte es selbst nicht. So stand sie lange. Ein „Guten Tag" ließ sie zu- sammenfahrcn. „Hab ich Sie erschreckt, Fraulein Nelda?" Heinrich Hommes stand da in hohen Stiefeln und Jagdjoppe, das Gewehr am Riemen über der Schulter. Er schüttelte ihr kräftig die Hand. Nelda war groß, und doch überragte seine Gestalt sie bedeutend, sie mußte zu ihm aufbliäen. Selten hatte sie eine so ebenmäßige Figur gesehen. „Ich komm von der Jagd!" „Und haben Sie was geschaffen?" Er öffnete seinen Jagdranzen und warf ihr ein paar Vögel vor die Füße; mit geschloffenen Augen und ge spreizten Flügeln lagen die hübschen Tiere im Schnee. Es waren Eichelhäher, die leuchtend blauen Flügelbinden von geronnenem Blut verklebt. „Aber warum, aber warum?" Nelda sagte es vor wurfsvoll, kauerte sich nieder und hob die toten Vögel aus ihren Schoß. „Was taten sie Ihnen?" Er lachte sorglos. „Och, Fräulein, das müssen Sie sich hier abgcwöhnen! Wenn mer keinen Has trifft, schießt mer eben so eu paar Biester; brauchen kann mer sie ja net, aber sein Pläsier will mer doch haben. Und dem Vieh zeug schad et doch nix, die wissen ja nix vorher. Piff, Pass, weg sind se! Wenn mir emal so abfahren täten, könnten wir froh sein!" Sie ließ die Vögel vom Schoß gleiten. „Sie haben eigentlich recht", sagte sie langsam. „Aber ich möchte doch nicht, daß Sie die Tiere nur zum Pläsier schießen." „No, dann net!" Er sah sie gutmütig an. „Ich tu Ihnen ganz gern en Gefallen, Fräulein. Wie Sie noch klein waren, hab icb das auch schon getan. Gefällt es Ihnen wieder Hirt," „Ich bin erst ein paar Taae da: der Onkel ist ver- anven, säst velruvt, verstlmml. vticyl gegen nucy, o nernt Aver so im allgemeinen." „Ja — haha — der hat auch seinen Ärger! Schn Sie, Fräulein Nelda" — sie traten langsam den Rückweg an, er reichte ihr die Hand, um ihr über eine Schneewehe fortzuhelsen — „unser Herr Bürgermeister is eben für die Neuerungen, und die Leut hier net. So war er ja aber immer, nur sind jetzt noch die andern Sachen. Und dat is schlimm!" „Was für Sachen?" Nelda hörte mit großen Augen zu; erst waren ihre Gedanken abgeglitten, aber nun lauschte sie. „No" — der junge Mann nahm die Mütze ab und fuhr sich durch das krause Haar — „Sie kennen doch Mecrfeld, Fräulein Nelda? Das ärmste Dorf in der Bürgermeisterei; mer sagt, in der ganzen Eifel. En elerr- dcr Ort! Immer haben die Meerfelder geklagt und ge jammert, se hätten keinen Acker und gar nix; wenn nur das Maar net wär, das nähm den besten Platz im Tal weg un Fisch wären auch net drin. Et wär rein zum Malör da. Da hat denn unsen Bürgermeister en Eingab an dis Negierung gemacht und vorgeschlagen, sie möchten das Mecrselder Maar tiefer legen, damit Land gewonnen würd; das müßt ja dann sehr fruchtbar sein. Das halt' natürlich mächtig viel Geld gekost, un de Regierung hat kein Lust gehabt. Aber der Bürgermeister hat net nachge lassen, immer wieder hat er geschrieben — no, un dat ver steht er! Er hat den Notstand so dringend geschildert und alles so ausgemalt, daß die Herren selbst gekommen sind und haben sicht angesehn. Sie haben auch alles so ge sunden. Un Geld is bewilligt worden, massig; un nu fingen auch gleich die Arbeiten an. „Sie hätten den Bürgermeister nur sehn sollen, Fräu lein! Ich kam grad aus der Fremde, zwei Jahre sind es als her. Alle Tag war er in Meerfeld un hat nachgeguckt; et war ihm ganz egal, ob die Sonn stach oder der Regen platschte. Manchmal hab ich ihn stehn sehen, daß dat Wasser ihm vom Nock trippte un der Wind ihm die grauen Haare bald vom Kopf riß. Er hat darauf bestan den, daß die Meerfelder Männer die meiste Arbeit taten, sie schippten und karrten Erde weg, da hatten se doch auch Verdienst. Erst waren se e so froh! Aber die Arbeit war was ungesund, immer im Modder stehn ud buddeln — se kriegten Fieber, un noch derzu stach dat an. Typhus war schon früher in Meerscld gewesen. Das halbe Dorf war krank. Nu wurd dat en Hauptspcktakel! Die Männer wollten net mehr arbeiten, die Weiber rückten dem Bürg- meister auf den Hals un lamentierten; er ließ den Doktor kommen un hat den bezahlt, alles auf eigne Rechnung. „Endlich war doch die Arbeit fertig. Im vorigen Sommer haben se zum erstenmal das Land bebaut. Der Bürgemeister hat gesagt, erst müßt es Wiese sein. Aber ne, sie fingen gleich an mit Hafer un Gerste un Roggen un Kartoffeln, jeder wat anders; un aus nix wurde was. Jelles, waren die Meerkelder falsch! All die Arbeit um«