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- Erscheinungsdatum
- 1921-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192106167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19210616
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19210616
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-06
- Tag 1921-06-16
-
Monat
1921-06
-
Jahr
1921
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ermäßigte er die Forderung auf 200 000 Mark, um sich schließ lich mit 46000 Mark zufrievenzugeben. Er drohte dem Pastor aber, daß er das Pfarrhaus in die Lust sprengen würde. Schmidt habe den Eindruck, als ob Hölz das, was er tue, innerlich widerstrebend tue. Von Zeit zu Zeit, besonders wenn er auf seine Jugend und seine Eltern zu sprechen kam, wurde der gesürchtcte Räuberhauptmann sogar sentimental. Welt- und Volkswirtschaft. Der Stand der Mark. Die nachstehende Tabelle besagt, wieviel Mark für 100 Gulden, 100 dänische, schwedische, norwegische, österreichische, ungarische oder tschechische Kronen, 100 schweizerische, belgische und französisch», Frank, 100 italienische Lire, sowie für 1 Dollar und 1 Pfund Sterling gezollt wurden. („Brief" --- angeboten; „Geld" --- gesucht.! Danach war also die Mark in Pfennigen ungefähr wert in! Holland 7,5,; Italien 24.8; England 8.0; Amerika 6.1: Frankreich 15,1 Börsenplätze 14. 6. 1». 6. Stand 4.8. 44 Geld Bries Geld Brief Holland . .. Gulden 2307,6S 2312,35 2347,35 2352,35 170 LU. Dänemark .. Kronen 1174,80 1177,20 1216,25 1218,75 112 . Schweden .. Kronen 1563,40 1556,50 1585,90 1589,10 112 . Norwegen .. Kronen 1008,85 1011,05 1038,95 1041,05 112 , Schweiz ... Frank — — 1198,80 1201,20 72 . Amerika ... Dollar — — 72,17 72,33 4,40. England .. . Pfund 261,20 261,80 268,20 268,80 20,20. Frankreich .. Frank — — 568,40 569,60 80 Belgien.... Frank — — 564,40 565,60 80 , Italien .... Lire —— — 354,60 355,40 80 Dt.-Österreich Kronen 14,48 14,52 14,68 14,72 85 Ungarn.... Kronen 27,22 27,28 27,27 27,33 85 Tschechien.. . Kronen 95,15 95,35 95,65 95,85 85 Neveste Meldungen. Einstellung der oberschlcsischen Säuberungsaktion. Oppeln. Die Interalliierte Kommission hat die Säube- rungsaktion in Oberschlesien eingestellt. Als Grnnd hierfür gab sie den politischen Parteien an, daß der Selbstschutz sich weigert, vor Niederschlagung des Aufstandes die durch ihn befreiten, von ihm beschützten Gegenden zu räumen. Die deutschen Parteien vertreten den Standpunkt, daß es Aufgabe der Interalliierten Kommission ist, endlich einmal gegen die Insurgenten vorzugehen, nicht aber gegen den Selbstschutz, der sich mit Beendigung des Aufstandes von selbst auflöst. Die Bevölkerung kann sich den von ihr selbst ge schaffenen Schutz nicht nehmen lassen, bevor sie durch Taten der Kommission eine Gewähr für ihre volle Sicherheit er halten hat. Eine neue Paßverordnung im Rheinland. Koblenz. Die den Paß- und Sichtvermerkszwang regelnde deutsche Reichsverordnung vom 10. Juni 1919, die bisher von der Nbcinlandkommission suspendiert war, ist nunmehr zur Anwendung im befehlen Gebiet zugelafsen, jedoch mit dem Vorbehalt, daß die Bestimmungen der deutschen Verordnung die Bestimmung und die Ausführung des Titels 1 der Ver ordnung 3 der Rheinlandkommission unberührt lassen. Die Veröffentlichung der deutschen Paßverordnung in den deut schen Zeitungen darf nur mit Beifügung der von der alliier ten Kommission vorgeschriebenen Einschränkungsbestimmungen erfolgen, ebenso der öffentliche Anschlag. Konferenz Briand-Lloyd George. London. Chamberlain teilte im Unterhause mit daß die Konferenz der Ersten Minister aus nächste Woche verschoben worden ist, da Lloyd George von seinem Arzte untersagt wurde, sich vorher Amtsgeschäften zu widmen. Finanzkonferenz der Entente in London. Rom. Der italienische Finanzminister reist nach London zur Teilnahme an einer Konferenz der Finanzminister der Entente. „ Ein zweiter Zeppelin verunglückt. Rom. Auch der zweite der von Deutschland an Italien au'sgelieferten Zeppeline, das Luftschiff „Ausonia". ist ver unglückt. Nach „Messagers" soll der Verlust daraus zuruckzu führen sein, daß das Luftschiff in der Halle nur ungenügend gegen den Wind geschützt war. Der Krieg in Kleinasien. Athen. 13 griechische Schiffe und Kriegsschiffe befinden sich im Schwarzen Meere zur Blockade der Küste und der Hafen Kleinasiens. Aus dem Pyräus sind am Sonnabend noch weitere acht Kriegsschiffe ausgelaufen. Letzte Drahtberichte des „WUsSrE«- Das „Garantie-Komitee" in Berlin. Paris, 15. Juni. Wie die Blätter mitteilen, ist das Ga rantie-Komitee sür die deutsche Reparationsschuld gestern abend nach Berlin abgefahren. Keine Bezahlung der Streiktage in München München. Das Arbeitgeberkartell hat beschlossen, die Ge- ncralstreiktaae nickt zu bezahlen Trennung der feindlichen Fronten in Oberschlesien. Paris, 15. Juni, (tu.) Die Kette der alliierten Truppen, welche die beiden von Deutschen und Polen besetzten Teile trennen soll, ist jetzt bis auf eine kleine Strecke nördlich Rothen bergs fertiggestellt. Für Aushebung der Zwangswirtschaft für Getreide. Berlin, 15. Juni, (tu.) Die deutschnationale Fraktion des Reichstages hat folgende Entschließung eingebracht: Der Reichs tag wolle beschließen, unter Ablehnung des Gesetzentwurfs über die Regelung des Verkehrs mit Brotgetreide, den freien Ver kehr für Brotgetreide, Gerste und Hafer inländischer Ernte ein zuführen. Errichtung einer deutschen Fabri! auf Java? Rotterdam, 15. Juni, (tu.) Es wird gemeldet, daß Pläne zur Errichtung einer deutschen Werkzeug- und Eisenbahn- materialfabrik in Cheribon aus Java bestehen. Die Fabrik soll 1500 gelernte deutsche Arbeiter zuzüglich indischen Personals beschäftigen. Freier Weizenhandel in Frankreich. Paris, 15. Juni, (tu.) Ein Regierungserlaß gibt die Einfuhr und den Handel des Weizens vom 1. August ab frei. Aus Stadl und Land. MtttcUim,«« für dies« «»drill »ü«-» mir »«lüdar Wilsdruff, am 15. Juni. — Nach aprilmäßig unfreundlichen Tagen hat sich heute der Himmel aufgeheitert und wohlig empfindet man den Strahl der Sonne. Hoffentlich bleiben wir jetzt von weiteren Niederschlägen verschont. Die Vegetation hat auf längere Zeit genug Nahrung bekommen. Auf den Wiesen liegt das Gras in Schwaden oder steht bereits in Böcken, harrend der dörrenden Sonnenwärme, die es zum Einbringen in die Speicher reif machen soll. Auch der Erdbeeren- und Kirschenernte kam der langanhaltende Regen recht ungelegen. Die Früchte beginnen aufzuplatzen und an Zuckergehalt zu verlieren. In Süddeutschland ist allerdings die Kühle noch im Zunehmen. In München ist die Temperatur gestern auf 8,8 Grad Celsius im Alpenvorland (Partenkirchen) und im Allgäu (Oberstdorf) bis auf 4 Grad herunlergegangen. Bei Tegernsee hat es bis auf 1500 Meter herunter geschneit. Auch in Ammergau ist viel Neuschnee gefallen. — Geschäftszeit der Ministerien. Beim Ministerium des Innern, beim Arbeits- und beim Wirtschaftsministerium ist die Dienstzeit an den Werktagen auf 7 bis 3 Uhr festgesetzt worden. Der öffentliche Verkehr wird jedoch, von dringenden Fällen ab gesehen, bei der Ministerialkassenverwaltung auf die Zeit von 9 bis 1 Uhr und im übrigen aus die Zeit von 9 Uhr an be schränkt. — Keine Verlegung der Forstakademie Tharandt. In der gestrigen Sitzung des Landtages wurde ein Schreiben des Mi nisterpräsidenten verlesen, nach dem die Regierung die Vorlage über die Angliederung der Forstakademie Tharandt an die Universität Leipzig zurückzieht. Die auf der Tagesordnung stehende zweite Beratung der Vorlage fand daher nicht statt. — Teilweise Neuwahlen von Gemeindevertretungen. Der Rechtsausschuß des Landtages hat am Dienstag beschlossen, die Regierungsvorlage betreffend das Gemeindewahlrecht abzulehnen und lediglich zu bestimmen, daß in allen Gemeinden, die inner halb der letzten zwei Jahre ihre Gemeindevertretungen nicht neu gewählt haben, Neuwahlen noch im Laufe des Jahres 1921 vor zunehmen sind. — Die Gewerbesteuervorlage soll vom Rechtsausschuß des Landtages noch im Laufe dieser Woche erledigt werden. Der Ausschuß hat die allgemeine Vorberatung bereits am Dienstag begonnen. Die Behandlung der Vorlage, zu der zahlreiche Ein gaben aus den verschiedensten wirtschaftlichen Kreisen vorliegen, dürfte anfangs nächster Woche im Plenum erfolgen. — Die Uebernahme der Volksschullasten auf den Staat. Die sächsische Regierung hat dem Landtage eine Vorlage zugehen lasten über die Verteilung der persönlichen Volksschullasten zu den Staats- und Schulgemeinden in den Rechnungsjahren 1920 und 1921. Darnach soll die Besoldung der Lehrer in öffentlichen Volks- und Fortbildungsschulen auf die Zeit vom 1. Oktober 1920 bis 31. März 1922 verlagsweise aus der Staatskasse be zahlt werden. Den Gemeinden werden dafür von ihrem Anteil am Vertrage von der Einkommensteuer und der Körperschafts steuer bis 31. März 1922 25 Prozent und von da an 15 Prozent abgezogen und der Staatskasse überwiesen, und zwar solange, bis die Hälfte des Besoldungsauswandes erfüllt ist. Die Schul gemeinden sind verpflichtet, die Zahlung der Bezüge, die den Lehrern aus der Staatskaste gewährt werden, im Auftrage des Staates nach Anordnung der obersten Schulbehörde unentgelt lich zu besorgen. Oeffentliche Schulen im Sinne dieses Gesetzes sind die von Schulgemeinden unterhaltenen allgemeinen Volks- und Fortbildungsschulen. Unter Volksschulen sind auch Hilfs schulen zu verstehen. — Die Reform der Gemeindeverfassung. In der „Dresd ner Volkszeitung" nimmt der ehemalige Finanzminister Nitzsche zur Frage der Gemeindeverfastungsreform Stellung. Er stellt sich dabei in offensichtlichen Gegensatz zu den Anschauungen der Unabhängigen und einer Reihe von mehrheitssozialistischen Kom munalpolitikern, die für das Einkammersystem eintreten, also für die Beseitigung des Stadtrates als Körperschaft. Nitzsche sagt, daß die demokratische Form mit dem jetzigen Wahlrecht bereits erreicht sei und schlägt weiter vor, die Gemeindeverfas sungsreform nicht Hals über Kopf zu erledigen, dafür ein kurzes Sondergesetz neben dem Gemeindewahlrecht einzubringen. Nach ihm sollen im Stadtrat in Zukunft außer dem Vorsitzenden Ober bürgermeister nur die unbesoldeten (politischen) Ratsmitglieder ein Stimmrecht haben. Der Einfluß der besoldeten soll auf die beratende Stimme beschränkt werden. HI Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Fast alle größeren Zahlungen an die Post — Einzahlungen auf Postanweisungen und Zahlkarten, Bezahlung von Wert zeichen, Fernsprechgebühren, Zeitungsgebühren, Mieten, Schließfachgebühren usw. — können unter gewissen Vor aussetzungen bargeldlos durch Reichsbanküberweisungen, Neichsbankschecks, Postüberweisungen, Postschecks und Platzanweisungen beglichen werden. Überweisungen und Schecks gelten ohne weiteres als Bargeld. Auch sonst wer- den Postanweisungen und Zahlkarten abgesandt und Wert zeichen ausgehändigt, ohne daß die Gutschrift abgewartet wird, wenn Sicherheit hinterlegt ist oder der Kunde einen bei der Bestellpostanstalt schriftlich zu beantragenden Aus weis erhalten hat. Die Ausweise berechtigen auch zur Ein lösung von Nachnahmen und Postaufträgen, wenn die Postaufträge nicht sofort zurück-, weiter- oder zum Proteß zu geben sind. — Zur Frage der Wiedereinführung von Frauenabteilen in den Eisenbahnwagen wird mitgeteilt, daß die Einführung bei der Abwanderung in die unteren Wagenklassen aus Schwierigkeiten stößt, da die Abteile nur wenig benutzt worden sind. Da die Gleichberechtigung der Frau durchgeführt ist, können ihr eigentlich Sonderrechte nicht mehr zugestanden werden. — Der deutsche Landwirtschaftsrat hält am 21. und 22. Juni im Sitzungssaale der früheren ersten Ständekammer in Dresden seine 49. Plenarversammlung ab. — Deutsche Bauernhochschule. Die Schirmherrschaft der deutschen Bauernhochschule eröffnet am 15. Juli in Hellerau eine Beispiel-Bauernhochschule. Gemeinschaftsleben der Lehrer und Schülerschaft, Ernährungsreform, Körperzuckst, Gesundheits pflege, Willensbildung, Wandervogelkultur, Volksfeste, Werbe- und Kampfdienst, Siedlerarbeit und anderes soll praktisch durch geprobt werden. Die Lehrgänge sollen zwar im allgemeinen auch allen verständlich sein, in der Hauptsache wenden sie sich aber doch nur an Lehrer, Pfarrer, landwirtschaftliche und geistige Organisationen, Offiziere, Wandervögel, Lebensreformer, über haupt an alle, die Führer und praktische Mitkämpfer auf diesem Gebiete werden wollen. Es sollen Pioniere der völkischen Bauernhochschule aller deutschen Stämme, auch jenseits der Grenzen und Meere herangebildet werden. Mit diesen Beispiel lehrgängen soll jedem Teilnehmer der Beweis erbracht werden, daß sich der Gedanke der Bauernhvchschule überall und sofort durchführen läßt, und sie sollen auch den bereits bestehenden „Meine Ansicht ist, daß Eure Kinder wohl nirgends bester aufgehoben sind, als bei dieser jungen Dame." Lella fixierte ihn spöttisch. „Ah, wohl, weil sie so hübsch sein soll, — wie wenigstens Ottokar behauptet. Hast Du das auch gefunden?" „Ich habe mir keine Mühe gegeben, das herauszufinden. Die augenfällige Schönheit dieses Mädchens spricht ja für sich selbst. Und sie ist eben so gut wie schön, so daß sie nur den besten Einfluß auf die Kinder hat. — Mir ist es wirklich nicht gleich gültig, von wem die Kinder,, die ich lieb habe, erzogen werden!" „Ah, das ist sehr schmeichelhaft für mich, lieber Rüdiger!" Lella legte die Fingerspitzen gegen einander und sah ihn lächelnd an. „Es sind doch meine Kinder! Ottokar hat ja noch zwei — nicht wahr?" wandte sie sich an ihren Gatten . Der wurde dunkelrot, und seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Lella," stieß er zornbebend hervor. „Nun, ja, weshalb ereiferst Du Dich, mein Freund? Ich trage es Dir doch nicht nach, das weißt Du ja! Nur freue ich mich, daß Rüdiger sich so sehr für meine Kinder interessiert, während ihm die Deiner ersten Frau doch ein Dorn im Auge waren." Ottokar sprang so heftig, daß der Sessel, in dem er lehnte, auf dem glatten Parkett ein Stück zurückflog. Die Adern auf seiner Stirn schwollen dick an, in seinem Gesicht arbeitete und zuckte es. Sie wandte ein wenig den Kopf nach der Seite, ohne sich weiter zu erregen; sie blieb kalt. „Was ficht Dich an, mein Freund? Willst Du eine Szene provozieren? Freue Dich doch, daß ich so gelasten über eine Episode in Deinem Leben denke, die andere Frauen mit Unruhe und Eifersucht erfüllen würde. Wer bürgt mir denn dafür, daß Du nicht hinter meinem Rücken die alte Verbindung hast wieder erneuern wollen?" „Lella, bist Du wahnsinnig? Mein Ehrenwort muß Dir genügen, daß ich nie den Versuch gemacht habe!" fuhr Otto kar auf. Der Legationsrat saß ganz unbewegt da, als ob ihn das alles nichts anginge. Sein Gesicht trug den verschlossenen, hoch mütigen Zug, mit dem er alles Lästige von sich wies. Lellas Art, solche Szenen um nichts heraufzubeschwören, war ihm im höchsten Grade peinlich. Hochgeboren ist nicht immer hochgesinnt! Und er dachte, daß seine Mutter ihm diese Frau als Lebensgefährtin gewünscht! Tiefunglücklich wäre er geworden. Sein Gefühl, das ihn vor Lella gewarnt, war richtig gewesen! — Voll mühsam unterdrückter Erregung, die Hände am Rücken verschlungen, ging Ottokar auf und ab. Alles in ihm kochte; er hätte irgend einen Gegenstand nehmen mögen und zu Boden schmettern, um auf diese Weise eine Erleichterung zu finden. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Doch die Gegenwart des Bruders hinderte ihn daran, sich so unbeherrscht zu zeigen. Ein schwüles Schweigen war zwischen den dreien; keiner sprach ein Wort. Lella hatte — als Ausfluß ihrer schlechten Laune, wieder einmal ihren Giftpfeil verschossen und war nun etwas beruhigt. Ossi stürmte jetzt herein, nachdem er heftig die Tür auf- gerissen. „Fräulein sagt, ich solle jetzt zu Bett gehen, und es ist noch nicht mal sieben!" rief er weinerlich, „und ich mag noch nicht!" Lora stand draußen in der hell erleuchteten Diele. Ostis Eigensinn war ihr peinlich; doch sie konnte nichts dafür. Sicher würde er ihr wieder eine Rüge von der Gräfin einbringen! Sie trat näher und wartete auf Lellas Aeußerung. „Wenn Fräulein das sagt, Ossi, so hast Du auch zu ge horchen!" sagte der Legationsrat da in so bestimmtem, ernstem Tone, daß der Knabe ihn beinahe erschreckt ansah; er war nicht gewohnt, daß man so mit ihm sprach! — „Also, gute Nacht, mein Bübchen! Schlafe gut. Na, willst Du Papa und Mama nicht auch gleich gute Nacht sagen?" meinte er, als Ossi trotzig ohne weiteres das Zimmer wieder verlasten wollte, „Du siehst, sie warten darauf!" Freudig errötend nahm Lore ihn in Empfang; Lella lächelte spöttisch ausdrucksvoll, während ihr Blick auf die Männerhand schrift siel. „Und dann, wenn Ossi im Bett ist, können Sie sich um kleiden. Sie essen heute abend mit uns —" Lieber mochte die Erzieherin die Lücke am Tisch ausfüllen, als daß sie allein mit den Herren saß! Da wurde die Gräfin ans Telephon gewünscht. Angeregt, lächelnd, kam sie zurück. „Frau Geheimrat Matthes wird in einer halben Stunde hier sein! Sie fragte an, ob ich Lust hätte, zu einem Plauder stündchen zu ihr zu kommen; statt besten habe ich sie zu uns ge beten. Ich denke, die Herren haben nichts dagegen?" Ottokar nickte; ihm war alles recht. „Wer ist Frau Geheimrat Matthes?" fragte Rüdiger. „Die Dame habe ich neulich auf dem Basar kennen ge lernt. Seit einigen Jahren ist sie Witwe; sie wohnt in der Königinstraße. Eine gescheite Frau, lebhaft, geistreich, schick." Ottokar stimmte Lellas Worten zu. Sehnsüchtig erwartete er die Dame, deren Anwesenheit ihn vor den Nadelstichen seiner Frau schützte, gegen die er wehrlos war. Pünktlich erschien die Erwartete. Es war, als ob ihr Kom men, Heiterkeit, Sonnenschein mit sich brachte, so belebend wirkte ihr ganzes Wesen. „Ich bin nun wirklich so „sans fasson" hier hereingeschneit! Hatte heute abend Sehnsucht nach Menschen, nach Unterhaltung." „Und wir sind glücklich, daß wir dieser Sehnsucht Ihre Gegenwart zu verdanken haben!" sagte Ottokar, der viel Sym pathie für die große, schlanke, nicht mehr junge Frau mit dem klugen, ausdrucksvollen Gesicht hatte. Man ging bald zu Tische. Die ovale Tafel in dem modern eingerichteten Eßzimmer war reich mit Kristall und Blumen geschmückt. Das von dem orangefarbenen Seidenschleier gedämpfte Licht der elektrischen Lampen fiel blendend auf das seidig schimmernde Damasttuch und spiegelte sich in dem Silber wieder. Als Lore hörte, daß Besuch gekommen, hielt sie sich be scheiden zurück, was Gräfin Lella ganz in der Ordnung fand. Komtesse Thekla, die mit zu Tisch saß, begrüßte den Gast ihrer Eltern mit zierlichem Knix. „Nun, Komtesse, was haben Sie sich denn beim Christ kindl bestellt?" fragte Frau Jakobe von Matthes. „Einen Selbstfahrer! — Papa meint aber, dazu bin ich noch zu jung," schmollte sie. „Vielleicht hat der Herr Papa da nicht ganz Unrecht, Kom- testerl." „Im Sommer kann sie fahren, so viel sie mag, wenn wir wieder in Lengefeld sind " „Ach ja, Ihr schönes Lengefeld! Wie beneide ich Sie darum! Herrlich muß es dort sein." „Man kann auch eine andere Ansicht darüber haben, Frau Geheimrat!" entgegnete Gräfin Lella, „für mich ist es der In begriff der Langeweile geworden. — Immer Lengefeld, jeden Sommer." „Du bist genügend auf Reisen, Lella. Und für Deine Nerven ist die geschmähte Langeweile das beste Mittel." Lella verzog geringschätzig den Mund und beachtete den Einwurf ihres Mannes nicht. (Fortsetzung folgt.)
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